Originalarbeit

Im Alter von 24 Jahren stellte sich der Patient in Begleitung seines Bruders erstmalig (2012) in der Epilepsieambulanz der Universitätsklinik Magdeburg vor. Er berichtete, 3 Anfallstypen, die seit ca. 3 Jahren aufträten:

  • Anfallstyp 1: Er bemerke ein „komisches Gefühl aus dem Bauch heraus“, das in der Regel immer vor dem Anfallstyp 2 käme (Frequenz ca. 1 bis 3 im Monat).

  • Anfallstyp 2: Von dem Bruder wird berichtet, dass er plötzlich „ins Leere starre“ und dann „weiterrede“, ohne dass das alles Sinn machen würde (Frequenz ca. 1 bis 3 im Monat).

  • Anfallstyp 3: Es gab einen Hinweis auf einen einmaligen bilateral tonisch-klonischen Anfall vor ca. 1 Jahr im Rahmen eines Schlafentzuges.

Bezüglich der epilepsiespezifischen Anamnese wurde von Fieberkrämpfen sowie „Komplikationen bei der Geburt“ berichtet. Die medikamentöse Behandlung bestand zum Zeitpunkt der Erstvorstellung ausschließlich aus 300 mg Lamotrigin/Tag. Eine ambulant durchgeführte Magnetresonanztomographie (MRT) vom Vorjahr wurde als unauffällig befundet. In der Nachbefundung zeigte sich eine angedeutete hippokampale Volumenminderung rechts (Abb. 1a). Aufgrund der eindeutigen Eigen- und Fremdanamnese wurde der Verdacht auf eine fokale Epilepsie, vermutlich aus dem rechten Temporallappen gestellt und dem Patienten empfohlen, das Lamotrigin weiter aufzudosieren. Im Folgejahr wurde ein 14-tägiges Video-EEG-Monitoring durchgeführt, das trotz Abdosierung keine epileptischen Anfälle oder epilepsietypischen Potenziale zeigte. Allerdings wurde in der epilepsiespezifischen MRT-Bildgebung (adaptiert nach [32]) eine Hippocampussklerose rechts (Abb. 1b) bestätigt. Im weiteren Verlauf über die nächsten 4 Jahre wurden Levetiracetam und Lacosamid aufdosiert, ohne dass eine mehrmonatige Anfallsfreiheit erreicht wurde. Im Jahr 2018 erfolgte erneut ein Video-EEG-Monitoring. Dieses Mal konnten insgesamt 9, zum Teil durch eine epigastrische Aura eingeleitete automotorische Anfälle (semiologische Klassifikation nach Lüders; gemäß ILAE-Klassifikation: bewusst erlebte Anfälle mit Übergang in nicht bewusst erlebte fokale Anfälle) abgeleitet werden. Bei allen Ereignissen fand sich ein korrespondierendes Anfallsmuster rechts anterotemporal (Anfallsmuster Klinikkorrelation −76 bis +6 s). Während der Anfälle zeigte der Patient klinisch orale Automatismen, und er reagierte nicht auf Ansprache. Postiktal bestand kein aphasisches Syndrom. Im funktionellen MRT wurde eine linksseitige Sprachlateralisation (Abb. 2) (Methode nach [12, 24]) eindeutig festgestellt. Neuropsychologisch zeigte sich zusammenfassend eine normgerechte bis überdurchschnittliche kognitive Leistungsfähigkeit in annähernd allen untersuchten Bereichen.

