Hintergrund

Seit Veröffentlichung des Nationalen Aktionsplans zur Gesundheitskompetenz in Deutschland im Jahr 2018 [27] wird zunehmend gefordert, dass Einrichtungen der (Gesundheits)Versorgung auf allen Ebenen nutzerfreundlich und gesundheitskompetent entwickelt werden, damit Nutzende (d. h. Bewohner*innen bzw. Klient*innen) – insbesondere in vulnerablen Lebenslagen – in ihrer Gesundheitskompetenz unterstützt werden.

Neben den persönlichen Fähigkeiten im Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen zur Entscheidungsfindung im Bereich der Gesundheitsversorgung, Krankheitsvorbeugung und Gesundheitsförderung [30], werden strukturelle und organisationale Rahmenbedingungen relevant. Diese sollen im Sinne der organisationalen Gesundheitskompetenz so gestaltet sein, dass sie zum Abbau von Schwierigkeiten im Umgang mit Gesundheitsinformationen bei den Zielgruppen (d. h. Fachpersonal, Nutzende und Angehörige) beitragen [16, 17, 26].

Derzeit liegen unterschiedliche Definitionen und Begriffsbestimmungen zur organisationalen Gesundheitskompetenz vor (z. B. [9, 16]). Gemeinsam ist allen Definitionen das Verständnis, dass unter der organisationalen Gesundheitskompetenz alle Bemühungen einer Einrichtung verstanden werden, die allen Akteuren und Nutzergruppen – wie Mitarbeitenden (d. h. Leitungs-, Fach- und Betreuungspersonal) und insbesondere Menschen mit eingeschränkten kognitiven oder sprachlichen Fähigkeiten – den Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen und der Gesundheit allgemein erleichtern. Auch sind einrichtungsspezifische Materialien, Leistungen und die Kommunikation derart zu gestalten, dass sie der individuellen Gesundheitskompetenz der Nutzenden zuträglich sind und auf die eigenen gesundheitlichen Belange angewendet werden können [17, 21, 23, 26]. Die organisationale Gesundheitskompetenz kann, je nach Konzept, in acht bis zehn Handlungsfelder bzw. Standards differenziert werden [5, 18, 32].

In Anlehnung an die „international self-assessment tools“ der organisationalen Gesundheitskompetenz [5, 18, 32] werden die Bereiche zur Entwicklung der organisationalen Gesundheitskompetenz in acht sog. Standards bzw. Handlungsfelder eingeteilt (Abb. 1), um die Akteure in der Organisation bzw. Einrichtung auf allen Ebenen (d. h. Leitungsebene, Ebene der Mitarbeitenden und Nutzenden sowie deren Angehörige) bei der Förderung der Gesundheitskompetenz zu adressieren [32].

Abb. 1
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Acht Standards (Handlungsfelder) der „international self-assessment tools“ für organisationale Gesundheitskompetenz (GK Gesundheitskompetenz; Nutzende Klient*innen bzw. Bewohner*innen mit Behinderung). (In Anlehnung an [32]; eigene Darstellung)

Um zur Förderung der Gesundheitskompetenz aller Akteure beizutragen, existieren sog. Tools, die als Werkzeuge und Techniken in Form von Anleitungen, Handreichungen, Informationsmaterialien und Checklisten aufbereitet sind. Für Einrichtungen, in denen Menschen mit Behinderung arbeiten und wohnen (im Folgenden aufgrund besserer Lesbarkeit: Einrichtungen der Behindertenhilfe) sind im deutschsprachigen Raum bislang kaum Tools zur Stärkung der organisationalen Gesundheitskompetenz bekannt. Ambulante, teilstationäre und stationäre Wohnformen und -einrichtungen sowie Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) stellen zwei wichtige Bereiche der Behindertenhilfe dar.

