Hintergrund

Jüngste Fortschritte grundlegender Erkenntnisse auch in der Therapie haben die Prognose von Patienten mit Lebermetastasen deutlich verbessert. Das Ziel der kurativen Behandlung ist grundsätzlich die vollständige Destruktion der makro- und mikroskopischen Krankheit. Die onkochirurgische Strategie ist im Gesamtkonzept von wesentlicher Bedeutung und ihre Modalitäten hängen von zahlreichen klinischen, biologischen, technischen und patientenbezogenen Parametern ab. Die erwartete Effizienz und die Morbidität jeder Behandlungsmodalität muss abgewogen werden, um die optimale Strategie für jeden Patienten individuell zu definieren; dies ist der „tailored approach“. In diesem Zuge muss auch das operative Vorgehen dem Ausmaß der Erkrankung, dem Allgemeinzustand des Patienten und der Resektabilität angepasst werden.

Tumorerkrankungen metastasieren durch Verschleppung von Tumorzellen

Schematisch betrachtet metastasieren Tumorerkrankungen durch Verschleppung von Tumorzellen. Diese Verbreitung erfolgt entweder über das Blut und führt im Fall von kolorektalen Tumoren hauptsächlich zu Metastasen der Leber sowie der Lunge oder über den lokalen peritonealen Weg, was das Auftreten einer Peritonealkarzinose induziert, oder zu guter Letzt durch den lymphatischen Rückfluss mit der Entstehung vonLymphknotenmetastase. Eine Metastasierung wird meistens in der Bildgebung diagnostiziert, in der sich eine vom Primärtumor entfernte sichtbare Läsion darstellt. Die zirkulierenden für diese Metastasierung verantwortlichen Zellen bleiben lange Zeit unsichtbar und bewirken das erneute Auftreten einer Metastasierung nach chirurgischer Exzision [1].

Um die Therapie vollumfänglich zu gestalten, d. h.: um die Erkrankung in ihrer Gesamtheit zu behandeln, muss sowohl die mikroskopische als auch die makroskopische Krankheit eliminiert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen teilweise therapeutische Modalitäten kombiniert werden. Die Gesamtstrategie muss im Rahmen eines multidisziplinären Tumorboards besprochen und festgelegt werden [2, 3].

Sowohl die mikroskopische als auch die makroskopische Krankheit muss eliminiert werden

Die bestmögliche Therapie ist diejenige, die größte onkologische Wirkung zeigt, aber auch gleichzeitig die wenigsten Nebenwirkungen mit sich bringt. Die metastatische Erkrankung kann nur bedingt durch systemische Behandlungen kontrolliert werden. Das Auftreten einer Komplikation oder Unverträglichkeit im Zusammenhang mit der lokalen Behandlung kann die systemische Behandlung verzögern und somit einen negativen Einfluss auf das Überleben erzeugen.

Die Entwicklung der Molekularpathologie hat es ermöglicht, neue Biomarker zu definieren und eine bessere Einschätzung der Prognose und bessere Auswahl der adäquaten Behandlung zu gewährleisten. Die „onkochirurgische“ Therapiestrategie muss, nach einer umfassenden Bewertung, die Prognose der vorliegenden metastatischen Erkrankung abschätzen und die Auswirkungen auf die Lebensqualität jeglicher Behandlung in die Therapiefindung integrieren.

Durch die detaillierte Darstellung der verschiedenen Therapiemöglichkeiten soll dieser Artikel eine Hilfestellung bei der Therapieentscheidung von Patienten mit Metastasen gewährleisten, zumal die translationale Medizin sich stetig weiterentwickelt.

Metastasenchirurgie beim kolorektalen Karzinom

Chirurgische Resektionen von kolorektalen Lebermetastasen sind mit einem medianen Gesamtüberleben von 3,6 Jahren assoziiert [4]. In großen Kohortenanalysen wird eine perioperative Mortalität von 1–5 % mit einer perioperativen Morbidität von 15–20 % angegeben. Das kolorektale Karzinom an sich ist eins der weltweit häufigsten Ursachen von Morbidität und Mortalität [5]. Lebermetastasen sind die häufigste Form von Fernmetastasen beim kolorektalen Karzinom. Etwa 50 % aller Patienten mit einem kolorektalen Karzinom entwickeln im Lauf ihrer Erkrankung Lebermetastasen [6]. Die chirurgische Entfernung ist die effektivste Möglichkeit von Kuration mit einem 5‑ und 10-Jahres-Gesamtüberleben von 40 bzw. 25 % [4].

