Pflegefachpersonen übernehmen zentrale gesellschaftliche Aufgaben. Dabei weisen Untersuchungen auf hohe psychosoziale Anforderungen und eine erhöhte psychische Beanspruchung hin. Vor dem Hintergrund der Bedeutung der Pflegeberufe werden in diesem Beitrag die psychische Beanspruchung sowie Belastungs- und Resilienzfaktoren bei Pflegefachkräften analysiert und im Zusammenhang mit Ansätzen zur Gesundheitsförderung diskutiert. Zur besseren Einordnung der Ergebnisse erfolgen die Untersuchungen im Berufsvergleich.

Hintergrund und Fragestellung

Der demografische Wandel lässt die Notwendigkeit an professionellen Pflege- und Betreuungsleistungen steigen und der Bedarf an professionellen Pflegekräften nimmt zu [17]. Komplexere Versorgungssituationen, bedingt durch Multimorbidität und chronische Erkrankungen, erhöhen die beruflichen Anforderungen in der Pflege [10]. Gleichzeitig ist die gesundheitliche Situation von Pflegefachpersonen besorgniserregend: Berufsvergleichende Analysen zeigen, dass Pflegefachpersonen die höchste psychische Erschöpfung in den sozialen Interaktionsberufen aufweisen, die im Zeitraum von 2006 bis 2018 zudem überdurchschnittlich anstieg [2].

Die hohe Erschöpfung in den Pflegeberufen korreliert mit hohen berufsbedingten Anforderungen. Diese bestehen zum einen aus körperlichen Belastungen, wie z. B. der Arbeit im Stehen oder das Heben und Tragen von schweren Lasten [8, 18]. Einen weiteren belastenden Faktor für Pflegefachpersonen kann die Schichtarbeit darstellen [15, 18], die neben Konzentrations- und Schlafproblemen [1] auch zu Konflikten in der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben führen kann [18].

Zum anderen werden hohe psychische Anforderungen an Pflegefachpersonen gestellt. Pflegefachpersonen arbeiten sehr häufig im direkten Kontakt mit pflegebedürftigen Menschen [8] und leisten daher einen hohen Anteil an psychosozial beanspruchender Interaktionsarbeit [3]. Nicht immer gelingt die Interaktion: Pflegefachpersonen berichten häufig von belastenden körperlichen oder verbalen Aggressionen [8, 21]. Erschwerend besteht seit einigen Jahren ein erheblicher Fachkräftemangel in der Pflege, der zu einer Verdichtung der Arbeit und Erhöhung der Arbeitsintensität führt [5, 21]. Daneben gelten eine als zu gering empfundene Entlohnung und Wertschätzung [8, 15, 18, 21] als weitere Belastungsfaktoren.

Als gesundheitsförderliche Resilienzfaktoren gelten die soziale Unterstützung durch Vorgesetzte [7, 18] und ein authentisches Management [9]. Auch die soziale Unterstützung durch das Team [9, 15] stellt einen wichtigen Resilienzfaktor dar. Förderlich ist zudem, wenn die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den Pflegefachpersonen selbst, im interprofessionellen Team, und mit Patienten und deren Angehörigen als respektvoll und wertschätzend wahrgenommen werden [9, 21].

Zur Stabilisierung der Gesundheit von Pflegefachpersonen bestehen seit wenigen Jahren gesundheitsfördernde Initiativen und Projekte (u. a. das Projekt QualiPEP der Allgemeinen Ortskrankenkasse [AOK]). Auch gesetzliche Maßnahmen fokussieren Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (z. B. das 2018 beschlossene Sofortprogramm Pflege mit dem Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals durch das Bundesministerium für Gesundheit [BMG]).

