Einleitung

Fast 160 Klimaforscher aus über 30 Ländern trafen sich – vor der Corona-Pandemie – vom 24.–25. Juni 2019 in Heraklion zur Abschlussveranstaltung des Adapt2Clima-EU-Projekts. Wie interessant dieses Thema „Klimawandelfolgen für die Landwirtschaft im Mittelmeerraum und Adaptionsstrategien“ ist, zeigte die hohe Zahl der Beiträge und Teilnehmer, die teilweise auch erst später zu dem Projekt dazugestoßen sind.

Besonders für Regionen wie Bosnien, Steiermark, Ungarn bis zu Saudi-Arabien, Thailand, Südkorea und Australien mit mittelmeerähnlichem Klimaregionen heute oder in Zukunft nach dem letzten IPCC-Report (IPCC 2014) ist das Thema interessant, um sich über mögliche Anpassungsstrategien zu informieren.

Veränderungen im Mittelmeer

Der Wasserspiegel im Mittelmeer steigt nach Prof. Elena Xoplaki von der Universität Giessen nach dem moderaten RCP4,5 (representative concentration pathway; 4,5 W/m2) bis 2030 um 5–9 cm (2011 bis 2030) und nach RCP 8,5 bis 2100 möglicherweise bis zu 50–74 cm und die Oberflächentemperatur erhöht sich um 1,5 °C im östlichen und bis 2,5 °C im westlichen Mittelmeer (Tab. 1).

Tab. 1 Veränderungen in den Klimamodellen bzw. -prognosen (Temperaturerhöhung bis 2100)

Kostenlose Wetterdaten für alle

Carlos Buontempo stellte das englische ECWMF Copernicus Programm vor, das jedem Interessenten kostenlos Zugriff auf weltweit verfügbare Wetterdaten wie Wasseroberflächen‑, Luft- oder Bodentemperatur, Niederschlag, Frost, Wind- oder Luftdruck ermöglicht.

Wetterveränderungen – Starkregen als neues Gefahrenrisiko für den Obstbau

Das Klima im Mittelmeerraum ist nach Professor J. Bindi von der Universität Florenz durch trockene heiße Sommer und eine Regenzeit von Oktober bis März gekennzeichnet, in der das Gros des Regens fällt. Nach Prof. J. Olesen von der Universität Aarhus (Dänemark) lassen die Wetterprojektionen für den Mittelmeerraum erwarten, dass der Jahresniederschlag um bis zu ca. 20 % abnimmt und Starkregenereignisse zunehmen. Neu sind Unwetter mit Starkregenfällen im Laufe des Sommers, z. B. in Skopelos im August 2015 mit starker Erosion und Schäden an Infrastruktur wie Straßen sowie auf Kreta im März-Mai 2019 das Wegschwemmen alter Steinbrücken wie der Keritibrücke bei Chania. Auf Skopelos traf der unerwartete sommerliche Starkregen die Pflaumentrocknung (Tab. 2) der „Prunes“ im Freien (Blanke 2015).

Tab. 2 Klimawandelfolgen für Oliven und Steinobst (Kirschen und Pfirsiche) im Mittelmeerraum

Phänologie: Blüte bzw. Blühzeitraum stark betroffen und in Projektionen weitgehend unberücksichtigt

Prof. J. Santos sowie Drs. Drogoudi et al. (2020) stellten durch den Klimawandel bzw. warmen Winter hervorgerufene Blühverfrühung bei Obst und Wein von 1–2 Wochen vor. Von einer um einen Monat früheren Ernte spät reifender Pfirsiche und von Problemen mit der Witterung zur Blüte berichtete Dr. P. Drogoudi von Demeter Naoussa; bei kalter Witterung < 11 °C fliegen die Honigbienen nicht mehr zur Bestäubung der Obstanlagen aus und bei heißer Witterung verkleben die Pollen. In den letzten drei Jahren kam es bei Pfirsichen und Nektarinen in Naoussa/Imathia (Abb. 1) kurz vor der Ernte durch Unwetter mit Starkregen (100 mm in 3 Tagen) mit plötzlichem Temperaturabfall nach längerer Trocken- und Hitzephase zu Fruchtfall, Bronzing (Verbraunen der Fruchtschale) und bei Pfirsichen in Imathia und Pella (Pantelidis et al. 2021) (Tab. 2).

