Die Pandemie verdeutlicht, wie abhängig vor allem Gesundheitsorganisationen von ihren Mitarbeitenden sind [15, 23]. Der Sektor leidet unter Personalmangel [2], was nicht nur die Haltung bestehender Mitarbeitender [26, 32], sondern auch die Sicherstellung einer ausreichenden Zahl an Absolventinnen und Absolventen unabdingbar macht. Gleichzeitig sinkt, auch pandemiebedingt, die Attraktivität der Beschäftigung im Gesundheitswesen [3, 7, 12, 27]. Das beginnt bereits in der Ausbildung und unterstreicht die Notwendigkeit, aus gesundheits- und bildungspolitischen Gründen die Studienabbruchsintentionen zu untersuchen und gegebenenfalls zu verringern.

Hintergrund

Grützemacher et al. [9] berichten von hohen physischen Belastungsangaben sowohl bei Gesundheits- als auch Medizinstudierenden. Insbesondere das Medizinstudium gilt als herausfordernd für Gesundheit und Wohlbefinden [18]. Medizin hatte bisher eine niedrige tatsächliche Abbruchsquote [14]. In einer Befragung mit erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen gaben allerdings ca. 30 % an, während des Medizinstudiums einen Abbruch überlegt zu haben [16]. Als Gründe wurden Befürchtungen hinsichtlich Work Life Balance und problematische Berufsaussichten genannt. Diese Aspekte verschärften sich in den letzten Jahren [7, 12, 27].

Medizinstudierende empfinden sich als höher belastet als Studierende aus Gesundheits- und Pflegemanagement, symptomatische Unterschiede sind jedoch nicht signifikant [17]. Bei Studierenden aus Gesundheitsberufen ist erforscht, dass Angst vor SARS-CoV‑2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“; [3]) sowie physische Belastungssymptome zu Studienabbruchs- oder Wechselüberlegungen führen können [19], was Kompetenzerwerb zur eigenen Gesundheitsförderung anrät.

Eine hohe Zufriedenheit mit dem Studium hingegen gilt als Indikator für die Qualität einer Ausbildungsstätte, aber auch individuell protektiver Faktor [8], der die Abbruchintention reduziert [6]. Die Integration in der Hochschule wird ebenfalls als förderlich beschrieben [13]. Die Auswirkungen des Lernens und Lehrens unter Pandemiebedingungen auf Zufriedenheit und Integrationsmöglichkeiten waren jedoch oft eher negativ [22, 33].

Ziel dieser Studie ist es, der Frage nach dem Ausmaß der aktuellen Abbruchsintention von Studierenden in gesundheitsbezogenen und humanmedizinischen Studienrichtungen in Österreich nachzugehen sowie die Gründe dafür zu erheben. Nach Empfehlung der Literatur [11, 13] kann zwischen verschiedenen Ursachentypen unterschieden werden, die sich in (1) Studienvorphase, (2) Soziodemografie, (3) strukturelle Merkmale des Studiums sowie (4) Studiensituation gruppieren lassen [13]. Alternativ wird differenziert zwischen (a) personellen (inkludiert Studienvorphase und Soziodemografie), (b) kontextuellen (bezieht sich auf die Teilbereiche individueller Studienprozess und hochschulexterne Faktoren aus der Studiensituation) und (c) institutionellen Faktoren (hochschulinterne Aspekte und strukturelle Merkmale; [14]).