Jedoch ist der Wissensstand zur Gesundheitssituation von Pflegefachpersonen, insbesondere im Berufsvergleich, immer noch gering. Im internationalen Vergleich fehlt es in Deutschland grundsätzlich an Studien bezüglich der Gesundheits- und Arbeitssituation [24]. Dabei ermöglichen berufsvergleichende Analysen mit den ebenso beanspruchten sozialen Interaktionsberufen der Erzieher und Sozialarbeiter [2] mit einem hohen Anteil an klientennaher Interaktionsarbeit [8], die gesundheitlichen Bedarfe von Pflegefachpersonen genauer einzuschätzen. Speziell fehlen Erkenntnisse zu Resilienzfaktoren, an welchen in den aktuellen Programmen zur Gesundheitsförderung angeknüpft werden sollten.

Vor dem Hintergrund dieser Desiderate werden zwei Forschungsfragen verfolgt:

  1. 1.

    Wie stark sind die psychische Erschöpfung und die berufsspezifischen Belastungsfaktoren von Pflegefachpersonen im Vergleich zu Erziehern und Sozialarbeitern sowie sonstigen Erwerbstätigen ausgeprägt?

  2. 2.

    Wie stark sind die Resilienzfaktoren von Pflegefachpersonen im Vergleich zu Erziehern und Sozialarbeitern sowie sonstigen Erwerbstätigen ausgeprägt?

Die Studie wird im Rahmen des Belastungs- und Beanspruchungsmodells [23] durchgeführt. Unter psychischer Belastung werden sämtliche Einflüsse verstanden, die von außen auf das Individuum zukommen und psychisch auf es einwirken, wie z. B. bei Pflegefachpersonen der Zeitmangel [8]. Die psychische Beanspruchung stellt die zeitlich unmittelbare Beanspruchungsreaktion und Folge der Belastung dar, wie z. B. Müdigkeit oder Kopfschmerzen [2].

Zudem wird, einer salutogenetischen Sichtweise folgend, das Konzept der Resilienz hinzugezogen. Dies bezeichnet die psychische Widerstandsfähigkeit [25]. Ein wichtiger sozialer Resilienzfaktor ist die soziale Unterstützung, die in mehrfacher Hinsicht gesundheitserhaltend bzw. -förderlich wirken kann. Diese kann vor psychosozialem Stress abschirmen bzw. die subjektive stressbedingte Wirkung abpuffern [6]. Zudem können hilfreiche soziale Beziehungen und Bindungen positiv wirken, indem diese die betroffene Person unterstützen, die Belastungen erfolgreich zu bewältigen oder zu akzeptieren [27]. Personale Resilienzfaktoren stellen u. a. eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung und gute Selbstregulationsfähigkeiten dar [25].

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Datenbasis und Stichprobe

Analysiert wird die berufsvergleichende Querschnittstudie „BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung – Arbeit und Beruf im Wandel, Erwerb und Verwertung beruflicher Qualifikationen“ von 2018 [12]. Die telefonischen Befragungen („dual frame“, „random digit dialing“) werden alle 6 Jahre vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) durchgeführt. Befragt werden Erwerbstätige ab 15 Jahren mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 10 h pro Woche (n = ca. 20.000). Die Erwerbstätigenbefragung ist bestrebt, eine repräsentative Stichprobe der Grundgesamtheit zu erhalten. Zur Verringerung der Über- und Unterrepräsentation einzelner Gruppen wird eine Gewichtung vorgenommen (detailliert in: [11]).

Eingeschlossen wird die Gruppe „Pflegefachpersonen“, die sämtliche Berufsangehörige der Altenpflege, Krankenpflege und dem Hebammenwesen beinhaltet. Als Vergleichsgruppen werden die Berufsangehörigen der frühkindlichen Bildung und der Sozialen Arbeit herangezogen. Die Angehörigen aller anderen Berufe bilden die dritte Vergleichsgruppe.

