In Deutschland arbeiten mehr als eine halbe Million pflegende und betreuende Pflegekräfte, davon mehr als zwei Drittel in der stationären Pflege und Betreuung und knapp ein Drittel in der ambulanten Versorgung [39]. Sie versorgen ca. 2,5 Mio. Pflegebedürftige [44] und werden durch verschiedene gesellschaftliche und politische Prozesse in ihrem Arbeits- und Lebensalltag vor besondere Herausforderungen gestellt. Die kommenden Jahre werden zeigen, inwieweit zahlreiche gesetzliche Bestrebungen der vergangenen Jahre tatsächliche Verbesserungen der Arbeits- und Gesundheitssituation von Pflegekräften bewirken können. Ziel dieses Artikels ist es daher, einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu Stressoren, Stresserleben und Stressfolgen in der ambulanten und stationären Pflege zu geben und zu zeigen, welche arbeitsbezogenen Stressoren Pflegekräfte wahrnehmen und welche Bewältigungsstrategien sie anwenden, um negative Beanspruchungsfolgen zu vermeiden.

Arbeits- und Gesundheitssituation von Pflegekräften in Deutschland

So tragen beispielsweise der demographische Wandel sowie eine durch Schichtarbeit und hohe psychische und physische Anforderungen häufig gering eingestufte Berufsattraktivität zu einem Fachkräftemangel von Pflegekräften bei [12]. Neben der demographisch bedingten ansteigenden Zahl von Pflegebedürftigen gibt es zeitgleich weniger potenzielle Beschäftigte im erwerbsfähigen Alter. Außerdem wird erwartet, dass der bisher noch verhältnismäßig große Anteil der Pflege durch Angehörige in Zukunft zurückgehen wird [37, 38]. Der Versuch, Pflegekräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu werben, erweist sich bisher nicht als Lösung des Problems [42]. Als Folge verdichtet sich die Arbeit der Pflegekräfte [31]. Weitere Herausforderungen stellen eine zunehmende sprachliche und kulturelle Diversität auf Seiten der Pflegebedürftigen und Pflegenden sowie die Zunahme von Multimorbidität und chronischen Erkrankungen dar [32]. Bereits heute zeigt sich, dass Berufstätige in der Pflegebranche höhere Krankenstände aufweisen als Berufstätige im branchenunabhängigen Durchschnitt. Hierbei sind Beschäftigte der Altenpflegeberufe in Hinblick auf Fallzahl und Dauer der Arbeitsunfähigkeit stärker betroffen als Beschäftigte im Bereich der Krankenpflege [20]. Laut einer Befragung der Betriebskrankenkassen beurteilen Pflegekräfte ihre eigene Arbeitsfähigkeit deutlich schlechter als Beschäftigte anderer Branchen [9].

Dem Fachkräftemangel steht eine wachsende Anzahl Pflegebedürftiger gegenüber

Die Pflegebranche in Deutschland befindet sich im Umbruch. In den vergangenen Jahren wurden Gesetze und Verordnungen verabschiedet, um die Ausbildung und Rahmenbedingungen der Pflegeberufe zu verändern (z. B. Pflegepersonal-Stärkungsgesetz [PpSG], generalistische Pflegeausbildung durch das Pflegeberufereformgesetz, neue Hebammenausbildung in Kombination mit wissenschaftlichem Studium durch Hebammenreformgesetz). Mit dem PpSG sollen zusätzliche Pflegekräfte finanziert, die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben erleichtert und die Gesundheitsförderung der Pflegekräfte unterstützt werden [15]. So wurde das PpSG (§§20, 20b und 20d SGB V) ergänzt, um betriebliche Gesundheitsförderung und die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten zu stärken [10]. Die Gesetze tragen dabei zu einer fortschreitenden Ambulantisierung und Akademisierung der Pflege bei [19, 30], die sich u. a. in der steigenden Anzahl von ambulanten Pflegediensten zeigt [44].