Lebermetastasen sind die häufigste Form von Fernmetastasen beim kolorektalen Karzinom

Obwohl sich nur eine Minderheit dieser Patienten für eine chirurgische Resektion eignet, stellt die Resektion von kolorektalen Lebermetastasen mit Abstand den häufigsten Grund für Leberteilresektionen insgesamt und insbesondere der Lebermetastasenresektionen dar. Aufgrund der Tatsache, dass Resektabilität nicht klar definiert ist und die Tumorbiologie einen immer größeren Stellenwert in der Behandlung darstellt, ist ein interdisziplinäres professionelles Tumorboard zur Entscheidung der Therapiesequenzen umso wichtiger [7].

Diagnostische Bildgebung

Für das Assessment und die Entscheidung der Resektabiliät sind als erstes die bildgebenden Verfahren entscheidend. Hierbei müssen die Metastasierung bestätigt und folgende Parameter überprüft werden:

  • die Durchführbarkeit der Behandlung entsprechend dem Allgemeinzustand des Patienten und technische Einschränkungen;

  • der zu erwartende onkologische Nutzen (Heilung, rezidivfreies Überleben);

  • die vorhersehbare Auswirkung der Behandlungen auf die Lebensqualität von Patienten;

  • die erwartete Morbidität der Behandlungen;

  • das Ansprechen von Läsionen auf eine systemische Induktions(chemo)therapie.

Die Leitlinien empfehlen hier übereinstimmend für das initiale Staging zunächst eine 3‑Phasen-Computertomographie (CT) von Thorax, Abdomen und Becken. Bei schwierigen Befunden kann eine Magnetresonanztomographie (MRT) ergänzend durchgeführt werden. Die Sensitivitäten von MRT und CT sind insgesamt statistisch nicht signifikant unterschiedlich (94 vs. 91 %), wobei das MRT spezifisch für kolorektale Metastasen, insbesondere für kleinere Läsionen oder auch im Rahmen von multimodalen Systemtherapien, eine höhere Sensitivität als das CT aufweist (91 vs. 82 %; [8]).

Die Bildgebung dient der morphologischen Beurteilung der Resektabilität

Die Bildgebung dient zum einen dem Ausschluss bzw. Nachweis von extrahepatischen weiteren Metastasen und zum anderen der morphologischen Beurteilung der Resektabilität. Technisch gesehen hängt die Resektabilität von Lebermetastasen weder von der Anzahl der Läsionen noch von deren Größe ab. Klassisch gelten Lebermetastasen als resektabel, wenn alle entfernt werden können unter Beibehaltung:

  • von tumorfreien Resektionsränder;

  • eines Restlebervolumens von mindestens 20 %;

  • von 2 benachbarten Segmenten;

  • einer Upstream- und Downstream-Vaskularisierung über Pfortader und Lebervenen sowie eines Abflusses über die Gallenwege [9, 10].

Eine histologische Sicherung ist nur dann anzustreben, wenn entweder die Bildgebung atypische Befunde aufweist oder Zweitkarzinome in der Anamnese vorliegen. In solchen Fällen bestimmt die Tumorbiologie der Metastase das weitere Vorgehen. Biopsien sollten, wenn möglich transkutan, entweder sonographiegesteuert oder auch CT-gesteuert und nur im Ausnahmefall operativ erfolgen. Operative Biopsien sind nur dann primär anzustreben, wenn z. B. noch eine zweite Fragestellung (z. B. Peritonealkarzinose) intraoperativ evaluiert werden soll.

Rolle des Positronenemissions‑/Computertomographie

Kontroverse besteht in der Wertigkeit der Hinzunahme einer Positronenemissions‑/Computertomographie (PET/CT). Die PET/CT stellt prinzipiell kein Standardverfahren in der Planung von Leberresektionen bei kolorektalen Lebermetastasen dar. Im Rahmen einer randomisierten Studie konnte die Hinzunahme des PET/CT die Therapieentscheidung nicht relevant verändern und hat im Langzeit-Follow-up weder das krankheitsfreie Überleben noch das Gesamtüberleben verbessert [11].

Während, wie bereits dargestellt, die CT- bzw. MRT-Untersuchung die Resektionsplanung im Hinblick auf die sowohl im „inflow“ (portalvenös, arteriell) als auch im „outflow“ (lebervenös, Gallengangsystem) relevanten Strukturen ermöglich, stellt sich als nächstes die Frage nach dem funktionellen Restlebervolumen. Bei begrenzten Resektionen sind hierfür keine weiteren Maßnahmen notwendig. Bei Major- oder erweiterten Resektionen kann eine CT-Volumetrie zur Abschätzung der postoperativen funktionellen Leberreserve („future liver remnant“, FLR) ermittelt werden. Im Allgemeinen sind hierfür bei gesundem Lebergewebe 20–25 % FLR erforderlich [12].