In dieser Arbeit wird der erstgenannten Gliederung [13] gefolgt. Die zur Studienvorphase zählenden Aspekte werden nicht berücksichtigt (wie Bildungsherkunft, bisherige zentrale Benotungen, Persönlichkeitsmerkmale, Studienwahlmotive), da diese während des Studiums nicht mehr verändert werden können. Dahingegen werden alle strukturellen Merkmale (Fach, Hochschultyp, Abschlusstyp) berücksichtigt und durch Hochschulstandort und das aktuelle Semester ergänzt. Ebenso inkludiert wurden die zentralen soziodemografischen Aspekte Alter und Geschlecht. Hinsichtlich Studiensituation wurden wie empfohlen individuelle, hochschulinterne sowie hochschulexterne abgebildet [13]. Im Unterschied zu Isleib et al. [13] wurde hier bezüglich individueller Aspekte mehr Fokus auf allgemeine soziale Eingebundenheit, gesundheitsrelevante Themen (gesundheitliche Probleme, Risikoverhalten, Nutzung von Unterstützung) gelegt sowie die allgemeine Lebenseinstellung abgebildet (positive Zukunftserwartung, Lebenszufriedenheit), um nach [11] den individuellen Studienprozess genauer betrachten zu können. Bei hochschulexternen Faktoren wurden neben finanziellen Themen auch Belastungserfahrung integriert und Wohnen berücksichtigt [11], bei hochschulinternen die Zufriedenheit fokussiert. Letzteres geht auf die Ergebnisse von Fleischer et al. [6] zurück. Noch ist wenig über den Impact der Pandemie bekannt [24], weshalb auch diese bzw. ihre Auswirkungen mit Items aufgegriffen wurde. Die einzelnen Operationalisierungen werden im nachstehenden Kapitel beschrieben.

Die vorliegende Studie trägt dazu bei, einen ersten umfassenden Überblick für Studierende der Medizin und in gesundheitsbezogenen Studienrichtungen in Österreich zu erhalten und soll Möglichkeiten aufzeigen, die Abbruchsintentionen zu verringern.

Methode

Für die Erhebung wurde literaturbasiert ein Online-Fragebogen erstellt, als Plattform wurde Limesurvey genutzt. Der Fragebogen gliedert sich in mehrere Abschnitte. Zentrale Themenblöcke sind die physische, psychische, soziale und materielle Gesundheit, Gesundheitsprobleme, Coping-Verhalten sowie Gesundheitsförderung, in eben dieser Reihenfolge. Demografische und studiumsbezogene Fragen schließen ab. Die Studienabbruchsintention ist im Kontext des Coping-Verhaltens integriert. Es wurden alle österreichischen Hochschulen zur Teilnahme eingeladen, die Partizipation war sowohl für die Einrichtung als auch die Studierenden völlig freiwillig. Die Aussendung des Links zum Fragebogen erfolgte durch die Hochschulen, die einer Teilnahme zugestimmt hatten bzw. deren Hochschülerschaft/Studierendenvertretung. Der anonyme Online-Fragebogen war auf Deutsch und Englisch verfügbar und konnte nur nach Informed Consent begonnen werden. Die Studie wurde seitens der freiwilligen, institutionellen Ethikkommission, dem Research Committee for Scientifc Ethical Questions (RCSEQ) der Privatuniversität UMIT TIROL sowie der fh gesundheit, unter der GZ 2987/21 bearbeitet. In der RCSEQ-Stellungnahme vom 05.10.2021 zu GZ 2987/21 wurde bestätigt, dass „an diesem Forschungsvorhaben keine besonders schutzwürdigen Personen beteiligt sind bzw. keine besonderen Kategorien personenbezogener Daten verarbeitet werden“.

Die Erhebung war den Teilnahmezustimmungserklärungen der Hochschulen folgend von 12/21–06/22 online. Insgesamt 765 Studierende der Medizin (Human- und Zahnmedizin) sowie gesundheitsbezogener Studienrichtungen nahmen an der nationalen, anonymen Online-Befragung teil.

Die Studienabbruchsintention wurde sowohl hinsichtlich des letzten Semesters als auch des letzten Studienjahres erhoben: Wie oft hatten Sie (im letzten Semester/im letzten Studienjahr) den Gedanken, Ihr Studium abzubrechen? Ergänzt wurden diese Items jeweils durch die ident gestellten Fragen hinsichtlich Gedanken an einen Studiumswechsel oder eine zeitweilige Unterbrechung. Die 6 Items waren jeweils 5‑stufig Likert-skaliert (immer, oft, manchmal, selten, nie). In der vorliegenden Studie zentral ist die Abbruchsintention im vergangenen Studienjahr.