Abb. 1
figure 1

Koronare MRT-Sequenzen des Patienten. a Ambulant durchgeführtes MRT (T1-Sequenz), welches als unauffällig befundet wurde. In der Nachbefundung wurde der Verdacht auf eine hippokampale Volumenminderung rechts geäußert. b FLAIR-Sequenz im prächirurgischen Setting mit deutlicher hippokampaler Volumenminderung und erhöhter Signalintensität

Abb. 2
figure 2

Sprach-fMRT mit eindeutig linksseitiger Sprachlateralisation. Es sind die aktivierten Regionen (Broca und Wernicke) als T‑Werte aus der statistischen Analyse, die mit spm12 (The Wellcome Centre for Human Neuroimaging, UCL Queen Square Institute of Neurology, London, Großbritannien, https://www.fil.ion.ucl.ac.uk/spm/software/spm12) erfolgte, dargestellt. Die 3‑D-Darstellung erfolgte mit MRIcroGL (http://www.cabiatl.com/mricrogl). Entgegen der klinischen Konvention ist hier die linke Hemisphäre links abgebildet

Angesichts der Pharmakoresistenz und der konkordanten Befunde für eine nichtdominante mesiale Temporallappenepilepsie bei Hippocampusatrophie rechts wurde die Indikation für einen epilepsiechirurgischen Eingriff gestellt. Mit dem Patienten wurden die Vor- und Nachteile eines offenen mikrochirurgisch-resektiven Eingriffs (d. h. anteriore Temporallappenteilresektion) sowie die Option einer stereotaktischen Laserthermoablation (sT-LA) im Sinne einer superselektiven Amygdalohippokampektomie ausführlich besprochen. Zu diesem Zeitpunkt konnte letztere Option nur perspektivisch angeboten werden, da das System zur sT-LA (Visualase™, Medtronic) in Europa noch nicht zertifiziert war.

Seit die Methode 2011 in den Vereinigten Staaten eingeführt wurde, bestand seitens der Universitätsklinik für Neurologie [4] und Stereotaktische Neurochirurgie in Magdeburg aufgrund der minimalen Invasivität sowie aufgrund des sich anbahnenden Paradigmenwechsels durch den Einsatz der MR-Thermometrie ein hohes Interesse an der stereotaktischen Laserthermoablation. Nachdem erste Kasuistiken [5, 7, 10, 13, 15, 30, 35, 36] aus Nordamerika eine kritische Auseinandersetzung mit den klinischen Ergebnissen erlaubten, wurde in Deutschland von unterschiedlichen Autoren über das Verfahren berichtet [17, 23, 26], und entsprechende Übersichtsarbeiten wurden publiziert [18, 19]. Mit der CE-Zertifizierung am 10.04.2018 wurde die Behandlungsoption für den Patienten an der Universitätsklinik Magdeburg erstmalig im deutschen Sprachraum konkret möglich. Der Patient entschied sich wegen der geringen Invasivität (u. a. zur Vermeidung einer größeren Kraniotomie), der positiven Literaturberichte aus den Vereinigten Staaten sowie wegen der fortbestehenden Möglichkeit, nach einer sT-LA auf ein resektives Verfahren zurückgreifen zu können (Step-by-step-Verfahren), für den stereotaktischen Eingriff. Er nahm bei dieser Entscheidung wissentlich in Kauf, dass die klassische Temporallappenteilresektion nach aktuellem Kenntnisstand bessere Chancen in Bezug auf eine Anfallsfreiheit bot und dass zum Zeitpunkt der avisierten Operation aufgrund der geringen klinischen Erfahrungen wenig belastbare Erfolgsstatistiken für die laserbasierte Methode zur Verfügung standen [20, 21].

