Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags

  • kennen Sie die Anwendungsbereiche des Gestagenmonopräparats Drospirenon.

  • können Sie Vor- und Nachteile des Kombinationspräparats mit Estetrol und Drospirenon beurteilen.

  • können Sie einschätzen, für welche Patientinnen die Monotherapie mit Drospirenon geeignet ist.

  • können Sie das Meningeomrisiko bestimmter Gestagene einordnen.

Einleitung

Die Kontrazeptionsberatung wurde in den letzten Jahren vor besondere Herausforderungen gestellt, zum einen durch publizierte und öffentlich diskutierte Nebenwirkungen wie Thrombose oder Depression, zum anderen durch eine allgemeine Pillenmüdigkeit bis hin zur Pillenskepsis. Auch ein erhöhtes Auftreten von Meningeomen unter Einnahme von Kombinationspräparaten mit bestimmten Gestagenen wurde beschrieben und hatte die Veröffentlichung von Rote-Hand-Briefen zur Folge. Diese Thematik wird in diesem Beitrag im Detail erläutert. Erfreulich ist, dass nun zwei neue Präparate – Drospirenon (DRSP) allein und in Kombination mit Estetrol – angeboten werden können. Diese Optionen werden in diesem Beitrag diskutiert.

Fallbeispiel

Eine 15-jährige Patientin stellt sich mit Wunsch nach Verhütung mittels Pille vor. Sie habe bereits ein wenig im Internet zu dieser Verhütungsmethode gelesen und sich mit Freundinnen darüber ausgetauscht. Manche von ihnen nehmen bereits eine Pille, wobei sie verwundert seien, warum niemand dasselbe Präparat einnimmt. Nach Aufklärung über verschiedene Wirkstoffzusammensetzungen von Pillen erfolgt eine genaue Anamneseerhebung. Bei positiver Familienanamnese hinsichtlich thromboembolischer Ereignisse wird eine Gerinnungsanalyse veranlasst. Hier zeigt sich eine Faktor-V-Leiden-Mutation. Es wird das Gestagenmonopräparat mit dem Wirkstoff Drospirenon (DRSP) verordnet und eine Kontrolle in 3 Monaten vereinbart. Bei dem Kontrolltermin berichtet die Patientin von einer guten Verträglichkeit der Pille, die Entzugsblutung trete regelmäßig ein. Besonders angenehm finde sie, dass sie jeden Tag eine Tablette einnehmen und an keine Einnahmepause denken muss. Für die nächste Kontrolle wird ein Termin in einem Jahr vereinbart.

Neue kontrazeptive Optionen

Drospirenon

Das Spironolactonderivat und Spironolactonanalogon DRSP wurde in den 1990er-Jahren entwickelt. Es wirkt antiandrogen sowie als Antimineralokortikoid [1]. Seit 2019 ist es neben der Verwendung in kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK) auch als Gestagenmonopräparat (DRSP 4 mg) zugelassen. Hierbei wird als Novum ein zyklisches Anwendungsschema angewendet: Auf eine kontinuierliche Einnahme des Präparats für 24 Tage folgt ein 4‑tägiges hormonfreies Intervall, in dem 4 Placebotabletten eingenommen werden, um eine durchgehende Einnahme und somit eine bessere Compliance zu erzielen. In diesem Intervall soll es zur Entzugsblutung kommen, um die sonst bei anderen Gestagenmonopräparaten häufig einsetzenden ungeplanten Zwischenblutungen zu reduzieren. Eine Studie zur Zykluskontrolle unter DRSP 4 mg bzw. Desogestrel (DSG) 75 µg zeigt auf, dass es bei etwa 45 % der Patientinnen trotz der zyklischen Einnahme von DRSP 4 mg zu einer Amenorrhö im Sinne einer „silent menstruation“ kommen kann [2].

Merke

Das Gestagenmonopräparat mit DRSP 4 mg wird durchgehend in einem 24/4-Schema eingenommen.