Laut § 20a‑k des Sozialgesetzbuchs (SGB) V fällt den Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) die Aufgabe der Prävention, Gesundheitsförderung und Förderung der Gesundheitskompetenz u. a. in den Bereichen Wohnen und Arbeiten zu. Das Präventionsgesetz soll insbesondere zur Förderung der Prävention, Umsetzung von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, Früherkennung von Krankheiten und zur Verhältnisprävention in betrieblichen und nicht-betrieblichen Lebenswelten beitragen. Im Zusammenwirken mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG, SGB IX) stellt dies die Basis für barrierefreie und leicht zugängliche Einrichtungen in Deutschland dar. Vor dem Hintergrund des Nationalen Aktionsplans zur Gesundheitskompetenz (NAP GK) in Deutschland im Jahr 2018 [27] wird ergänzend zum Präventionsgesetz sehr deutlich gefordert, dass Einrichtungen der (Gesundheits)Versorgung auf allen Ebenen nutzerfreundlich und gesundheitskompetent gestaltet werden, damit Nutzende – insbesondere in vulnerablen Lebenslagen (bspw. Menschen mit Behinderung) – in ihrer Gesundheitskompetenz unterstützt werden. Neben den persönlichen Fähigkeiten im Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen [30] stellen die strukturellen und organisationalen Rahmenbedingungen die Basis für die Förderung der Gesundheitskompetenz dar [16, 17, 26]. Gerade Einrichtungen der Behindertenhilfe, wie WfbM als betriebliche Lebenswelt und Wohnformen für Menschen mit Behinderung als nicht-betriebliche Lebenswelten, sind hierbei anknüpfend an das Präventionsgesetz und den NAP GK zu adressieren, um die Gesundheitskompetenz der Klient*innen bzw. Bewohner*innen, der Angehörigen sowie des Fach- und Betreuungspersonals zielgruppenadäquat zu fördern.

Insgesamt erhielten 765.079 Menschen in Deutschland im Jahr 2019 Leistungen der Behindertenhilfe (n = 943.315; Stand: 2018; [8]). In Anbetracht der Anzahl der Akteure in der Behindertenhilfe und der gesetzlichen Rahmenbedingungen wird der Bedarf deutlich, Einrichtungen der Behindertenhilfe orientiert an den Handlungsfeldern der organisationalen Gesundheitskompetenz auszurichten. Eine hohe organisationale Gesundheitskompetenz trägt dazu bei, die Gesundheitskompetenz und die Gesundheit aller Akteure der Einrichtung langfristig zu stärken, z. B. durch einen vereinfachten Zugang zu und eine bessere Orientierung innerhalb der Einrichtung oder durch die Bereitstellung von zielgruppenadäquaten (Informations)materialien, die zur Reduzierung von Begleit- und Folgeerkrankungen beitragen können [27].

Ziel des Beitrags ist daher 1) Tools zur Stärkung der organisationalen Gesundheitskompetenz für Einrichtungen der Behindertenhilfe systematisch zu erfassen und zu sichten. Daneben werden die ermittelten Tools 2) systematisch nach Handlungsfeldern der organisationalen Gesundheitskompetenz und Ebene (d. h. Einrichtung, Mitarbeitende, Nutzende oder Angehörige) aufbereitet, um zielgerichtet und bedarfsspezifisch die Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Behindertenhilfe zu fördern.

Methode

Die systematische Aufarbeitung von Tools zur Stärkung der organisationalen Gesundheitskompetenz ist begleitend zum Projekt „Entwicklung der Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung (EwiKo)“ – ein Kooperationsprojekt der AOK PLUS und der Hochschule Fulda (Laufzeit: 2020–2022) entstanden. Übergeordnetes Projektziel ist es, die Gesundheitskompetenz aller Zielgruppen und Nutzenden zu stärken, indem Strukturen und Prozesse zur Entwicklung und Förderung der Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung (d. h. Krankenhäuser, Einrichtungen der Pflege und der Behindertenhilfe) aufgebaut und optimiert werden. In zwei Rechercheschritten (systematische Literaturrecherche und Handrecherche) wurden Tools für Einrichtungen der Behindertenhilfe systematisiert (nach Handlungsfeld, basierend auf den acht Standards der organisationalen Gesundheitskompetenz, und Ebene der Einrichtung, der Mitarbeitenden oder der Nutzenden/Angehörigen) und tabellarisch aufbereitet. Die Recherche nach Tools zur Entwicklung der Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Behindertenhilfe ergab N = 1205 Treffer (Zeitraum 2010 bis Mai 2020). Anschließend folgte die Sichtung von n = 116 Volltexten anhand zuvor definierter Ein- und Ausschlusskriterien: Treffer, die Tools beinhalteten, die auf die Förderung der Gesundheitskompetenz sowie die Zielgruppe der Mitarbeitenden, Menschen mit Behinderung und/oder deren Angehörige abzielen und mindestens einem der acht Handlungsfelder der organisationalen Gesundheitskompetenz zuzuordnen sind, erfüllten die Einschlusskriterien. Ausgeschlossen wurden solche Treffer, die reine Instrumente zur Messung der Gesundheitskompetenz oder Informations-Websites darstellen, nicht in Deutscher oder Englischer Sprache zur Verfügung stehen, auf unter 18-Jährige abzielen oder nicht als Volltexte zur Verfügung stehen. Es wurden insgesamt n = 35 Treffer ermittelt, die die Einschlusskriterien erfüllten.