Leberfunktionstests

In Ergänzung können Präresektionsfunktionstests durchgeführt werden, um das Risiko einer postoperativen Leberinsuffizienz mit ggf. Tod zu vermeiden. Am weitesten verbreitet ist die sog. Indocyaningrün(ICG)-Clearance, die seit langer Zeit etabliert und verbreitet ist. Sie hat allerdings Einschränkungen, da die Aufnahme durch die Hepatozyten aufgrund verschiedener Umstände (z. B. Hyperbilirubinämie) beeinträchtigt sein und letztendlich nur eine Gesamtleberfunktion ermittelt werden kann, ohne dass hier die Funktion des Restlebervolumens gezielt untersucht wird [12]. Neben weiteren Funktionstests (z. B. LIMAX etc.) scheint die Ratio vom Restlebervolumen zum Körpergewicht in Bezug auf das Risiko einer postoperativen Leberinsuffizienz aussagekräftiger zu sein [13, 14].

Präkonditionierung

Im Fall eines zu kleinen Restlebervolumens (FLR) ist zu evaluieren, ob ein 2‑zeitiges Vorgehen oder ein kombiniertes operativ-ablatives Verfahren eingesetzt werden kann. Es ist möglich, zunächst eine Embolisation der Pfortader des betroffenen Areals vorzunehmen („portal venous embolisation“, PVE), um dann im zweiten Schritt nach Hypertrophie der Gegenseite die Resektion durchzuführen. Im Durchschnitt ermöglicht eine PVE eine Hypertrophie um etwa 40 % der Gegenseite im Verlauf von 6–12 Wochen [15]. Kontroversen bestehen hinsichtlich der Sorge, dass die PVE eine Induktion von Tumorwachstum hervorruft. Eine Metaanalyse legte dar, dass eine PVE die intrahepatische Rezidivrate und auch das Gesamtüberleben (OS) im Fall einer anschließenden Leberresektion nicht negativ beeinflusst [16]. Ein 2‑zeitiges operatives Vorgehen („two-stage hepatectomy“, TSH) beschreibt 2 Operationen im Abstand von meistens 3 Monaten, in denen sequenziell alle Metastasen entfernt werden. Die Leber hat zwischen den Operationen Zeit zur Regeneration. Ein systematisches Review hat dazu beschrieben, dass 75 % der eingeschleusten Patienten beide Prozeduren erfuhren und hiervon wiederum 75 % eine R0-Resektion erhielten. Der häufigste Grund für eine Nichtkomplettierung war der frühzeitige Progress zwischen den Operationen [17].

Ein 2‑zeitiges operatives Vorgehen beschreibt 2 Operationen im Abstand von meistens 3 Monaten

Ein erstmals 2012 beschriebenes Verfahren ist das „associating liver partition and portal vein ligation for staged hepatectomy“ (ALPPS). Hierbei werden in einer ersten Operation die betroffene Pfortader und ebenfalls das gesamte Leberparenchym, und damit alle Kollateralen in der Resektionsebene, durchtrennt. Etwa 7–14 Tage später folgt die Resektion bzw. Entnahme der betroffenen Leberseite. Durch die komplette Ausschaltung des portalvenösen Zuflusses ergibt sich sowohl eine deutlich beschleunigte Hypertrophie mit 22–35 ml/Tag als auch eine insgesamt vermehrte Hypertrophie mit im Schnitt 75 %. Dadurch wurde in den Studien in 100 % der Fälle die zweite Operation erreicht und somit im Vergleich zur TSH eine deutlich höhere Resektionsrate erzielt. Allerdings steigen die Morbidität und die Mortalität im Vergleich zur TSH an [18, 19].

Die Kombination von Resektion und Ablation ist eine Möglichkeit zur Behandlung bilobärer Metastasen

Als weitere Möglichkeit der Behandlung bilobärer Metastasen, die nicht ohne weiteres zu resezieren sind, besteht in der Kombination von Resektion und Ablation (ggf. intraoperativ). In einzelnen Serien wurde hiermit ein 5‑Jahres-Überleben in 37–56 % der Fälle erreicht. Dies ist mit einer 2‑zeitigen Leberresektion (TSH) vergleichbar, allerdings mit weniger Morbidität assoziiert. Das frühzeitige Auftreten von Rezidiven verdeutlicht jedoch den eher kontrollierenden Charakter dieser Methode, weniger den eines heilenden Verfahrens [20, 21].

Onkochirurgische Prinzipien

Der Fokus der rein technisch betrachteten Resektabilität hat sich gerade in den letzten Jahren zunehmend auf die sog. onkologische Resektabilität verschoben. Die Beurteilung der onkologischen Resektabilität wird anhand der Auswirkungen der chirurgischen Resektion auf die Prognose einer metastasierten Erkrankung definiert. Mit anderen Worten: Hier ist relevant, ob der erwartete Nutzen der Resektion in Bezug auf das Risiko von Komplikationen ausreicht.

