Einleitung

Der Kartoffelkäfer ist der Hauptschädling im Kartoffelanbau und verursacht bei starkem Auftreten hohe Ertragseinbußen. Abhängig vom jährlichen Befallsdruck kann das vor allem in den späteren Reifegruppen mehr als eine Insektizidspritzung nach sich ziehen, was andere Glieder des Agroökosystems negativ beeinflusst. So können Laufkäfer als natürliche Feinde des Kartoffelkäfers in ihrem Auftreten reduziert werden, ebenso Marienkäfer, Schweb- und Florfliegen, die als Feinde von Blattläusen gelten. So wird beispielsweise das Insektizid Coragen® (200 g/l Chlorantraniliprol) als schädigend für Populationen relevanter Nutzinsekten eingestuft (Anonym 2022a). In der Folge könnten dann beispielsweise zusätzliche Insektizidspritzungen gegen Blattläuse notwendig werden, die Überträger von Viruskrankheiten der Kartoffel sind. Daher sollte eine chemische Bekämpfung des Kartoffelkäfers auf das notwendige Maß reduziert werden, wozu eine gezielte Behandlung entsprechend dessen Auftretens beitragen kann. Bereits Forschungsarbeiten von Wetzel (1973), zu einer Zeit wo noch breitwirksame Insektizidsubstanzen zugelassen waren, ergaben, dass eine Applikation von Pflanzenschutzmitteln auf Teilflächen des jeweiligen Feldes den Erhalt von Nützlingen und anderer Glieder der Agrobiozönose zur Folge hatten.

Zu Beginn einer Massenvermehrung sind in der Regel nur eine begrenzte Anzahl Kartoffelpflanzen im Feld befallen (Befallsherde). Ein ausgeprägtes aggregiertes Auftreten innerhalb eines Feldes belegen z. B. Boiteau (2005). Deren Lokalisierung und gezielte Spritzung würde zu einer erheblichen Reduzierung des Insektizideinsatzes führen. Werden nur einige wenige Befallsherde festgestellt und deren Position mit einem GPS (Global Position System) erfasst, könnten zukünftig UAVs, die mit einem Spritzgerät ausgerüstet sind (Yang et al. 2018), deren gezieltes Anfliegen und das Applizieren eines Insektizides ermöglichen (offline Verfahren). Sind im Verlauf der Vegetationsperiode bereits größere Teilflächen des Feldes mit Kartoffelkäferlarven befallen, ist das Zeitfenster in dem der Landwirt reagieren kann sehr eng, so dass das Erkennen und die Insektizidspritzung in einem Arbeitsgang (online Verfahren) erfolgen sollte. Kamerabestückte Feldspritzen sind bereits bei einigen Herstellern in der Praxistestung. In Deutschland hat beispielsweise Amazone das Spritzgestänge der Anhängefeldspritze UX 5201® (Anonym 2022b) auf 36 m Arbeitsbreite mit Kameras bestückt. Dieser Hersteller empfiehlt beispielsweise mit seiner Technik eine kamerabasierte Einzeldüsenansteuerung für eine selektive Unkrautbekämpfung.

Voraussetzung für eine offline oder online Applikation von Insektiziden zur Bekämpfung des Kartoffelkäfers ist ein lückenloses Monitoring des gesamten Feldes. Eine manuelle Bonitur jeder einzelnen Kartoffelpflanze ist auf Grund des außergewöhnlich hohen Arbeitsaufwandes nicht möglich. In den letzten Jahren wurden auf Forschungsebene hochauflösende Kameras im Millimeterbereich vorrangig zur Detektion von Pflanzenkrankheiten an UAVs (Wiesner-Hanks et al. 2019), an Bodenfahrzeugen (Ruckelshausen und Busemeyer 2015) als auch kombiniert (Bohnenkamp et al. 2019) zu Forschungszwecken betrieben. Der Einsatz von Kamerasensoren könnte eine selektive Spritzung nur der Kartoffelpflanzen mit Larvenbesatz ermöglichen. Das setzt deren sichere und schnelle Erkennung in den Sensorbildern durch geeignete Methoden der Bildverarbeitung voraus.