Abb. 1
figure 1

Herkünfte des Steinobsts – anhand der Kartonagen – aus relativ klimaresilienten Bergregionen Griechenlands (z. B. Naoussa/Imathia)

Klimaresiliente Regionen im Mittelmeerraum – trotz Klimawandel

Ziel des gemeinsamen Beitrags aus Bonn und Mazedonien in Nordgriechenland war es, Kriterien für klimaresiliente Mittelmeerregionen zu entwickeln (Tab. 3) und solche Gebiete für den zukünftigen Obstbau zu identifizieren (Tab. 4). Während kleine Inseln ohne Hinterland besonders von den Klimawandelfolgen betroffen sind, kristallisieren sich umgekehrt für den Obstbau klimaresiliente Regionen heraus, in denen durch kulturtechnische Maßnahmen Arten- und Sortenwahl Abhilfe gegen Klimaveränderungen geschaffen werden kann. Dazu gehören Gebirgsregionen wie Imathia/Pella in Mazedonien (Kirsch‑, Pfirsich- und Weinbau) und Pilion (Apfelanbau), beide in Nordgriechenland mit Wäldern, gelegentlichem Schneefall im Winter und Skigebieten. Aber auch Inseln wie die Pflaumeninsel Skopelos (Blanke 2015), Kreta und Zypern zählen mit bis zu 1300 Chilling hours (CH) bzw. 90 CP (Tab. 4), d. h. für die meisten Obstarten ausreichende Kältestunden im Winter (Chilling) (Kaufmann et al. 2019), zu den klimaresilienten Zonen bis Juni mit frischem Quellwasser in den Bächen bis der erste Regen im Oktober fällt.

Tab. 3 Kriterien für klimaresilienten Obstbau (Drogoudi et al. 2020)
Tab. 4 Kältereiz in relativ klimaresilienten Regionen Griechenlands (erste Schätzung der letzten drei Jahre; mit dem warmen Winter 2015/16, Drogoudi et al. 2017)

Weinbau stärker vom Klimawandel betroffen als Oliven

Besonders betroffen von Klimawandelfolgen im Mittelmeerraum sind Wein, Tomate und Olive – in der Reihenfolge ihres Wasserbedarfs und ihrer Empfindlichkeit gegenüber Hitze und Trockenheit. Der besonders betroffene Weinbau wird nach Prof. J. Olesen, Drs. M. Marikou und V. Sanchez in die Berge und weiter nördlich wandern, mit mehr alten Lokalsorten mit hoher Wasserausnutzung (WUE) und klimaresilienten Rebsorten wie ‘Syrah‘ (‘Shiraz‘). Dies bestätigte Prof. J. Santos von der Universität Porto (Portugal) mit erwarteten Ertragseinbußen im Weinbau in den südlichen Anbauregionen wie Portugal, Südspanien und Westtürkei, aber auch Ertragssteigerungen (um 5 %) in den Weinregionen in Frankreich, Deutschland, Ungarn, Norditalien (z. B. Südtirol) und den Balkanstaaten (Slovenien etc.).

Bekannte Pflegemaßnahmen als Anpassungsstrategien – trotz Bruch mit althergebrachten obstbaulichen Traditionen

Zu den in der Erprobung befindlichen Anpassungsstrategien gehören nicht nur Anbau alter regional an das Klima angepasster Sorten mit hoher Wasserausnutzungsfähigkeit (WUE), sondern auch der Bruch mit althergebrachten Traditionen: Sowohl das Pflügen bzw. Bodenbearbeitung als auch Verbrennen von Schnittholz in Olivenhainen sind in manchen Regionen Griechenlands bei der älteren Landbevölkerung nicht wegzudenken und stammen aus einer Zeit, als Schredder noch unbekannt waren (Abb. 2). Die in Tab. 5 aufgeführten Kultur- und Pflegemaßnahmen zielen insgesamt auf eine Verminderung der Wasserverluste (Abb. 3), d. h. weniger Evapotranspiration von Pflanze und Boden, Schattierung (Blanke 2007), Verzicht auf Bodenbearbeitung (zero tillage) und Kurzhalten des Aufwuchses. Frau Dr. G. Michalopoulos berichtete von neuen Anpassungsstrategien im Rahmen des EU-Projekts Oliveclima.eu: Kurz gehaltener Grasaufwuchs und zukünftiger Anbau ohne Bodenbearbeitung (Abb. 2) vermindern die Brandgefahr sowie Wasser- und Nährstoffkonkurrenz – ebenso das Schreddern von Schnittholz und Verwendung als Mulch und Einbringen der Pressrückstände aus der Olivenölgewinnung (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Verschiedene Anbausysteme am Beispiel Olivenanbau: Traditionelle Bodenbearbeitung bzw. Pflügen der Fahrgassen, das heute als durch verstärkten Humusabbau, CO2-Abgabe und Wasserverlust/Evapotranspiration als negativ angesehen wird (a); Mulchen (b) zum Kurzhalten der Vegetation in der Fahrgasse (c) als klimaresilientes Anbauverfahren sowie Erosions- und Brandschutz, und Einbringen bzw. Rückführen des Presskuchen aus der Ölgewinnung unter die Bäume (d), was sowohl den Humusaufbaus als auch die carbon sequestration fördert, Wasserverluste vermindert und als klimaresilient und Klima förderlich angesehen wird