Die Durchführung einer chirurgischen Behandlung erfordert das Pausieren der systemischen Behandlung bis zum Abschluss der Rekonvaleszenz des Patienten. Während dieser Zeit kann eine mikroskopische Tumorerkrankung, die zuvor nicht eradiziert wurde, fortschreiten und den Patienten dem Risiko einer Tumorprogression aussetzen.

Um den Gesamtnutzen zu bestimmen, sind 4 Parameter zu evaluieren:

  • das Rezidivrisiko trotz Resektion der Metastasen;

  • das Risiko eines schnellen Fortschreitens während des Pausierens der systemischen Therapie;

  • das Risiko einer längeren Unterbrechung der systemischen Behandlung;

  • das durch die chirurgische Behandlung induzierte Morbiditäts‑/Mortalitätsrisiko.

Neben den rein technischen Aspekten hinsichtlich ausreichenden Leberrestgewebes und vaskulärer Versorgung sind die biologischen Eigenschaften des Tumors zunehmend in den Vordergrund gerückt, sodass nicht jeder Patient gleichermaßen von einer Leberresektion profitiert [22].

So müssen in der Entscheidung zur Therapie innerhalb des multidisziplinären Tumorboards sowohl klassisch-klinische, pathologische und prognostische Faktoren als auch molekularpathologische Parameter berücksichtigt werden. Der Versuch, diese Faktoren innerhalb von Scoring-Systemen zu etablieren, ist bisher nur unbefriedigend geglückt. Der populärste Score ist sicherlich der Fong-Score. Alle diese Systeme haben bis heute nicht überzeugend eine akkurate Prädiktion für das Langzeitüberleben darstellen können; insbesondere dann, wenn die Patienten sich in neoadjuvanten und adjuvanten Systemtherapien befinden [23, 24].

Zirkulierenden Tumorzellen sind der wichtigste prognostische Faktor für erneute Metastasen

Bei metastasierter Erkrankung ist das Vorhandensein von zirkulierenden malignen Zellen der wichtigste prognostische Faktor für ein Wiederauftreten [25]. Daher ist es wichtig, feststellen zu können, ob die durchgeführte systemische Therapie im Hinblick auf die mikroskopische Krankheit wirksam ist. Bis dato gibt es keine validierten diagnostischen Mittel, einen solchen Effekt zu bewerten. Diese Chemosensitivität wird daher aus der CT-morphologischen Antwort (Progress vs. Regress) extrapoliert [26, 27].

Im Bereich der Leber werden radiologisch 2 Arten von Antworten unterschieden:

  • die Antwort basierend auf den Response Evaluation Criteria in solid Tumors (RECIST) zur Bewertung der Größenentwicklung und Anzahl der Läsionen und

  • die morphologische Änderung der Metastasen (z. B. zentral-nekrotisch; [28, 29]).

Bildgebende und pathologische Aspekte von Teilremissionen stellen letztendlich Surrogatparameter für die zugrunde liegende Tumorbiologie dar. Daher ist es nicht verwunderlich, dass zunehmend messbare tumorbiologische Parameter etabliert sind. Zu nennen sind hier an erster Stelle der KRAS- und der BRAF-Mutationsstatus sowie die Mikrosatelliteninstabilität.

KRAS-mutierte Tumoren haben eine insgesamt schlechtere Prognose

Die KRAS-mutierten Tumoren haben eine insgesamt schlechtere Prognose bei schlechterem Ansprechen auf Systemtherapien sowie ein schlechteres Gesamtüberleben und eine höhere Rezidivwahrscheinlichkeit [30]. Die BRAF-mutierten Tumoren weisen eine Resistenz gegenüber Anti-EGFR-Therapien sowie ein insgesamt schlechteres Überleben auf [31]. Mikrosatelliteninstabile Tumoren hingegen haben eine günstigere Prognose und sind für Immuntherapien gegen den Programmierter-Zelltod-Liganden 1 des („programmed cell death ligand 1“, PD-L1) sensibel [32]. In Zukunft wird es sicherlich Ziel sein, die klassischen histopathologischen Faktoren um tumorbiologische Charakteristika zu erweitern und ggf. die traditionellen Scores zu ergänzten, um besser evaluieren zu können, welche Patienten von Leberteilresektionen profitieren und welche nicht.

Ein weiterer Aspekt der „onkochirurgischen Resektabilität“ besteht im „return to intended oncologic treatment“ (RIOT; [33]). Er repräsentiert ein neues Kriterium zur Beurteilung der Qualität der chirurgischen Versorgung und hängt maßgeblich vom Allgemeinzustand des Patienten und vor allem vom Auftreten einer postoperativen Komplikation ab [34]. Diese verzögert die geplante adjuvante Chemotherapie und ermöglicht unter Umständen das Wachstum der verbliebenen mikroskopischen Tumorerkrankung, wodurch der onkologische Nutzen des Eingriffs eingeschränkt wird.