Von arbeitsbedingten Stressoren zu Stresserleben und Stressfolgen

Nach dem transaktionalen Stressmodell kann Stress als ungenügende Bewertung der eigenen Ressourcen im Verhältnis zu einem Stressor verstanden werden. Damit ist Stress eine individuelle Reaktion auf in der Umwelt der Person auftretende Stressoren. Dieselben Stressoren können daher unterschiedliche Auswirkungen in Abhängigkeit davon haben, wie die entsprechende Person ihre Ressourcen zur Stressbewältigung bewertet [25, 26]. Wenn nicht genügend oder passende Ressourcen zur Stressbewältigung vorhanden sind, kann Stress, insbesondere bei andauernder Exposition, Langzeitfolgen nach sich ziehen [25].

Bei dem arbeitspsychologischen Stressmodell handelt es sich um eine Erweiterung des Belastungs-Beanspruchungs-Modells und des transaktionalen Stressmodells. Berücksichtigt werden hier bedingungsbezogene Stressoren und personenbezogene Risikofaktoren, die zu Stress führen können, sowie bedingungs- und personenbezogene Ressourcen. Darauf basierend wird die potenziell stressauslösende Situation bewertet, und es werden problem- oder emotionsbezogene Bewältigungsstrategien gewählt. Stressfolgen treten demnach auf somatischer, kognitiver, emotionaler und/oder der Verhaltensebene auf und können kurz- oder langfristig wirken. Zu den kurzfristigen Stressfolgen zählen eine Erhöhung von Blutdruck und Herzfrequenz, Gefühle von Ängstlichkeit, Ärger oder Ermüdung und stressbeeinflusste Verhaltensweisen, die z. B. zu Leistungsschwankungen führen. Langfristige Stressfolgen können z. B. Magenprobleme, Depressivität oder Burnout, aber auch negatives Gesundheitsverhalten wie Rauchen, Alkoholkonsum und Absentismus sein [7].

Stressoren in der Pflegebranche

Pflegeberufe zeichnen sich in Hinblick auf die Gesundheit der Beschäftigten u. a. durch die „Kombination von hohen psychischen und physischen Belastungen“ [35] aus. Ein aktuelles integratives Review über Arbeitsanforderungen von Pflegekräften identifiziert Arbeitsüberlastung, mangelnde faire Entlohnung und Unvereinbarkeit von Berufs- und Privatleben als häufigste Stressoren [11]. Im internationalen Kontext liegen diverse Studien, die Risikofaktoren, Stressoren, Stresserleben und -folgen von Pflegekräften sowie ihre Zusammenhänge untersuchen, vor. So zeigten sich in einer Querschnittsbefragung von psychiatrischen Pflegekräften (N = 69) in Irland insbesondere der Mangel an ausgebildetem Personal und ein hohes Arbeitsaufkommen als Stressoren. Das hohe Arbeitsaufkommen zeigte sich darüber hinaus als signifikanter Prädiktor für emotionale Erschöpfung (β = 0,44; p < 0,05) [29]. Dieses Ergebnis spiegelt die Erkenntnisse einer britischen Querschnittstudie, ebenfalls unter psychiatrischen Pflegekräften (N = 93), wider. Neben Personalmangel wurde in dieser Studie die Betreuung anspruchsvoller und gewaltandrohender Patient*innen als Stressor identifiziert. Dabei zeigte sich kein Unterschied zwischen verschiedenen Qualifikationsgraden der Pflegekräfte [23]. Eine großangelegte britische Querschnittstudie unter N = 870 Krankenpfleger*innen zeigte erhöhten psychischen Stress, wenn sich der Arbeitsalltag durch gleichermaßen hohe Anforderungen, niedrige soziale Unterstützung und einen geringen Entscheidungsspielraum kennzeichnete. Als Folge dieser Anforderungen zeigten die Krankenpfleger*innen Angststörungen und depressive Symptome, die in der Studie durch Selbstvorwürfe und vermeidendes Verhalten erklärt werden konnten [28]. Eine belgische Querschnittstudie von N = 675 ambulanten Pflegekräften ergab eine Assoziation von hohem Arbeitsaufkommen (β = 0,42; p < 0,01) und emotionalen Belastungen (β = 0,32; p < 0,01) mit Burnout [45]. In einer großangelegten taiwanesischen Querschnittstudie wiesen stationäre Krankenpfleger*innen (n = 31.639) gegenüber Ärzt*innen (n = 4202), Pharmazeut*innen (n = 2315) und anderen Krankenhausmitarbeitenden (n = 21.240) ungesündere Verhaltensweisen in Bezug auf eine ausgewogene Ernährung und Bewegung auf. Im Vergleich zu den anderen untersuchten Berufsgruppen besuchten Krankenpfleger*innen am häufigsten Seminare zur Stressbewältigung, nahmen aber seltener an gesundheitsfördernden Aktivitäten teil [16]. Diese Ergebnisse können ein Hinweis darauf sein, dass eine kognitiv-basierte Wissensvermittlung zur erfolgreichen Stressreduktion allein nicht ausreicht [24].