Der Suchverlauf der systematischen Datenbankrecherche zur Ermittlung der Tools für Einrichtungen der Behindertenhilfe ist im Flussdiagramm (Abb. 2) dargestellt. Die ermittelten Tools (n = 35) wurden folgendermaßen systematisiert: Jedes Tool wurde auf Grundlage der acht Standards der organisationalen Gesundheitskompetenz einem der acht Handlungsfelder zugeordnet. Anschließend wurden die Tools nach folgenden Ebenen differenziert: Ebene der Einrichtung, der Mitarbeitenden oder der Nutzenden bzw. Angehörigen. Die Tools wurden anschließend entlang der erläuterten Systematisierung (nach Standard bzw. Handlungsfeld der organisationalen Gesundheitskompetenz und Ebene) aufbereitet (Tab. 1).

Abb. 2
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Flussdiagramm der systematischen Datenbank- und Handrecherche zur Ermittlung von Tools zur Stärkung der Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Eingliederungshilfe

Tab. 1 Exemplarische Übersicht der Tools zur Stärkung der Gesundheitskompetenz

Ergebnisse

Die ermittelten Tools zur Stärkung der Gesundheitskompetenz für Einrichtungen der Behindertenhilfe sind im Folgenden differenziert nach den acht Handlungsfeldern der organisationalen Gesundheitskompetenz und den Ebenen (Einrichtung, Mitarbeitende, Nutzende) dargestellt. Tab. 1 gibt einen Überblick über die Anzahl und Auswahl (nach Verfügbarkeit und Relevanz für die Behindertenhilfe) der Tools zur Stärkung der Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Behindertenhilfe.

Anzahl der ermittelten Tools zur Stärkung der Gesundheitskompetenz

Die systematische Recherche zur Ermittlung der Tools für Einrichtungen der Behindertenhilfe ergab 35 Treffer bzw. Tools. Die meisten Tools lassen sich dem Handlungsfeld 6 „Förderung der Gesundheitskompetenz der Nutzenden“ zuordnen (n = 23). Handlungsfeld 4 („Navigation“) konnte kein Tool zugeordnet werden. Die meisten Tools für Einrichtungen der Behindertenhilfe finden sich auf Ebene der Nutzenden (n = 31).

Darstellung exemplarischer Tools zur Stärkung der Gesundheitskompetenz

Im Folgenden wird zu jedem Handlungsfeld der organisationalen Gesundheitskompetenz ein Tool detaillierter beschrieben. Da für Handlungsfeld 4 („Navigation“) keine Tools zur Förderung der Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Behindertenhilfe gefunden wurden, wird ein Tool zur Förderung der Gesundheitskompetenz in Krankenhäusern aus der Handrecherche beschrieben, das auf den Bereich der Behindertenhilfe adaptiert werden könnte.

Leitbild und Einrichtungskultur: Verankerung der Gesundheitskompetenz in allen Bereichen der Einrichtung (Handlungsfeld 1).