Variablenbeschreibung und statistische Auswertung

Die psychische Beanspruchung wird mit einem etablierten additiven Index [13] aus 6 arbeitsbedingten psychischen Beanspruchungsreaktionen erfasst (Frage: „Sagen Sie mir bitte, ob die folgenden gesundheitlichen Beschwerden bei Ihnen in den letzten 12 Monaten während der Arbeit bzw. an Arbeitstagen auftreten sind. Uns interessieren die Beschwerden, die häufig vorkamen.“ [Variablen: Kopfschmerzen, Nächtliche Schlafstörungen, Allgemeine Müdigkeit, Mattigkeit oder Erschöpfung, Magen- oder Verdauungsbeschwerden, Nervosität oder Reizbarkeit, Niedergeschlagenheit]). Diese Symptome stehen in Zusammenhang mit einem erhöhten psychischen Beanspruchungserleben, wie sie nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsstörungen (ICD) bei depressiven Erkrankungen oder Erschöpfungszuständen auftreten können (ICD-10-GM, Version 2022). Die Beschwerden wurden mit einer dichotomen Variable abgefragt und umkodiert (1 = liegt vor, 0 = liegt nicht vor). Die Indexwerte für die psychische Erschöpfung der vier Berufsgruppen werden zunächst deskriptiv analysiert. Die statistische Signifikanz der Mittelwertunterschiede wird mit 95 %-Konfidenzintervallen gezeigt (5 %-Signifikanzniveau).

Um die Belastungs- und Resilienzfaktoren zu erheben wurden die im Datensatz verfügbaren empirisch bekannten gesundheitsrelevanten Items bei Pflegefachpersonen, wie z. B. Zeitmangel oder die soziale Unterstützung [4], ausgewählt (sämtliche Items mit Fragewortlauten unter Abb. 2 und 3).

Sämtliche verwendeten nicht-dichotomen Fragen wurden in der Studie in einem vierstufigen ordinalskalierten Format abgefragt. Die Variablen wurden dichotomisiert in 0 (umfasst die Ausprägungen nie/selten/manchmal) und 1 (häufig). Es wurden keine Mittelwerte gebildet, da nicht sinnvoll argumentiert werden kann, ob ‚manchmal‘ näher an ‚selten‘ oder an ‚häufig‘ liegt. Es werden die prozentualen Anteile der Befragten berichtet, die den jeweiligen Belastungs- und Resilienzfaktor als „häufig“ ausgeprägt beschreiben. Die Signifikanz der Häufigkeitsunterschiede wird mittels Konfidenzintervallen geprüft (5 %-Signifikanzniveau).

Für die Auswertungen wird das Softwarepaket IBM SPSS® Statistics Version 28 verwendet.

Die Abb. 1 fasst die untersuchten Variablen und angenommenen Zusammenhänge für die vorliegende Studie zusammen.

Abb. 1
figure 1

Angenommenes Wirkmodell der Resilienzfaktoren zur Abmilderung der Belastungsfaktoren. (Mod. nach [30])

Ergebnisse

Die Zusammensetzung der gewonnenen Stichprobe ist in Tab. 1 dargelegt.

Tab. 1 Stichprobe (nach Gewichtung)

Psychische Erschöpfung und Belastungsfaktoren

Die psychische Erschöpfung ist bei Pflegefachpersonen mit einem Mittelwert von m = 2,49 Symptomen (95 %-Konfidenzintervall [KI]: 2,37–2,62; n = 856) im Berufsvergleich sehr hoch: Innerhalb der im Datensatz verfügbaren 65 Berufe mit mindestens 100 gültigen Fällen haben Pflegefachpersonen in der psychischen Erschöpfung den höchsten Mittelwert. Etwas niedriger ist sie in der frühkindlichen Bildung (m = 2,31; 95 %-KI: 2,14–2,48; n = 411). Deutlich und signifikant (5 %-Niveau) niedriger als bei Pflegefachpersonen ist die psychische Erschöpfung in der Sozialen Arbeit (m = 1,88; 95 %-KI: 1,64–2,11; n = 264) und v. a. bei allen anderen Erwerbstätigen (m = 1,69; 95 %-KI: 1,67–1,72; n = 18.340).