Aktuelle Studien zu Auslösern, Stresserleben oder -folgen von Pflegekräften in Deutschland gibt es dagegen wenige [1, 6, 8, 40, 46, 47, 49]. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), das Bundesministerium für Gesundheit, das Statistische Bundesamt und verschiedene Krankenkassen bieten jedoch Statistiken zur Situation in der Pflegebranche [9, 12, 20, 39, 44]. Zu den zentralen Stressoren zählen demnach eine hohe Arbeitsintensität und Zeitdruck [12, 35]. In der Krankenpflege ist der Zeitdruck dem Pflegereport 2019 zufolge noch stärker ausgeprägt als in der Altenpflege. Die Pflegekräfte berichten mehrheitlich, dass sie eine Verdichtung der Arbeit wahrnehmen, indem sie für mehr Arbeit einen gleichbleibenden Zeitrahmen zur Verfügung haben [35]. Laut einer Befragung der BAuA lassen Pflegekräfte dadurch Erholungspausen ausfallen [12]. Folglich kann eine Stressspirale entstehen, die zu weiteren Stressfolgen führen kann [7]. Regenerationsphasen werden häufiger auch durch das spontane Übernehmen von Arbeitsschichten durch ausfallende Kolleg*innen in der eigenen Erholungszeit unterbrochen, wie 40 % des Pflegepersonals in einer Befragung des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung berichten [22].

Pflegekräfte verzichten häufiger auf Erholungsphasen

Die Kontrolle über die eigene (Frei‑)Zeit ist ein wichtiger Aspekt von Erholung. Zu potenziellen Folgen mangelnder Erholung zählen gesundheitliche Beschwerden, Burnout und depressive Symptome [43]. Ferner treten häufig Störungen oder Unterbrechungen im Arbeitsalltag von Pflegekräften auf, die u. a. dazu führen, dass mehrere Arbeiten gleichzeitig erledigt werden [12]. Baethge und Rigotti weisen darauf hin, dass Arbeitsunterbrechungen insbesondere für Pflegekräfte in ihrer emotionsträchtigen Arbeit Störungen und zusätzlichen Regulationsaufwand bedeuten [5]. Diese Belastungen führen nicht selten zu einer Ausweitung der Arbeitszeiten, da der Pflegebedarf anderweitig nicht abgedeckt werden kann [35]. Abstriche in der Qualität der Pflegeleistungen können aufgrund der hohen Anzahl der zu betreuenden Pflegebedürftigen nicht immer vermieden werden. Dieser Widerspruch zu Professionalität und Berufsethos von Pflegekräften kann ebenfalls eine Belastung darstellen [27, 35]. Des Weiteren ist der Beruf der Pflegekraft durch die Anforderung starker Emotionsarbeit gekennzeichnet. Im Umgang mit Pflegebedürftigen und/oder Angehörigen kann es erforderlich sein, eigene oder gewünschte Emotionen zu unterdrücken. Dies stellt eine hohe Anforderung an die emotionale Selbstkontrolle der Pflegekräfte [35]. Viele Pflegekräfte arbeiten außerdem im Schichtdienst, zu dem insbesondere Nacht- und Wochenendarbeit gehört. Dies erschwert nicht nur die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, sondern kann auch negative gesundheitliche Konsequenzen haben [35]. Schlussendlich ist die Wertschätzung der Pflegetätigkeit, auch durch eine angemessene monetäre Entlohnung, ein wichtiger Faktor und gleichermaßen potenzieller Stressor wie potenzielle Ressource [6, 35]. Zahlen aus 2017 zeigen, dass Fachkräfte in der Krankenpflege mit 3337 € monatlichem Bruttoentgelt etwa so viel wie im branchenunabhängigen bundesdeutschen Durchschnitt (3209 € monatliches Bruttoentgelt) verdienen, während Fachkräfte in der Altenpflege mit einem durchschnittlichen Monatsbruttoentgelt von 2744 € über ein deutlich geringeres Einkommen verfügen [41]. Mit dem neuen Pflegemindestlohn (ein bundeseinheitliches Bruttomonatsgehalt von 2669 € für Pflegefachkräfte bis April 2022) soll eine verbindliche Untergrenze für Arbeitgeber geschaffen werden [14].