Zur Verankerung der Gesundheitskompetenz in allen Bereichen der Einrichtung dient die Intervention „Gesundheit umfassend fördern“ („multi-component universal intervention“). Ziel der Intervention „Gesundheit umfassend fördern“ ist es, nachhaltige Strukturen in Wohneinrichtungen und im betreuten Wohnen aufzubauen, die zur evidenzbasierten Verbesserung der Gesundheitskompetenz und des Gesundheitsverhaltens aller Beteiligten (Mitarbeitende und Bewohner*innen) beitragen. Kern der Intervention sind drei Komponenten: (1) die Ernennung eines/einer Mitarbeitenden pro Wohngruppe zum/zur Gesundheitsbotschafter*in, (2) die Einrichtung eines Lernzirkels für alle Mitarbeitenden und (3) die Durchführung von Kursen zur Förderung der Gesundheitskompetenz und des Gesundheitsverhaltens der Mitarbeitenden. Die Intervention wird als „umfassend und ganzheitlich“ bezeichnet, da sie Mitarbeitende und Bewohner*innen adressiert, neben Aspekten der Gesundheitsförderung auch die Gesundheitskompetenz adressiert und sowohl unter der Verhaltens- als auch unter der Verhältnisprävention einzuordnen ist.

Entwicklung von Dokumenten, Materialien und Dienstleistungen unter Einbezug der Nutzenden (Handlungsfeld 2).

Die Tools in Handlungsfeld 2 empfehlen zunächst die Etablierung einer Arbeitsgruppe zur partizipativen Entwicklung von Informationsmaterialien mit den Nutzenden. Anschließend werden gemeinsam Schlüsselthemen identifiziert, Materialien entwickelt und durch die Nutzenden angewendet und erprobt [13, 29]. Dabei findet z. B. das Tool „writing it ourselves“ – „Wir schreiben es selbst: interaktive Schreibwerkstatt“ Anwendung [33]. Dieses Tool leitet Menschen mit (geistiger) Behinderung dazu an, mit Unterstützung ein Buch oder eine Broschüre zu einem selbst gewählten (gesundheitsrelevanten) Thema zu erstellen. Die Teilnehmenden werden von Trainer*innen und einem wissenschaftlichen Team begleitet und unterstützt. Dabei lernen sie, sich zu organisieren und (schriftlich) zur Gesundheit mitzuteilen. Das Tool zielt u. a. darauf ab, ein gemeinsames Buch oder Informationsmaterialien zu entwickeln. Zudem wird das Empowerment im Bereich der Gesundheit von Menschen mit (geistiger) Behinderung gefördert [33].

Schulung der Mitarbeitenden im Bereich Gesundheitskompetenz (Handlungsfeld 3).

Für die Behindertenhilfe konnte ein Tool ermittelt werden, das Mitarbeitende zu „Mediator*innen für Menschen mit Behinderung“ schult („Standing on your own two feet“; dt. „Auf eigenen Beinen stehen“ [25]). Zunächst wird die Einstellung der Mitarbeitenden gegenüber Menschen mit Behinderung und ihre Arbeitsmethoden mit Menschen mit Behinderung (z. B. Zutrauen und Grad der Aufgaben- und Entscheidungsübernahme) ausgewertet und diskutiert. Anschließend folgt die Vermittlung von Inhalten (z. B. Förderung des Selbstmanagements der Menschen mit Behinderung) und Durchführung unterschiedlicher Übungen mit den Mitarbeitenden (z. B. Rollenspiele zur Förderung des Selbstmanagements von Menschen mit Behinderung). Die Mitarbeitenden lernen dadurch, wie sie Menschen mit Behinderung bei der Lösung von Aufgaben unterstützen können, ohne dabei zu stark einzugreifen oder die Lösung vorzugeben.

Navigation: Einfache Orientierung und leichter Zugang zu Angeboten, Dokumenten und Materialen (Handlungsfeld 4).