Stellenwert neoadjuvanter Therapien

Eine weitere Kontroverse besteht im Hinblick auf neoadjuvante Therapien bei bildgebend R0-resektablen kolorektalen Lebermetastasen. Die europäischen Leitlinien (z. B. Leitlinie der European Society for Medical Oncology [ESMO]) empfehlen im Fall einer R0-Resektabilität, die aufgrund der prognostischen Faktoren gerechtfertigt ist, eine Lebermetastasenresektion als Firstline-Therapie. Präoperative Systemtherapien sollten Fällen mit nicht sicherer R0-Resektabilität oder nicht guter Gesamtprognose aktuell vorenthalten bleiben [35].

Neoadjuvante Therapien beinhalten als Risiko chemotherapieassoziierte Leberzellschäden

Neoadjuvanter Therapien beinhalten als Risiko neben einem Progress bei Nichtansprechen vor allem chemotherapieassoziierte Leberzellschäden („chemotherapy-associated liver injury“, CALI). Während Oxaliplatin in bis zu 38 % der Fälle zu einem sinusoidalem Obstruktionssyndrom mit Splenomegalie und portaler Hypertension führt, ist Irinotecan in bis zu 10 % der Fälle mit einer Steatohepatitis assoziiert [36]. Bei den betroffenen Patienten steigt das Risiko für perioperative Komplikationen signifikant an und erhöht sich bei einem zu kurzen Warteintervall zwischen Systemtherapie und Operation (< 4 Wochen) und ab dem 6. Therapiezyklus [37,38,39].

Wertigkeit der bildmorphologischen kompletten Remission

Ein weiterer Aspekt, gerade in Bezug auf neoadjuvante Therapien, besteht bei einer bildmorphologischen kompletten Remission. Diese ist in der Regel nicht mit einem vollständigen histologischen Ansprechen verbunden [40]. Bis zu 80 % der Lebermetastasen, die mit radiologisch vollständigem Ansprechen nach Chemotherapie verbunden waren, wiesen Resttumorzellen in der Histologie auf [41]. Die am stärksten vom bildmorphologischen Verschwinden bedrohten Läsionen sind Metastasen mit einem Durchmesser < 20 mm und mehr als > 10 mm von der Leberkapsel entfernt.

Zwei Situationen können vorliegen:

  • Entweder ist die Läsion Teil eines hepatischen Bereichs, der in der endgültig geplanten Resektion, z. B. im Rahmen einer Hemihepatektomie, ohnehin entfernt wird (dann bleibt das Procedere unverändert)

  • oder diese Läsion ist nicht Teil eines zukünftigen hepatischen Resektionsgebiets.

Am letzteren Fall wird das Dilemma deutlich. Da die Systemtherapie prinzipiell keinen kurativen Therapieansatz darstellt, sondern letztlich als Konversionstherapie eingesetzt wird, sollte, nach Erachten der Autoren, die operative Resektion dann angestrebt werden, wenn die Metastasen bildgebend resektabel erscheinen. Dieses Prinzip reduziert auch das Risiko von unnötig „vielen“ Therapiezyklen und damit das Risiko der zuvor genannten CALI [42].

Synchrone Lebermetastasen

Etwa 20 % aller Patienten mit einem neu diagnostizierten kolorektalen Karzinom haben zum Zeitpunkt der Erstdiagnose bereits synchrone Lebermetastasen. Diese Patienten haben, verglichen mit Patienten mit späteren, d. h. metachronen Lebermetastasen, ein schlechteres 5‑Jahres-Überleben und ein schlechteres Gesamtüberleben [43]. Während in der westlichen Hemisphäre die neoadjuvante Chemotherapie in dieser als Hochrisikogruppe eingestuften Population empfohlen wird, hat sich dies in den asiatischen Ländern nicht als Standard durchgesetzt. Die Daten hierzu sind letztendlich heterogen. So zeigt z. B. eine Analyse des internationalen Registers LiverMetSurvey keinen Vorteil von neoadjuvanten Therapien bei Patienten mit synchronen Lebermetastasen [44]. Daher muss man konstatieren, dass auch im Fall von synchronen Lebermetastasen die Therapieentscheidung innerhalb eines professionellen Tumorboards unter Berücksichtigung der individuellen patientenbezogenen Faktoren getroffen werden muss.