In Übereinstimmung mit dem oben dargestellten theoretischen Hintergrund wurden die unten in normaler Schrift gelisteten Items als mögliche beeinflussende Faktoren in die vorliegende Studie integriert. Kursiv markiert sind die zum jeweiligen Element gehörigen Items, die nur für die Stichprobenbeschreibung verwendet werden. Wo keine Skalierung genannt wird, handelt es sich um verschriftlichte Statements, bei denen die Teilnehmenden hinsichtlich ihrer Zustimmung gefragt wurden. Die 5 Antwortmöglichkeiten von „trifft zu“ bis „trifft nicht zu“ inkludierten auch eine neutrale Kategorie.

  • Soziodemografie:

    • Alter (18–20, 21–25, 26–30, 31–35, 36–40, über 40 Jahre),

    • Geschlecht (männlich/weiblich/divers),

    • Staatsbürgerschaft (Österreich, EU ohne Österreich, Europa ohne EU, anschließend Grobgliederung und staatenlos).

  • Strukturelle Merkmale:

    • Hochschulart (Universität, Privatuniversität, Fachhochschule, Pädagogische Akademie) und Standort (Bundesland),

    • Fach (hier: Humanmedizin, gesundheitsbezogene Studienrichtungen),

    • Semester (1, 2–3, 4–5, 6–7, 8–9, 10–11, 12–14, über 14).

  • Studiensituation/Individueller Studienprozess:

    • Soziale Integration:

      • Unterstützung beim Studium durch die Familie, Unterstützung beim Studium durch die Freunde, (fehlendes) Verständnis des sozialen Umfeldes für die Studienanforderungen, gute Integration in das eigene Umfeld, gutes soziales Netzwerk am Studienort.

    • Allgemeines: positive Zukunftserwartung, Zufriedenheit mit dem eigenen Leben, Selbstwirksamkeit (Itemwortlaut: Meine Bemühungen im Studium führen sichtbar zu Erfolg), Erwartung nach dem Studium schnell einen guten Job zu finden, Erwartung nötiger örtlicher Flexibilität nach dem Studium für das Finden eines guten Jobs.

    • Individuelle Bedeutung des Studiums (Itemwortlaut: Das Studium ist mir wichtiger als alles Andere).

    • Gesundheitliche Probleme und Risiken: hier wurde abgefragt, wie oft in den vergangenen vier Wochen (immer/oft/manchmal/selten/nie) Verspannungsschmerzen, Rückenschmerzen, sonstige Schmerzen, Probleme wegen Allergien, Verdauungsprobleme, depressive Verstimmungen, Angstattacken/Angstzustände, das Empfinden von Erschöpfung und weniger als 7 h Schlaf pro Nacht vorlagen.

    • Coping-Notwendigkeit und -verhalten:

      • Arbeit bis zur Erschöpfung, das Empfinden von chronischem Stress,

      • Verhalten unter Stress: werden genügend Pausen gemacht, wird zu leistungssteigernden Medikamenten gegriffen, Alkohol konsumiert, mehr geraucht, mehr Sport betrieben, die Ernährung ungesünder, mehr Koffein konsumiert, schnell wieder zum Gleichgewicht gefunden,

      • Nutzung von Unterstützung: wird das Angebot der Psychologischen Studierendenberatung genutzt.

  • Studiensituation/hochschulinterne Faktoren:

    • auf das Studium und seine Aspekte bezogene Zufriedenheitsangaben: auf einer Schulnotenskala von 1 (sehr gut) bis 5 (nicht genügend) wurden die Zufriedenheit mit dem Studium, seinen Inhalten, seiner Organisation sowie der eigene Studienerfolg bewertet,

    • das Gefühl, dem Studienalltag gewachsen zu sein,

    • die empfundene Belastung durch die Anforderung des Studiums.

  • Studiensituation/hochschulexterne Faktoren:

    • materielle Aspekte: die empfundene materielle Absicherung, die empfundene finanzielle Zufriedenheit, liegt eine Studiumsselbstfinanzierungsnotwendigkeit über Berufstätigkeit vor, Zufriedenheit mit der Wohnsituation.