Eine chemische Bekämpfung sollte sich auf das erste und zweite Larvenstadium (L1, L2) beziehen (Anonym 2022c). Diese verursachen noch keinen so hohen Fraßschaden im Vergleich zu L3 und L4, die außerdem schlechter bekämpfbar sind und wo eine höhere Gefahr der Resistenzbildung besteht. Die Eigelege und die daraus geschlüpften Larven L1 sind jedoch von oben nicht zu erkennen, da diese sich an der Blattunterseite befinden. Daher wurden am ATB ein kamerabestückter Vertikalsensor entwickelt, mit dem Bilder unterhalb der Pflanzenoberfläche, mit der Aufnahmerichtung schräg nach oben, generiert wurden.

Die im Beitrag vorgestellte traktor- und UAV-gestützte Sensortechnik unter Einsatz einer Multispektralkamera und dreier handelsüblicher Farbbildkameras wurde im Freiland ersten Tests unterzogen. Es sollte ermittelt werden, ob in den Bildern die einzelnen Stadien des Kartoffelkäfers in Abhängigkeit der Vegetationsentwicklung der Kartoffelpflanzen erkennbar sind. Manuelle Bonituren zum ortsspezifischen Auftreten des Schadinsektes im Feld sind dabei nicht erfolgt. Dadurch konnte kein Vergleich der Ergebnisse einer kamerabasierten mit einer manuellen Erfassung erfolgen. Die sensorbasierten Erfassungsmethoden werden in dem vorliegenden Beitrag vorgestellt und ein möglicher Praxiseinsatz auch unter Einbeziehung des biologischen Potentials des Agroökosystems zur Selbstregulierung (Laufkäfer, enthomophage Pilze usw.) diskutiert.

Material und Methoden

Feldtests

Der Feldtest mit einer Multispektralkamera wurde bereits 2012 in einem Kartoffelfeld (Latitude: 51.94° N, Longitude: 12.90° E) der AFB Agrar GmbH Flämingland Blönsdorf durchgeführt.

Der Feldtest mit Farbbildkameras (RGB-Kameras) vom Typ Sony, Nikon und Zenmuse erfolgte 2018 bzw. 2022 auf der Versuchsstation des ATB in Marquardt (Latitude: 52.47° N, Longitude: 12.96° E) in einem angelegten Parzellenversuch.

Multispektralkamera am Traktor oberhalb des Bestandes

Der Feldtest mit der 3‑Chip Multispektralkamera MS2100 (DuncanTech, Redlake, San Diego, CA, USA) wurde unter Nutzung des roten (670 nm, mittlere Bandbreite 22 nm) und infraroten Wellenlängenbereichs (800 nm, mittlere Bandbreite 65 nm) am 19.07.2012 durchgeführt. Die Unterschiede in der Reflexion zwischen grünen Pflanzengewebe und nicht grünen Objekten ist hier am größten. Grüne Pflanzen absorbieren das rote Licht und reflektieren das infrarote Licht. Die Reflexion in diesen zwei Wellenlängenbereichen von nichtgrünen Pflanzenteilen sowie Boden und Insekten unterscheidet sich nicht wesentlich. Die Bildauflösung der Kamera war 640 × 480 Pixel. Als Objektiv wurde ein Sigma EX Aspherical 14/2.8 benutzt. Der Kamera-Sensor war in einem Schutzgehäuse seitlich am Traktor höhenverstellbar angebracht (Abb. 1). Beispielsweise betrug bei 0,40 m Abstand von der Krautoberfläche die Bildaufnahmefläche 0,20 m × 0,15 m. Die Bilder wurden an einen Industrie Computer IPC-r4HE (PK Computer GmbH, Eppstein, Germany) übertragen, wo anschließend die Bildverarbeitung in Echtzeit erfolgte.