Bei Pflegefachpersonen treten alle Belastungsfaktoren (Abb. 2) bis auf den ersten Faktor „Dinge verlangt, die nicht gelernt wurden oder nicht beherrscht werden“, signifikant (5 %-Niveau) häufiger auf als bei den Angehörigen der anderen Berufsgruppen.

Abb. 2
figure 2

Belastungsfaktoren im Berufsvergleich. Anteile der Befragten, die den jeweiligen Belastungsfaktor als „häufig“ bezeichnen; Punkte: Prozentwerte | Linien: 95 %-Konfidenzintervalle; Fallzahlen (Pflege | frühkindliche Bildung | Soziale Arbeit | andere Berufe): Wie häufig kommt es vor, dass Dinge von Ihnen verlangt werden, die Sie nicht gelernt haben oder die Sie nicht beherrschen? (865 | 412 | 264 | 18.432). Wie häufig kommt es vor, dass Ihre Tätigkeit Sie in Situationen bringt, die Sie gefühlsmäßig belasten? (865 | 412 | 264 | 18.436). Wie häufig kommt es vor, dass Sie bis an die Grenzen Ihrer Leistungsfähigkeit gehen müssen? (865 | 412 | 264 | 18.429). Wie häufig kommt es vor, dass Sie unter starkem Termin- oder Leistungsdruck arbeiten müssen? (865 | 412 | 264 | 18.465). Antwortmöglichkeiten: häufig | manchmal | selten | nie

Resilienzfaktoren

Während die Belastungsfaktoren bei Pflegefachpersonen im Berufsvergleich deutlich häufiger genannt werden, sind die Resilienzfaktoren seltener ausgeprägt (Abb. 3):

Abb. 3
figure 3

Resilienzfaktoren im Berufsvergleich. Anteile der Befragten, die den jeweiligen Resilienzfaktor als „häufig“ bezeichnen; Punkte: Prozentwerte | Linien: 95 %-Konfidenzintervalle; Fallzahlen (Pflege | frühkindliche Bildung | Soziale Arbeit | andere Berufe). Wie häufig kommt es vor, dass Sie sich an Ihrem Arbeitsplatz als Teil einer Gemeinschaft fühlen? (855 | 405 | 251 | 17.384). Wie oft empfinden Sie die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Ihren Arbeitskollegen/Mitarbeitern als gut? (849 | 404 | 250 | 17.260). Wie oft bekommen Sie Hilfe und Unterstützung für Ihre Arbeit von Kollegen, wenn Sie diese brauchen? (830 | 402 | 240 | 16.282). Und wie oft bekommen Sie Hilfe und Unterstützung für Ihre Arbeit von Ihrem direkten Vorgesetzten, wenn Sie diese brauchen? (834 | 401 | 238 | 16.138). Wie oft gibt Ihnen Ihr direkter Vorgesetzter Lob und Anerkennung, wenn Sie gute Arbeit leisten? (834 | 401 | 234 | 16.164). Wie oft kommt es vor, dass es Ihnen schwerfällt, nach der Arbeit abzuschalten? (gedreht). Gezeigt werden die Anteile jener, denen es nicht häufig schwerfällt, nach der Arbeit abzuschalten (862 | 412 | 264 | 18.440). Wie häufig kommt es vor, dass Sie Einfluss auf die Ihnen zugewiesene Arbeitsmenge haben? (849 | 406 | 249 | 17.366). Abtwortmöglichkeiten: häufig | manchmal | selten | nie

Die soziale Unterstützung durch die Kollegen (ersten 3 Items in Abb. 3) stellt sich im Berufsvergleich für Pflegefachpersonen folgendermaßen dar: Pflegefachpersonen schätzen das Item „ein Teil einer Gemeinschaft“ zu sein signifikant (5 %-Niveau) häufiger ein als andere Berufe. Die Einschätzung einer guten „Zusammenarbeit im Team“ ist jedoch signifikant seltener, während das Erhalten von „Hilfe und Unterstützung Team“ insignifikant häufiger ist als bei Beschäftigten anderer Berufe.

