Einleitung

Warum sind Menschen mehr oder weniger sportlich aktiv? Diese Frage ist von zentraler Bedeutung, denn Bewegungsmangel ist einer der bedeutendsten Risikofaktoren in Deutschland und weltweit für die Entwicklung von chronischen Erkrankungen und trägt zu einer erheblichen Reduzierung der Lebenserwartung bei. Er steht an vierter Stelle der Risikofaktoren für eine erhöhte Sterblichkeit (6 % aller weltweiten Todesfälle, 7,7 % in Ländern mit hohem Einkommen [30]). So wurden 2015 in Deutschland 10 % der durch koronare Herzkrankheit verlorenen Lebensjahre, 17 % der durch Diabetes mellitus verlorenen Jahre, 15 % der durch Darmkrebs verlorenen Jahre und 10 % der durch Brustkrebs verlorenen Jahre durch Bewegungsmangel verursacht [7]. Diese und andere chronische Krankheiten stehen aber auch für rund 70–80 % aller Krankheitskosten und gelten nach aktuellem Forschungsstand als nicht heilbar – folgerichtig setzt die WHO(World Health Organisation)-Europa auf Prävention, wenn es um die Dämpfung der Krankheitskosten in den kommenden Jahren geht [9, 29]. Das Problem scheint sich zudem in den nächsten Jahren eher zu verschärfen als rückläufig zu sein: So wird mit einem Anstieg der Krankheitskosten in den EU-28-Staaten von rund 50 % im Zeitraum von 2015 bis 2030 aufgrund von Bewegungsmangel ausgegangen [12].

Die Frage, warum Menschen sportlich aktiv sind, scheint vordergründig beantwortet zu sein [7]. Das Gesundheitsmotiv wird in Befragungen überwiegend als stärkstes/häufigstes Motiv von den Befragten genannt [5, 14, 20]. Danach folgen Motive wie Freude/Spaß haben, Figur/Aussehen, Erholung u. a. Der gesellschaftliche Kontakt und auch das Wettkampfmotiv werden dagegen seltener als Motiv für sportliche Aktivitäten genannt [1]. Diese Ergebnisse haben zu einer primär gesundheitsorientierten Ausrichtung von Sportangeboten geführt und damit andere Motive in den Hintergrund gedrängt [14]. Die Fokussierung auf das Gesundheitsmotiv ist aber auf Basis von Befragungsergebnissen zu den Motiven sportlicher Aktivitäten letztlich nicht begründbar, denn nur weil ein Motiv in einer Befragung als wichtig für sportliche Aktivitäten benannt wird („das Motiv ist mir ganz wichtig“), muss es nicht zwingend auch zu einem höheren Trainingsumfang führen („deshalb trainiere ich auch mehr“). Der Unterschied zwischen Sagen (das Motiv ist mir ganz wichtig) und Tun (deshalb trainiere ich auch mehr) wird je nach Motiv und Subgruppe (Alter, Geschlecht u. a.) vermutlich mehr oder weniger groß ausfallen [11, 14, 23, 25].

Befragungsergebnisse zu den Motiven sportlicher Aktivitäten allein greifen hier zu kurz, wenn wir die Motive mit den stärksten Effekten auf den Trainingsumfang ermitteln wollen.

Nur für die intrinsisch gelagerten Motive Freude, Spaß, Kompetenzerleben an sportlichen Aktivitäten ist die Forschungslage relativ eindeutig: Werden sportliche Aktivitäten um ihrer selbst willen ausgeführt, wirkt sich dies positiv auf die Trainingshäufigkeit, -adhärenz aus [25].

Die Ergebnisse bestätigen damit tendenziell die Selbstbestimmungstheorie („self-determination theory“, SDT) von Ryan und Deci, dass sich der Grad der Selbstbestimmung (intrinsische Motivation = maximale Selbstbestimmung) positiv auf die Bereitschaft zu einer Handlungsausführung (Adhärenz sportlicher Aktivitäten) auswirkt [22]. Diese Ergebnisse stehen aber auch in Übereinstimmung mit der Bedeutung des zeitlichen Horizonts (Diskontierung der Belohnung, „delay discounting“) für die Stärke einer Motivation. So erfolgt die Belohnung (Freude empfinden) beim Motiv Freude direkt durch das positive Erleben bei der sportlichen Aktivität ohne zeitliche Verzögerung und nicht erst als Ergebnis des Trainings zu einem späteren Zeitpunkt (z. B. Gesundheit) und damit diskontiert, abgeschwächt [16, 23].