Durchführung der Operation

Einzelheiten bezüglich des Verfahrens sind unter Büntjen et al. [3] nachzulesen. Zusammenfassend ermöglicht die Einbeziehung der MR-Thermographie, das über Jahrzehnte etablierte Verfahren der stereotaktischen Thermoablation [31] mittels moderner Lasertechnologie im MRT durchzuführen. Diese Technik erlaubt – im Gegensatz zur HF-Thermoablation – die Visualisierung der Ablation des epileptogenen Areals in Echtzeit (konkret mit ca. mit 3–4 s Verzögerung). Zu schützende anatomische Strukturen werden im MRT mit entsprechenden Temperaturmarkern versehen, die bei Erreichen einer individuell festzulegenden Schwelltemperatur die Energiezufuhr des Lasers abschalten. Die Energieabgabe des Lasers kann über eine Rückkopplungsschleife reguliert werden (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Schematische Darstellung des Regelkreislaufes zwischen stereotaktischem Laserthermoablationssystem, Laserapplikator und thermosensitiven MRT-Sequenzen; die Rechnerstation kontrolliert die Temperatur des Lasers. Während der Gewebserwärmung werden kontinuierlich thermosensitive MRT-Messungen durchgeführt. Die Daten werden von der Rechnerstation empfangen. Bei Erreichen einer zuvor festgelegten Zieltemperatur wird der Laser automatisch abgestellt. (Aus [3])

Es wurde ein 890-nm-Lasergenerator mit 15 Watt Leistung benutzt. Der 1,65 mm durchmessende äußere Kühlkatheter wurde mittels eines stereotaktisch geführten Bohrankers inseriert und fixiert und anschließend mit einem fiberoptischen Laserapplikator bestückt. Die spezielle Operationstechnik wird gesondert berichtet; die entsprechende Publikation befindet sich in Vorbereitung. Im Gegensatz zu der in den Vereinigten Staaten verbreiteten Vorgehensweise wird in Magdeburg ein MRT-kompatibler stereotaktischer Rahmen verwendet und während des Eingriffes im MRT am Schädel belassen. Somit kann der Laser im Bedarfsfall neu stereotaktisch inseriert oder ein zweiter fiberoptischer Lichtleiter ergänzt werden. Darüber hinaus können Restpathologien aufgrund komplexer geometrischer Verhältnisse mittels traditioneller Radiofrequenzthermoablation im gleichen Arbeitsgang ergänzend vorgenommen werden. Es bedarf zudem einer besonderen MRT-Expertise, um die thermosensitiven MRT-Daten in das sL-TA-System zu integrieren.

Die Ablation des mesialen Anteils des amygdalohippokampalen Komplexes wurde in 3 Einzelschritten vorgenommen. Der Patient erhielt perioperativ eine antiödematöse Dexamethason-Prophylaxe. Die präoperative Planung des Ablationsvolumens erfolgte mittels eines stereotaktischen Planungsverfahrens, welches eine Brachytherapie simuliert (rote Linie). Die rosafarbene und gelbe Linie markieren die Amygdala und den Hippocampus als jeweiliges „volume of interest“ (Abb. 4a). Die hellblaue Linie zeigt das tatsächlich abladierte Gewebevolumen anhand des postoperativ durchgeführten MRTs. Auf Abb. 4b erkennt man in der sagittalen T2-MRT-Bildgebung am ersten postoperativen Tag das Ablationsvolumen mit periläsionellem Ödem.

Abb. 4
figure 4

a Die präoperative Planung des Ablationsvolumens erfolgt mittels eines stereotaktischen Planungsverfahrens, welches eine Brachytherapie simuliert (rote Linie). Die rosafarbene und gelbe Linie markieren die Amygdala und den Hippocampus als jeweiliges „volume of interest“. Die hellblaue Linie zeigt das tatsächlich abladierte Gewebevolumen anhand des postoperativ durchgeführten MRTs. b Koronare T2-MRT-Bildgebung (1. Tag postoperativ) mit deutlich erkennbarem periläsionellem Ödem (diffus hell), abladierten Gewebe (schwarz) und Trajektorienkanal (weiß)