Abb. 1
figure 1

Höhenverstellbar aufgehängte Multispektralkamera im Gehäuse (Pfeil), seitlich an der Pritsche des JCB-Traktors im Test 2012. (Nach Dammer et al. 2016a)

Beim Einsatz der Multispektralkamera erfolgte die Bildauswertung mit einer speziellen Software, die innerhalb eines Forschungsprojektes von der Firma SYMACON GmbH (Barleben, Germany) entwickelt wurde. Diese wird im Folgenden bezüglich des vorliegenden Anwendungsfalls kurz beschrieben. Zunächst erfolgte unter Nutzung der roten und infraroten Bilder die Erzeugung eines neuen Grauwertbildes unter Berechnung des „Normalized Difference Vegetation Index“ NDVI = (IR − R)/(IR + R). Vor Beginn der Bildaufnahme wurde abhängig von den Beleuchtungsverhältnissen eine Kalibrierung des Sensors durchgeführt und eine Grenzwertauswahl für den Grauwert des NDVI-Bildes getroffen, um grünes Pflanzengewebe von den Kartoffelkäferlarven zu unterscheiden. In einem Binarisierungsschritt erfolgte danach eine Einteilung der Bildpixel des NDVI-Bildes größer dem Grenzwert in die Farbe Weiß (grüne Pflanze) und kleiner dem Grenzwert in die Farbe Schwarz (nicht Grün). Dabei traten auch missklassifizierter Pixel auf, die jedoch in Ihrer Ausdehnung kleiner als die Larven waren. Eine erneute Grenzwertauswahl bezüglich der Anzahl Pixel, die an der jeweiligen Anhäufung beteiligt waren, diente zu deren Entfernung aus dem Binärbild. Alle in einer Anhäufung zusammenhängende Pixel, die kleiner als dieser Grenzwert waren, wurden aus dem Binärbild gelöscht. So blieben nur die Objekte im Bild übrig, die in ihrer Ausdehnung der im Bild abgebildeten Größe der Larven entsprachen. In der Software wurden diese schwarzen Objekte dann gezählt und zusammen mit der GPS Position der Bildaufnahme gespeichert. Das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) setzte diesen Kamerasensor bereits zur Erkennung der Partiellen Taubährigkeit (Fusarium spp.) im Winterweizen (Dammer et al. 2011) sowie für die sensorgesteuerte Herbizidspritzung (Dammer 2016b) und Fungizidspritzung (Tackenberg et al. 2017) im online Verfahren ein.

Farbbildkamera am Traktor oberhalb des Bestandes

Multispektralkameras sind in der Anschaffung sehr teuer, sind sehr empfindlich und deren Betrieb erfordert spezielle Kenntnisse. Durch die mechanische Beanspruchung ist deren Einsatz unter Feldbedingungen eingeschränkt. Farbbildkameras sind eine preiswerte und robuste Alternative. Im Jahr 2018 wurde daher ein Freilandtest mit einer handelsüblichen Kamera vom Typ Sony ILC-6000 (Sony Corp., Japan) mit einer Bildgröße von 6000 × 4000 Pixeln durchgeführt. Das Objektiv hatte eine Brennweite von 50 mm, mit einer Blende von f/8 bei 0,001 s Belichtungszeit. Die Kamera war seitlich an einem Traktor in etwa 2,50 m Höhe angebracht (Abb. 2). Es wurden im Jahr 2018 während der Überfahrt an 3 Terminen am 27.06, am 05.07. und am 19.07.2018 Bilder generiert. Die Aufnahmefläche der Bilder am Boden betrug 1,18 m × 0,78 m. Ein Bildpixel entsprach daher eine Auflösung von 0,2 mm × 0,2 mm.

Abb. 2
figure 2

Sony ILC-6000 Kamera (Pfeil) an einem seitlichen Ausleger des JCB-Traktors während der Meßfahrt im Test 2018