Über das Motiv Freude hinaus ist der Forschungsstand zum Effekt von Motiven auf den Trainingsumfang sportlicher Aktivitäten für unterschiedliche Subgruppen (Alter, Geschlecht u. a.) unklar und auch die Selbstbestimmungstheorie liefert hier keine konsistenten Erkenntnisse [11, 14, 23, 25].

Soll der Trainingsumfang sportlicher Aktivitäten gesteigert und damit Bewegungsmangel reduziert werden, braucht die Trainingspraxis Antworten auf die Frage der Treiber sportlicher Aktivitäten. Soll der nächste Gesundheitskurs neben Spaß den Gesellschafts-, den Gesundheitsgedanken oder eher die Verbesserung der Figur in den Vordergrund stellen, wenn ein möglichst hohes Trainingsvolumen, eine hohe Adhärenz das Ziel sind? Stellen Schmerzen eher einen Motivator oder eine Barriere für sportliche Aktivitäten dar [4, 19, 24]? Und unterscheiden sich Männer und Frauen unterschiedlichen Alters in diesen Fragen? Diese Fragen sind zu beantworten, wenn wir effektiv Bewegungsmangel reduzieren wollen.

In dieser Untersuchung wurden deshalb die Effekte der Motive Gesundheit, Figur, Freude und Gesellschaft auf den Trainingsumfang sportlich aktiver Männer und Frauen unterschiedlichen Alters mit unterschiedlicher Rückenschmerzproblematik untersucht.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Die Daten stammen aus einer Multicenterstudie (39 Standorte in Baden-Württemberg) zur Prüfung der gesundheitlichen und ökonomischen Effekte eines Gesundheitskurses (Rückentraining) einer gesetzlichen Krankenversicherung [17]. Der bei der Ethikkommission der Universität Greifswald für diese Untersuchung eingereichte Ethikantrag erhielt am 03.06.2008 ein uneingeschränktes positives Votum (ID 33/08). Sechs Jahre nach Beendigung (2014/2015) der Intervention haben wir die Untersuchungsteilnehmer erstmals zu den Motiven ihrer sportlichen Aktivitäten und ihrem Trainingsumfang sportlicher Aktivitäten befragt. Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie war, dass die Teilnehmer/-innen im letzten halben Jahr sportlich aktiv waren.

Stichprobe

Von Oktober 2007 bis März 2008 wurden insgesamt 4888 Versicherte einer gesetzlichen Krankenversicherung zu ihrer Teilnahmebereitschaft an der Untersuchung schriftlich befragt. 2542 (52 %) von ihnen konnten in die ursprüngliche Untersuchung einbezogen werden. Dieser Untersuchung liegen die Daten der letzten von sechs Befragungen zugrunde (t5), die 6 Jahre nach der Intervention durchgeführt wurde. In dieser letzten Befragung wurde erstmals auch nach den Motiven sportlicher Aktivität gefragt, neben Fragen zu sportlichen Aktivitäten und der Stärke der Rückenschmerzen im letzten halben Jahr. Insgesamt konnten die Daten von 792 Untersuchungsteilnehmern/-innen in die Auswertung einbezogen werden (n = 1111 zu t5, Ausschluss: n = 56 aufgrund fehlender Werte/keine Angaben zu Trainingsumfang oder Motiven, ohne sportliche Aktivität n = 263, s. Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Stichprobengrößen zu den Messzeitpunkten

Messinstrumente

Das Alter, Geschlecht, Berufstätigkeit und Schulabschluss (liegt nur eingeschränkt vor) wurden über die Routinedaten des Krankenversicherers selektiert. Der Trainingsumfang der sportlichen Aktivitäten, die Ausprägung der Motive und Rückenschmerzen wurden über Befragung erhoben.