Unterschieden wird der „bowel-first approach“ von dem „liver-first approach“

Sind beide Lokalisationen leicht chirurgisch kurativ zu behandeln, ggf. auch in einem einzeitigen Vorgehen, spricht auch nach westlichen Standards sicherlich nichts gegen ein primär operatives Vorgehen [35, 45]. Unterschieden wird das „klassische“ Vorgehen, d. h. zunächst die Resektion des Primarius gefolgt von der Resektion der Metastasen („bowel-first approach“), von dem „liver-first approach“, bei dem zunächst die Lebermetastasen entfernt werden und in der zweiten Sitzung der Primarius. Als dritte Option kommt die simultane Resektion in Betracht, dies allerdings nur bei begrenzter Morbidität. Eine Metaanalyse, die diese 3 Vorgehen verglichen hat, fand keine Unterschiede in Bezug auf Morbidität, Mortalität und onkologische Parameter ([46]; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Organigramm zur Entscheidung bezüglich des chirurgischen Vorgehens

Technik der Leberresektion

In der Durchführung der Leberresektion bei Metastasen werden grundsätzlich 2 verschiedene Techniken, das parenchymsparende Verfahren verglichen mit dem anatomischen Vorgehen innerhalb der Segmentgrenzen, beschrieben. Beide Verfahren haben bezüglich der Sicherheit und der onkologischen Ergebnisse hinsichtlich der R0-Resektionsrate, Rezidiv der Erkrankung und Gesamtüberleben vergleichbare Ergebnisse. Allerdings ist das parenchymsparende Vorgehen mit einem besseren 5‑Jahres-Überleben im Fall von notwendigen Reresektionen assoziiert, sodass es heutzutage in den meisten Fällen als Standard akzeptiert ist [47, 48].

Die meisten Rezidive entstehen außerhalb der chirurgischen Resektionsgrenzen

Hinsichtlich der Notwendigkeit des Sicherheitsabstands zur Resektionsgrenze zeigen große Studien, dass eine R0-Resektion (d. h. Sicherheitsabstand 1 mm) mit dem gleichen krankheitsfreien Überleben und Gesamtüberleben wie im Fall von größeren Sicherheitsabständen assoziiert sind [49, 50]. Im Fall einer R1-Resektion ist eine Nachresektion nicht zielführend, da die meisten Rezidive außerhalb der chirurgischen Resektionsgrenzen entstehen. Aus Observationsstudien ist bekannt, dass das Überleben von R0- mit dem von R1-Resezierten identisch ist [51].

Vorliegen von extrahepatischen Metastasen

Das Vorhandensein von extrahepatischen Metastasen galt lange als Kontraindikation für eine angestrebte kurative Behandlung, stellt heute aber keine grundsätzliche Limitierung mehr für einen kurativen Ansatz dar [52,53,54,55]. Allerdings müssen die geeigneten Patienten für eine kurative Strategie richtig selektioniert werden. Dabei ist die Tumorsensitivität gegenüber einer Chemotherapie ein entscheidender prognostischer Faktor. Sind alle Manifestationen resektabel, wurde in einem Review gezeigt, dass sich das 5‑Jahres-Überleben von 0 % auf 28 % verbessert [56].

Lungenmetastasen haben eine bessere Prognose als peritoneale oder lymphatische Absiedlungen

Ein weiterer prognostischer Faktor stellt die Lokalisation der extrahepatischen Manifestation dar. Lungenmetastasen haben eine bessere Prognose als peritoneale oder lymphatische Absiedlungen [57]. Bei Patienten mit simultaner Peritonealkarzinose konnten bei einem Peritonealkarzinoseindex < 12 und höchstens 2 Lebermetastasen ein mittleres Überleben von 40 Monaten erreicht werden [55]. In der nicht weiter validierten Analyse von Adam et al. wurden verschiedene Risikofaktoren identifiziert:

  • nichtpulmonale extrahepatische Metastasen;

  • extrahepatische Metastasen und Leberrezidivmetastasen;

  • karzinoembryonales Antigen (CEA) > 10 ng/ml;

  • > 5 Lebermetastasen;

  • rechtsseitiges Kolonkarzinom.

Wenn ≥ 3 dieser Parameter zutrafen, betrug das 5‑Jahres-Überleben 0 % [58].

In der Zusammenfassung lässt sich sagen, dass eine komplette Resektion der Lebermetastasen und der extrahepatischen Metastasen eine Verbesserung der Krankheitskontrolle bis hin zu Verbesserung des Überlebens bei einzelnen Patienten ermöglichen kann. Insgesamt ist allerdings eine Kuration sehr selten und die Rezidivwahrscheinlichkeit sehr groß, sodass jeder Fall individuell in einem interdisziplinären Tumorboard besprochen werden sollte (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Bildgebende Diagnostik 3 Monate nach chirurgischer Therapie eines metastasierten Sigmakarzinoms. Angewendet wurde ein simultanes Verfahren bestehend aus R0-Sigmaresektion und Resektion der Lebermetastasen. Die grüne Linie zeigt die Resektionsnarbe. Unter adjuvanter Chemotherapie ist eine neue Lebermetastase (rote Linie) aufgetreten

