Als die erste Auflage der Notfall+Rettungsmedizin 1997 erschien, war die Rettungsassistentenausbildung gerade acht Jahre alt. Drei Jahre nach Inkrafttreten des Rettungsassistentengesetzes (RettAssG) führte 1992 die „Stellungnahme der Bundesärztekammer zur Notkompetenz von Rettungsassistenten und zur Delegation ärztlicher Leistungen im Rettungsdienst“ zu kontroversen Diskussionen mit nahezu epischen Nachwirkungen bis heute und entfaltete einen enormen Einfluss auf die gesamte Berufsgruppe [5]. Bereits ein Jahr nach der ersten Auflage der Notfall+Rettungsmedizin wurde 1998 das Thema Notkompetenz von Ahnefeld et al. im „Grundsatzpapier Rettungsdienst“ diskutiert [2]. Zu der Zeit fanden regelmäßig die Leinsweiler Gespräche statt, die zwischenzeitlich als historisch gelten dürfen, aber über lange Jahre hinweg eine Institution in der Notfallmedizin waren. Aus diesem Umfeld heraus titelte 2002 die Notfall+Rettungsmedizin: „Personal im Rettungsdienst – brauchen wir neue Konzepte?“ [7]. Bereits damals wurde auf den drohenden Personalmangel und auf „rechnerisch 60–70 % ‚echte‘ Notfallindikationen für den Notarzt“ hingewiesen, auch plädierte man für einen „Supraspezialisten Notfallmedizin“. Bemerkenswerterweise wurde bezüglich der Überführung von ärztlichen Maßnahmen in die Regelkompetenz der Rettungsassistenten festgehalten, dass die „Kontrollfunktion des Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) und ein konsequentes Qualitätsmanagementsystem sowie die kontinuierliche Fortbildung des Rettungsdienstpersonals … die elementaren Voraussetzungen für eine Kompetenzerweiterung darstellt“. Erstaunlich, dass wir auch zu Zeiten der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter (NotSan) an vielen Stellen noch keinen Schritt weiter sind und zum Teil sogar hinter der Einschätzung von vor 20 Jahren zurückliegen.

Die Notfall+Rettungsmedizin hat stets die Entwicklungsschritte des Rettungsfachpersonals abgebildet

Über all die Jahre hat die Notfall+Rettungsmedizin die teils sehr heterogenen Positionen zu Befugnissen und Kompetenzen von Rettungsassistenten abgebildet und sich sicher auch damit nicht immer leicht getan. Die zwischenzeitlich interprofessionelle Besetzung des Herausgeberboards unterstreicht aber die Entwicklung der Zeitschrift und damit auch den Teamgedanken in der Notfallmedizin.

Für den Teamgedanken in der Notfallmedizin war auch die Etablierung interprofessioneller Ausbildungskonzepte von besonderer Bedeutung. Bereits 2001 fand der erste Advanced-Life-Support(ALS)-Provider-Kurs des European Resuscitation Council (ERC) in Deutschland statt – berichtet in der Notfall+Rettungsmedizin [3]. Die Basis jeglicher Kompetenz ist – abgesehen von der persönlichen Eignung – in der Ausbildung und im Training zu legen. Auch wenn bei offenen Kursen nicht unbedingt die Einsatzkräfte eines Rettungsdiensts zusammen üben, ist doch der interprofessionelle Ansatz des Kurses für das gegenseitige Verständnis und den gemeinsamen Erfolg elementar. Es folgten im Verlaufe alle weiteren Kurse des ERC, inklusive der pädiatrischen Segmente. Im Bereich der Schwerverletztenversorgung schlossen sich Ende der 2000er-Jahre die Konzepte „International Trauma Life Support“ und „Prehospital Trauma Life Support“ an. Zwischenzeitlich hat sich neben den ALS-Kursen des ERC und den Traumakursen eine Vielzahl weiterer Kurse mit unterschiedlichen Schwerpunkten etabliert. Da sie zum Teil in die Weiterbildung oder Fortbildung von NotSan integriert wurden, tragen sie relevant zur Kompetenzentwicklung bei. Ganz wesentlich transportiert die Notfall+Rettungsmedizin regelmäßig wiederkehrend die deutschsprachigen Reanimationsleitlinien und schafft damit die Basis für die Vermittlung aktuellen evidenzbasierten Wissens in der interprofessionellen Notfallmedizin.