  • Einfluss der Pandemie:

    • empfundene Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit, der sozialen Beziehungen sowie der finanziellen Situation durch die Pandemie.

Ergebnisse

Insgesamt können 756 Fragebögen ausgewertet werden. 162 Personen geben an, Human- bzw. Zahnmedizin (kurz: Medizin) zu studieren, 594 Personen studieren in weiteren gesundheitsbezogenen Studienrichtungen.

Samplebeschreibung

Die teilnehmenden Medizinstudierenden sind zum Großteil weiblich (72,8 %), 26,5 % sind männlich, 0,6 % divers. Die meisten sind zwischen 21–25 Jahre alt (60,9 %), 28,6 % sind 18–20 Jahre alt, 8,1 % zwischen 26 und 30 Jahren, je 1,2 % zwischen 31–35 bzw. über 40 Jahre. Das aktuelle Semester ist breit gefächert: 21,7 % sind im ersten Semester, 26,1 % im zweiten oder dritten, 18 % im vierten oder fünften und weitere 16,8 % im sechsten oder siebten. Die weiteren Möglichkeiten werden nur im einstelligen Bereich genannt. Der Großteil der Medizinstudierenden gibt an, in Wien zu studieren (56,5 %), weitere 26,1 % studieren in Salzburg, 9,3 % in Niederösterreich, 5 % in Oberösterreich und 2,5 % in Tirol. An einer Privatuniversität studieren 60,9 % der Medizinstudierenden, 35,4 % an einer Universität, 3,7 % geben eine Fachhochschule an. 75,9 % nennen eine österreichische Staatsbürgerschaft, 21 % stammen aus der EU, 2,5 % aus dem restlichen Europa. 90,1 % denken, nach dem Studium schnell einen guten Job zu finden, 35,2 % erwarten, bei der Jobsuche örtlich sehr flexibel sein zu müssen. 74,7 % sehen zuversichtlich in die Zukunft. Im letzten Semester hatten 4,3 % oft den Gedanken, das Studium abzubrechen, 16 % manchmal, 16,7 % selten und 63 % nie. Sehr ähnlich und je leicht erhöht sind die Zahlen für das letzte Studienjahr (0,6 % immer, 4,9 % oft, 16,7 % manchmal, 14,2 % selten und nie 63,6 %). Eine Studienunterbrechung überlegten im letzten Semester 9,3 % immer oder oft, im letzten Studienjahr 6,1 %. Über einen Studienrichtungswechsel dachten im letzten Semester 1,2 % oft, 8,6 % manchmal, 6,8 % selten und 83,3 % nie nach. Im letzten Studienjahr sind die Angaben leicht verschoben auf 1,2 % immer, 2,5 % oft, 9,3 % manchmal, 8 % selten und der Rest (79 %) nie. 90,1 % bewerten die Inhalte des Studiums als sehr gut oder gut, 46 % geben diese Bewertung für die Organisation des Studiums ab. 72,6 % haben eine sehr gute oder gute Zufriedenheit mit dem Studium und 82,6 % einen ebensolchen Studienerfolg.

