Deutschlandweit steht der Rettungsdienst aktuell vor zahlreichen Herausforderungen. Vertreter von Rettungsdiensten und Gewerkschaften warnen vor einem Kollaps der Notfallrettung mit einer einhergehenden Berufsflucht, die zu einem ernst zu nehmenden Personalmangel führt. Es häufen sich die Meldungen, dass vermehrt Rettungswagen nicht mehr besetzt werden können [1, 3, 19, 21, 22].

Die Gründe für den Fachkräftemangel im Rettungsdienst sind noch nicht abschließend erforscht. Neben strukturellen Problemen, wie beispielsweise rechtlichen Unsicherheiten in der Patientenversorgung und fehlenden Weiterentwicklungsmöglichkeiten [11, 14], scheint das allgemeine Belastungsempfinden der Einsatzkräfte zuzunehmen [2, 9, 10, 13, 23]. Diese strukturellen Probleme, die zunehmende Belastung der Mitarbeitenden im Rettungsdienst, aber auch die stetige Zunahme der Einsätze [12, 29] verstärken sich gegenseitig, da der Personalbedarf kontinuierlich wächst, während weniger Personal, insbesondere Fachkräfte (Notfallsanitäter:innen), zur Verfügung steht [5].

Die zunehmende Anzahl von Einsätzen in Kombination mit Schichtausfällen führt zu einer Arbeitsverdichtung, die wiederum sowohl die stärkere Belastung der verbliebenen Mitarbeiter:innen als auch verlängerte Reaktionszeiten des Rettungsdiensts auf einen Notruf bedingt.

Einen Teil der steigenden Einsatzzahlen machen Einsätze aus, welche ursprünglich keine oder eine geringe rettungsdienstliche Relevanz haben. Die Ursachen hierfür sind multifaktoriell und wissenschaftlich noch nicht in Gänze erforscht [18, 25]. Einsätze, die nicht in das originäre Aufgabengebiet des Rettungsdiensts fallen und dann noch wiederholt auftreten, verstärken die Misere noch weiter.

Frequent User sind Patient:innen, welche wiederholt in kürzester Zeit den Rettungsdienst in Anspruch nehmen. Hintergründe für diese Einsätze sind sehr vielfältig und im deutschen Sprachraum kaum erforscht. Häufig wird beobachtet, dass Frequent User unter einer Kombination aus einer psychosozialen und einer somatischen Erkrankung leiden. Es wird unterschieden zwischen Low Frequent Usern mit 4 Einsätzen pro Jahr, Medium Frequent Usern mit 5–6 Einsätzen pro Jahr und High Frequent Usern mit 7–10 Einsätzen pro Jahr.

Der Anteil von Einsätzen mit Frequent Usern bewegt sich zwischen 0,2 % und 23 %. Zudem konnte festgestellt werden, dass Frequent User für 1,4 % bis 40 % aller rettungsdienstlichen Einsätze verantwortlich sind [4].

Durch ihre Verfügbarkeit rund um die Uhr dienen der Rettungsdienst und die Notaufnahmen als Auffangeinrichtung vieler Patient:innen, da Hausärzte oder andere soziale Einrichtungen meist nur zu üblichen Öffnungszeiten für die Patient:innen erreichbar sind. Der Rettungsdienst stellt mit seiner sehr kurzen Reaktionszeit eine scheinbar adäquate Anlaufstelle für diese Hilfesuchenden dar. Leitstellen und Rettungsdienste sind in ihrer grundsätzlichen Struktur und Aufgabenstellung aber wenig geeignet, um diesen eher subakuten Hilfesuchenden adäquat helfen zu können. So ist nicht auszuschließen, dass der Rettungsdienst in der notwendigen Filter- und Lotsenfunktion versagt und diese Patient:innen häufig in die Notaufnahmen transportiert werden.

Die Leitstellendisponenten haben durch die oben genannten Umstände das Problem der Frequent Caller. Dies sind Anrufer, welche pro Monat mindestens 5‑mal oder in einem Zeitraum von 3 Monaten mindestens 12-mal den Notruf wählen [4]. Auch die Leitstellen sind in ihrer Struktur und Funktion bisher wenig auf Lotsen- und Filteraufgaben eingestellt, sodass – aus Mangel an Alternativen und aus Sorge vor unterlassener Hilfeleistung – der Rettungsdienst alarmiert wird.