Peri- und postoperativer Verlauf

Etwa 1,5 h nach Narkoseende wurde der Patient wach und orientiert auf die Video-EEG-Monitoring-Einheit verlegt. Vom 5. bis 12. postoperativen Tag klagte der Patient über Kopfschmerzen (visuelle Analogskala 3–4) an Stirn und Schläfe, kontralateral zum Operationssitus und inkonstantes „Kamerawackeln“ ausschließlich beim Fernsehschauen. In der neurologischen Untersuchung fand sich kein Hinweis auf eine Störung der Hirnnerven. Unverändert zum präoperativen Befund war eine Perimetrie unauffällig. Am 14. postoperativen Tag war der Patient komplett beschwerdefrei. Die passageren Beschwerden des Patienten lassen sich möglicherweise auf das Ödem und die daraus resultierende meningeale Reizung zurückführen. Alternativ wäre eine diskrete kompensierte subklinische Reizung des N. oculomotorius („Kamerawackeln“) ohne erkennbare okuläre Achsenabweichung vorstellbar.

Mit dem Patienten wurde vereinbart, die präoperative Medikation (zuletzt Brivaracetam 200 mg/Tag, Lacosamid 600 mg/Tag und Perampanel 6 mg/Tag) für mindestens 1 Jahr unverändert fortzuführen. Diese Medikation hatte er seit November 2018 (präoperativ mit einer Anfallsfrequenz von 1 bis 5 Aura-eingeleiteten blanden nicht bewusst erlebten Anfällen pro Monat). Zum Zeitpunkt der Manuskriptfertigstellung sind 9 Monate vergangen, und der Patient ist weiterhin komplett anfalls- und beschwerdefrei (nach den Klassifikationen zur Beurteilung der postoperativen Anfallskontrolle nach Engel [9] Klasse Ia und nach Wieser [34] ILAE-Klasse 1).

fMRT-Gedächtnis-Paradigma

Jeweils 10 Tage vor und nach der Operation wurde ein in der Kognitionsforschung etabliertes Gedächtnisparadigma mit fMRT [8] durchgeführt. In diesem Erinnerungsexperiment werden ca. 1 h nach der fMRT-Messung die dem Patienten während der fMRT präsentierten Fotografien zwecks Wiedererkennung erneut vorgestellt. Diese wurden mit 44 neuen Bildern (22 Außen-, 22 Innenaufnahmen) vermischt. Der Patient sollte, dann auf einer Skala von 1 (neues Bild) bis 5 (bekanntes Bild) einstufen, inwieweit er eines der gezeigten Bilder wiedererkennt. Ziel der Untersuchung ist es, einen „Novelty-Effekt“ [22] mittels der fMRT zu bestimmen und zu lokalisieren.

Durchführung der fMRT-Gedächtnis-Messung

Das Protokoll umfasste ein strukturelles T1-gewichtetes Bild, eine Resting-State-fMRI-Serie, ein T2-gewichtetes Bild (zur Volumetrierung, Schichtenführung rechtwinklig zur Hippocampushauptachse), die funktionelle Serie zur visuellen Bilderkennung sowie ein quantitatives suszeptibilitätsgewichtetes Bild.

Die Aufzeichnung der MRT-Daten erfolgte in einem Siemens MAGNETOM Skyra Fit 3T-Scanner. Für das funktionelle Paradigma wurden die Stimuli auf einem 30″ MRT-kompatiblen LCD-Monitor (Medres Optostim) präsentiert, mit einem Betrachtungswinkel von 10° (Bildbreite). Antwort-Tastendrücke wurden mit MRT-kompatiblen Tasten aufgezeichnet (CurrentDesign). Das Paradigma wurde mittels der Software Presentation (Neurobehavioural Systems) wiedergegeben.

Die Bilder selbst sind 8‑bit-Graustufen-Bilder aus einem Pool von natürlichen Szenen (Innen- oder Außenaufnahmen), auf gleiche mittlere Helligkeit angepasst. In der fMRT-Aufgabe wurden 132 Bilder gezeigt, und zwar 44 neue Innenaufnahmen, 44 neue Außenaufnahmen und jeweils 22 Wiederholungen jeweils einer Innen- und einer Außenaufnahme, die in einer Vorserie bereits jeweils 5‑mal gezeigt wurden und daher bereits bekannt sind („familiarisiert“). Die Stimuli wurden für 2500 ms angezeigt mit einem optimierten zufälligen Bildabstand („jitter“); 206 funktionelle Volumen mit einer TR von 2,58s wurden aufgezeichnet.