In der Erwerbstätigenbefragung der BAuA gab knapp ein Drittel der Pflegekräfte an, häufig an ihrer Leistungsgrenze zu arbeiten [12]. Durch diese Arbeitsbelastungen sind stationäre sowie ambulante Pflegekräfte einer höheren emotionalen Erschöpfung und damit auch einem höheren Depressionsrisiko ausgesetzt. Dies betrifft insbesondere diejenigen Pflegekräfte, die ein hohes Arbeitspensum und geringe Unterstützung durch ihre Führungskraft erfahren [46].

Stressfolgen

Stress kann zu gesundheitlichen Einschränkungen und psychischen Erkrankungen wie Erschöpfung und Burnout führen [7]. Burnout als langfristige Folge von Stress [7] kommt vermehrt bei Pflegekräften vor [6, 18]. In der oben beschriebenen britischen Studie zeigte ungefähr die Hälfte der befragten Pflegekräfte hohe Anzeichen von emotionaler Erschöpfung und Depersonalisierung, die auf Burnout hindeuten [23]. In Deutschland sind neben Muskel- und Skeletterkrankungen psychische Störungen in der Pflegebranche ebenso wie in anderen Bereichen hauptursächlich für Arbeitsunfähigkeit und Fehlzeiten [9, 20]. Pflegekräfte in der Altenpflege sind hierbei stärker betroffen als in übrigen Krankenpflegeberufen [20]. Muskel- und Skeletterkrankungen sind in der Pflegebranche insbesondere auf körperliche Belastungen wie schweres Heben oder Tragen, Zwangshaltungen und langandauerndes Arbeiten im Stehen zurückzuführen [35]. Die Ergebnisse einer Querschnittstudie unter N = 379 Altenpflegekräften aus elf verschiedenen Pflegeeinrichtungen in Deutschland deuten bei hohen Arbeitsanforderungen (β = 0,43; p < 0,01 bzw. β = 0,21; p < 0,01), geringer Kontrolle (β = −0,21; p < 0,01 bzw. β = −0,07; p < 0,01) und wenig Handlungsspielraum (β = −0,26; p < 0,01 bzw. β = −0,06; p < 0,05) auf zunehmende emotionale Erschöpfung und psychosomatische Beschwerden hin [33]. Langfristige Folgen aufgrund unterdrückter Emotionen, z. B. Burnout und Unzufriedenheit mit der Arbeit, betreffen nicht nur die persönliche, sondern auch die organisationale Ebene durch verminderte Leistung oder Rückzugsverhalten und dadurch entstehende Folgekosten [36]. Die durch die Schichtarbeit verursachten Störungen des zirkadianen Rhythmus der Pflegekräfte können zu Konzentrations- und Schlafproblemen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Burnout führen [3, 35]. Eine Längsschnittstudie aus Deutschland (N = 305 Pflegekräfte in Altenpflegeeinrichtungen) stellt übergeordnet die Relevanz der Zufriedenheit mit der Versorgung in Bezug auf die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der stationären Pflegekräfte dar [34]. In Tab. 1 werden psychische und physische Stressoren potenziellen Stressfolgen zusammenfassend dargestellt.