Für Einrichtungen der Behindertenhilfe konnten in diesem Bereich keine Tools gefunden werden. Das Tool „Rundganggespräch“ („walking interview“), das bereits für andere Einrichtungsarten (z. B. Krankenhäuser) pilotiert wurde [24], kann allerdings ebenfalls für Einrichtungen der Behindertenhilfe herangezogen werden. Das „Rundganggespräch“ dient der Verbesserung der Orientierung(-shilfen) zur und innerhalb der Einrichtung [24]. Durch einen sog. „begleiteten Rundgang“ (deutschsprachige Übersetzung des Toolnamens durch die Autor*innen) zur und durch die Einrichtung werden mit einer unvoreingenommenen Testperson die Orientierung sowie die Orientierungshilfen auf dem Weg zur und durch die Einrichtung getestet und reflektiert. Erschwerende und unterstützende Merkmale der Orientierung(shilfen) zur und innerhalb der Einrichtung sollen hierdurch aufgedeckt werden (z. B. fehlende Wegweiser, Übersichtskarten, Infopunkte [24]).

Gesundheitskompetente Kommunikation mit Nutzenden (Handlungsfeld 5).

Ein hilfreiches Tool zur gesundheitskompetenten Kommunikation insbesondere mit Menschen mit Behinderung ist das Tool „communicating with people with intellectual disabilities“ (dt. „barrierefreie Kommunikation: Sprich so mit mir, dass ich dich verstehe“). Nutzende werden darin befähigt, basierend auf vermittelten Gesundheitsinformationen im Nachgang gesundheitsbezogene Entscheidungen zu treffen. Ein Leitfaden für die Kommunikation mit Menschen mit geistiger Behinderung im psychiatrischen Kontext [4] beschreibt Kommunikationshilfsmittel, die auch auf andere Settings übertragbar sind, in denen mit Menschen mit u. a. geistiger Behinderung kommuniziert wird. Zu diesen Hilfsmitteln bzw. Tools, die die Kommunikation unterstützen, gehören:

  • Gesundheitspässe (Dokumente, die die wichtigsten Informationen zum individuellen Gesundheitszustand des/der Klient*in enthalten),

  • die Verwendung Einfacher oder Leichter Sprache,

  • der Einsatz von visuellen Informationsmaterialien (Broschüren, in denen kurze Textpassagen von visuellen Darstellungen gestützt sind),

  • „Jenseits der Worte“: Broschüren die keine Schriftsprache, sondern nur visuelle Darstellungen enthalten und zur Unterstützung der gesprochenen oder Gebärdensprache eingesetzt werden,

  • „Redende Matten“: das sind Unterlagen, auf die Bilder platziert werden und von den Klient*innen mittels einer visuellen Skala bewertet werden können. Hierdurch können die Nutzenden Vorlieben und Abneigungen durch das Platzieren von Bildern zu bestimmten Themen (z. B. Ernährung) ausdrücken, indem sie z. B. das Bild einer Tomate in die Nähe des Bildes für „mögen“ oder „nicht mögen“ legen.

  • Visuelle Zeitpläne dienen der Orientierung für Menschen, die keine zeitliche Struktur verinnerlichen können, wie bspw. visuelle Ablaufpläne als Karten, die an einer Schnur hängen und den Tagesablauf anzeigen (z. B. durch Bilder der Tätigkeiten „Aufstehen“, „Zähneputzen“, „Bett machen“ usw.).

  • Einsatz von Fachpersonal (z. B. Gebärdendolmetscher*innen, Logopäd*innen).

Diese Tools können unabhängig voneinander oder in Kombination eingesetzt werden.

Förderung der Gesundheitskompetenz der Nutzenden (Handlungsfeld 6).

Um das Gesundheitswissen von Menschen mit geistiger Behinderung zu verbessern, ist das Tool „the 3Rs health knowledge curriculum“ [11] zu nennen. Die drei „R“ stehen für „Rights, Respect, Responsibility“ (dt. Rechte, Respekt, Verantwortung). Das sog. „Training für die Rechte zur Gesundheit“ besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil wird Gesundheitswissen durch Rollenspiele und Kurzvideos vermittelt. Dazu gehört ein grundlegendes Verständnis für den eigenen Körper und die Erklärung häufig verwendeter medizinischer Begriffe. Der zweite Teil widmet sich den persönlichen Rechten (z. B. Patientenrechte), den Rechten anderer, dem Respekt gegenüber diesen Rechten sowie der Verantwortung für die eigene Gesundheit.

Förderung der Gesundheitskompetenz der Mitarbeitenden (Handlungsfeld 7).