Auswertung der fMRT-Gedächtnis-Messung

Alle Analysen wurden mit SPM gerechnet (Version 12; Wellcome Trust Centre for Neuroimaging, London, UK). Die funktionellen Daten wurden nach einer Akquisitionszeitkorrektur auf Verzerrungen korrigiert (FieldMap-Toolbox) und auf das erste Bild der Serie ausgerichtet. Zuletzt erfolgte noch eine räumliche Glättung mit einem Verfaltungskern von 6 mm isometrisch zur Verbesserung des Signal-Rausch-Abstandes. First-Level-Modelle wurden im nativen Raum des Patienten gerechnet unter Verwendung von 13 Bedingungen (Stimuluszeitpunkte der Bilder, getrennt nach den 5 Bewertungsstufen, und nach Innen/Außen, dazu die Zeitpunkte der „familiarisierten“ Bilder, jeweils Innen/Außen, und einer „Trash“-Bedingung). Zusätzlich waren in dem Modell die Bewegungsparameter aus der Ausrichtung (6 Dimensionen) enthalten. Als Basisfunktion wurden eine normale HRF sowie ein 128s-Hochpassfilter gewählt.

Die differenzielle Aktivierung zwischen den im MRT-Experiment „neuen“ Bildern und den bereits bekannten „familiarisierten“ Bildern wurde für die Berechnung eines „Novelty“-Effektes („novel“ vs. „old“) genutzt. Die resultierenden „Novelty“-Karten wurden in den Montreal Neurological Institute(MNI)-Standardraum normalisiert und den postoperativen T1-Bildern (ebenfalls im MNI-Raum) überlagert. Es wurden Differenzbilder berechnet, um die Veränderung des Novelty-Effektes zwischen prä- und postoperativer Aktivierung zu erhalten (Abb. 5a–c).

Abb. 5
figure 5

fMRT-Ergebnisse: „Novelty“-Karten, die Regionen mit Mehraktivierung bei neuen Stimuli anzeigen. Diese wurden in den Montreal Neurological Institute(MNI)-Standardraum normalisiert und den prä- und postoperativen T1-Bildern überlagert (a präoperativ; b postoperativ). c Differenzbilder, die die Veränderung des Novelty-Effektes zwischen prä- und postoperativer Aktivierung zeigen. Starke Differenzen finden sich in hippokampalen und parahippokampalen Arealen, Gyrus fusiformis und visuellen Arealen kontralateral zur Läsion (Fadenkreuz, entgegen der klinischen Konvention ist hier die rechte Hemisphäre rechts abgebildet)

Ergebnis der fMRT-Gedächtnis-Messung

Generell sind beim Novelty-Effekt neben anderen auch hippokampale und parahippokampale Regionen, die visuellen Areale sowie der Gyrus fusiformis aktiviert. Beim Patienten fand sich ein ähnliches Ergebnis. Allerdings war postoperativ v. a. die der Läsion (Fadenkreuz) abgewandte Seite in ihrer Aktivität besonders verstärkt (Abb. 5c). Die hier gezeigten Ergebnisse des einen Patienten lassen keine weiteren Schlussfolgerungen zu, da es sich um einen Einzelfall handelt. Sie können aber als Hinweis gewertet werden, dass eine Läsion in der Akutphase bereits zu Kompensationsmechanismen in kontralateral gelegenen Arealen im Rahmen der Plastizität führt. Eine größere Patientenzahl, die auch Effekte nach einer längeren Zeit berücksichtigt, ist für eine belastbare Aussage sicher notwendig [27].