Tab. 1 Häufig auftretende Stressoren und Stressfolgen unter Pflegekräften. (Nach [3, 6, 11, 12, 18, 23, 33, 35, 36])

Ressourcen und Möglichkeiten der Gesundheitsförderung

Eine Querschnittstudie von N = 70 saudi-arabischen Krankenpfleger*innen in einer psychiatrischen Klinik zeigt, dass ein Gefühl von Wertschätzung und Vertrauen in die Arbeit der Pflegenden sowie sozialer Austausch und die Wichtigkeit der eigenen Arbeitstätigkeit als wichtige Ressourcen wahrgenommen werden [21]. In der Helferrückwirkung, also der Bereicherung, anderen Menschen zu helfen, liegt für viele Pflegekräfte eine große Motivation, ihren Beruf auszuüben [13]. Auch in der beschriebenen belgischen Studie konnte die verstärkende Wirkung von Arbeitsbelastung auf Burnout durch soziale Unterstützung aufgefangen werden [45]. Laut Weigl und Kolleg*innen trägt die Unterstützung von Führungskräften als wichtige Ressource im Umgang von Pflegekräften mit Stress dazu bei, potenzielle Beanspruchungsfolgen wie Burnout und Depression aufzufangen [46]. Darüber hinaus kann auch die soziale Unterstützung von Freunden und Familie außerhalb der Arbeitsumgebung emotionale Erschöpfung verringern [48]. Problemfokussierte Bewältigungsstrategien (β = −0,08; p < 0,05) und soziale Unterstützung (β = −0,29; p < 0,05) können laut den beschriebenen Studienergebnissen aus Großbritannien (N = 870) insbesondere Depressionen entgegenwirken [28]. In der zuvor beschriebenen irischen Studie benannten stationäre Pflegekräfte die klare Trennung von Arbeit und Privatleben als stärkste Ressource [29].

Als eine der wenigen Längsschnittanalysen zeigt eine randomisierte kontrollierte Interventionsstudie unter N = 86 psychiatrischen Pflegekräften in Deutschland die Effektivität eines von qualifizierten Therapeut*innen durchgeführten zwölfwöchigen Stressmanagementtrainings. Teilnehmende der Interventionsgruppe zeigen weniger arbeitsbedingten Stress, bessere Fähigkeiten der Emotionsregulation, mehr Resilienz und Selbstwirksamkeit. Darüber hinaus verbesserte sich das Verhältnis von Pflegekräften und Patient*innen. Die Teilnehmenden erhielten über die Vorträge und Gruppendiskussionen im Training hinaus praktische Übungen, beispielsweise zu Achtsamkeit [8]. Ein Resilienztraining, bestehend aus Vorträgen und Gruppendiskussionen über fünf Sitzungen, wurde darüber hinaus in einer iranischen Interventionsstudie als wirksame Stressreduktion bei Intensivpflegepersonal (N = 30) identifiziert. Der Resilienz-Score der Teilnehmenden stieg nach der Intervention um etwas mehr als 13 % (p = 0,001; [4]).

Eine weitere Studie von N = 204 Pflegekräften in Deutschland legt nahe, dass eine Herstellung des Gleichgewichts zwischen Aufwand und Belohnung Burnout(gefahr) reduzieren kann. So könnten z. B. Gehaltserhöhungen, Trainings zur Steigerung des Selbstwertgefühls, ein Coaching-Führungsstil der Vorgesetzten, Anpassung der Arbeitszeiten oder technologische Unterstützung zur Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung von Pflegekräften beitragen [6]. Als weiteren Führungsansatz stellt M. Christiansen [17] geteilte Führung vor, wobei Pflegekräfte stärker partizipieren können und über mehr Autonomie verfügen, indem sie gemeinsam mit Kolleg*innen Führungsverantwortung übernehmen. Auch ein transformationaler Führungsstil, der sich insbesondere durch einen partizipativen, inspirierenden Ansatz oder begleitendes Mentoring kennzeichnet, wurde in mehreren Studien als wertvolle Ressource in Pflegeberufen herausgestellt [11]. Digitale Technologien können Arbeitsbedingungen in der Langzeitpflege erleichtern, indem sie Dokumentationsprozesse beschleunigen und Informationen orts- und zeitunabhängig verfügbar machen [17]. Auch das Erleben der Arbeit als sinnvoll kann eine wichtige und wertvolle Ressource in der Pflegebranche sein, wird jedoch nicht als hinreichend für eine gesundheitsfördernde Arbeit eingestuft [35]. Die bereits erwähnte Querschnittstudie stationärer Altenpfleger*innen in elf deutschen Pflegeeinrichtungen liefert erste Hinweise, dass eine höhere Kontrolle über ihre Arbeit psychosomatische Beschwerden und emotionale Erschöpfung reduzieren könnte [33]. Verschiedene Wissenschaftler*innen schlagen vor, dass Unterstützungsgruppen unter Pflegekräften helfen könnten [23, 33], Burnout-Symptome zu reduzieren, wenn dabei negative Kommunikation unterbunden wird [23]. Um der zunehmenden Arbeitsverdichtung entgegenzutreten, kann der Ethikkodex des Council of Nursing [2] zur erleichterten Priorisierung von Pflegetätigkeiten herangezogen werden [27]. Darüber hinaus werden von Schmidt und Diestel eine Beteiligung an Schichtplangestaltung und Aufgabengestaltung als gesundheitsfördernde Maßnahmen empfohlen [33]. Im Vergleich zu anderen Branchen nehmen Pflegekräfte in Deutschland Angebote der betrieblichen Gesundheitsförderung überdurchschnittlich gut an [9]. Dies kann als Hinweis dafür gewertet werden, dass von Seiten der Pflegekräfte ein Bedarf gesundheitsfördernder Angebote besteht [9]. Einen Überblick über relevante Ressourcen und Ansätze zur Gesundheitsförderung gibt Tab. 2.