Neben den systemischen Fragestellungen rund um Personalnot und kontinuierliche Zunahme der Einsätze stellt sich die Frage, wie sich die Inanspruchnahme des Rettungsdiensts durch Frequent User auf das Rettungsfachpersonal auswirkt.

Methoden

Studiendesign und Rekrutierung von Teilnehmenden

Bei dieser Studie handelte es sich um eine Querschnittstudie in Form einer Onlinebefragung von in Deutschland tätigen Rettungskräften. Die Befragung wurde vom 24.10.2022 bis zum 26.10.2022 mithilfe von Microsoft-Forms (Microsoft Corporation, Redmond, WA, USA; Version von 2022) durchgeführt, die Teilnehmenden wurden überwiegend über die sozialen Medien rekrutiert.

Die Teilnahme an der Befragung war anonym und freiwillig. Alle Teilnehmenden erteilten ihre informierte Einwilligung zur Teilnahme an der Studie und konnten diese jederzeit ohne Angabe von Gründen beenden. Des Weiteren wurde der geltende Datenschutz eingehalten und die Daten nicht mit Dritten geteilt. Die Studie fand im Einklang mit der Deklaration von Helsinki statt.

Fragebogen

Bei dem verwendeten Fragebogen wurden insgesamt 25 selbst entwickelte Items verwendet. Zunächst wurde als Screener-Item gefragt, ob die Teilnehmenden aktiv in der Rettung tätig seien. Als soziodemografische Items wurden das Geschlecht, die Arbeitszeit im Rettungsdienst (Antwortoptionen < 5 Jahre; ≥ 5 Jahre) sowie das überwiegende Einsatzgebiet (Antwortoptionen: Stadt; Land) abgefragt. Weiterhin wurden mit den folgenden Items die häufigsten Hotspots, Alarmierungsursachen und Gründe für Fehleinsätze in Bezug auf Frequent User abgefragt:

  • Was ist der häufigste Hotspot in deinem Einsatzgebiet, bei dem du zu Frequent Usern gerufen wirst?

  • Was ist deiner Meinung nach die häufigste Ursache für die Alarmierung bei Frequent Usern?

  • Welchen Grund für einen Fehleinsatz gibst du am häufigsten bei Frequent Usern an?

Weiterhin wurde mit den in Abb. 1 und Tab. 1 dargestellten Items nach den Auswirkungen von Frequent Usern auf die teilnehmenden Rettungskräfte gefragt, wobei die Items mittels einer vierstufigen Skala (stimme gar nicht zu, stimme eher nicht zu, stimme eher zu, stimme voll zu) dargestellt wurden.

Abb. 1
figure 1

Einfluss der Frequent User auf die Rettungskräfte (n = 1142)

Tab. 1 Auswirkungen von Frequent Usern auf die Rettungskräfte im ländlichen bzw. städtischen Raum; ja, gepoolt stimme eher zu und stimme voll zu; fett, signifikante Unterschiede zwischen Land und Stadt

Der Fragebogen wurde in einem Prätest auf Durchführbarkeit und Plausibilität getestet. Die Teilnehmenden hatten bei der Beantwortung des Fragebogens kein Zeitlimit und konnten nicht auf vorherige Seiten zurückspringen, um Antworten zu ändern.

Statistische Auswertung

Eingeschlossen in die Auswertung wurden alle Fragebögen, bei denen die Teilnehmenden angegeben haben, aktiv in der Rettung tätig zu sein, und die zu 100 % und korrekt ausgefüllt wurden. Für die Auswertung wurden zunächst für alle Variablen die entsprechenden Häufigkeiten der Antwortoptionen berechnet. Um Unterschiede zwischen Stadt und Landrettung bei den häufigsten Hotspots, Ursachen für Alarmierung und Gründe für Fehleinsätze zu identifizieren, wurde der Chi2-Test angewendet. Um Unterschiede in den Auswirkungen von Frequent Usern auf die teilnehmenden Rettungskräfte in Stadt und Land zu analysieren und die Chance, dass eine der abgefragten Situationen auf dem Land im Vergleich zur Stadt auftritt, darzustellen, wurden zunächst die Antwortoptionen stimme eher zu und stimme voll zu als „ja“ sowie stimme eher nicht zu und stimme gar nicht zu als „nein“ gepoolt. Anschließend wurden Odds Ratios (OR) und dazugehörige 95 %-Konfidenzintervalle (95 %-KI) mittels der folgenden Formeln berechnet:

$$OR=(a/b)/(c/d)$$
$$95\text{{\%} KI}=e^{\ln \left(\mathrm{OR}\right)\pm 1{,}96\text{*{\"O}}\left(\frac{1}{\mathrm{a}}+\frac{1}{\mathrm{b}}+\frac{1}{\mathrm{c}}+\frac{1}{\mathrm{d}}\right)}$$

Dabei war a als Anzahl der Ja-Antworten und c als Anzahl der Nein-Antworten von Rettungskräften auf dem Land sowie b als Ja- und d als Nein-Antworten von Teilnehmenden in der Stadt definiert. Die statistische Auswertung erfolgte mithilfe des Programms JASP (Version 0.16.4; University of Amsterdam, Amsterdam, Niederlande).

Ergebnisse

Charakteristika der Studienteilnehmenden

Insgesamt wurden 1167 Fragebögen ausgefüllt, davon wurden 1142 zu 100 % und korrekt ausgefüllt. Ausgeschlossen von der finalen Analyse wurden Teilnehmende, die nicht mehr aktiv im Rettungsdienst arbeiteten. Von den 1142 Studienteilnehmenden (Tab. 3) waren 36,69 % Frauen, 62,87 % Männer und 0,44 % divers. 38,00 % der Teilnehmenden waren weniger als fünf Jahre im Rettungsdienst tätig, wohingegen die anderen 62,00 % fünf Jahre oder länger im Dienst tätig waren. Der Anteil der teilnehmenden Rettungskräfte, welche überwiegend im ländlichen (47,37 %) bzw. städtischen (52,63 %) Gebiet tätig waren, war in etwa vergleichbar (Tab. 3).

Hotspots und Gründe im Zusammenhang mit Frequent Usern

Als häufigste Hotspots wurde von den Studienteilnehmenden (n = 1142) bestimmte Privatadressen (32,75 %), das Pflegeheim (29,99 %) und bestimmte Stadtteile (24,78 %) angegeben (Abb. 2). Zwischen dem Hotspot und dem überwiegenden Einsatzgebiet konnte eine signifikante Assoziation (p ≤ 0,001) identifiziert werden (Tab. 2). Dabei waren im ländlichen Raum(n = 514) die drei häufigsten Hotspots bestimmte Privatadressen (42,51 %), das Pflegeheim (35,12 %) und bestimmte Stadtteile (13,49 %), wohingegen im städtischen Einsatzgebiet (n = 601) bestimmte Stadtteile (34,94 %), bestimmte Privatadressen (23,96 %) und der Bahnhof/ZOB (21,13 %) angegeben wurden.

Abb. 2
figure 2

Durch die Rettungskräfte (n = 1142) am häufigsten wahrgenommene a Einsatzorte und b gesundheitliche Ursachen für Einsätze bei Frequent Usern sowie die häufigsten c Gründe für Fehleinsätze bei Frequent Usern; ZOB Zentraler Omnibus-Bahnhof

Tab. 2 Hotspots sowie Ursachen für Einsätze sowie Gründe für Fehleinsätze bei Frequent Usern nach überwiegendem Einsatzgebiet
Tab. 3 Charakteristika der Studienteilnehmenden

Als häufigste gesundheitliche Ursache für Einsätze im Zusammenhang mit Frequent Usern gab die Gesamtstudienpopulation (N = 1142) Versorgungsprobleme (44,66 %) gefolgt von Intoxikationen (24,34 %) an (Abb. 2). Auch hier bestand eine signifikante Assoziation (p ≤ 0,001) mit dem Einsatzgebiet, wobei im ländlichen Raum (n = 541) Versorgungsprobleme (51,76 %), chronische Erkrankungen (14,23 %) und Intoxikationen (13,49 %) am häufigsten waren (Tab. 2). Im städtischen Raum (n = 601) waren ebenfalls Versorgungsprobleme (38,27 %), Intoxikationen (34,11 %) und chronische Erkrankungen (11,31 %) die häufigsten Ursachen.