Jedoch werden die Items der sozialen Unterstützung durch die Kollegen innerhalb der Sozialberufe von Pflegefachpersonen als vergleichsweise seltener eingeschätzt. Dabei werden die Items „Teil einer Gemeinschaft“ sowie „Zusammenarbeit im Team“ signifikant seltener als in den beiden anderen Sozialberufen und das Item „Hilfe und Unterstützung Team“ insignifikant seltener eingeschätzt.

Die Hilfe und Unterstützung von Vorgesetzten wird von Pflegefachpersonen signifikant seltener im Vergleich mit allen anderen Berufen eingeschätzt. Ebenso ist die Einschätzung signifikant seltener als in der frühkindlichen Bildung und insignifikant seltener als in der Sozialen Arbeit.

Die Einschätzung der Häufigkeit von Lob und Anerkennung durch Vorgesetzte liegt im Berufsvergleich auf mittlerem Niveau und unterscheidet sich von keiner anderen Berufsgruppe signifikant.

Die Distanzierungsfähigkeit wird von Pflegefachpersonen, ähnlich wie Berufsangehörige der frühkindlichen Bildung, vergleichsweise seltener als in der Sozialen Arbeit und bei anderen Erwerbstätigen eingeschätzt. Dabei ist nur der Abstand zur Gruppe der anderen Berufe statistisch signifikant.

Die erlebte Autonomie von Pflegefachpersonen hinsichtlich des Einflusses auf die Arbeitsmenge ist etwas häufiger als in den anderen Berufen. Zur frühkindlichen Bildung und zur Sozialen Arbeit ist der Unterschied statistisch signifikant.

Diskussion

Ziel der Studie war es, die psychische Erschöpfung von Pflegefachpersonen im Berufsvergleich zu untersuchen und das Ausmaß von Belastungs- und Resilienzfaktoren zu analysieren.

Die Ergebnisse zeigen, dass Pflegefachpersonen die höchste psychische Erschöpfung aufweisen. Dies korrespondiert mit den überdurchschnittlichen Fehltagen von Pflegefachpersonen aufgrund psychischer Erkrankungen in den Fehlzeitenberichten (u. a. [19, 22]). Darüber hinaus haben Beschäftige in der Kranken- und Altenpflege deutlich höhere Fehlzeiten als der Durchschnitt aller Beschäftigten [22].

Die hohe Erschöpfung kann mit den hohen berufsbedingten Belastungen erklärt werden. Die Studie zeigte bei Pflegefachpersonen im Berufsvergleich mit Erziehern und Angehörigen der Sozialen Arbeit die höchste gefühlsmäßige Belastung, was mit anderen Befunden im Einklang steht [8]. Dies kann durch den hohen Anteil an Interaktionsarbeit mit pflegebedürftigen Menschen erklärt werden. Jedoch leisten Erzieher sowie Berufsangehörige der Sozialen Arbeit auch einen hohen Anteil an Interaktionsarbeit [8]. Verstärkend könnte der bei den Pflegefachpersonen in der Studie gezeigte höchste Termin- oder Leistungsdruck wirken, so dass aus Zeitmangel den zu pflegenden Personen nicht die notwendige Versorgung entgegengebracht werden kann. Der Widerspruch zu Professionalität und Berufsethos von Pflegefachpersonen stellt einen Belastungsfaktor dar, der auch zum Berufsaustritt führen kann [29].