Lokalablative Verfahren

Unter dem Begriff der „lokalablativen Verfahren“ wird in der Regel eine thermische Schädigung der Metastasen entweder durch Radiofrequenz- oder Mikrowellenablation verstanden. Diese können wie bereits ausgeführt in Kombination mit Resektionsverfahren eingesetzt werden. Eine weitere Methode beschreibt die irreversible Elektroporation, die durch Applikation einer hohen Spannung Löcher in den Tumorzellwänden hervorruft. Auf diese Weise können ggf. Patienten, die sonst nur einer extensiven Chirurgie zugeführt werden müssen, potenziell kontrolliert behandelt werden.

Das krankheitsfreie Intervall ist im Vergleich zum chirurgischen Verfahren kürzer

Kombiniert man Ablationsverfahren mit Resektionen, was gerade bei Patienten mit bilobärer Erkrankung sinnvoll ist, kann ein Langzeitüberleben von bis zu 56 % erreicht werden. Vorteilhaft zeigt sich hierbei die geringere Morbidität im Verhältnis zu erweiterten Resektionen. Allerdings muss man konstatieren, dass das krankheitsfreie Intervall im Vergleich zum chirurgischen Verfahren kürzer ist, sodass es sich hierbei vielmehr um eine Tumorkontrolle als um eine Heilung handelt [20, 59]. Technische Limitationen für die Radiofrequenzablation ergeben sich in unmittelbarer Nähe großer Gefäße durch den „heat sink effect“ sowie durch den Durchmesser der zu destruierenden Läsion. In der deutschen S3-Leitlinie wird daher die operative Entfernung als primäres Verfahren empfohlen, wenn keine Kontraindikationen bestehen.

Lebertransplantation bei kolorektalen Lebermetastasen

Die Lebertransplantation bietet die Möglichkeit der vollständigen Entfernung aller Lebermetastasen mit ausreichendem Sicherheitsabstand. In der frühen 1980er-Jahren sind unter dieser Prämisse erste Transplantationen erfolgreich durchgeführt worden. Deutlich später wurde in der SECA-1-Studie gezeigt, dass bei nichtresektablen Lebermetastasen ein deutlicher Überlebensvorteil in der Transplantationsgruppe gegenüber der Chemotherapiegruppe besteht (Faktor 6-fach; [60]).

Aufgrund der Tatsache, dass das Überleben bei anderen Indikationen zur Transplantation besser ausfällt, ist die Transplantation bei diesen Patienten in Anbetracht des Spendermangels nicht als Standard akzeptiert. Inwiefern Leberlebendspenden ggf. als 2‑zeitiges Konzept eine Rolle spielen, werden weitere laufende Studien zeigen müssen. Die International Hepato-Pancreato Biliary Association (IHPBA) hat bereits eine Empfehlung verfasst, in der die Transplantation als eine Option für Patienten mit nichtresektablen Lebermetastasen betrachtet wird [61].

Rolle der minimal-invasiven Chirurgie

Die Etablierung der minimal-invasiven Chirurgie ist insgesamt weit vorangeschritten. Auch in der Leberchirurgie von kolorektalen Lebermetastasen hat die minimal-invasive Leberchirurgie Interesse gefunden. Der OSLO-COMET Trial hat gezeigt, dass minimal-invasive Leberchirurgie sicher und effizient ist. Während die onkologischen Outcomeparameter (krankheitsfreies Überleben, 5‑Jahres-Gesamtüberleben) in beiden Gruppen statistisch gleich sind, gab es die üblichen Vorteile im kurzfristigen postoperativen Verlauf. Dies betrifft sowohl die kürzere Krankenhausverweildauer als auch eine Reduktion der Morbidität [62].

Während damit eine gute Datengrundlage zur Verbreitung der minimal-invasiven Leberchirurgie bei kleineren Resektionen gegeben ist, besteht Uneinigkeit im Bezug ihrer Rolle bei Major-Resektionen. Die technische Schwierigkeit und die Notwendigkeit eines intensivierten Trainings in der Methode könnte ein limitierender Faktor in der Verbreitung dieser Technik darstellen. Daher gibt es schon seit einigen Jahren Bemühungen, internationale Standards festzulegen und ein Ausbildungsprogramm aufzulegen [63].

Nichtkolorektale Lebermetastasen

Neben den kolorektalen Lebermetastasen sind auch in der Behandlung von neuroendokrinen Lebermetastasen leberchirurgische Eingriffe fest etabliert und gut validiert. In Ergänzung des Indikationsspektrums gibt es bei neuroendokrinen Metastasen sogar Indikationen für Tumormassenreduktionen, sog. Debulking-Operationen. Die Rationale besteht in der Symptomkontrolle, die bei hormonproduzierenden Tumoren im Verhältnis zur Tumormasse besser oder schlechter möglich ist [64].