Auf der Basis der Ergebnisse bisheriger Befragungen wurden die Ausprägung der gängigsten Motive im Bereich des Gesundheitssports (Gesundheit, Figur, Gesellschaft, Freude) auf einer 11er-Skala (0 = trifft nicht zu bis zu 10 = trifft völlig zu) über die Frage „Warum sind Sie sportlich aktiv?“ (Bitte kreuzen Sie an, wie sehr die Aussagen auf Sie zutreffen: „Ich will etwas für meine Gesundheit tun“; „Mir macht Sport Freude“; „Ich will etwas für meine Figur tun“; „Mir ist Gesellschaft beim Sport wichtig“) erhoben [3, 5, 20].

Der Trainingsumfang im vergangenen halben Jahr wurde für unterschiedliche Kategorien sportlicher Aktivität erfragt (Ausdauer, Fitness, Rückentraining, Ballsport, Entspannung, Gymnastik). Wenn sportliche Aktivitäten unter „sonstige sportliche Aktivitäten“ benannt wurden, erfolgte eine Zuordnung durch zwei Sportwissenschaftlern zu den passenden Kategorien oder zur Kategorie „sonstige sportliche Aktivitäten“ [18].

Rückenschmerzen wurden über den „chronic pain grade questionnaire“ (CPGQ) erfragt [13]. Auf Basis der aktuellen, durchschnittlichen und stärksten Rückenschmerzen im letzten halben Jahr, der Anzahl an Tagen mit Beschwerden aufgrund von Rückenschmerzen und der funktionellen Einschränkungen aufgrund von Rückenschmerzen in Alltag, Beruf und Freizeit werden 5 Grade der Rückenbeschwerden unterschieden: Grad 0 (keine Rückenschmerzen), Grad 1 (leichte Rückenschmerzen), Grad 2 (starke Rückenschmerzen), Grad 3 (mittlere Funktionseinschränkungen), Grad 4 (starke Funktionseinschränkungen [13]).

Statistische Analyse

Als deskriptive Daten wurden Mittelwerte und Standardabweichungen berechnet. Geschlechterunterschiede in den Motivausprägungen wurden über t‑Tests für unabhängige Stichproben geprüft. Zur Analyse der Effektstärken wurden Cohen’s d berechnet [2]. Zur Überprüfung des Zusammenhangs von Motivstärke, Alter, Rückenschmerz (unabhängige Variablen) und Trainingsumfang (abhängige Variable) wurden Regressionsanalysen für Männer und Frauen getrennt gerechnet: (Trainingsumfang=b0+b1×Alter+b2×Freude+b3× Gesundheit+b4×Figur+b5×Gesellschaft +b6×Rückenschmerz+epsilon).

Die Effektstärke r wurde über die standardisierten β‑Werte ermittelt [15]. Die Anpassungsgüte der Modelle basiert auf den Einstufungen von Cohen [2]. Das Signifikanzniveau wurde auf 5 % festgelegt. Die Analysen wurden mit SPSS (Version 26.0, IBM Corp., Armonk, NY, USA) durchgeführt.

Ergebnisse

Beschreibung der Stichprobe

Soziodemographie.

Die Stichprobe bestand aus 792 Untersuchungsteilnehmern/innen (Alter M = 53,5 Jahren, SD = 11,9, Range 24–85 Jahre), 68 % Frauen (Alter M = 52,1 Jahre, SD = 11,7) und 32 % Männer (Alter M = 56,5 Jahre, SD = 11,7). 22,9 % der Frauen hatten Abitur/Fachabitur (Männer 8,8 %), 46,3 % Mittlere Reife (Männer 30 %), 30,7 % Haupt‑/Volksschulabschluss (Männer 60 %) und keine Frau war ohne Schulabschluss (Männer 1,3 %). 71 % der Frauen waren beschäftigt (Männer 78 %; Tab. 1).

Tab. 1 Soziodemographische Beschreibung der Stichprobe

Sportliche Aktivität.