Mit Abstand der häufigste Grund für Fehleinsätze mit Frequent Usern war die Behandlung vor Ort (52,98 %) gefolgt von Patient:in verweigert (23,47 %) (Abb. 2). Vergleichbar ist dies auch bei Stratifizierung nach Einsatzbereich (Tab. 2), auch wenn anzumerken ist, dass hier wieder eine signifikante Assoziation zwischen den Gründen und dem überwiegenden Einsatzgebiet vorliegt (p = 0,009).

Einfluss der Frequent User auf den Rettungsdienst

Die vollständige Darstellung des Einflusses von Frequent Usern auf Verhalten und Perspektive der teilnehmenden Rettungskräfte ist in Abb. 1 dargestellt. Die Studienteilnehmenden stimmen mit etwa 70 % oder mehr eher/voll zu, dass sie voreingenommen sind, wenn sie zu bestimmten Hotspots gerufen werden, Frequent User die Geduld und Stimmung der Rettungskräfte negativ beeinflussen und dass sie bereits mit der im übertragenen Sinne Zusatzinformation der Leitstelle „geht mal gucken“ zu Frequent Usern geschickt wurden. Ebenfalls zu ≥70 % stimmten die Rettungskräfte zu, dass Frequent Usern nicht bewusst ist, was die Tätigkeit des Rettungsdiensts ist, dass Frequent User ihre Symptomatik meist bedrohlicher als medizinisch notwendig einschätzen und dass meist Symptome bei diesen vorliegen, welche unspezifisch sind und keine rettungsdienstliche Indikation darstellen (Abb. 1).

Im Vergleich von ländlichen und städtischen Einsatzgebieten war die Chance von vermehrten Einsätzen bei Frequent Usern außerhalb der Öffnungszeiten von Gesundheits‑/Sozialeinrichtungen (OR: 1,65 [95 %-KI: 1,30; 2,09]) sowie dass Frequent User ihre Symptomatik bedrohlicher als notwendig einschätzen (OR: 1,95 [95 %-KI: 1,37; 2,77]), im ländlichen Gebiet signifikant höher als im städtischen Umfeld (Tab. 1). Mit einer signifikant geringeren Chance im ländlichen Gebiet assoziiert war, voreingenommen in den Einsatz zu gehen, wenn man an einen Hotspot gerufen wird (OR: 0,74 [95 %-KI: 0,56; 0,97]) oder einen Folgeeinsatz mit gleichem Stichwort hat (OR: 0,72 [95 %-KI: 0,57; 0,93]) (Tab. 1). Genauso war die Chance im ländlichen Bereich niedriger, dass die Rettungskräfte mit dem Zusatz „geht mal gucken“ an einen Einsatzort gesendet werden (OR: 0,70 [95 %-KI: 0,55; 0,91]), dass Frequent User keine ausreichende Untersuchung zulassen (OR: 0,52 [95 %-KI: 0,41; 0,66]) und dass zu einem Frequent User, welcher zu Hause gelassen wurde, ein weiteres Rettungsmittel im Laufe des Tages fahren musste (OR: 0,67 [95 %-KI: 0,52; 0,85]) (Tab. 1). Des Weiteren war die Tendenz, dass Frequent User weniger sorgfältig behandelt/untersucht werden (OR: 0,61 [95 %-KI: 0,48; 0,78]), dass bei diesen weniger qualifiziert dokumentiert wird (OR: 0,51 [95 %-KI: 0,37; 0,70]) und dass diese, aufgrund von Alarmierung durch Dritte, keine rettungsdienstliche Versorgung wünschen (OR: 0,67 [95 %-KI: 0,53; 0,84]), signifikant geringer im ländlichen Einsatzgebiet im Vergleich zum städtischen (Tab. 1).