Eine Intervention zur Förderung der Gesundheitskompetenz von Fach- und Unterstützungspersonen (Unterstützungspersonal umfasst ebenfalls Angehörige, die Menschen mit Behinderung bspw. versorgen oder pflegen) stellt die „telehealth behavioral coaching intervention“ (Übersetzung durch die Autorinnen: „Coaching-Intervention durch Telegesundheitsprogramme“) dar. Bei der „Coaching-Intervention durch Telegesundheitsprogramme“ werden Frauen, die Erwachsenen mit neurokognitiven Störungen betreuen, durch ein verhaltensorientiertes Telegesundheitsprogramm gestärkt. Ziel ist es, die psychische und körperliche Gesundheit der Frauen zu fördern, da insbesondere Betreuungspersonen von Menschen mit neurokognitiven Störungen (z. B. Depression, Alzheimer) häufig schweren (psychischen) Belastungen ausgesetzt sind [31].

Förderung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung (Handlungsfeld 8).

Um zur Gesundheitskompetenz der Bevölkerung beizutragen, eignet sich das sog. „Caring-Web“, eine Pflege- und Unterstützungswebsite. Das Caring-Web ist eine kostenfreie und frei zugängliche Website. Ziel dieses webbasierten Tools ist es, die Gesellschaft, insbesondere pflegende Angehörige, über das Thema Schlaganfall aufzuklären. Ihnen wird eine, an ihre individuelle Situation angepasste, Hilfestellungen angeboten. Hierbei handelt es sich sowohl um praktische Tipps zur Anwendung in der täglichen Pflege als auch um allgemeine Informationen und Unterstützung [20]. Analog zu vielen Einrichtungen der Gesundheitsversorgung ist auch für die Behindertenhilfe zusätzlich denkbar, mit sog. „Patienteninformationszentren (PIZ)“ oder anderen Beratungszentren (u. a. Suchtberatungsstellen) zu kooperieren, dort Auskünfte über Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen für die Klient*innen zu erhalten sowie über aktuelle Veranstaltungen, Kurse und Beratungsangebote in der Nähe zu informieren [12]. Ein solches Zentrum ist auch in der Nähe von Trägern der Behindertenhilfe wünschenswert und bereits an vielen Orten oder in „Gesundheitsregionen“ in Deutschland vorzufinden.

Diskussion

Ziel des Beitrags war es, ausgewählte Tools zur Stärkung der organisationalen Gesundheitskompetenz für Einrichtungen der Behindertenhilfe zu ermitteln, nach Handlungsfelder der organisationalen Gesundheitskompetenz und Ebene (Einrichtung, Mitarbeitende, Nutzende) erstmals zu differenzieren und exemplarisch darzustellen. Differenziert nach den einzelnen Handlungsfeldern der organisationalen Gesundheitskompetenz und den Ebenen Einrichtung, Mitarbeitende und Nutzende zeigt sich in der Gesamtschau, dass für einige Handlungsfelder kaum Tools zur Stärkung der Gesundheitskompetenz vorliegen, während andere Handlungsfelder eine Vielzahl an Tools zur Stärkung der Gesundheitskompetenz aufweisen.

Im Bereich „Leitbild und Einrichtungskultur“ (Handlungsfeld 1) sind bereits vereinzelt Tools für Einrichtungen der Behindertenhilfe vorhanden, die zur Verankerung der Gesundheitskompetenz in allen Bereichen der Einrichtung beitragen sollen. Insbesondere die Rolle des Leitungspersonals ist maßgeblich für die erfolgreiche Umsetzung der Gesundheitskompetenz und die gesundheitskompetente Führung der Mitarbeitenden [10].