Die Bildverarbeitung erfolgte in einem separaten Schritt mit Methoden des maschinellen Lernens. Im Folgenden wird die Vorgehensweise entsprechend einer am ATB realisierten Projektarbeit (Bostame et al. 2021) kurz beschrieben. Die Originalbilder der Sony-Kamera wurden zunächst visuell in die zwei Kategorien, mit und ohne Kartoffelkäfer, eingeteilt. In den insgesamt 222 Bildern mit Käfern erfolgte eine Markierung der Käferlarven per Hand mit einer speziellen Software. Es entstanden Text-files, welche anschließend mittels eines Skripts in 644 kleinere Bilder (854 × 854 Pixel) geteilt und dann in Xml-files transferiert wurden. Ein weiteres Skript diente dem Einlesen der Bilder unter anderem in 3 Varianten des Deep Learning Models YOLOv4 (Bochkovskiy et al. 2020). Zum Trainieren der Modelle standen insgesamt 520 Bilder zur Verfügung. Dazu wurden die nicht markierten sowie die markierten Bilder in das jeweilige Modell eingelesen. Iterativ erfolgte eine Anpassung der Modellparameter, bis die Käferlarven in den Trainingsbildern korrekt erkannt wurden. Die verbleibenden 124 Bilder dienten als Testdatensatz, um die Erkennungssicherheit des jeweiligen Modells in den Bildern zu ermitteln.

Farbbildkamera am UAV oberhalb des Bestandes

Im Jahr 2022 erfolgten Überflüge im Kartoffelversuch auf der ATB Versuchsstation mit einem Quadrocopter vom Typ DJI Matrice 300 (DJI Technology Ltd., Shenzen, China). Die Bildgröße der Zenmuse P1 Kamera war 5460 × 8192 Pixel. Das Objektiv hatte eine Brennweite von 35 mm, mit einer Blende von f/11 bei 0,0016 s Belichtungszeit. Die Flughöhe betrug etwa 3 m, was einer abgebildeten Flächengröße am Boden von etwa 2 m × 1,5 m entsprach. Daraus ergab sich eine Auflösung von 0,35 mm x 0,35 mm je Bildpixel.

Da die Versuche mit dem Quadrocopter oberhalb des Bestandes kurz vor der Einreichung des Manuskriptes erfolgten, sind die Arbeiten zur Auswertung der Bilder z. B. mit Methoden des maschinellen Lernens noch nicht abgeschlossen.

Farbbildkamera am Traktor im Bestand zwischen den Dämmen

An einer vertikalen Edelstahlstange war eine Nikon 1J3 Kamera (Nikon Corp., Japan) mit einer Bildgröße von 3072 × 4608 Pixeln in einem Schutzgehäuse angebracht, deren Öffnung schräg nach oben zeigte (Abb. 3). Das Objektiv hatte eine Brennweite von 10 mm, die Blende war f/2.8 mit 0,004 s Belichtungszeit. Bei einem Abstand von etwa 15 cm von den Kartoffelblättern ergab sich eine Auflösung von etwa 30 × 30 mm je Bildpixel. Der Vertikalsensor war an einem seitlichen Gestänge über ein Drehgelenk montiert und am Heckdreipunkt des JCB-Traktors angebracht. Bei der Berührung von Hindernissen bzw. Boden konnte dieser somit nach hinten ausgelenkt werden. Erste Tests mit diesem Sensorsystem erfolgten im Jahr 2022.

Abb. 3
figure 3

Nicon 1J3 Kamera (Aufnahmerichtung seitlich schräg nach hinten/oben) in einem Schutzgehäuse in der Kartoffelreihe an einer vertikalen Edelstahlstange (Vertikalsensor) am Heckdreipunkt des JCB-Traktors während der Messfahrt im Test 2022

Die Arbeiten zur Auswertung der Bilder waren zur Zeit der Einreichung vorliegenden Manuskriptes wie die der UAV-Bilder noch nicht abgeschlossen.

Ergebnisse

Multispektralkamera am Traktor oberhalb des Bestandes

Im Graustufenbild (Abb. 4a) ist die Larve von L. decemlineata in der Mitte des Bildes zu erkennen. Im Bild der roten Wellenlänge (Abb. 4b) sind die grünen Kartoffelpflanzen dunkel, weil das rote Licht zur Assimilation absorbiert und nur schwach reflektiert wird. Die Kartoffelkäferlarve in der Mitte des Bildes erscheint dagegen hell. Das Bild des infraroten Wellenlängenbereiches (Abb. 4c) lässt keine Unterschiede in der Reflexion zwischen den grünen Kartoffelpflanzen und der Larve erkennen. Im Bild des NDVI nach Grenzwertanwendung erscheint die Larve letztendlich als schwarzer Fleck (Abb. 4d).