Die kontrazeptive Sicherheit des DRSP-Monopräparats mit einem Pearl-Index von 0,73 ist vergleichbar mit der von KOK und damit sehr hoch. Auch bei übergewichtigen und adipösen Frauen zeigte sich eine zuverlässige kontrazeptive Effektivität [3]. Durch die lange mittlere terminale Halbwertszeit dieses Gestagens von 30 bis 34 h bleibt auch bei einmaligem Vergessen der KOK-Einnahme die Wirksamkeit der Ovulationshemmung erhalten. Dies wurde in Studien mit geplanten 24-stündigen Einnahmeverzögerungen gezeigt [4].

Mit dem östrogenfreien Ovulationshemmer DRSP 4 mg gibt es ein weiteres Gestagenmonopräparat, das insbesondere bei Vorliegen von Risikofaktoren, wie erhöhtem Risiko venöser Thromboembolien, Migräne mit Aura oder Nikotinabusus, zur Kontrazeption angewendet werden kann. In bisherigen Studien gab es unter Einnahme von DRSP 4 mg weder venöse noch arterielle Thromboembolien, Schlaganfälle oder Myokardinfarkte, wobei auch Frauen mit Risikofaktoren eingeschlossen wurden. Langzeitergebnisse hierzu werden erst in einigen Jahren vorliegen. Für Mädchen und junge Frauen besonders bedeutsam ist, dass die mittleren Östradiolspiegel unter Einnahme von DRSP 4 mg im physiologischen frühfollikulären Bereich liegen. Es ist daher kein negativer Effekt auf die Knochen zu erwarten [5]. Studiendaten zu Adoleszentinnen, welche DRSP 4 mg einnehmen, zeigen eine Reduktion von Dysmenorrhö sowie parallel dazu eine Reduktion im Analgetikabedarf [6].

Estetrol kombiniert mit Drospirenon

Estetrol (E4; Abb. 1) ist ein natürliches Östrogen mit 4 Hydroxygruppen, das von der Leber des menschlichen Fetus produziert wird. Durch die zwei zusätzlichen Hydroxygruppen ergibt sich für E4 eine Halbwertszeit von 20 bis 28 h, während die Halbwertszeit von natürlichem Östradiol (E2) lediglich 1–2 h und die von mikronisiertem E2 10–12 h beträgt [7]. Auch weist E4 im Vergleich zu E2 eine geringe Affinität zu Östrogenrezeptoren sowie eine fehlende Bindung an das sexualhormonbindende Globulin auf [8, 9]. Außerdem hat E4, bezogen auf die gleiche Dosierung, im Gegensatz zum synthetisch hergestellten Östrogen Ethinylöstradiol (EE) keine hemmende Wirkung auf die Cytochrom‑P450-Enzyme [10]. Somit verhält es sich im Vergleich neutral hinsichtlich Leberfunktion und -metabolismus, wodurch weniger Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln hervorgerufen werden und ein geringerer Einfluss auf Hämostaseparameter besteht [11]. Langzeitdaten müssen zeigen, ob die vermutete Reduktion venöser Thromboembolien im Vergleich zu EE bestätigt werden kann.

Abb. 1
figure 1

Strukturformel von Estetrol. (Eigene Grafik)

Mit dem Kombinationspräparat, das auf pflanzlicher Basis hergestelltes E4 und das etablierte Gestagen DRSP enthält, steht ein neues KOK zur Verfügung. Dabei beinhaltet eine Blisterpackung 24 rosafarbene wirkstoffhaltige Tabletten (3 mg DRSP/14,2 mg E4) sowie darauf folgend 4 weiße Placebotabletten. Die Einnahme erfolgt täglich ungefähr zur gleichen Uhrzeit, wobei durch die Placebotabletten eine Kontinuität ermöglicht wird [12].