Diskussion

Die Literatur zeigt, dass Frequent User häufig im Rettungsdienst anzutreffen sind. Diese deutschlandweite Befragung von Rettungskräften im Format einer Querschnittstudie zeigt, dass insbesondere Versorgungsprobleme sowie Intoxikationen häufige Ursachen für Einsätze im Zusammenhang mit Frequent Usern sind. Frequent User haben außerdem eine (selbstberichtete) Auswirkung auf die Arbeitsweise sowie die Stimmung der teilnehmenden Rettungskräfte. Des Weiteren sind signifikante Unterschiede zwischen rettungsdienstlichen Einsätzen auf dem Land und in der Stadt zu erkennen, wobei der Einfluss von Frequent Usern auf Rettungskräfte auf dem Land insgesamt als weniger stark eingeschätzt wird.

Kritisch zu beurteilen ist sicherlich, dass Frequent User die Geduld und Stimmung bei über 70 % der Teilnehmenden negativ beeinflussen. Auch Angaben zu Einsätzen wie „geht mal gucken“ können die Rettungskräfte negativ beeinflussen. Zum einen können sich Frequent User negativ auf das Einsatzaufkommen auswirken, welches im öffentlichen Rettungsdienst zwischen 1994/1995 und 2016/2017 bereits von 9,5 Mio. auf 16,4 Mio. angestiegen ist [7]. Zum anderen könnten sich vermehrt Einsätze und Veränderungen von Stimmung und Geduld negativ auf die Gesundheit der Rettungskräfte auswirken. So ist bereits bekannt, dass viele Rettungskräfte in Deutschland an Schmerzen und mentalen Gesundheitsprobleme wie Depression leiden [16, 17].

Neben dem direkten Einfluss auf die Rettungskräfte zeigten Analysen aus den USA, dass Frequent User signifikant höhere finanzielle Kosten verursachen als andere Patient:innen [8] und somit auch das Gesundheitssystem selbst beeinflussen. Eine weitere Analyse aus den USA zeigte, dass Frequent User nur etwa 3,3 % der Notfallpatient:innen ausmachten, aber für 17 % aller Notaufnahmen sorgten. Darüber hinaus führten die Frequent User bis zu 32 % der Rettungsdiensttransportkosten herbei, obwohl diese nur einen kleinen Teil der Patient:innen ausmachten [27].

Auch wenn Versorgungsprobleme sowohl im städtischen als auch im ländlichen Bereich laut Rettungskräften die wahrgenommene Hauptursache für Einsätze im Zusammenhang mit Frequent Usern sind, scheinen diese im ländlichen Bereich allerdings häufiger zu sein. Dies zeigt sich auch dadurch, dass auf dem Land die Chance signifikant größer war, außerhalb der Öffnungszeiten von medizinischen Versorgungseinrichtungen zu einem Frequent User gerufen zu werden, als in der Stadt (Tab. 2). Stadt-Land-Unterschiede in der Versorgung sind bereits länger bekannt. So zeigt eine Analyse von Rüger et al. aus dem Jahr 2014, dass im Bundesland Bayern keine großen Unterschiede in der Hausarztdichte zwischen ländlichen und städtischen Regionen bestanden, wohingegen die Dichte von Frauenärzt:innen, Internist:innen und Psychotherapeut:innen in den ländlichen Regionen besonders niedrig ist [20]. Sollten die Versorgungsprobleme in Deutschland und insbesondere in den ländlichen Regionen noch weiter zunehmen, ist sicherlich mit einer noch stärkeren Belastung der Rettungskräfte durch unkritische Patient:innen als auch durch Frequent User zu rechnen, insbesondere weil eine retrospektive Analyse aus Dänemark zeigte, dass eine wiederholte Nutzung des Rettungsdiensts mit dem Vorliegen chronischer Krankheiten assoziiert war [28] und somit die teilweise demografisch bedingte Zunahme chronischer Krankheiten in Deutschland sich negativ auf die Situation des Rettungsdiensts auswirken kann.