Diese Ergebnisse bestätigen die zwingende Notwendigkeit der Programme zur personellen Entlastung von Pflegefachpersonen (u. a. das Sofortprogramm Pflege des BMG). Auch sind verbindliche Vorschriften für die Personalausstattung in der Pflege notwendig, wie das am 1. Januar 2023 in Kraft getretene Gesetz zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus (Krankenhauspflegeentlastungsgesetz – KHPflEG) vorsieht. Parallel sind Ansätze der betrieblichen Gesundheitsförderung zu begrüßen, welche das individuelle Stressbewältigungsverhalten von Pflegefachpersonen fokussieren und das Risiko von Beanspruchungsfolgen mindern. So konnten z. B. Maatouk et al. [16] bei einer Interventionsstudie mit älteren Pflegefachpersonen zeigen, dass eine Schulung mit theoriebezogenen Einheiten zu Altern und Arbeit im Gesundheitssystem sowie Stressreduktion durch Achtsamkeitsübungen zu signifikanten Verbesserungen der psychischen Gesundheitssituation führten.

Jedoch ist neben den hohen Belastungen bei Pflegefachpersonen die geringe Ausprägung der Resilienzfaktoren auffällig. Bei Pflegefachpersonen ist der Resilienzfaktor der sozialen Unterstützung durch das Team im Vergleich mit Erziehern und Berufsangehörigen der Sozialen Arbeit eher geringer ausgeprägt. Dies ist in einem Beruf, in dem bei vielen Tätigkeiten die Unterstützung der Kollegen erforderlich ist, ungewöhnlich. Dabei kann, neben physischer Unterstützung, auch die soziale Unterstützung bei belastenden Situationen mit Pflegeempfängern entlastend sein [21, 27]. Idealerweise wird in der Pflege, insbesondere im akutstationären Bereich und in der Langzeitpflege, in etablierten Teams gearbeitet. Jedoch zeigen aktuelle Studien, dass in den letzten Jahren in der stationären Akutpflege eine steigende Fluktuation zu beobachten ist [20], die sich negativ auf die kollegiale Zusammenarbeit auswirken könnte. Dies müsste in nachfolgenden Studien näher untersucht werden, um Programme zur Arbeitszufriedenheit und Mitarbeiterbindung zu fördern.

Weiterhin zeigen die berufsvergleichenden Analysen, dass der Resilienzfaktor der sozialen Unterstützung durch Vorgesetzte in den Pflegeberufen eher gering ausgeprägt ist. Dies markiert vor dem Hintergrund der Bedeutung des unterstützenden Verhaltens von Vorgesetzten für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Pflegefachpersonen [7, 18] einen deutlichen Handlungsbedarf. Folglich sind Fragen des Betriebsklimas im Pflegeberuf sehr relevant. Die betrieblichen Programme der Gesundheitsförderung können die in der Studie gewonnen Erkenntnisse aufgreifen und Ansätze der Organisationsentwicklung, wie Strategien zur Förderung von organisationaler Resilienz [14] in Krankenhäusern aber auch stationären Pflegeinrichtungen sowie ambulanter Pflege, noch stärker berücksichtigen. Wichtig scheinen zur Förderung der psychischen Gesundheit (und der Arbeitszufriedenheit) im Pflegeberuf die Schaffung von strukturellen Rahmenbedingungen, die einen partizipativen Führungsstil und eine ausgeprägte Rückmeldekultur, gute Kommunikationsstrukturen und transparente Abläufe gewährleisten [7].

Orientierung könnte das Konzept der Interventionsstudie „Magnet4Europe“ (2020–2023) bieten. Diese wird in 6 europäischen Staaten durchgeführt, wobei in Deutschland 20 Krankenhäuser einbezogen werden. Dabei wird ein evidenzbasiertes US-amerikanisches Interventionskonzept umgesetzt, das u. a. die Verbesserung der Arbeitsbedingungen vor dem Hintergrund von Wohlbefinden und psychischer Gesundheit verfolgt und auch dem Führungsstil der Vorgesetzten eine hohe Bedeutung zumisst [28].