Auch bei den gesundheitsbezogenen Studienrichtungen sind die meisten Teilnehmenden weiblich (87,3 %), 12,5 % sind männlich und 0,2 % divers. Das Alter ist breiter gestreut: 40,4 % sind zwischen 21–25 Jahre, 21,8 % sind 18–20 Jahre alt, 14,5 % zwischen 26–30 Jahre, 10,5 % über 40 Jahre, 8,6 % zwischen 31–35 Jahre und 4,2 % zwischen 36–40 Jahre alt. Die meisten befinden sich im Bachelor-Studium (72,3 %). Insgesamt 21,5 % befinden sich im ersten Semester, 33,5 % im zweiten oder dritten, 28,6 % im vierten bis fünften, 12,8 % im sechsten bis siebten. Weitere Möglichkeiten werden kaum genannt. Hinsichtlich Studienstandort liegt bei den Teilnehmenden eine breite Streuung über alle Bundesländer mit den folgenden Häufungen vor: 28,6 % studieren in Tirol, 19,5 % in Salzburg, 17,5 % in Niederösterreich und 17,1 % in der Steiermark. Der Großteil der Studierenden gibt an, eine Fachhochschule zu besuchten (66,4 %), weitere 23,8 % studieren an einer Privatuniversität, 8,6 % an einer Universität, 1,2 % an einer Pädagogischen Hochschule. Insgesamt 83 % nennen eine österreichische Staatsbürgerschaft, 18,3 % eine EU-Staatsbürgerschaft, weitere 12,1 % stammen aus dem restlichen Europa. Knapp 80 % rechnen damit, nach dem Studium schnell einen guten Job zu finden. 38 % erwarten, bei der Jobsuche nach dem Studium örtlich sehr flexibel sein zu müssen. 75,9 % sehen zuversichtlich in die Zukunft.

Im letzten Semester hatten 1,7 % immer, 10,3 % oft, 17,4 % manchmal, 19,9 % selten und 50,8 % nie den Gedanken, das Studium abzubrechen. Auf das letzte Studienjahr bezogen sind die Antworten sehr ähnlich (1,7 %, 11,5 %, 15,4 %, 17,0 % und 54,3 %) mit einer leichten Verschiebung jeweils zu den Extremata. Einen zeitweiligen Abbruch überlegten im letzten Semester nur 10,1 % immer bis oft, im Studienjahr 8,1 %. Daran, die Studienrichtung zu wechseln, dachten im letzten Semester 7,6 % immer oder oft, im letzten Studienjahr 8,5 %. Die große Mehrheit (85,1 %) findet die Inhalte des Studiums sehr gut oder gut, hinsichtlich Organisation des Studiums sind dies 51,7 %. Insgesamt 71,8 % geben ihre Zufriedenheit mit dem Studium als sehr gut oder gut an, ihren Erfolg im Studium bewerten 83,1 % als sehr gut oder gut.

Gründe für erhöhte Abbruchstendenzen

Für die Untersuchung der Abbruchstendenz wurden die Werte immer und oft bezogen auf das vergangene Studienjahr verwendet. Dies bedeutet, dass die interessierende Variable Abbruchstendenz so umkodiert wurde, dass sie zwei Ausprägungen aufweisen kann: Vorliegen einer ausgeprägten Abbruchstendenz (immer/oft), Nicht-Vorliegen einer Abbruchstendenz (manchmal/selten/nie). Eine erhöhte Abbruchstendenz betrifft 5,5 % der Medizinstudierenden sowie 13,2 % der Studierenden aus gesundheitsbezogenen Studienrichtungen. Wegen der geringen Anzahl bei den Medizinstudierenden wurden die beiden Studienrichtungen kombiniert.

Die Gründe für die Abbruchstendenz wurden mittels einer binären logistischen Regression untersucht [1]. Diese prüft das Vorliegen von Zusammenhängen zwischen einer binär skalierten abhängigen und einer oder mehreren abhängigen Variablen, spezifisch die Wahrscheinlichkeit, dass die abhängige Variable den Wert 1 aufweist ([1]; hier: Studienabbruchstendenz). Die hier verwendeten unabhängigen Variablen werden als pseudometrisch angenommen. Wegen der geringen Anzahl an diversen Personen bezüglich des Geschlechts fließen nur die Ausprägungen männlich und weiblich in die Analyse ein.

Im ersten Schritt wurde die binär logistische Regressionsanalyse mit allen basierend auf der Literatur in der Befragung abgebildeten Variablen mittels Einschluss durchgeführt, um die dahinter liegenden theoretischen Annahmen (Hypothesen) der Beeinflussung der Abbruchstendenz gleichzeitig zu prüfen.