Abb. 4
figure 4

Original Graustufenbild (a), Rot-Bild (b), Infrarot-Bild (c) und Binärbild in schwarz/weiß nach automatischer Bildbearbeitung (d) eines Bildes der Multispektralkamera in etwa 0,25 m Entfernung von der Krautoberfläche, Test 2012

Die Erkennungssicherheit ist neben den Kamera- und Objektivparametern vom Abstand der Bildaufnahme zur Krautoberfläche abhängig. An der gleichen Position wo das Bild in Abb. 4 aufgenommen wurde, erfolgte die Generierung von Bildern aus verschiedenen Höhen. In Abb. 5 ist das Orginalgraustufenbild und das Ergebnisbild nach der automatischen Bildverarbeitung in einem Kameraabstand von 0,65 m von der Krautoberfläche dargestellt. In größeren Abständen war die Larve von L. decimlineata nicht mehr mit der Software klassifizierbar.

Abb. 5
figure 5

Original Graustufenbild (a), und Binärbild in schwarz/weiß nach automatischer Bildbearbeitung (b) eines Bildes der Multispektralkamera in etwa 0,65 m Entfernung von der Krautoberfläche, Test 2012

Ein Problem beim Einsatz der Multispektralkamera bestand während der Blütezeit der Kartoffelpflanzen (Abb. 6a). Die Blüten enthalten kein Chlorophyll und haben dadurch eine andere Reflexion im Vergleich zu den Blättern. Nach der Bildverarbeitung erschienen diese als schwarze Pixel (Abb. 6b) und wurden dadurch fälschlicherweise als Käferlarven (falsch positiv) klassifiziert.

Abb. 6
figure 6

Original Graustufenbild (a) und Binärbild in schwarz/weiß (b) nach automatischer Bildbearbeitung eines Bildes der Multispektralkamera während der Blüte der Kartoffelpflanzen, Test 2012

Ein weiteres Problem bestand bei den Aufnahmen vor dem Reihenschluss der Kartoffelpflanzen (Abb. 7a). Der Boden reflektiert im roten und infraroten Wellenlängenbereich nicht wie grünes Pflanzengewebe. Nach der Grenzwertanwendung im NDVI wurden die entsprechenden Pixel der Farbe schwarz zugeordnet und daher als Käferobjekte falsch positiv klassifiziert (Abb. 7b).

Abb. 7
figure 7

Original Graustufenbild (a) und Binärbild in schwarz/weiß nach automatischer Bildbearbeitung (b) eines Bildes der Multispektralkamera vor Reihenschluss der Kartoffelpflanzen, Test 2012

Farbbildkamera am Traktor oberhalb des Bestandes

Mit Hilfe der trainierten Modelle des neuronalen Netzes erfolgte nach dem Importieren der Testbilder (Abb. 8a) die automatische Detektion der Käferlarven (Abb. 8b).

Abb. 8
figure 8

Original Farbbild (a) und durch das Modell des neuronalen Netzes klassifiziertes Bild (b) (nach Bostame et al. 2021), Test 2018

Die blauen Rechtecke enthalten die klassifizierten Käferlarven. Die Zahl in der rechten oberen Ecke ist die relative Wahrscheinlichkeit, dass das Rechteck eine Käferlarve enthält. In Abb. 9 ist eine Vergrößerung eines Bildausschnittes aus Abb. 8b rechts dargestellt.

Abb. 9
figure 9

Vergrößerter Ausschnitt aus dem klassifizierten Testbild aus Abb. 8b rechts, Test 2018

Die drei künstlich neuronalen Netzmodelle basierend auf YOLOv4 ergaben eine mittlere Genauigkeit bei der Erkennung der Larven in den 124 Testbildern von etwa 97 % (Bostame et al. 2021).

Farbbildkamera am UAV oberhalb des Bestandes

Mit diesen Bildern war es möglich die Käferlarven, die sich oberhalb der Blätter befanden, wie in Abb. 8a bereits dargestellt, zu erkennen. Bei bestimmten Abständen der Quadrocopters zur Pflanzenoberfläche wurden durch die Rotoren Luftbewegungen ausgelöst, die sich auf den Pflanzenbestand auswirkten. Dadurch war teilweise die Blattunterseiten sichtbar wie im linken Teil des Beispielbildes in Abb. 10.