Zukünftig sollten Längsschnittstudien die Wirkung der Resilienzfaktoren bei Pflegefachpersonen noch zuverlässiger untersuchen, um die Gesundheitsrelevanz abzusichern. Dabei sollte auch die Wirkung des Resilienzfaktors „Einfluss auf die Arbeitsmenge“ analysiert werden, der in dieser Studie bei Pflegefachpersonen zwar eher gering, jedoch höher als in den Vergleichsgruppen ausgeprägt ist [26]. Weiterhin sollten organisationale Arbeitsbedingungen, welche positive oder negative Wahrnehmungen begünstigen, für die näherungsweise Bestimmung kausaler Abfolgen über die Analyse von Paneldaten untersucht werden. Auch Studien, die auf einer Datenlage basieren, die einen stärkeren Vergleich von tätigkeitsbezogenen Untergruppen innerhalb der Pflege (z. B. unterschiedliche Versorgungssektoren, wie die ambulante und die akutstationäre Pflege) ermöglichen, wären zur weiteren Spezifizierung von gesundheitsfördernden Programmen hilfreich.

Limitationen

Für die Einschätzung der Ergebnisse sollten folgende Limitationen berücksichtigt werden:

Vergleiche zwischen Berufsgruppen können aufgrund der Selbstselektion der Personen in die Berufe, und daher einer fehlenden Randomisierung, keinen absolut zuverlässigen Aufschluss auf die Arbeitsbedingungen in den jeweiligen Berufen oder die Auswirkungen der Berufe auf die Erschöpfung geben.

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Prozentwerte in den Belastungen der einzelnen Berufe durch Berufsaustritte verzerrt werden können. Berufe, welche einen finanziell gut abgesicherten früheren Berufsaustritt ermöglichen, verlieren möglicherweise tendenziell mehr belastete Personen, so dass die durchschnittliche Belastung der verbleibenden Personen niedriger ausfällt. Hervorzuheben ist jedoch der große Umfang und die Qualität der Stichprobe.

Grundsätzlich muss angemerkt werden, dass aufgrund der Konzeption des Fragebogens der Studie, der sich auf die berufliche Tätigkeit bezieht, nicht nach verschiedenen Hintergrundvariablen kontrolliert werden kann, die z. B. in den Persönlichkeitseigenschaften der befragten Erwerbstätigen liegen.

Fazit für die Praxis

  • Vor dem Hintergrund der hohen gefühlsmäßigen Belastung und des Termin- und Leistungsdruckes sollten die betrieblichen Programme zur Gesundheitsförderung bei Pflegefachpersonen individuelle Maßnahmen zur Verbesserung der Stressbewältigungsfähigkeiten als auch zur Förderung der Distanzierungsfähigkeit anbieten.

  • Die gesundheitsfördernden Maßnahmen sollten die in der Studie für Pflegefachpersonen identifizierten geringer ausgeprägten Resilienzfaktoren fokussieren. Insbesondere sollten Maßnahmen zur kollegialen Zusammenarbeit gefördert werden, indem z. B. gemeinsame Betriebsausflüge angeboten werden oder Gesundheitszirkel etabliert werden, welche die Mitarbeiterzufriedenheit, das Betriebsklima und die Identifikation mit der Einrichtung fördern können.

  • Hervorzuheben sind Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Unterstützung durch Vorgesetzte. Ihnen kann das höchste Potenzial zugeschrieben werden, da diese, im Vergleich zu anderen Resilienzfaktoren, am seltensten vertreten sind.

  • Entsprechend sollten die betrieblichen Programme eine gesundheitsgerechte Führungskultur thematisieren. Dabei sollten Führungskräfte zum Zusammenhang von Wohlbefinden und psychischer Gesundheit geschult werden und konkrete Handlungsanweisungen zur Umsetzung eines unterstützenden Führungsstils, z. B. über das Führen von Mitarbeitergesprächen, erhalten.