Im Bereich „Entwicklung von Dokumenten, Materialien und Dienstleistungen unter Einbezug der Nutzenden“ (Handlungsfeld 2) existieren bislang nur wenige Tools. Hierbei ist insbesondere die partizipative Gestaltung der (Informations‑)Materialien und Dienstleistungen mittels Leitfäden zur barrierefreien Gestaltung zu berücksichtigen [6]. Die partizipative Vorgehensweise bezieht sich u. a. auf die partizipative Entwicklung von Gesundheitsinformationen durch Mitarbeitende gemeinsam mit den Klient*innen sowie auf Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz. Hierbei finden sich allerdings v. a. englischsprachige Handreichungen, z. B. das AHRQ-Universal Precaution Toolkit (dt. AHRQ umfassendes Vorsorgeset; [6]). Analoge Tools, die den Einrichtungen an die Hand gegeben werden können, um die Zielgruppe bedarfsgerecht in die Gestaltung von gesundheitsbezogenen Materialien im Sinne der Partizipation einzubeziehen, sind bisher für den deutschsprachigen Raum im Bereich der Gesundheitskompetenzforschung und -praxis selten im Einsatz. Daher ist empfehlenswert, die Tools an die lebensweltlichen und soziokulturellen Bedingungen der Nutzenden anzupassen [7] und unter Verwendung visueller Materialen (u. a. Piktogramme, Bildkarten, Fotos) zum Einsatz zu bringen.

Tools zur „Schulung der Mitarbeitenden im Bereich Gesundheitskompetenz“ (Handlungsfeld 3) sollten medizinisches und heilpädagogisches Fach- und Betreuungspersonal im Rahmen der gesundheitskompetenten Kommunikation sowie im aktiven Zuhören schulen, um eine an die Nutzenden orientierte Betreuung und (Gesundheits-)Versorgung zu gewährleisten [17]. Im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigung sollten die Mitarbeitenden dahingehend geschult werden, dass sie die Rolle als Mediator*in einnehmen [25], um die Klient*innen bei der eigenständigen Lösung von (gesundheitsbezogenen) Problemen zu fördern und dadurch deren Gesundheitskompetenz zu stärken.

Für den Bereich „Navigation bzw. Einfache Orientierung und leichter Zugang zu Angeboten, Dokumenten und Materialen“ (Handlungsfeld 4) konnten keine Tools für Einrichtungen der Behindertenhilfe gefunden werden. Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass Nutzende langfristig in den Einrichtungen leben bzw. arbeiten und sich dadurch unabhängig von bspw. Orientierungshilfen gut zurechtfinden. Im Vergleich zu Krankenhäusern ist in Einrichtungen der Behindertenhilfe von einer geringeren Fluktuation der Klient*innen auszugehen. Eine Studie zur organisationalen Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Behindertenhilfe konnte darlegen, dass die Orientierung zur und innerhalb der Einrichtung aus Sicht der Einrichtungsleitungen und der Mitarbeitenden als nicht relevant für außenstehende Nutzende betrachtet wurde [23]. Vor dem Hintergrund des Inklusionsgedankens und der barrierefreien Gestaltung von Einrichtungen ist dies künftig kritisch zu hinterfragen. Weiterhin sind auch die Art und das Ausmaß der Behinderung für die Auswahl und Gestaltung der Orientierungshilfen von großer Bedeutung, dahingehend, dass zielgruppenadäquate Materialien und Bestandteile zur besseren Orientierung angeboten werden sollten (u. a. Braille-Schrift, unterstützte Kommunikation durch Audioansagen oder Videohinweise, Verwendung von Piktogrammen).

Die „gesundheitskompetente Kommunikation mit Nutzenden“ (Handlungsfeld 5) stellt ein zentrales Anwendungsfeld dar und trägt bei erfolgreicher Anwendung zu einer Verringerung von Fehldiagnosen, Problemen bei der Behandlung von Krankheiten bzw. dem Auftreten von Folgeerkrankungen bei und unterstützt die Koordination von bspw. Besuchen bei ärztlichem Personal [18]. Je nach Art und Grad der Behinderung liegen unterschiedliche Tools zur Förderung der gesundheitskompetenten Kommunikation vor. Gerade für die gesundheitskompetente Kommunikation mit Klient*innen sind handlungsleitende Materialien und Schulungen für (medizinisches) Fach- und Betreuungspersonal erforderlich und hilfreich [7].