Tab. 5 Anpassungsstrategien an die Klimawandelfolgen im Mittelmeerraum
Abb. 3
figure 3

Verschiedene Bewässerungsformen am Beispiel Olivenanbau: Beregnungsschlauch auf dem Boden (a); Beregnungsschlauch im Baum, um mechanische Bodenbearbeitung zu möglichen – auch zur Evaporationskühlung (b); Bewässerungsbecken (c) und Wasserverteiler (d)

Rote Hagelnetze ganzjährig unter den Bäumen auf dem Boden

In Hügellagen werden die Netze oft nicht zur Olivenernte, sondern das ganze Jahr über ausgespannt und ersetzen Mulchen und Bodenbearbeitung (Abb. 2) – rote (Hagel-)netze auf dem Boden, z. B. im Westen Kretas (Abb. 4) – sollen dabei die Photosynthese und den Ertrag erhöhen, was aber bisher nicht bewiesen ist.

Abb. 4
figure 4

In Hügellagen bleiben die Netze oft nicht nur zur Olivenernte, sondern das ganze Jahr über aufgespannt und ersetzen Mulchen und Bodenbearbeitung. Rote (Hagel-)netze auf dem Boden (a,b) – hier auf Kreta – sollen die Photosynthese und den Ertrag erhöhen, was noch zu beweisen bleibt

Obstbau als Kohlenstoffspeicher: von der CO2-Quelle (Source) zum CO2-Speicher (Sink) und Klimaschützer?

Im Rahmen des EU-Projekts Oliveclima.eu (2019) wird versucht, die traditionelle Bodenbearbeitung mit Pflügen der Fahrgassen mit hohem CO2-Verlust (Bodenatmung) nicht nur in Klimaneutralität, sondern in das Gegenteil umzuwandeln: CO2-Speicher durch Einbringen von Pressrückständen aus der Olivenölgewinnung und Schreddern und Rückführen von Schnittholz, um den Humusgehalt zu erhöhen. Eigene Messungen in Bonn hatten gezeigt, dass die CO2-Abgabe des frei gehaltenen Baumstreifens (Bodenatmung) im gemäßigten Klima bei unseren fruchtbaren Böden die CO2-Aufnahme der Apfelbäume – über das Jahr berechnet – erreichen oder sogar übersteigen kann (Blanke 1997); Messungen von V. Zanotelli und M. Tagliavini an ganzen Apfelbaumbeständen im Trentino (Abb. 5) wiesen auf die Möglichkeit der carbon sequestration hin (Scandellari et al. 2016). Olivenhaine weisen aufgrund ihrer Langlebigkeit bei Begrünung der Fahrgassen, Verzicht auf Bodenbearbeitung und Zufuhr organischer Substanz wie Pressrückständen ein relativ hohes Potenzial auf von bis zu 5–7 t C/ha/Jahr Kohlenstoffspeicherung (carbon sequestration) (Tab. 6). Dabei sind die CO2-Speicherraten nach Umstellung der Kulturmaßnamen am Anfang am höchsten und nehmen dann schnell ab. Im Olivenanbau fallen 0,4–1,0 t TM Schnittholz an, wobei letztere bei Verwendung als Mulch zu Beginn der Maßnahme anfangs bis zu 0,55 t C/ha/Jahr Kohlenstoff speichern kann (carbon sequestration). Manche Olivenbäume werden jährlich, andere nur in Alternanzjahren und manche alle 3–6 Jahre zu unterschiedlichen Zeiten (Winter, Frühling oder Sommer) geschnitten; dies wurde bei der Auswahl der 10 Pilotfarmen in Griechenland im Projekt berücksichtigt. Voraussetzung für carbon sequestration von Olivenhainen sind daher a) Begrünung, b) keine Bodenbearbeitung (zero tillage), c) Rückführung des Schnittholzes und d) der Pressrückstände bei der Olivenölgewinnung (Abb. 6) – Ansätze, die den carbon footprint der Kulturen vermindern könnten.