Tab. 2 Ressourcen und Ansätze zur Gesundheitsförderung von Pflegekräften. (Nach [6, 8, 11, 13, 17, 21, 23, 33, 46, 48])

Diskussion und Ausblick

In diesem Artikel wird ein Überblick über bereits erforschte und empirisch bestätigte Stressoren, Ressourcen und Stressfolgen gegeben. Pflegekräfte sind sowohl im ambulanten als auch im stationären Setting tätigkeitsspezifischen Belastungen ausgesetzt, zu denen neben physischen Belastungen insbesondere das hohe Arbeitsaufkommen, Zeitdruck, Unterbrechungen, emotionale Anforderungen und die erschwerte Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben durch die Schichtarbeit zählen. Häufige gesundheitliche Folgen stellen Erschöpfung, Burnout, Muskel- und Skeletterkrankungen sowie Schlaf- und Konzentrationsstörungen dar. Entgegenwirken können Ressourcen wie soziale Unterstützung, Arbeitsgestaltung und ein Führungsstil, der den Pflegekräften mehr Partizipation, Autonomie und Kontrolle ermöglicht. Ansätze zur betrieblichen Gesundheitsförderung können bedarfsgerecht beispielsweise durch Trainings zur Stärkung von Ressourcen und Stressprävention, Beteiligung an der Schichtplanung oder durch faire Entlohnung umgesetzt werden. Obwohl international zunehmend zu Stress, Stressauslösern und -folgen unter Pflegekräften geforscht wurde, liegen bisher wenige Ergebnisse aus dem deutschen Gesundheitswesen vor. Bisherige Forschungserkenntnisse stützen sich darüber hinaus zumeist auf Querschnittstudien und ermöglichen nur sehr eingeschränkt eine Ableitung von Zusammenhängen. Kausale Schlüsse können aus diesen Ergebnissen nicht gezogen werden. Hier besteht, insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen und gesetzlicher Änderungen, ein starker Forschungsbedarf, um die Arbeits- und Gesundheitssituation von Pflegekräften langfristig und nachhaltig zu verbessern und dafür bedarfsgerechte Maßnahmen anwenden zu können.

Fazit für die Praxis

  • Aus dem aktuellen Forschungsstand zeigt sich die Dringlichkeit der Durchführung und Auswertung von psychischen Gefährdungsbeurteilungen sowie die Ableitung entsprechender präventiver Maßnahmen.

  • Trainings zu Resilienz und Selbstfürsorge können Pflegekräfte dazu befähigen, besser mit Arbeitsanforderungen umzugehen.

  • Autonomie und Partizipation sind wichtige Ressourcen, die Pflegekräften die Möglichkeit bieten, Schichtarbeit gesundheitsfördernder und lebensgerechter mitzugestalten.

  • Weitere Forschung zu Gesundheitseffekten bei Pflegekräften in Deutschland, insbesondere Längsschnittstudien zur Evaluation von Langzeiteffekten, ist dringend notwendig.