Abb. 10
figure 10

Luftbild vom Quadrocopter; links im Bild: durch Luftbewegung der Rotoren des Quadrokopters Blattunterseite sichtbar, Test 2022

Nach Vergrößerung eines Ausschnittes aus Abb. 10 ist in Abb. 11 in der äußeren linken oberen Bildhälfte eine Kartoffelkäferlarve und ganz rechts zwei Eigelege auf den Blattunterseiten zu erkennen.

Abb. 11
figure 11

Vergrößerung aus Abb. 10; links oben: Kartoffelkäferlarve (rotbraun), rechts: zwei Eigelege (gelb), Test 2022

Farbbildkamera am Traktor im Bestand zwischen den Dämmen

In den Farbbildern, die schräg nach oben aufgenommen wurden, waren zu dem Aufnahmezeitpunkt am 09.06.2022 Käfer auch an der Blattunterseite vorhanden. Ein Beispiel ist in Abb. 12 dargestellt.

Abb. 12
figure 12

Farbbild der Kamera im Schutzgehäuse am Vertikalsensor unterhalb des Kartoffelkrautes, adulter Kartoffelkäfer an der Blattunterseite, Test 2022

Zum selben Tag waren auch die blattunterseitigen Eigelege der ersten Generation des Käfers vorhanden, (Abb. 13).

Abb. 13
figure 13

Farbbild der Kamera im Schutzgehäuse des Vertikalsensors unterhalb des Kartoffelkrautes, Eigelege (gelb) des Kartoffelkäfers an der Blattunterseite, Test 2022

Diskussion, Schlussfolgerungen und Ausblick

Beim sensorbasierten Monitoring von Schadinsekten im Freiland unterscheidet man direkte (Nachweis des Schadens) und indirekte (Nachweis der Insekten) Methoden. Einen Überblick hinsichtlich eines präzisen Pflanzenschutzes gibt zum Beispiel Bieganowski et al. (2021). Als direkte Methoden werden zunehmend Kameratechnologien eingesetzt, die es erlauben, sowohl spektrale Eigenschaften, als auch räumliche Strukturen (Formen-Parameter) für die Klassifizierung der einzelnen Insektenstadien in den Bildern zu erfassen. Multispektralkamerasysteme an UAVs wurden bisher angewendet, um den Fraßschaden, verursacht durch die Larven des Kartoffelkäfers an den Kartoffelpflanzen (indirekte Erkennungsmethode), großräumig zu erfassen. So nutzten Hunt und Rondon (2017) eine 5‑Band Multispektralkamera (Mini Multi Camera, Tetracam, Inc., Chatworth, California) an einem S800 Hexakopter (DJI, Shenzhen, Guangdong, China), um den Schaden zu detektieren. Diese UAV-gestützte Technologie erreichte keine so hohe Auflösung am Boden, um einzelne Käferarten an Kartoffelpflanzen als Verursacher der Fraßschäden zu ermitteln. Schäden am Kartoffelkraut können auch durch andere Insekten verursacht werden. Beispielsweise gilt der Japankäfer (Popilla japonica) in Deutschland als Quarantäneschädling (Baufeld und Schaarschmidt 2020). Für eine Unterscheidung einzelner Insektenarten ist es notwendig die Kameras entsprechend deren Auflösung relativ nah an die Pflanzenoberfläche heranzuführen. Dies kann durch die Überfahrt durch Traktoren oder tieffliegende UAVs erfolgen. Zur direkten artspezifischen Erkennung von Insekten in Bildern von handelsüblichen Farbbildkameras unter Freilandbedingungen wurde in den letzten Jahren zunehmend an intelligenten Bildverarbeitungsmethoden in verschiedenen Kulturen gearbeitet, z. B. Weizen (Wang et al. 2020), Mais (Souza et al. 2019), Reis (Rahman et al. 2020). Einen Übersichtsbeitrag hinsichtlich Präzisionspflanzenschutz geben Behmann et al. (2015).