Frauen trainierten durchschnittlich 3,6 h (SD = 3,2) pro Woche, Männer 4,7 h (SD = 4,3), (t(790) = 4,23, p < 0,001, d = 0,323). Männer waren in Ausdauertraining, Rückentraining und Ballsportarten aktiver, während Frauen eher Fitnesstraining, Gymnastik und Entspannungstraining absolvierten. Ausdauertraining hatte bei Frauen und Männern den größten Anteil am Trainingsumfang (Tab. 2).

Tab. 2 Sportliche Aktivität (Trainingsumfang in Stunden pro Woche)

Motive des Sporttreibens.

Das Gesundheitsmotiv war das stärkste Motiv (M = 8,57, SD = 1,95), gefolgt von den Motiven Figur (M = 7,37, SD = 2,70), Freude (M = 7,13, SD = 2,68) und Gesellschaft (M = 4,90, SD = 3,45). Bei Frauen waren alle Motive mit Ausnahme des Motivs Freude stärker ausgeprägt als bei den Männern, der Effekt des Geschlechts war klein (s. Abb. 2): Motiv Freude t(635) = −1,34, p = 0,182, d = −0,112; Motiv Gesundheit t(732) = 4,22, p < 0,001, d = 0,362; Motiv Figur t(639) = 4,64; p < 0,001, d = 0,398; Motiv Gesellschaft t(604) = 2,64, p = 0,022, d = 0,199.

Abb. 2
figure 2

Ausprägung der Motive für sportliche Aktivitäten bei Männern und Frauen

Rückenschmerzen.

Männer (M = 1,51, SD = 0,91) und Frauen (M = 1,47, SD 0,90) unterschieden sich nicht in der Ausprägung der Rückenschmerzen (t(790) = −0,602, p = 0,547), Tab. 3.

Tab. 3 Ausprägung der Rückenschmerzen

Effekte auf den Trainingsumfang

Frauen.

Bei Frauen hatten die Motive Freude (BFreude = 0,23, t = 3,6, p < 0,001, r = 0,25) und Figur (BFigur = 0,127, t = 2,0, p = 0,05, r = 0,16) und das Alter (BAlter = 0,032, t = 2,5, p = 0,012, r = 0,17) einen signifikanten Effekt auf den Trainingsumfang (Tab. 4; Abb. 3). Die Regressionsanalyse zeigt die Zusammenhänge zwischen den unabhängigen Variablen und dem Trainingsumfang auf. So steigt mit jedem Skalenpunkt beim Motiv Freude der Trainingsumfang um 13,5 min (BFreude * 60 min), beim Motiv Figur um 7,6 min (BFigur * 60 min) pro Woche und mit jeder Zunahme des Alters um ein Jahr erhöhte sich der Trainingsumfang um 1,9 min.

Tab. 4 Effekte von Alter, Rückenschmerzen und Motiven sportlicher Aktivitäten auf den Trainingsumfang bei Männern und Frauen
Abb. 3
figure 3

Standardisierte β‑Werte der unabhängigen Variablen Alter, Rückenschmerzen und der Motive sportlicher Aktivitäten (Freude, Figur, Gesundheit, Gesellschaft) auf die abhängige Variable Trainingsumfang (*p ≤ 0,05, **p < 0,001) bei Männern und Frauen

Das Modell bei den Frauen hat mit einem R2 = 0,10 (korrigiertes R2 = 0,09) eine geringe bis mittlere Anpassungsgüte.

Männer.

Bei Männern hatten nur Rückenschmerzen einen signifikanten Effekt (BRückenschmerzen = 1,4, t = 4,2, p < 0,001, r = 0,35) auf den Trainingsumfang (Tab. 4; Abb. 3). Die Regressionsanalyse zeigt, dass mit jedem Grad Rückenschmerzen der Trainingsumfang um 84 min (BRückenschmerzen * 60 min) pro Woche steigt. Das Modell hat mit einem R2 = 0,16 (korrigiertes R2 = 0,13) auch bei den Männern eine mittlere Anpassungsgüte.

Diskussion

Ziel der Untersuchung war es, den Zusammenhang zwischen Motiven sportlicher Aktivitäten, Alter, Geschlecht, Rückenschmerzen und Trainingsumfang zu analysieren.