Nagelkerkes R2 liegt bei 0,438, Signifikanzen zeigen sich für:

  • studiumsbezogene Aspekte: das Semester (B = 0,223, Exp[B] = 1,250, p = 0,48), die generelle Zufriedenheit mit dem Studium (B = 0,478, Exp[B] = 1,612, p = 0,044), das Gefühl, dem Studienalltag gewachsen zu sein (B = 0,807, Exp[B] = 2,241, p = 0,000),

  • soziale Integration: die gute Integration im Umfeld (B = −0,453, Exp[B] = 0,636, p = 0,03), das soziale Netzwerk am Studienort (B = 0,299, Exp[B] = 1,349, p = 0,04) und die Unterstützung durch die Familie (B = −0,411, Exp[B] = 0,663, p = 0,027),

  • materielle Aspekte: die materielle Absicherung (B = 0,525, Exp[B] = 1,690, p = 0,003) und die Zufriedenheit mit der materiellen Situation (B = −0,357, Exp[B] = 0,699, p = 0,037),

  • gesundheitliche Probleme: Kopfschmerz (B = −0,478, Exp[B] = 0,620, p = 0,012),

  • Coping: Sport (B = −0,308, Exp[B] = 0,735, p = 0,019).

In einem zweiten Schritt wurden nur noch diese Items berücksichtigt, was bei identer Vorgehensweise (binär logistische Regression, per Einschluss) zu einer weiteren Bereinigung (Nagelkerkes R2 nun 0,304) auf die folgenden 6 Items führte, die in Tab. 1 dargestellt werden:

Tab. 1 Finalmodell

Diskussion

Grützemacher et al. [9] berichten, dass der höchste Anteil engagierter Studierender in der Fachgruppe Medizin und Gesundheitswissenschaften zu finden ist und sie auch die höchste gegenseitige Unterstützung angeben aber eher geringen Handlungsspielraum. Studienabbrüche sind fachspezifisch unterschiedlich ausgeprägt und bedingt [14, 30]. Ziel der vorliegenden Studie war es, der Frage nach dem Ausmaß und den Gründen der aktuellen Abbruchsintention von Studierenden in gesundheitsbezogenen und humanmedizinischen Studienrichtungen in Österreich nachzugehen sowie Absatzmöglichkeiten aufzuzeigen.

Es zeigt sich, dass tendenziell eher Studierende aus Gesundheitsfächern an einen Studienabbruch denken. Insgesamt 11,7 % der Befragten haben erhöhte Studienabbruchstendenzen, davon verglichen mit Medizin (5,5 %) mehr aus gesundheitsbezogenen Studienrichtungen (13,2 %). Insbesondere letztere Zahl sollte intensiver untersucht werden. Nicht Auswirkungen der Pandemie, Inhalte oder Organisation des Studiums noch mangelnder Erfolg, sondern finanzielle Aspekte, sich dem Studienalltag nicht gewachsen zu fühlen und geringe Zufriedenheit mit dem Studium sowie Themen der sozialen Eingebundenheit und Unterstützung scheinen die zentralen Treiber dafür zu sein. Da die Lernbedingungen in der Pandemie die Zufriedenheit eher negativ beeinflussten [22, 25, 33], kann hier ein Zusammenhang bestehen – der sich allerdings nicht auf Inhalte oder Organisation des Studiums bezieht. Generell und insbesondere in Zeiten verstärkter Online-Lehre könnte hier darauf geachtet werden, dass viele Gruppenarbeiten integriert werden, damit Studierende sich besser vernetzen können. Mentoring- und Coaching-Angebote sowie studierendenzentrierte Lehre zu unterstützen könnte das Gefühl stärken, dem Studienalltag gewachsen zu sein.