Durch eine kameragestützte automatische Erkennung durch die vorgestellten sensorbasierten Monitoringmethoden könnte zur Bekämpfungsentscheidung zukünftig nicht nur eine Schadensschwelle je Kartoffelfeld, sondern auf die Einzelpflanze bezogene lokale Schadensschwellen für den Kartoffelkäfer herangezogen werden. So werden zum Beispiel von der Bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft im Mittel 15 Junglarven je Pflanze von insgesamt 25 blattunterseitig zu kontrollierenden Pflanzen angegeben (Anonym 2022c). Wenn die Anzahl Kartoffelpflanzen im Bild während der Überfahrt konstant ist, kann die Anzahl klassifizierter Kartoffelkäferlarven im Mittel auf eine Pflanze bezogen werden. Zieht man eine online-Insektizidspritzung in Betracht, wie sie beispielsweise mit dem kamerabestückten Spritzgestänge der in der Einleitung genannten Anhängefeldspritze UX 5201® von Amazone gegeben wäre, ist ein Ein- und Ausschalten der Düsen je nach detektierter Anzahl der Kartoffelkäferlarven denkbar.

Die vorgestellte Klassifizierungsmethode für Käferlarven mit Hilfe des Multispektralkamerasystems erfolgte online, während bei der Methode mit dem neuronalen Netz die Bearbeitung der RGB-Bilder in einem zweiten Arbeitsschritt offline durchgeführt wurde. Die Bildverarbeitungsmethode mit der Multispektralkamera lieferte nur in einem begrenzten Zeitfenster bei Reihenschluss der Kartoffel und unter der Bedingung, dass keine Blüten vorhanden sind, verlässliche Ergebnisse. Die Methode unter Verwendung des künstlichen neuronalen Netzes war dagegen in einem breiteren Zeitfenster der Vegetationsentwicklung der Kartoffelpflanze anwendbar. Sehr arbeitsaufwendig bei der Nutzung von künstlichen neuronalen Netzen ist allerdings die Vorbereitung der Trainingsbilder durch das Annotieren (Labeln). Hier muss von Hand in den Bildern das jeweilige Klassifizierungsobjekt (Kartoffelkäferlarven) oder auch mehrere Objekte (Blüten, Boden) markiert werden. Dabei kann die Beteiligung von Nichtfachleuten (crowdsourcing), wie beispielsweise von großen online-Portalen wie Microsoft (Lin et al. 2014) oder Amazon (Wiesner-Hanks et al. 2019) betrieben, zeit- und kostensparend sein.

Die Modelle der künstlichen neuronalen Netze sind online-fähig und können in sogenannten embedded systems (Kamera und Computer bilden eine Einheit), betrieben werden. Fawakherji et al. (2019) verwendete diese zur Erkennung von Kulturpflanzen und Unkräutern. Solche Systeme sind bereits im Handel. Hinsichtlich der Modellbildung künstlich neuronaler Netzte vertreiben manche Anbieter cloudbasierte Softwarelösungen zum Verwalten und Labeln von Bilddaten sowie zum Trainieren eines künstlichen neuronalen Netzes. Das resultierende neuronale Netz kann anschließend direkt auf dem embedded system ausgeführt werden (z. B. Anonym 2022d).

Eine sensorbasierte, präzise Applikation von Insektiziden zu Beginn der Massenvermehrung des Kartoffelkäfers, wenn nur wenige Befallsherde vorhanden sind, könnte die Anzahl von Folgespritzungen vermindern und generell zu einer wesentlichen Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes führen. Neben dem positiven ökologischen Effekt ist der ökonomische Vorteil für den jeweiligen Landwirtschaftsbetrieb zu nennen. Betriebsmittelkosten werden verringert. Es kann außerdem mit einer Tankfüllung der Feldspritze mehr Fläche behandelt werden. Mit der Entwicklung von Feldspritzen mit einer schnellen Direkteinspeisung (Krebs et al. 2015) könnten Restmengen im Tank vermieden werden. Mit diesen Feldspritzen wäre auch eine gleichzeitige Spritzung von Fungiziden z. B. gegen Krautfäule (Phytophtora infestans) und Insektiziden gegen den Kartoffelkäfer möglich.