Zentrale Ergebnisse

Gesundheit war zwar das Motiv mit der stärksten Ausprägung in der Befragung, hatte aber keinen signifikanten Effekt auf den Trainingsumfang, weder bei Frauen noch bei Männern.

Bei den Frauen waren Freude, Figur und das Alter signifikante Prädiktoren für den Trainingsumfang. Freude hatte von allen Variablen bei den Frauen den stärksten Effekt auf den Trainingsumfang (r = 0,25, mittlerer Effekt). Bei den Männern erwiesen sich nur Rückenschmerzen als signifikanter Prädiktor für den Trainingsumfang (r = 0,35, starker Effekt).

Diskussion der zentralen Ergebnisse

Die höchste Ausprägung bei der Befragung hatte, wie erwartet, das Motiv Gesundheit, gefolgt von den Motiven Figur, Freude und Gesellschaft. Frauen wiesen mit Ausnahme des Motivs Freude bei allen anderen Motiven signifikant höhere Werte auf als Männer. Diese Ergebnisse bestätigen die Ergebnisse vergleichbarer Studien [1, 3, 5, 14, 20].

Obwohl die Untersuchungsteilnehmer/-innen das Motiv Gesundheit als stärkstes Motiv für ihre körperlichen Aktivitäten benannten, hatte die Stärke des Motivs Gesundheit keinen signifikanten Effekt auf den Trainingsumfang. Dieses Ergebnis steht in guter Übereinstimmung mit dem aktuellen Forschungsstand [25]. Insgesamt zeigt die überwiegende Anzahl an Untersuchungen keinen Zusammenhang zwischen der Ausprägung des Gesundheitsmotivs und dem Trainingsumfang auf [25]. Der Grund für diese heterogenen Ergebnisse könnte in der unterschiedlichen Erfassung des Motivs Gesundheit liegen oder der starken Diskontierung des Motivs: Eine bessere Gesundheit ist das Ergebnis jahrelangen Trainings und bis zum Eintritt einer schweren Erkrankung weitgehend abstrakt [23, 25].

Der positive Effekt des Motivs Freude auf den Trainingsumfang bei den Frauen bestätigt den Forschungsstand, dass intrinsische Motivation die Persistenz im Verhalten stärker fördern als extrinsische Motivation [21, 23, 26]. Die große Nähe des Motivs Freude und der intrinsischen Motivation zeigte sich auch in der Untersuchung von Wienke und Jekauc [27], nach der Freude und intrinsische Motivation die beiden Seiten einer Medaille zu sein scheinen: Soziales Erleben und Kompetenzerleben als Grundbedürfnisse innerhalb der SDT waren Prädiktoren sowohl für Freude als auch für intrinsische Motivation. Die Ergebnisse bestätigen aber auch die Ergebnisse der Bad Schönborner Studie, dass Gesundheit eher ein Einsteiger- und Freude ein Dabeibleibermotiv ist [28].

Neben Freude zeigte das Motiv Figur bei den Frauen einen signifikanten, aber kleineren Effekt auf den Trainingsumfang. Bei Frauen scheint der Trainingsumfang stärker durch äußere Anforderungen (introjizierte Regulation), wie z. B. Aussehen, Figur, geprägt zu sein als bei Männer [10, 11]. Darüber hinaus erfolgt die Belohnung des Trainings (bessere Figur) bei diesem Motiv früher als beim Motiv Gesundheit. Der Effekt des Alters steht zumindest teilweise in Übereinstimmung mit dem Forschungsstand. So steigt der prozentuale Anteil der Frauen, die den Bewegungsempfehlungen der WHO entsprechen, von der Altersgruppe der 30- bis 44-jährigen Frauen von 22,3 % auf 29 % bei den über 65-jährigen Frauen in der oberen Bildungsgruppe (untere Bildungsgruppe von 11,1 % auf 12,1 %, mittlere Bildungsgruppe von 15 % auf 19 % [7]).