Abb. 5
figure 5

Traditionelle Eddy-Covariance-Messungen der CO2-Flüsse in einer Apfelanlage im Trentino von V. Zanotelli und M. Tagliavini sowie die neu vorgestellte gleichzeitige Messung der drei klimaschädlichen Gase CO2, CH3 und N2O (© Maria Doula) mittels LIDAR (b)

Tab. 6 Literaturübersicht über Kohlenstoffspeicherung (carbon sequestration) in Obstanlagen mit Mittelmeerklima (eigene Zusammenstellung)
Abb. 6
figure 6

Schematisierung des CO2-Speicher-(carbon sequestration)Potenzials am Beispiel Oliven in Abhängigkeit von den Pflege- und Kulturmaßnahmen. Zusammenstellung aus der Literatur; damit kann aus der Obstanlage unter bestimmten Bedingungen ein CO2-Speicher werden

Wiederbewirtschaftung brach liegender Terrassen und land stewardship-Projekte

Durch die wirtschaftliche Krise Griechenlands der letzten Jahre (2010–2018) ist ein Teil der Stadtbevölkerung in ihre ländlichen Ursprungsorte zurückgekehrt und bestellt nicht nur brachliegende Felder, sondern ist nach Frau Dr. Mylona auch bei der Wiederaufforstung brachliegender Terrassen – bekannt vom Weinbau in Steillagen an Rhein und Mosel – beteiligt und auf der Insel Andros vor Athen zu finden. Dabei finden z. T. neue Konzepte Anklang. Die solidarische Landwirtschaft (2019) (SoLaWi, land stewardship) beteiligt die Inselbewohner sowohl an den Kosten als auch der Feldarbeit und hilft, sich einen Ernteanteil zu sichern, die Landschaft zu erhalten, Erosion verhindern und zur CO2-Bindung statt Bodenatmung beizutragen.

Waldbrand

Weinbau oder extensive Olivenhaine können als Brandschneisen zwischen den Kiefernwäldern fungieren. Das Vermeiden von Verbrennen von Schnittholz, Kurzhalten des Grasaufwuchses und das Entfernen von unerwünschtem Aufwuchs (Auslichten von zu dichten jungen Waldbeständen) kann dazu beitragen, das Waldbrandrisiko zu senken, seiner Ausbreitung entgegenzuwirken und seine Bekämpfung zu erleichtern (Tab. 5) – unklar blieb in dem Vortrag von Frau Dr. K. Radoglou, warum diese Auslichtung mit erhöhten Lachgasemissionen verbunden war.

Neue effektive Veranstaltungs- und Veröffentlichungsform

Im Gegensatz zu den gartenbaulichen Tagungen war die Adapt2Clima-Tagung Teil einer einwöchigen Präsenz-Veranstaltungsreihe, die mit Water and Waste Management mit demselben Sekretariat, welcome desk, Posterwänden in denselben Räumlichkeiten und dann circular economy mit Exkursion nach Rethymo fortgesetzt wurde und so den organisatorischen Aufwand für den Auf- und Abbau effektiv gestaltete.

Statt der Proceedings als Actaband, der bei der SHE (Symposium on Horticulture in Europe) 2008 in Angers, beim cherry congress 2014 und SHE 2016 in Chania drei Jahre in Anspruch nahm, verhandelten die Organisatoren mit referierten Journalen. Die besten Beiträge der Adapt2Clima wurden ausgewählt und bereits zeitnah in „Water and Waste Management“ oder im „EU-Mediterranen Journal for Integrating Environment“ als Sammelband „Climate change impacts and adaptation options with emphasis on the agricultural sector in the Mediterranean basin“ bei Springer als Sonderheft veröffentlicht.

Fazit

Insgesamt wurden auf der Adapt2Clima viele Anpassungsstrategien an die Klimawandelfolgen für den Obst- und Weinbau vorgestellt. Diese Ideen und teilweise neuen Konzepte brechen aber auch z. T. mit althergebrachten obstbaulichen Traditionen. Für die Umsetzung dieser Konzepte war die auf der Abschlusstagung des Adapt2Clima praktizierte Kombination mit dem CO2-Fußabdruck landwirtschaftlicher Kulturen im Mittelmeerraum sowie die Zusammenarbeit mit den örtlichen Gemeinden (Municipality) und staatl. Wasser- und Stadtplanungsbehörden ein wertvoller und Erfolg versprechender Ansatz.