Diskussion

Die resektive Epilepsiechirurgie ist ein etabliertes Verfahren mit mehreren, auf die elektroklinische und neuropsychologische Befundkonstellation abstimmbaren, operativen Zugangswegen, die jeweils neurochirurgisch-prozedural bedingt spezifische Vor- und Nachteile bezüglich der neurokognitiven Ergebnisse aufweisen (s. auch die Beiträge [1, 6, 28] in diesem Heft). Die Daten weisen auf eine leichte Überlegenheit solcher Verfahren hin, die ein größeres Resektat bedingen (also z. B. die vordere Temporallappenteilresektion). Obgleich mehrere Arbeiten zu resektiv-chirurgischen Verfahren bei Temporallappenepilepsie schon in den 60er-Jahren in Europa vorlagen (z. B. [11]), kam es in Deutschland zu einer verzögerten Einführung dieses Verfahrens: Die erste größere Arbeit wurde von der Universitätsklinik Bonn mit 178 Patienten publiziert [39]. Hier erreichten 62,7 % ein postoperatives Anfallsergebnis entsprechend der Engel-Klasse I (Follow-up-Zeit 12 bis 72 Monate). Ähnliche Ergebnisse wurden auch in der randomisierten kontrollierten Studie von Wiebe [33] nach 1 Jahr (58 %) erreicht.

Die Temporallappenepilepsie ist die Hauptindikation für die sT-LA (Abb. 6). Wu et al. [38] zeigen in ihrer multizentrischen Studie mit 234 Patienten aus 11 Zentren, dass das Ergebnis „Engel-Klasse 1“ (gemischte Patientengruppe ohne kontinuierliches Follow-up) sowohl nach 1 wie auch nach 2 Jahren von 58 % der jeweils evaluierten Patienten erreicht wurde. Primäres Untersuchungsziel der Arbeit war es zu untersuchen, inwieweit die Platzierung der Läsion und die stereotaktische Planung der sL-TA einen Einfluss auf die Anfallsreduktion hatten. Die Ausschaltung von Amygdala und Hippocampuskopf sowie parahippokampalem und entorhinalem Kortex ging mit einer höheren Rate an anfallsfreien Patienten einher. Posteriore Ablationen, die in der koronaren Ebene über das Niveau des Sulcus mesencephalicus lateralis hinaus reichten, gingen mit einer erhöhten perioperativen Komplikationsrate einher. Gross et al. [14] zeigten bei 58 Patienten und einem Nachbeobachtungsintervall von mindestens 1 Jahr eine Anfallsfreiheit in 56,5 % der Patienten einhergehend mit einer verbesserten neuropsychologischen Funktion im „delayed verbal recall“ bei der Patientengruppe mit nichtdominanter Temporallappenepilepsie. Nur bei 4 Patienten (6,8 %) dieser Kohorte verschlechterte sich die verbale Gedächtnisfunktion signifikant. Postoperativ hatten 5 Patienten (8,6 %) einen kontralateralen Gesichtsfelddefekt, wobei es nur bei einem der Patienten (1,7 %) zu einem persistenten und symptomatischen Defekt (fast kompletter Gesichtsfelddefekt) gekommen ist. Insgesamt ist dies eine Komplikationsrate an Gesichtsfelddefekten, die unter der Rate der Patienten liegt, die einer anterioren Temporallappenresektion oder einer selektiven Amygdalohippokampektomie unterzogen wurden [37]. Die Autoren berichten zudem von einer deutlichen Lernkurve: Die letzten 33 Patienten in dieser Serie hatten keinen Gesichtsfelddefekt. Vier Patienten (6,9 %) hatten eine passagere Augenmobilitätsstörung, die vergleichbar mit der war, die unser Patient angegeben hatte.