Kopfschmerz ist in der Analyse hoch signifikant, wurde aber nicht auf das letzte Studienjahr, sondern die letzten 4 Wochen hin abgefragt. Unter Umständen ist dies eine psychosomatische Reaktion auf die Belastungen durch Überforderung und finanzielle Bedenken und könnte einen Frühindikator darstellen, der weiter untersucht werden sollte. Als weiterer Frühindikator könnte die empfundene Unterstützung durch die Familie gelten bzw. auf deren Bedeutung bereits bei der Studienwahl hingewiesen werden. Weitere Forschung könnte untersuchen, ob sich die Relevanz der familiären Unterstützung nach Studienrichtungen unterscheidet und welche weiteren Auswirkungen sie zeigt. Studierende zählen zwar als eher gesunde Bevölkerungsgruppe, hohe psychische Belastungen sind aber bekannt [21, 28, 31]. Diese verschärften sich während der Pandemie tendenziell [4, 5, 25] und erfordern hohe Selbst- und Sozialkompetenzen [20]. Für angehende Medizinerinnen und Mediziner sind ausgeprägtere Belastungsfaktoren auch im späteren Berufsleben erwartbar, was Trainings bereits während des Studiums ratsam macht [29]. Gleiches gilt für Studierende der weiteren Gesundheitsberufe. Sport zu treiben scheint durch die Ergebnisse angeraten und kann auch das Sozialkapital bzw. das Empfinden der sozialen Eingebundenheit stärken, wenn Angebote des Hochschulsports genutzt werden.

Finanzierungsaspekte als Grund für Studienabbruch wurden auch von Isleib et al. [13] berichtet. Typische Studierendenjobs waren während der Pandemie kaum verfügbar. Ob sich das Ausmaß der Abbruchsintentionen in den postpandemischen Jahren reduziert, muss beobachtet werden, sonst wären zusätzliche Stipendien- oder Studienfinanzierungsmöglichkeiten u. U. hilfreich. Ebenso ist zu erheben, wie hoch die Anzahl der tatsächlichen Studienabbrechenden ist. Während des Studiums ist auf die Sicherstellung der Zufriedenheit mit dem Programm [8] und laut Literatur v. a. das Empowerment weiblicher Studierender zu achten [4, 17]. Generell werden frühere Interventionen empfohlen, beispielsweise basierend auf Erfolgsquoten bei Prüfungen [10]. Die hier vorliegenden Daten zeigen jedoch durchwegs hohe Erfolgseinschätzungen.

Als Limitationen der vorliegenden Studien zu nennen sind zum einen, dass es sich um selbstberichtete Daten handelt und die Teilnehmenden nicht nach bestimmten Auswahlkriterien angeschrieben wurden. Zum anderen sind Gedanken an einen Studienwechsel oder das Beenden des Studiums noch nicht die in die Tat umgesetzte Aktion [16] – aber Hinweise auf potenzielle Handlungsnotwendigkeiten. Diese können individuell von den Studierenden selbst abhängen (beispielsweise eine Reduktion der besuchten Lehrveranstaltungen pro Semester, sollte hier zu hoch gegriffen worden sein), aber auch systembedingt und nur dort lösbar sein. Außerdem wurden keine Fragen hinsichtlich empfundener Erwartungsdiskrepanzen bezüglich des Studiums gestellt. Die Zufriedenheit ist aber durchwegs hoch, weshalb diese vermutlich hier nicht vorliegen. Unterstützung durch die psychologische Studierendenberatung könnte unterrepräsentiert sein. Ebenfalls nicht untersucht wurde eine empfundene persönliche und lebenssituationsspezifische Passung für Studium oder angestrebten Beruf, die sich oft erst im Laufe der Zeit zeigt und gegebenenfalls verändern kann. Erhoben wurden jedoch die Studiumswechsel- und -unterbrechungstendenzen als Proxy, die jeweils gering ausfielen.

Fazit für die Praxis

  • Die hohe Motivation der Studierenden sollte gefördert und geschützt werden, mit gleichzeitiger Prüfung möglicher Erweiterungen des Spielraumes beziehungsweise der Vorbereitung auf mögliche Limitationen.

  • (Potenzielle) Studierende sollten besser über die Anforderungen und finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten informiert werden.

  • Weitere Forschungen hinsichtlich Studienabbruchsintentionen scheinen ratsam, in Kombination mit Bewerbung von studentischer Gesundheitsförderung zur Stärkung der individuellen Kompetenzen und Belastungsreduktion, um hohe persönliche Resilienz in den Gesundheitsberufen zu fördern.