Am zweiten oder dritten Einnahmetag der Placebotabletten beginnt gewöhnlich die Entzugsblutung. Insbesondere bei jungen Mädchen kann diese zu einer Reduktion der Verunsicherung bezüglich der kontrazeptiven Sicherheit beitragen. Die Entzugsblutung trat in der in Europa und Russland durchgeführten Phase-III-Studie bei 91,9–94,4 % der Teilnehmerinnen auf und hielt zumeist für 4–5 Tage an. Nach 6 Einnahmezyklen traten bei weniger als 16 % der Studienteilnehmerinnen ungeplante Blutungen bzw. Spottings auf. Anhand der Zulassungsstudie wurde ein Pearl-Index von 0,44 festgestellt [13].

Merke

Bei der kontinuierlichen Einnahme von 24 wirkstoffhaltigen Tabletten (3 mg DRSP/14,2 mg E4) gefolgt von 4 Placebotabletten setzt in über 90 % der Fälle eine zeitgerechte Entzugsblutung ein.

Die neue Kombination von E4 und DRSP wird im Allgemeinen gut vertragen [14]. Als häufigste Nebenwirkungen werden

  • Kopfschmerz (7,7 %),

  • Metrorrhagie (5,5 %),

  • vaginale Blutungen (4,8 %) sowie

  • Akne (4,2 %)

angegeben [13].

Gestagene und Meningeomrisiko

Rote-Hand-Briefe zur Verordnung von Cyproteronacetat, Chlormadinonacetat und Nomegestrolacetat

Nachdem die Verordnung von Cyproteronacetat (CPA) aufgrund des erhöhten Meningeomrisikos bereits im Jahr 2020 durch einen Rote-Hand-Brief beschränkt worden war, warnte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) im November 2022 aus demselben Grund vor dem Einsatz von Chlormadinonacetat (CMA) und Nomegestrolacetat (NGA; [15, 16]).

Diese Warnungen beruhen auf drei retrospektiven Registerstudien, welche Daten der französischen Krankenkasse ausgewertet haben. Eingeschlossen wurden etwa 250.000 Frauen mit CPA, 800.000 Frauen mit CMA und 1.000.000 Frauen mit NGA, jeweils im Alter zwischen 7 und 70 Jahren, die zwischen 2007 und 2017 mit der Einnahme dieser Gestagene begonnen hatten [17, 18, 19]. Der primäre Endpunkt dieser Studien war die Inzidenz von Meningeomen, definiert als erstmalige Hospitalisation mit der Diagnose „Meningeom“ in Kombination mit einem entsprechenden chirurgischen, stereotaktischen oder radiotherapeutischen Eingriff. Insgesamt betrug die Inzidenz für das Auftreten eines Meningeoms in den vorliegenden Studien 6,7/100.000 Patientenjahre. Der Zusammenhang zwischen der kumulativen Dosis dieser Gestagene innerhalb der ersten 6 Einnahmemonate und dem Auftreten von Meningeomen wurde untersucht.

Um welche Gestagene geht es?

CPA, CMA und NGA sind synthetische Gestagene und gehören alle drei zu den Progesteronderivaten, genauer gesagt zu den 17-OH-Progesteron-Derivaten oder Pregnanen. Gestagene wirken über Bindung an die nukleären Progesteronrezeptoren. Synthetische Gestagene binden je nach Gruppe auch als Agonisten oder Antagonisten an andere Steroidrezeptoren und besitzen daher ein breites Spektrum an Partialwirkungen. CPA, CMA und NGA haben alle drei eine antiandrogene Partialwirkung, sodass sie zur Behandlung von Androgenisierungserscheinungen eingesetzt werden können. Dabei sind CPA und CMA starke Antiandrogene, die dosisabhängig eine starke Kompetition am Androgenrezeptor ausüben. NGA übt seine antiandrogene Wirkung über die Hemmung der Expression von Androgenrezeptoren in den Zielzellen aus.

Cyproteronacetat.

CPA kann in einer Dosierung von 10 mg täglich zur Behandlung von mittelschwerem Hirsutismus, Akne oder androgenetischer Alopezie eingesetzt werden. Zudem ist es in Form eines KOK (35 µg EE/2 mg CPA; indiziert zur Behandlung einer mäßigen bis schweren Akne) sowie in Kombination mit Östradiolvalerat (2 mg Östradiolvalerat/1 mg CPA) als Präparat für die Hormonersatztherapie (HRT) erhältlich. Bei Männern kann es in der Dosierung von 50 oder 100 mg täglich in der Behandlung von Prostatakarzinomen oder Hypersexualität zum Einsatz kommen, bei Transfrauen in derselben Dosierung zur Unterdrückung der männlichen Geschlechtshormone.

Chlormadinonacetat.

CMA ist in Deutschland, Österreich und in der Schweiz nur in der Kombination mit EE (30 µg EE/2 mg CMA) erhältlich und zur Kontrazeption zugelassen. In Frankreich ist es auch als Monopräparat in einer Dosierung von 5 oder 10 mg erhältlich und wird kontinuierlich oder sequenziell bei Zyklusunregelmäßigkeiten, prämenstruellem Syndrom, Dysmenorrhö, Endometriose und Myomen eingesetzt.

Nomegestrolacetat.

Auch NGA ist in Deutschland, Österreich und in der Schweiz nur als KOK erhältlich (1,5 mg E2/2,5 mg NGA). Im Gegensatz dazu wird es in Frankreich auch allein in einer Dosierung von 3,75 oder 5 mg zur Behandlung von Menometrorrhagien, Myomen und Endometriose sowie in der HRT oder bei Lutealinsuffizienz prämenopausal eingesetzt.

Diese nationalen Unterschiede in der Verfügbarkeit und Verwendung der Gestagene sind wichtig für die Schlussfolgerungen, die aus den französischen Studienergebnissen zu CPA, CMA und NGA gezogen werden.

Dosisabhängigkeit des Meningeomrisikos

In den oben genannten Registerstudien wurden bei allen drei aufgeführten Gestagenen Frauen mit einer hohen kumulativen Dosis mit jenen verglichen, die eine niedrige kumulative Dosis eingenommen hatten.

Cyproteronacetat.

Bei CPA wurden ≥ 3 g in 6 Monaten als hohe Dosis definiert, wobei die Patientinnen eine Tagesdosis von 50 bis 100 mg erhielten. Betrachtet man die Hochdosisgruppe allerdings genauer, so steigt das relative Risiko (RR) erst ab 12 g eindeutig (Tab. 1, fett markierte Zeile). Was bedeutet das für die Einnahme eines klassischen CPA-haltigen KOK, in dem die Tagesdosis dieses Gestagens 2 mg beträgt? Bei einer Einnahme über 21 Tage pro Monat wird nach einem Jahr eine kumulative Dosis von 504 mg erreicht. Die kritische Dosis im Hinblick auf das Meningeomrisiko wird somit erst nach Einnahme über 24 Jahre erreicht. Werden Präparate mit höherer CPA-Dosis eingenommen, beispielsweise zur Behandlung von Akne oder in der Hormontherapie bei Transpersonen, so wird diese Dosis entsprechend schneller erreicht.

Tab. 1 Dosisabhängiges Meningeomrisiko unter Cyproteronacetat. (Modifiziert nach Weill et al. 2019 [19])

Chlormadinonacetat.

Bei CMA wurde in der Studie eine kumulative Dosis von > 0,36 g in 6 Monaten als hoch definiert. Auch hier zeigt ein Blick in die Daten, dass das RR erst ab einer kumulativen Dosis von 1,44 g eindeutig zu steigen beginnt (Tab. 2, fett markierte Zeile). Bei Einnahme eines KOK mit 2 mg CMA über 21 Tage pro Monat wird diese Dosis allerdings bereits nach knapp 3 Jahren erreicht.

Tab. 2 Dosisabhängiges Meningeomrisiko unter Chlormadinonacetat. (Modifiziert nach Nguyen et al. [17])

Nomegestrolacetat.

Bei NGA wurde eine kumulative Dosis von > 0,15 g in 6 Monaten als hoch definiert. Bei genauerer Betrachtung der Daten zeigt sich, dass das RR ab einer kumulativen Dosis von 1,2 g eindeutig ansteigt (Tab. 3, fett markierte Zeile). Bei Einnahme eines KOK mit 2,5 mg NGA über 24 Tage pro Monat wird diese Dosis bereits nach 1,6 Jahren erreicht.

Tab. 3 Dosisabhängiges Meningeomrisiko unter Nomegestrolacetat. (Modifiziert nach Nguyen et al. [18]

Es macht natürlich einen erheblichen Unterschied, ob die kritische kumulative Dosis für einen Anstieg des Meningeomrisikos nach 24 Jahren, nach 3 Jahren oder schon nach 1,6 Jahren erreicht wird. Allerdings handelt es sich hier um ein theoretisches Rechenmodell, sodass Handlungsempfehlungen hieraus nur sehr zurückhaltend abgeleitet werden können.

Die drei Registerstudien sind nicht die einzigen publizierten Untersuchungen zu diesem Thema. Insbesondere bei CPA wird eine Assoziation mit Meningeomen schon lange diskutiert. Die Ergebnisse von vier Studien mit insgesamt 8 Mio. Patient:innen, davon > 160.000 mit Einnahme von CPA, wurden in einer aktuellen Metaanalyse von Lee et al. [20] zusammengefasst. Eine signifikante Assoziation des Meningeomrisikos mit hoch dosiertem CPA konnte gezeigt werden. Wenn allerdings auch die niedrig dosierte Einnahme von CPA, wie sie in Form des KOK vorkommt, berücksichtigt wurde, konnte keine signifikante Risikoerhöhung mehr nachgewiesen werden. Es scheint sich also – zumindest bei CPA – um einen dosisabhängigen Effekt zu handeln.

Aus diesen Studien lässt sich eine Assoziation zwischen bestimmten Gestagenen und dem Auftreten von Meningeomen ableiten – aber handelt es sich um einen kausalen Zusammenhang?

Hintergrund zu Meningeomen

Meningeome zählen zu den häufigsten Tumoren des zentralen Nervensystems. Sie stellen die häufigsten gutartigen Tumoren der Arachnoidea und die häufigsten intrakraniellen Tumoren bei Erwachsenen über 35 Jahre dar. Die Inzidenz wird mit 8,4 Fällen pro 100.000 Frauen und Jahr bzw. mit 3,6 Fällen pro 100.000 Männer und Jahr angegeben. Frauen sind damit etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Die Inzidenz steigt mit dem Alter, aber das Verhältnis von Frauen zu Männern bleibt dabei mit 2,5:1 stabil [21, 22]. Gemäß Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden drei Grade unterschieden. Meningeome von Grad I machen 80–90 % der Fälle aus, wachsen langsam verdrängend und haben eine gute Prognose; 5–15 % der Fälle entsprechen Grad II, wachsen rasch verdrängend und rezidivieren nach der Therapie häufig. Nur 1–3 % wachsen infiltrativ und haben eine sehr schlechte Prognose (Grad III; [22, 23, 24]).

Neben der höheren Inzidenz bei Frauen gibt es weitere Hinweise auf eine Hormonabhängigkeit von Meningeomen; zu nennen sind eine Wachstumstendenz in der Schwangerschaft mit Regression nach der Geburt und der Nachweis von Hormonrezeptoren im Tumorgewebe. Ein Anteil von 62 bis 90 % der Meningeome exprimiert Progesteronrezeptoren, vor allem Meningeome von Grad I. Der Nachweis von Progesteronrezeptoren ist prognostisch günstig. Auch Androgen- und Östrogenrezeptoren konnten im Tumorgewebe nachgewiesen werden [25, 26].

Mehrere Studien fanden spezifische Charakteristika von Meningeomen, die unter CPA auftreten. Sie umfassen [23, 27, 28, 29]

  • klinische Aspekte wie

    • ein jüngeres Alter bei Erstdiagnose (mittleres Alter 47 Jahre vs. 61 Jahre),

    • eine Lokalisation vor allem in der vorderen oder mittleren Schädelbasis und

    • ein häufigeres multiples Auftreten sowie

  • molekularbiologische Aspekte wie

    • bestimmte Mutationen und

    • eine gesteigerte Expression von Gestagenrezeptoren im Tumorgewebe.

Diese Faktoren unterstützen die These eines kausalen Zusammenhangs zwischen CPA und dem Auftreten von Meningeomen. Eine Studie hat auch das Tumorverhalten nach Absetzen der CPA-Therapie untersucht und konnte eine Größenregression der Meningeome in 71 % der Fälle beobachten, wobei die Fallzahlen klein waren [30].

Resümee

Zusammenfassend fanden mehrere Studien eine Assoziation von CPA mit dem Meningeomrisiko und legen auch einen kausalen Zusammenhang nahe. Zu CMA und NGA gibt es deutlich weniger Daten, die aber ebenfalls auf eine Assoziation mit einem vermehrten Auftreten von Meningeomen hinweisen. In allen vorliegenden Studien war diese Assoziation jedoch dosisabhängig. Die kritische kumulative Dosis wird unter den klassischen KOK mit CPA, CMA und NGA erst nach mehreren Jahren erreicht, wobei hier Unterschiede zwischen den drei Gestagenen bestehen könnten.

Dennoch sollte vor einer Verordnung von KOK mit diesen Gestagenen eine Aufklärung über die aktuellen Rote-Hand-Briefe und über die Warnung der EMA erfolgen. Frauen unter langjähriger Einnahme eines dieser Gestagene sollten über die aktuellen Daten sowie über Alternativen neu informiert werden. Bei Frauen mit bestehendem Meningeom, Zustand nach Meningeom oder positiver Familienanamnese sollten andere Gestagene gewählt werden.

Bei entsprechender Indikation, nach Ausschluss von Kontraindikationen und nach Aufklärung der Patientinnen können KOK mit CPA, CMA oder NGA aber weiterhin verordnet werden. Als Alternative kommen Kontrazeptiva mit anderen antiandrogen wirksamen Gestagenen wie Dienogest oder DRSP infrage. Diese haben eine andere chemische Herkunft (Dienogest ist ein Testosteronderivat, DRSP ein Spirolactonderivat), und es gibt bisher keine Hinweise auf eine Assoziation mit Meningeomen.

Hoch dosiertes CPA zur Therapie von Androgenisierungserscheinungen oder in der Hormontherapie von Transfrauen sollte hingegen nur nach Versagen von Alternativen und nach Risikoaufklärung kurzfristig verordnet werden.

Merke

CPA, CMA und NGA sind dosisabhängig mit einer erhöhten Inzidenz von Meningeomen assoziiert. Die Dosis in KOK ist allerdings als niedrig einzustufen.

Fazit für die Praxis

  • Die Einnahme des Drospirenonmonopräparats mit 4 mg Drospirenon als Wirkstoff sowie des Kombinationspräparats mit Estetrol und Drospirenon erfolgt durchgehend mit 24 wirkstoffhaltigen und 4 wirkstofffreien Filmtabletten.

  • In über 90 % der Fälle setzt bei ordnungsgemäßer Einnahme des neuen Kombinationspräparats mit Estetrol und Drospirenon eine zeitgerechte Entzugsblutung ein.

  • Sowohl CPA als auch CMA und NGA sind dosisabhängig mit einer Risikoerhöhung für das Auftreten von Meningeomen assoziiert.

  • Die Dosis von CPA, CMA und NGA in kombinierten oralen Kontrazeptiva ist niedrig, dennoch wird nach längerer Einnahme die kritische kumulative Dosis erreicht. Für welchen genauen Zeitraum die Einnahme vertretbar ist, lässt sich aus den aktuellen Daten jedoch nicht ableiten.

  • Andere antiandrogen wirksame Gestagene wie Dienogest oder Drospirenon können alternativ eingesetzt werden.