Abb. 6
figure 6

Anzahl der publizierten Epilepsiepatienten, die einer stereotaktischen Laserthermoablation unterzogen wurden. Aufgeteilt nach Indikationsgebiet im Zeitraum von 2011 bis September 2018 (unveröffentlicht und aktualisiert entsprechend der systematischen Literaturrecherche nach [19])

Die Vorteile der stereotaktischen Laserthermoablation bei Patienten mit Temporallappenepilepsie können – wie exemplarisch bei den Patienten gezeigt – in der minimalen Invasivität und dem besseren postoperativen neuropsychologischen Ergebnis liegen. In der Zusammenschau besteht vermutlich für die mesiale Temporallappenlappenepilepsie eine geringere Wahrscheinlichkeit auf Anfallsfreiheit durch sL-TA als bei Anwendung eines resektiven Verfahrens. Diese Information wird den Patienten in Magdeburg grundsätzlich kommuniziert. Die Option eines resektiven Verfahrens wird durch die sL-TA nicht eingeschränkt und kann im Falle eines unbefriedigenden Behandlungsergebnisses ohne Einschränkung durchgeführt werden („Step-by-step-Konzept“). Einschränkend muss konstatiert werden, dass für das letztere Vorgehen keine Daten publiziert wurden. Allerdings wurde in einer Hamburger Kohorte von Patienten, die zuerst resektiv einer selektiven Amygdalohippokampektomie und danach einer anterioren Temporallappenteilresektion unterzogen wurden, keine Verschlechterung des Anfallsergebnisses gesehen [25]. Kang et al. [21] berichteten, dass von der untersuchten Kohorte von 20 Patienten mit mesialer Temporallappenepilepsie, die eine superselektive Amygdalohippokampektomie erhielten, 4 Patienten anschießend von einer anterioren Temporallappenteilresektion profitierten. Ein Vergleich zweier größerer Kohorten von Patienten mit einer mesialen Temporallappenepilepsie, die sich resektiven Eingriff nach sL-TA unterziehen, mit denjenigen, die sich direkt für eine sL-TA entschieden, wäre für eine größere Kohorte sicher wünschenswert. Eine solche Studie ist jedoch aus mindestens 2 Gründen methodisch problematisch, da

  1. 1.

    ein negativer Bias allein dadurch bedingt ist, dass in der Kohorte der Patienten mit vorhergehender sL-TA und fortbestehender Anfallsaktivität wahrscheinlich mehr Patienten sind, die auch von einem resektiven Verfahren weniger profitieren würden. Es müsste also eine entsprechende Größe der beiden Gruppen erreicht werden;

  2. 2.

    bei einer Head-to-head-Studie das Recruitment schwierig wäre, da sich die Patienten gemäß den Erfahrungen aus den USA, wenn vor die Wahl gestellt, meist zunächst für sL-TA entschieden.

Grundsätzlich handelt es sich bei epilepsiechirurgischen Verfahren um elektive Eingriffe. Daher finden Patientenpräferenzen bezüglich der diagnostischen und therapeutischen Vorgehensweisen eine besondere Berücksichtigung in der Indikationsstellung. Immer mehr Patienten lehnen einen invasiven diagnostischen oder potenziell kurativen operativen therapeutischen Eingriff im Rahmen einer offenen Resektion ab [2]: In der Bonner-Kohorte zeigte sich unter Einbeziehung aller epilepsiechirurgischen Patienten eine von 1988 bis 2008 stetig steigende Tendenz, die empfohlene Operation abzulehnen (2008 waren es ca. 47 %). Neuere Arbeiten belegen, dass bis zu 70 % der Patienten ein prächirurgisches Video-EEG-Monitoring ablehnen [16, 29]. Bei dieser Entwicklung scheint auch unter der Vorstellung einer personalisierten Medizin oder Präzisionsmedizin die stereotaktische Laserthermoablation ein geeignetes Verfahren, um die Akzeptanz epilepsiechirurgischer Eingriffe zu steigern. Dies gilt insbesondere für die klassische Indikation der mesialen Temporallappenepilepsien. Der hier vorgestellte Fall soll exemplarisch belegen, wie der Entscheidungsprozess für ein epilepsiechirurgisches Verfahren in diesem Sinn positiv verlaufen kann.