In Betrachtung weiterer Stadt-Land-Unterschiede ist auffällig, dass im städtischen Bereich die Chance von Frequent Usern, die keine Versorgung/Behandlung durch den Rettungsdienst wünschen, höher ist, da die Alarmierung durch Dritte erfolgte oder diese generell keine ausreichende Untersuchung zulassen. Gründe hierfür können der Substanzmissbrauch und Intoxikationen bei Frequent Usern sein, aber auch der Wunsch nach sozialer Unterstützung und die Unfähigkeit, allein medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen oder sich selbstständig in eine medizinische Einrichtung zu begeben [15]. Basierend auf diesen Daten könnte man zumindest vermuten, dass der Rettungsdienst durch einige Frequent User eher als Sozialdienst anstatt als medizinische Institution für den Notfall wahrgenommen wird.

Die Versorgungsprobleme können dabei nicht nur Auslöser für die häufige Rettungsdienstalarmierung sein, sondern ggf. auch durch das Rettungsdienstfachpersonal verstärkt werden, beispielsweise wenn, wie in dieser Studie dargestellt, weniger genau dokumentiert, untersucht oder behandelt wird. Unspezifische Symptomatiken und angegebene häufigere ambulante Versorgungen verbunden mit möglicherweise weiteren Rettungsdienstkontakten am selben Tag können auch als Indiz für die nicht adäquate rettungsdienstliche Versorgung der Frequent User angesehen werden. Um die Gefahren und Gründe der möglichen rettungsdienstlichen Unterversorgung abzuschätzen. sind weitere Studien nötig.

Frequent User erhöhen den Druck, welcher ohnehin schon auf der Notfallversorgung allgemein und dem Rettungsdienst speziell lastet. Hier lassen aktuelle Entwicklungen vermuten, dass Notrufe und Einsätze dieser speziellen Patient:innenpopulation zukünftig noch steigen werden. Ein erfolgversprechender Lösungsansatz könnte das Etablieren eines interdisziplinären Case Managements sein [6, 26]. Dieser Wechsel bzw. eine Ergänzung von einem rein reaktiven Rettungsdienst zu einem proaktiven, vielleicht sogar präventiven Dienst könnte gut in das sich aktuell etablierende Gemeindenotfallsanitätskonzept integrieren [24].

Diese Studie hat mehrere Limitationen.

Zum einen wurde die Wahrnehmung der Rettungskräfte zu Frequent Usern abgefragt und zum jetzigen Zeitpunkt besteht keine Möglichkeit, die Meinung der Teilnehmenden mit anderen Daten zu untermauern. Wenn der diskutierte Wunsch nach sozialer Unterstützung eine Ursache von Frequent Usern sein sollte, könnte dies durch die Coronapandemie noch verstärkt worden sein, wodurch die Wahrnehmung der Rettungskräfte verzerrt ist. Es wäre also denkbar, dass die Wahrnehmung der Rettungskräfte in Bezug auf die FU einige Zeit nach Ende pandemischer Maßnahmen eine andere wäre. Außerdem handelt es sich bei dieser Studie um eine Querschnittstudie, welche keine Rückschlüsse auf kausale Zusammenhänge zulässt.

Fazit

Der deutsche Rettungsdienst ist an zweierlei Seiten unter Druck. Zum einen fehlt es an Personal und zum anderen steigt durch die Zunahme der Hilfeleistungsersuchen die Arbeitsbelastung. Das konsequente Adressieren der Frequent-User-Problematik könnte möglicherweise eine Entlastung in beiden Problembereichen schaffen. Eine steigende Stimmung bzw. möglicherweise Verbesserung der Motivationslage des Rettungsfachpersonals ginge Hand in Hand mit der Reduktion von Rettungsdiensteinsätzen, insbesondere von Bagatelleinsätzen, einher. Zu den konkreten systemischen Auswirkungen wie auch zu den geeigneten Mitteln, um den Frequent Usern passende Hilfeleistungsangebote zu unterbreiten, erscheint weitere Forschung dringend notwendig. Insbesondere da die vorliegende Studie vage Anhaltspunkte aufzeigt, dass Versorgungsprobleme eine mögliche Ursache für vermehrte Einsätze bei Frequent Usern sind. Ein möglicher Ansatzpunkt scheint das Ausdifferenzieren von Reaktionsmöglichkeiten in Leitstellen und Rettungsdiensten zu sein, insbesondere die flächendeckende Einführung und der proaktive Einsatz von Gemeindenotfallsanitäter:innen könnte zur Entspannung führen.