Dass bei Männern nur die Stärke der Rückenschmerzen einen signifikanten positiven Effekt auf den Trainingsumfang hatte, erscheint erstaunlich. Wir wissen aber, dass es zwischen körperlichem Training und Rückgang der Rückenschmerzen ein Dosis-Wirkungs-Zusammenhang besteht [6]. Die Wahrscheinlichkeit ist damit groß, dass sie überwiegend genau diese Erfahrung gemacht haben: Je mehr ich körperlich aktiv bin, desto besser werden meine Rückenschmerzen. Für sportlich aktive Männer steht damit möglicherweise die Lösung des gesundheitlichen Problems im Vordergrund. Schmerzen werden aber sowohl als Motivatoren als auch als Barrieren für sportliche Aktivitäten diskutiert [19, 24]. Insofern erstaunt es umgekehrt auch nicht, dass bei Frauen genau der entgegengesetzte Effekt zu beobachten war: Die Höhe der Rückenschmerzen hatte tendenziell einen negativen Effekt (n. s.) auf den Trainingsumfang. Das standardisierte β ist mit −0,01 (r = 0,06) allerdings klein, so dass es fraglich ist, ob hier überhaupt ein Effekt vorliegt. Die Analyse der Zusammenhänge ist insbesondere bei den Männern unterpowert (n = 254) für die Detektion von kleineren Effekten (ein n von 882 wäre ausreichend bei sechs Prädiktoren, α = 0,05, β = 0,90, f2 = 0,02). Zukünftige Studien sollten deshalb die Effekte an ausreichend großen Stichproben bei Männern und Frauen prüfen.

Die Stärke der Untersuchung liegt dennoch in der relativ großen Stichprobe und dem Erfassen von Motivstärke und Trainingsumfang. Die Ergebnisse stammen aber nicht aus einer Zufallsstichprobe und sind der Stichprobe entsprechend nur für sportlich aktive Erwachsene (eher typische Gesundheitskursteilnehmer/-innen) generalisierbar. Eine weitere Limitation ist, dass die Motivstärke nicht über einen standardisierten Fragebogen erfragt wurde, sondern die Motivstärke für jedes Motiv direkt erfragt wurde (One-Item). Die Ladungen der Items waren im Berner Motiv- und Zielinventar im Freizeit- und Gesundheitssport relativ hoch (≥ 0,6), so dass die direkte Abfrage der Konstrukte mithilfe des „Leitmotivs“ zu keinen deutlichen Verzerrungen geführt haben sollte [3, 14]. Ein weiterer Schwachpunkt ist die zeitgleiche Abfrage der Motive und des Trainingsumfangs. Motive stellen aber relativ überdauernde Wertungsdispositionen dar, so dass auch dieser Effekt formal kritisch, aber letztlich sich im Ergebnis nicht relevant ausgewirkt haben dürfte [8]. Methodisch ist die Wahl der Regressionsanalyse zu diskutieren, da die Richtung des Zusammenhangs zwischen Rückenschmerz und Trainingsumfangs nicht eindeutig ist. Beide Richtungen des Zusammenhangs werden in der Literatur diskutiert [6, 19, 24]. Die Wahl der Regressionsanalyse als methodischer Ansatz ist dennoch weitestgehend unkritisch, da Regressionsanalysen keine Informationen über Kausalität und insbesondere die Kausalitätsrichtung liefern.

Fazit für die Praxis

  • Für Frauen ausgerichtete Gesundheitskurse sollten vor allem eines machen: Freude. Auf dem Etikett darf Gesundheit stehen, der Inhalt sollte aber Spaß machen und/oder sich positiv auf die Figur auswirken – damit werden gesundheitswirksame Trainingsumfänge eher erreicht als mit dem Motiv Gesundheit.

  • Auch für Männer ist die Freude an der sportlichen Aktivität ein wichtiges Motiv. Ein Zusammenhang mit dem Trainingsumfang zeigte sich aber nur mit der Stärke der Rückenschmerzen. Das lösungsorientierte, rückenschmerzreduzierende Training scheint im Vordergrund zu stehen.

  • Zukünftige Studien sollten insbesondere den Effekt von Schmerzen als Motivator für Männer überprüfen (bisher wenig beobachtet) und Motivatoren und Barrieren für unterschiedliche Subgruppen ermitteln, damit Anbieter von Präventionsmaßnahmen zielgerichtete Angebote zur Steigerung des Trainingsumfangs machen können.