Zur „Förderung der Gesundheitskompetenz von Nutzenden“ (Handlungsfeld 6) finden sich v. a. Tools (n = 17) auf individueller Ebene der Nutzenden in Einrichtungen der Behindertenhilfe, während auf der Ebene der Einrichtungen nur n = 2 Tools dazu zu finden sind. Hier wird insbesondere der Bedarf an Tools auf Einrichtungsebene deutlich.

Zur „Förderung der Gesundheitskompetenz der Mitarbeitenden“ (Handlungsfeld 7) konnte lediglich eine geringe Anzahl an Tools ermittelt werden. Die Sensibilisierung der Mitarbeitenden für das Thema Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Behindertenhilfe und eine kompetente Kommunikation sind in der Interaktion mit Nutzenden essenziell, die Schwierigkeiten im Umgang mit Gesundheitsinformationen aufweisen. Die geringe Anzahl an ermittelten Tools zur Förderung der Gesundheitskompetenz der Mitarbeitenden kann möglicherweise darauf zurückzuführen sein, dass vorhandene Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz der Mitarbeitenden unter den Schlagworten der betrieblichen Gesundheitsförderung und des -managements eingeordnet werden und die Gesundheitskompetenz nur implizit adressieren.

Für die „Förderung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung“ (Handlungsfeld 8) konnten nur wenige Tools identifiziert werden. Der niedrigschwellige Zugang zu (gesundheitsbezogenen) Informationen und die Unterstützung beim Zugang zu diesen sind besonders relevant, um Schwierigkeiten im Umgang mit Gesundheitsinformationen zu minimieren [28]. Auch Einrichtungen der Behindertenhilfe sind dazu aufgefordert bspw. eine Kooperation mit einer nahe gelegenen Patientenuniversität [15] oder einem PIZ [12] anzustreben, um dort für die zielgruppenadäquate Gestaltung dieser Angebote zu werben und um weiterhin langfristig zur Gesundheitskompetenz der Klient*innen und deren Angehörigen durch die Inanspruchnahme dieser Angebote beitragen zu können.

Der vorliegende Beitrag verdeutlichte anhand der systematischen Datenbank- und Handrecherche, dass bereits Tools zur Stärkung der organisationalen Gesundheitskompetenz für die Behindertenhilfe vorzufinden sind. Besonders bei der Betrachtung einzelner Handlungsfelder zeigt sich jedoch der deutliche Bedarf zur Entwicklung von Tools zur Förderung der individuellen Gesundheitskompetenz der Mitarbeitenden. Zudem existieren die meisten Tools bisher vornehmlich in englischer Sprache und sollten somit auf den deutschsprachigen Kontext angepasst werden. Zur Effektivität und Effizienz dieser Tools lassen sich noch keine abschließenden Aussagen treffen. Insgesamt bedarf es einer einrichtungs- und bedarfsspezifischen Stärkung der Gesundheitskompetenz. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass bspw. die Übersetzung von gesundheitsbezogenen Informationen in Leichte Sprache, der Einbezug von und die Schulung des Betreuungs- und (medizinischen) Fachpersonals notwendig sind [7, 22].

Fazit für die Praxis

  • Für die Behindertenhilfe lassen sich spezifische Tools ermitteln, diese sind jedoch meist im englischsprachigen Raum oder in Englischer Sprache vorzufinden und an die Bereiche Wohnen und Arbeiten in der Eingliederhilfe in Deutschland anzupassen.

  • Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz sollten neben der organisationalen Einrichtungsebene auch die individuelle Ebene der Mitarbeitenden, der Nutzenden und deren Angehörige adressieren.

  • Für Handlungsfeld 5 („Kommunikation“) und Handlungsfeld 6 („Gesundheitskompetenz der Nutzenden“) sind die meisten Tools zur Stärkung der Gesundheitskompetenz in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung vorzufinden.

  • Auf Einrichtungsebene ist das Leitungspersonal gefordert, die Gesundheitskompetenz zu fördern und als integralen Bestandteil in der Einrichtung zu etablieren (z. B. Verankerung der Gesundheitskompetenz im Leitbild, in der Einrichtungskultur oder im Qualitätsmanagement).

  • Die aufgeführten Tools sind für die Behindertenhilfe in Deutschland zu adaptieren, zu pilotieren und auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen.