Hintergrund und Fragestellung

Die Schwerverletztenbehandlung im Schockraum erfordert interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit auf hohem Niveau und stellt das Behandlungsteam vor zahlreiche Herausforderungen. Häufig bestehen ein hoher Zeitdruck und ein Mangel an Informationen. Nicht nur gute medizinische Kenntnisse und manuelle Fertigkeiten, sondern vor allem auch die nichttechnischen Fähigkeiten des Einzelnen und des Teams sind für die effektive Patientenversorgung essenziell. Diese Aspekte des „Faktors Mensch“ („human factors“) wurden im Konzept des Crew oder Crisis Resource Management (CRM) zusammengefasst [11, 20]. CRM beschreibt die Fähigkeit, das Wissen, was getan werden muss, auch unter den ungünstigen Bedingungen eines medizinischen Notfalls in effektive Maßnahmen im Team umzusetzen. Konkret vereint CRM vier Hauptprinzipien, die durch effektive Kommunikation verbunden sind: Situationsbewusstsein, Aufgabenmanagement, Teamwork und Entscheidungsfindung. „Human factors“ werden definiert als psychische, kognitive und soziale Einflussfaktoren in soziotechnischen Systemen und sind für 70 % aller Fehler in Hochrisikobereichen verantwortlich [7]. Fehler entstehen beispielsweise bei Versagen der Kommunikation oder der Zusammenarbeit im Team und nicht durch mangelnde theoretische oder praktische Fertigkeiten. Jahrelange Erfahrungen der Luftfahrtbranche zeigen, dass die konsequente Anwendung von CRM-Grundsätzen Mängel im Bereich der „human factors“ minimieren kann, weshalb sich dort CRM-Trainings seit den 1990er-Jahren als fester Ausbildungsbestandteil etabliert haben [18].

Auch in der Akut- und Notfallmedizin rücken CRM-Prinzipien zunehmend in den Fokus [6, 25]. Zunächst in der Anästhesiologie implementiert, etablieren sich simulationsbasierte CRM-Trainings auch zunehmend in verschiedenen Bereichen der Medizin [15, 17, 19]. Der Fokus liegt hierbei auf dem Training der oben genannten CRM-Fähigkeiten Kommunikation, Situationsbewusstsein, Aufgabenmanagement, Teamwork und Entscheidungsfindung, die als „non-technical skills“ zusammengefasst werden [10]. Auch wenn es Hinweise gibt, dass simulationsgestützte Teamtrainings die Patientenversorgung verbessern [3, 21, 29], wird ihre Effektivität noch kontrovers diskutiert [5, 14].

Die vorliegende Studie analysiert die erfolgreiche Implementierung eines interdisziplinären, interprofessionellen In-situ-Schockraumsimulationstrainings (iSRST) in einem überregionalen deutschen Traumazentrum. Hierbei sollten folgende Fragen beantwortet werden: Wie kann ein personal-, zeit- und kostenintensives Teamtraining in realer Schockraumumgebung erfolgreich etabliert werden? Wie bewerten die Teilnehmenden, allesamt Mitarbeitende des Traumazentrums, das Konzept hinsichtlich Qualität und Umsetzung? Wie beurteilen die Teilnehmenden sich selbst vor und nach dem Training im Hinblick auf die Anwendung von CRM-Prinzipien während der Schockraumversorgung?

Studiendesign und Untersuchungsmethode

Konzeption

Das Konzept des iSRST wurde durch ein interdisziplinäres Organisationsteam von Ärzt*innen der Kliniken für Unfallchirurgie, Allgemeinchirurgie und Anästhesiologie sowie des Instituts für Radiologie in Zusammenarbeit mit dem Simulationsteam der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie des Universitätsklinikums Würzburg entwickelt. Zur Teilnahme am iSRST wurden Ärzt*innen aller vier Fachbereiche sowie Pflegekräfte der chirurgischen Notaufnahme und der Anästhesiologie sowie medizinische Technologen für Radiologie (MTR) eingeladen. Für das iSRST stand ein mobiles System für Audio- und Videoaufnahmen (Firma SIMStation GmbH, Wien, Österreich) zur Verfügung, welches für die Trainingswochen im traumatologischen Schockraum installiert wurde. Dieses ermöglichte Ton- und Videoaufzeichnungen während der Szenarien, die für die strukturierten Nachbesprechungen (Debriefings) genutzt wurden. Für die Szenarien, welche im Vorfeld vom Organisationsteam ausgearbeitet wurden, wurde ein Simulationsphantom verwendet (Resusci Anne Simulator, Firma Laerdal Medical AS, Stavanger, Norwegen). Neben unsterilen, aussortierten Materialien (Infusionslösungen, Medikamentenampullen, Beckengurt etc.) wurden „künstliche“ Verbrauchsmaterialien (Erythrozytenkonzentrate, Gerinnungsprodukte, Blutgasanalysen etc.) sowie anonymisierte Computertomographie- und Sonographiebilder sowie Fotos klinischer Befunde vorbereitet.

Inhalte

Jede Trainingsgruppe wurde anhand eines einheitlichen Ablaufs trainiert: Zunächst erfolgten interaktive Diskussionen zu den Themen Advanced Trauma Life Support® (ATLS®) und CRM, gefolgt von einer Einführung in die Simulationstechnik. Anschließend wurden jeweils zwei Szenarien von der Gruppe absolviert. Während der Simulation wurden die Teilnehmenden dabei durch je eine ärztliche Instruktor*in aus der Unfallchirurgie, Allgemeinchirurgie, Anästhesiologie und Radiologie begleitet. Danach erfolgte das ausführliche Debriefing durch das Instruktor*innen-Team unter Verwendung der Video- und Tonaufzeichnungen. Inhalte des Debriefings waren neben dem systematischen Abarbeiten des ABCDE-Algorithmus nach ATLS® im Team (Tab. 1) vor allem CRM-Prinzipien (Infobox 1). Der vorbeschriebene Ablauf wurde mit dem zweiten Szenario wiederholt. Die Veranstaltung wurde durch eine Feedbackrunde abgeschlossen.

Tab. 1 Charakteristika der Simulationsszenarien. Dargestellt sind die Fallbeschreibungen inklusive der anhand des ATLS®-Algorithmus diskutierten medizinischen Aspekte während des Trainings

Infobox Während des interdisziplinären, interprofessionellen In-situ-Schockraumsimulationstrainings hauptsächlich diskutierte Crisis-Resource-Management-Prinzipien

CRM-Aspekte*:

  • Kenne deine Arbeitsumgebung

  • Antizipiere und plane voraus

  • Übernimm die Führungsrolle oder sei ein gutes Teammitglied mit Beharrlichkeit

  • Reevaluiere die Situation immer wieder (10-for-10-Prinzip)

  • Setze Prioritäten dynamisch

  • Kommuniziere sicher und effektiv, sag was dich bewegt

  • Verhindere und erkenne Fixierungsfehler

  • Mobilisiere alle verfügbaren Ressourcen

*Ausschnitt aus den 15 Leitsätzen nach Gaba und Rall, 2005

Durchführung

Die Trainings wurden während der Arbeitszeit durchgeführt und die Teilnehmenden für den Trainingszeitraum von ihren klinischen Verpflichtungen freigestellt. Insgesamt erfolgten zwei iSRST pro Tag an insgesamt 10 Trainingstagen im März und November 2022. Jede Trainingsgruppe bestand aus acht Teilnehmenden der genannten Fachabteilungen, die Zusammensetzung entsprach der realen Besetzung im Schockraum (Abb. 1): zwei Ärzt*innen Anästhesiologie, eine Ärzt*in Unfallchirurgie, eine Ärzt*in Allgemeinchirurgie, eine Ärzt*in Radiologie, eine Pflegekraft Anästhesiologie, eine Pflegekraft Chirurgie, ein(e) MTR. Um Realitätsnähe zu gewährleisten, erfolgte die Durchführung des iSRST als In-situ-Training in einem der zwei zur Verfügung stehenden Schockräume. Der zweite traumatologische Schockraum sowie ein weiteres mit Beatmungsgerät und Notfallmaterialien ausgestattetes Behandlungszimmer dienten der regulären Patientenversorgung.

Abb. 1
figure 1

Szenen aus dem iSRST. a Interdisziplinäre Zusammenarbeit am Phantom während des Szenarios. A Anästhesiologie, C Chirurgie, R Radiologie, P Pflege, I Instruktor*in. b Auch invasive Maßnahmen wurden im Rahmen des iSRST durchgeführt. Exemplarisch hier die simulierte Anlage einer Thoraxdrainage

Erstellung der Fragebögen

Alle Teilnehmenden wurden unmittelbar nach dem iSRST zur Beantwortung einer anonymen und freiwilligen Evaluation eingeladen. Der zugrunde liegende Fragebogen wurde vom Organisationsteam und dem Institut für Medizinische Lehre und Ausbildungsforschung erstellt und das Studienkonzept durch die Ethikkommission der Universität Würzburg validiert, die keine Beratungspflicht gemäß § 15 Berufsordnung der Ärztinnen und Ärzte bescheinigte (Beschluss-Nr. 2022101101). Inhaltlich wurden folgende Aspekte abgefragt: i) demografische Daten wie Alter, Geschlecht, Fachbereich, Ausbildungsstand, Vorerfahrungen, ii) subjektive Bewertung des Trainings anhand von Single-Choice-Fragen mit Schulnoten, iii) retrospektive Selbsteinschätzung vor und nach dem iSRST in Bezug auf CRM-Leitsätze anhand 5‑stufiger Likert-Skalen, iv) Freitextantworten hinsichtlich Lob, Kritik und Verbesserungsvorschlägen. Die Fragebögen wurden händisch in Papierform ausgefüllt und die Ergebnisse anschließend in eine Datenbank übertragen.

Auswertung der Fragebögen und Statistik

Die Formatierung der Fragebögen sowie die Auswertung der Antworten erfolgte digital mittels Evasys®(evasys GmbH, Lüneburg, Deutschland). Die statistische Analyse sowie die Erstellung der Grafiken wurde mit IBM SPSS Statistics® (Version 28; International Business Machines Corporation, Armonk, NY, USA) und Microsoft® Excel (Version 16.67; Microsoft Corporation, Redmond, WA, USA) durchgeführt. Die Daten wurden zunächst mittels Shapiro-Wilk-Test auf Normalverteilung geprüft. Da die Daten nicht normal verteilt waren, erfolgte die weitere Analyse mithilfe des Wilcoxon-matched-pair-Tests. Ein p-Wert von ≤ 0,05 wurde als statistisch signifikant angesehen. Die Effektstärke bezüglich des selbst eingeschätzten Lernzuwachses durch das Training im Hinblick auf die CRM-Prinzipien wurde nach Cohen angegeben. Zur Korrelation der Prätest- mit den Posttesteinschätzungen wurde der Pearson-Korrelations-Koeffizient genutzt.

Ergebnisse

Beschreibung der Studienteilnehmer

Insgesamt füllten 167 Teilnehmende den Fragebogen aus. Obwohl jedes Trainingsteam grundsätzlich aus 8 Teilnehmenden bestand, kam es wiederholt vor, dass zusätzliche Pflegekräfte oder MTR in Ausbildung teilnahmen, was die höhere Anzahl an Fragebögen erklärt (n = 167 statt rechnerisch 160; Rücklaufquote 100 %). Tab. 2 charakterisiert die Teilnehmenden im Detail. Ärztlich wurden die Teams vor allem durch jüngere Assistenzärzt*innen mit einer Berufserfahrung von bis zu 5 Jahren besetzt, während Pflegekräfte und technisches Assistenzpersonal im Durchschnitt älter und beruflich erfahrener waren. Etwa zwei Drittel der Teilnehmenden gaben an, wöchentlich oder häufiger im Schockraum tätig zu sein. Eine vorausgegangene notfallmedizinische bzw. polytraumaspezifische Fortbildung im Rahmen zertifizierter Kurse (z. B. ATLS®, PHTLS® – PreHospital Trauma Life Support®, ATCN® – Advanced Trauma Care for Nurses®) gab dabei nur eine Minderheit von 35 % der Teilnehmenden an. Vorausgegangene Simulationserfahrung wiesen ausschließlich, aber regelhaft Ärzt*innen und Pflegekräfte der Anästhesiologie auf.

Tab. 2 Charakterisierung der Teilnehmenden

Bewertung des iSRST

Im nächsten Abschnitt wurden das Trainingskonzept sowie die praktische und didaktische Umsetzung bewertet. Die abgefragten Trainingsaspekte wurden durch die Teilnehmenden mehrheitlich mit „sehr gut“ bewertet (Abb. 2). Einige Fragen wurden von ärztlichen Teilnehmenden signifikant besser bewertet als von Pflegekräften und technischem Assistenzpersonal (Mittelwerte für 1. klinische Relevanz der Szenarien 1,0 vs. 1,3; p < 0,001; 2. didaktische Umsetzung 1,2 vs. 1,4; p = 0,005; 3. Durchführung im realen Schockraum 1,2 vs. 1,7; p < 0,001). In den Freitextantworten lobten die Teilnehmenden sehr häufig die Interdisziplinarität und Interprofessionalität des iSRST. Über 95 % der Teilnehmenden gaben an, dass sie eine mindestens jährliche Wiederholung des iSRST befürworten, wobei sich über 52 % sogar für die halbjährliche Wiederholung aussprachen. Insgesamt gaben 69 % der Teilnehmenden mit voller Zustimmung an, dass ein iSRST essenziell für eine professionelle Polytraumaversorgung erscheint, während weitere 30 % dieser Aussage überwiegend zustimmten.

Abb. 2
figure 2

Bewertung des Trainingskonzepts und der Umsetzung

Die Bewertung der unterschiedlichen Trainingsaspekte erfolgte mithilfe von Schulnoten (sehr gut, gut, befriedigend, ausreichend, mangelhaft). Dargestellt ist die prozentuale Verteilung der vergebenen Noten in der Gesamtkohorte der befragten Teilnehmenden. Hierbei entspricht jeder Balken der Gesamtteilnehmerzahl von 100 %.

Lernzuwachs bei CRM-Leitsätzen

Die Teilnehmenden wurden in der Evaluation zu ihrer Selbsteinschätzung in Bezug auf die Akzeptanz verschiedener, während des Trainings praktizierter und im Debriefing diskutierter CRM-Leitsätze befragt. Sie gaben sowohl eine retrospektive Einschätzung für den Zeitpunkt vor dem iSRST als auch eine Einschätzung zum Zeitpunkt nach dem iSRST an (Abb. 3). Die Selbsteinschätzung der Teilnehmenden verbesserte sich im Hinblick auf alle CRM-Aspekte signifikant (p < 0,001) mit überwiegend mittleren Effektstärken nach Cohen. Bei den Aspekten „Kurze Team-Besprechungen (10-for-10) sind relevant“ und „Reevaluationen nach ABCDE-Schema sind sinnvoll“ war die Effektstärke jeweils hoch (Mittelwerte jeweils 4,3 vor und 4,6 nach dem iSRST). Interessanterweise wurde bei allen Aspekten nicht nur eine Zunahme der höchsten Kategorie („trifft völlig zu“) beobachtet, sondern insbesondere eine relevante Abnahme der als kritisch einzustufenden, niedrigen Kategorien („trifft nicht“ bzw. „trifft wenig zu“ bzw. „trifft teilweise zu“).

Abb. 3
figure 3

Selbsteinschätzung in Bezug auf CRM-Prinzipien vor und nach dem iSRST

Die Teilnehmenden wurden im Fragebogen gebeten, sich selbst und ihre Fähigkeiten in Bezug auf CRM-Prinzipien, die während der Schockraumversorgung relevant sind, einzuschätzen. Die Selbsteinschätzungen aller Teilnehmenden zu den jeweiligen Aspekten vor und nach Durchführung des iSRST werden hier gegenübergestellt.

Diskussion

Diese Studie beschreibt das Konzept und die erfolgreiche Durchführung eines iSRST an einem überregionalen Traumazentrum. Das simulationsbasierte Teamtraining wurde durch insgesamt 167 Ärzt*innen, Pflegekräfte und technisches Assistenzpersonal mithilfe anonymisierter, freiwilliger Fragebögen evaluiert und sehr positiv bewertet. Bemerkenswerterweise stieg durch das iSRST bei allen Teilnehmenden die Akzeptanz von CRM-Prinzipien während der Schockraumversorgung.

Wie in vielen Bereichen der Akutmedizin erfordert die innerklinische Notfallbehandlung eines schwer verletzten Patienten die effektive Umsetzung medizinischer Maßnahmen, ungeachtet des hohen Zeitdrucks und der limitierten Informationslage [13]. Neben theoretischem Wissen und praktischen Fertigkeiten sind im Schockraumteam vor allem nichttechnische Fähigkeiten von Bedeutung. Diese als „non-technical skills“ oder „human factors“ bezeichneten Teamaspekte beinhalten das Einnehmen von Führungsrollen, Aufrechterhalten eines adäquaten Situationsbewusstseins, Arbeitslastverteilung und dynamische Entscheidungsfindung im Team [16, 26]. Simulationsbasierte Teamtrainings verbessern „non-technical skills“ bei medizinischem Personal und können als effektives Lehrmittel angesehen werden [2]. Allerdings hängt die Übertragung der geübten Fähigkeiten auf Notfallsituationen im Alltag entscheidend von Konzept und Durchführung des Trainings ab [2, 6]. Neben Teamtrainings können auch konkrete Hilfsmittel (z. B. Checklisten, strukturierte Übergabeschemata) oder Veränderungen der Organisationsstrukturen zur höheren Effektivität eines medizinischen Teams beitragen, jedoch besteht die derzeit stärkste Evidenz hierfür für die Durchführung CRM-basierter Simulationstrainings [6]. Hier wurde durch ein interdisziplinäres und interprofessionelles Team aller an der Schockraumversorgung beteiligten Kliniken und Institute (Anästhesiologie, Unfallchirurgie, Allgemeinchirurgie und Radiologie; Abb. 1) ein simulationsbasiertes Teamtraining mit dem Fokus auf die Anwendung von CRM-Prinzipien entwickelt und erfolgreich angewendet. Die Einbindung aller Fachdisziplinen der Führungsgruppe Schockraum in diesem Traumazentrum sowie von sowohl ärztlichem als auch pflegerischem und technischem Personal führte zu einer subjektiv als hoch empfundenen Wertschätzung aller Mitarbeitenden. Aus den Freitextantworten der anonymisiert bearbeiteten Fragebögen ging außerdem hervor, dass insbesondere die Interdisziplinarität und Interprofessionalität als herausragend empfunden wurden, was durch eine gesteigerte psychologische Sicherheit unter den Mitarbeitenden erklärt werden kann [12] und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden über das Training hinaus steigerte.

Ein weiterer Aspekt ist eine langfristig angestrebte Veränderung in der Sicherheitskultur bei der Schockraumversorgung. Fehler während der medizinischen Behandlung von Patient*innen sind ein ernst zu nehmendes Problem für die Betroffenen und das gesamte Gesundheitssystem. Experten auf dem Gebiet der Patientensicherheit gehen davon aus, dass nicht die Fehler einzelner Personen das grundlegende Problem darstellen, sondern ein verbesserungsbedürftiges System, das diese Fehler zulässt und dessen Sicherheit erhöht werden muss [23]. Jedoch ist der vorherrschende Umgang mit Fehlern in der (deutschen) Medizin oftmals noch von „naming, blaming and shaming“ geprägt – der Fehler wird der verursachenden Person zugeordnet und sie wird öffentlich kritisiert oder bestraft. Eine nachhaltige Veränderung dieses Umgangs und damit eine verbesserte Patienten- und Mitarbeitendensicherheit sind durch die Etablierung einer Fehlerkultur zu erzielen, die Sicherheitsrisiken im System erkennt und praktische Lösungen dafür erarbeitet [27].

Des Weiteren wurden die Teilnehmenden eingeladen, sämtliche Trainingsaspekte mithilfe eines fünfstufigen Notensystems zu bewerten (Abb. 2). Hervorzuheben ist, dass alle Aspekte von > 90 % der Teilnehmenden mit „sehr gut“ oder „gut“ bewertet wurden, was eine extrem hohe Zufriedenheit mit dem angebotenen iSRST widerspiegelt. Die am besten bewerteten Aspekte waren die hohe klinische Relevanz der Szenarien sowie Lerneffekt und Atmosphäre während des Debriefings, was dessen hohe Bedeutung unterstreicht [9]. Am schlechtesten bewertet wurden die eigene praktische Übungsmöglichkeit sowie die Durchführung im realen Schockraum, wobei dies vor allem für Pflegekräfte und technisches Assistenzpersonal zutraf. Die negative Bewertung ist möglicherweise auf eine unzureichende Abbildung des Tätigkeitsspektrums während des iSRST zurückzuführen (Bedienung der Computertomographie, Rekonstruktion der Bildserien etc.) und sollte daher bei der Planung zukünftiger iSRST berücksichtigt werden [28]. Die stets mit einem simulationsbasierten Training einhergehende Übungskünstlichkeit wurde lediglich durch einzelne Teilnehmende kritisiert.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass 99 % der Teilnehmenden das iSRST essenziell für die Gewährleistung einer professionellen Polytraumaversorgung halten und sich > 95 % der Teilnehmenden die mindestens jährliche Wiederholung wünschen. Die Weiterentwicklung der Szenarien mit gesteigerten fachlichen Ansprüchen an das Team (z. B. verunfallte Kinder oder Schwangere, Verbrennungsopfer) und der ausgewogene Einbezug aller Berufsgruppen inklusive ihres praktischen Engagements sind geplant.

Da die Teilnehmenden bereits vor dem iSRST eine hohe empfundene Akzeptanz der Prinzipien angaben, war eine Veränderung durch das iSRST nicht einfach zu messen [8, 30]. Wir entschieden uns dabei bewusst für eine retrospektive Teilnehmendenevaluation unmittelbar nach dem Training, da bekannt ist, dass sich eine zweizeitige Einschätzung (vor und nach der Lehrintervention) von einer einzeitigen Einschätzung nach der Lehrintervention nicht unterscheidet [4]. Außerdem konnte diese Arbeit auch zeigen, dass die retrospektive Befragung einen Vorwärtsbias ausschließt, also dass die Evaluation die Teilnehmenden nicht schon während des Trainings beeinflusste.

Es zeigte sich in sämtlichen Aspekten eine signifikante Zunahme der Akzeptanz nach dem iSRST mit überwiegend mittleren Effektstärken. Aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl war es in diesem Datensatz nicht möglich, Subgruppenanalysen durchzuführen, um beispielsweise herauszuarbeiten, welche Alters‑, Berufs- oder fachliche Gruppe besonders oder eher weniger profitiert. Auch lässt sich aus den zum jetzigen Zeitpunkt vorliegenden Daten nicht ablesen, wie lange der subjektive Trainingseffekt und Wissenszuwachs anhalten bzw. wie oft jeder Einzelne trainieren muss, damit sich eine dauerhafte Akzeptanz einstellt [1]. Erneute Befragungen der Teilnehmenden 6 und 12 Monate nach dem Training könnten hier zukünftig aufschlussreich sein und sind Gegenstand aktueller Untersuchungen, die jedoch über die hier dargestellten Studienergebnisse hinausgehen. Es gibt klare Hinweise, dass simulationsbasierte CRM-Trainings die Teameffektivität verbessern und damit ein essenzieller Bestandteil der Aus- und Weiterbildung in medizinischen Berufen sind [24, 25]. Zukünftige Analysen werden zeigen, ob das iSRST an diesem überregionalen Traumazentrum außerdem dazu beitragen kann, messbare Kriterien der Notfallversorgung polytraumatisierter Patienten wie beispielsweise Behandlungszeiten zu verbessern.

Limitationen

Die Effektivität eines so aufwendigen iSRST ist grundsätzlich nicht einfach zu quantifizieren. Jedoch wird die Fortführung der regelmäßigen Trainingswochen davon abhängig sein, einen nachhaltig positiven Effekt auf die Schockraumversorgung nachzuweisen. Dies könnte analog zu Kirkpatrick’s Four Levels of Training Evaluation [22] in folgenden Aspekten untersucht werden: positive Bewertung der Teilnehmenden (Level I; „reaction“), Verbesserung der Kompetenz aller Mitarbeitenden (Level II; „learning“), Verbesserung der Behandlungsabläufe (Level III; „behavior“; z. B. Zeitintervalle von Aufnahme bis Diagnostik, Operationsbeginn oder Ankunft auf Intensivstation) oder im Idealfall Verbesserung der Behandlungsergebnisse (Level IV; „results“; z. B. Morbidität oder Mortalität). Die aktuelle Auswertung untersucht den Effekt des iSRST lediglich auf Level I. Die Untersuchung von Level II–IV ist für die Zukunft vorgesehen, hängt jedoch zunächst entscheidend davon ab, dass die Mehrzahl der Mitarbeitenden durch mindestens eine Teilnahme am iSRST Level I erfolgreich absolviert und somit „reagiert“ hat.

Fazit für die Praxis

  • Das iSRST wurde von allen Teilnehmenden positiv bewertet und ist in der vorgestellten Form ein tragfähiges Konzept für zukünftige CRM-Trainings zur Schockraumbehandlung.

  • Die Teilnehmenden zeigten nach dem iSRST eine höhere Akzeptanz aller CRM-Leitsätze.

  • Insgesamt trägt das iSRST dazu bei, Kommunikation und Handlungsabläufe im chirurgischen Schockraum praxisnah zu trainieren, kritisch zu evaluieren und damit potenziell zu optimieren.