Doch wie verhält es sich außerhalb dieser beiden Entitäten? Betrachtet man den postulierten Metastasierungsweg, der bei den kolorektalen Karzinomen portalvenös verläuft, geht man bei vielen anderen Entitäten beim Auftreten hepatischer Metastasen von einer generalisierten Erkrankung aus, die primär systemisch therapiert werden muss. Das hierbei betrachtete Tumorkollektiv ist äußerst heterogen und in der wissenschaftlichen Literatur nicht präzise abgebildet [65].

Leberchirurgische Maßnahmen werden bei oligometastasierter Erkrankung zunehmend akzeptiert

Zunehmend akzeptiert scheinen leberchirurgische Maßnahmen bei sog. oligometastasierter Erkrankung zu sein. Dabei ist der Begriff der Oligometastasierung nicht eindeutig definiert [66]. Aus einer umfangreichen Datenbank haben Adam et al. einen Prognosescore entwickelt, der es ermöglicht, präoperativ den onkologischen Nutzen einer leberchirurgischen Maßnahme bei eben diesem heterogenen Kollektiv abzuschätzen [67]. In diesem Scoring-System ergeben sich 3 Risikogruppen, die jeweils mit einem deutlich unterschiedlichen 5‑Jahres-Überleben hinterlegt sind. Dieser Score konnte weiter validiert werden und ist, nach Auffassung der Autoren, das am besten validierte Instrument und Hilfestellung in der Entscheidung, ob Patienten mit nichtkolorektalen Lebermetastasen sinnvoll chirurgisch behandelt werden können ([68, 69]; Tab. 1).

Tab. 1 Adam-Score für das Abschätzen des 5‑Jahres-Überleben von chemotherapienaiven Patienten mit nichtkolorektalen, nichtendokrinen Lebermetastasena

Schlussfolgerung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in der Behandlung von kolorektalen Lebermetastasen durch den Einsatz der Chirurgie, auch in Verbindung mit anderen Therapiemodalitäten, das krankheitsfreie Überleben und Gesamtüberleben verbessert werden können. Ein multiprofessionelles Tumorboard muss die Indikation und die Patientenselektion durchführen. Die chirurgische Resektion bleibt in der kurativen Behandlung von Patienten mit kolorektalen Lebermetastasen Goldstandard. Die Tumorbiologie mit ihren entsprechenden Parametern rückt immer mehr in den Vordergrund und muss in den Entscheidungen der Therapie zunehmende Berücksichtigung finden. Die Rolle der Lebertransplantation bleibt gerade im Hinblick auf den Spendermangel unklar und ist nicht fest etabliert. Die minimal-invasive Leberchirurgie ist bei begrenzten Resektionen etabliert, während Major-Resektionen durchaus eine große technische Herausforderung darstellen. Während neben den kolorektalen Lebermetastasen auch bei neuroendokrinen Metastasen leberchirurgische Eingriffe etabliert sind, fehlt, in Teilen ungerechtfertigt, die allgemeine Akzeptanz bei anderen Tumoren. Prognosescores wie der von Adam et al. stellen ein nützliches Werkzeug in der Identifikation von Patienten mit onkologisch sinnvoller Interventionsmöglichkeit dar.

Fazit für die Praxis

  • Die onkochirurgische Strategie ist eine Teamstrategie, die in einem multidisziplinären Tumorboard besprochen werden sollte.

  • Therapieentscheidungen repräsentieren eine Abwägung zwischen dem onkologischen Nutzen und dem Risiko der verschiedenen Therapiealternativen.

  • Ausgewiesene Expertise in internistischer Onkologie, kolorektaler und hepatobiliärer Chirurgie sowie diagnostischer und interventioneller Radiologie und Strahlentherapie sollten idealerweise Hand in Hand die Therapieentscheidung leiten.

  • Eine metastasierte Erkrankung bei kolorektalen Karzinomen sollte als chronische Erkrankung betrachtet werden, die eine tragfähige langfristige therapeutische Strategie erfordert.

  • Nur eine sehr geringe Anzahl von Patienten sollte als einer potenziell kurativen Behandlung nicht zugänglich angesehen werden. Eine bildmorphologische Neubewertung der Resektabilität jeweils nach 4–6 Therapiezyklen sollte, insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Wirksamkeit der systemischen Therapeutika, die Regel sein.

  • Auch nichtkolorektale und nichtendokrine Lebermetastasen können in Abhängigkeit weiterer Faktoren einer sinnvollen leberchirurgischen Intervention zugeführt werden. Der Adam-Score bietet die am besten validierte Entscheidungshilfe.