Besonders das Monitoring an der Blattunterseite bringt dem Landwirt bei der Entscheidungsfindung für eine chemische Bekämpfung einen zeitlichen Vorteil. Als technische Folgeentwicklung des beschriebenen Vertikalsensors wären mehrere Sensoren an einem waagerechten Gestänge, das am Frontdreipunkt angebracht ist vorstellbar, die bei einer Überfahrt gleichzeitig und lückenlos Bilder entlang der Gestängebreite aufnehmen. Neben der im Beitrag beschriebenen Kamerapositionierung an einem starren Rohr, wäre eine flexible technische Lösung wie die Kameraanbringung an Schleppschläuchen denkbar. Soll zeitgleich gespritzt werden (online Verfahren) kommt die Kameraanbringung am Spritzgestänge, wie schon in der Einleitung erwähnt (Anonym 2022b) in Betracht. Dazu muss jedoch das Gewicht der Sensorausführung entsprechend reduziert werden.

Die Ergebnisse des Einsatzes von Vertikalsensoren hinsichtlich der Anzahl Individuen von L. decimlineata je Kartoffelpflanze könnten auch als Parameter in Schaderreger-Prognosemodellen einbezogen werden. So hängt der Larvenschlupf sehr stark von der Temperatur ab. Bereits 1983 wurde in der ehemaligen DDR das Prognosemodell SIMLEP (Kurth 1987) entwickelt, das sich in den Folgejahren in Deutschland etabliert hat (Rossberg 1995). Das Modell berechnet wetterabhängig die Zeit bis zum Larvenschlupf, so dass der Landwirt eine chemische Bekämpfung zeitig genug planen kann.

Als abschließenden Aspekt soll ein Ausblick hin zu der ganzheitlichen Betrachtung von Agroökosystemen im Hinblick eines integrierten präzisen Pflanzenschutzes erlaubt sein. Der Einsatz von Sensoren würde zukünftig dazu beitragen, das Potenzial von Gegenspielern in einem Feld als kleinräumige Agrobiozönose zu bewerten, um letztendlich diese in eine Bekämpfungsentscheidung mit einzubeziehen. Bezüglich natürlicher Gegenspieler des Kartoffelkäfers sind das neben Laufkäfern auch entomopathogene Pilze. Es ist bekannt, dass Pilze der Gattung Metarhizium spp. und Beauveria spp. in Kartoffelfeldern natürlich vorkommen, Kartoffelkäferlarven befallen und diese abtöten können (Tyurin et al. 2021). Die Autoren isolierten 34 Herkünfte von befallenen Larven und fanden vier Arten, welche sie hinsichtlich Virulenz gegenüber den Larven des Kartoffelkäfers testeten. In vorliegenden Beitrag zugrundeliegenden Feldtests fielen im Kartoffelversuch 2022 im Juni hellbraune bis rötliche Larven auf, die in Ihrer Bewegung stark eingeschränkt waren. Der Kopfteil, der mit hellen Fäden bedeckt war, ließ auf Pilzmyzel schließen (Abb. 14 links im Bild).

Abb. 14
figure 14

Vermutlich durch einen entomopathogenen Pilz geschädigte (links) und vitale (rechts) Larve des Kartoffelkäfers, Test 2022

Das Pilzmyzel sowie der Farbunterschied zu den gesunden dunkelbraunen Larven könnte in der Bildverarbeitung zukünftig genutzt werden, um den Anteil verpilzter Käferlarven in der Population eines Feldes vor einer Insektizidapplikation zu ermitteln. Auch eine gleichzeitige sensorbasierte Erfassung von Nutzinsekten wie Laufkäfern wäre denkbar. Vor dem Hintergrund zunehmender ökonomischer Zwänge und ökologischer Erfordernisse werden zukünftige Forschungsarbeiten sich solcher komplexen Zusammenhänge in Agroökosystemen zur Entscheidungsfindung für oder gegen eine feldeinheitliche oder selektive chemischen Bekämpfung nicht nur gegen den Kartoffelkäfer annehmen müssen.