Zum siebzehnten Geburtstag der Notfall+Rettungsmedizin 2014 wurde mit großen Erwartungen die Verkündigung des Notfallsanitätergesetzes (NotSanG) erwartet. Das NotSanG ist die Grundlage der dreijährigen Ausbildung und war Auftakt einer neuen Diskussion um die Ausgestaltung der Befugnisse und Kompetenzen von – nun – Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern.

Der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst (DBRD) und der Bundesverband der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst Deutschland (BV-ÄLRD) haben in einem Pyramidenprozess bereits 2014 erste Empfehlungen zur Umsetzung von Befugnissen gemacht, diese führen gerade aber eher ein Schattendasein. Jede Institution, jedes Bundesland entwickelt seine eigenen Vorstellungen und Umsetzungsempfehlungen und erschöpft sich in der Ausgestaltung von neuen Standard Operating Procedures (SOP; „Pfeile rechtsrum oder linksrum?“). Wie man aber die Kompetenz zur Umsetzung dieser SOP erhält und kontrolliert, wird deutlich seltener diskutiert oder fixiert. Sind Szenarientrainings Teil der Pflichtfortbildung oder reichen 30 h Eigenstudium von Fachzeitschriften? Dies erscheint irritierend, denn wir alle wissen, dass nicht die SOP kompetent macht, sondern nur gut geschultes und qualifiziertes Personal mit zielführenden Rückmeldungen im Rahmen einer modernen medizinischen Qualitätssicherung.

Allerdings sind für die NotSan nicht nur die Vorgaben zur Berufsausübung in den Bundesländern unterschiedlich, sondern auch die Vermittlung der im NotSanG und der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für NotSan (NotSan-APrV) verankerten Ausbildungsinhalte. Die Berufsfachschulen des Rettungsdiensts haben in Abhängigkeit von der gesetzlichen Regelung auf Länderebene voneinander abweichende Rahmenlehrpläne. Das „Baden-Württemberger Modell für eine bundesweite Ausbildung“ von Ohder et al. war 2014 das erste „Notfallsanitäter-Curriculum“, das die bundesgesetzlichen Vorgaben sowohl inhaltlich als auch didaktisch aufbereitet hat [6]. Viele Bundesländer haben zwischenzeitlich bei der Entwicklung eines eigenen Curriculums aufgeholt. Die Unterschiede bestehen heute daher primär nur noch bei der Verteilung der Inhalte auf die drei Ausbildungsjahre. Der im Laufe des Kalenderjahrs 2013 entwickelte Wunsch auf Bundesebene, die Versorgung der Notfallpatienten „nach dem allgemein anerkannten Stand rettungsdienstlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse“ (NotSanG) durchzuführen, hatte und hat großen Einfluss auf die Gestaltung des Unterrichts an den Rettungsdienstschulen. Im Gegensatz zum Rettungsassistenten müssen Absolvierende der NotSan-Ausbildung wissenschaftliche Grundkompetenzen entwickeln, Literaturrecherchen beherrschen und die daraus erworbene Informations- und Medienkompetenz in die Praxis transferieren können. Dies erscheint wichtiger denn je, um Patienten mit evidenzbasierten medizinischen Maßnahmen zu versorgen.

Für die Zukunft der NotSan und damit auch für den Rettungsdienst und die zu versorgenden Patienten muss eine weitere Entwicklung stattfinden. Die sinnvolle Nutzung der Digitalisierung und Vernetzung ist essenziell und geht über die Einbindung von Telenotärzten hinaus. Der Austausch von Informationen und die Möglichkeit von Feedbacks zur eigenen Verdachtsdiagnose oder Patientenversorgung könnten ebenso wie ein telemedizinischer Kompetenzcheck zur Freigabe von Befugnissen der Qualitätsentwicklung dienen. Die Vernetzung mit Hausarztpraxen und Kliniken, genauso aber mit allen anderen prähospital tätigen Berufsgruppen, beispielsweise Pflegediensten, Hausärzten, ambulanter Palliativversorgung und psychosozialer Betreuung, muss neu gedacht werden – der Rettungsdienst ist nur ein Teil der prähospitalen Versorgungsstrukturen.

Die Vernetzung mit Hausarztpraxen, Kliniken und prähospital tätigen Berufsgruppen muss neu gedacht werden

Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass der Rettungsdienst vielfach als Gatekeeper für diverse Notlagen gerufen wird, die keiner medizinischen Abklärung bzw. Einweisung in ein Krankenhaus bedürfen. Möchte man dem Rechnung tragen, müssen auch die NotSan befugt sein, solche Einsätze unmittelbar an andere Dienstleister abzugeben, oder sie müssen die Möglichkeit haben, selbstständig Patienten ambulant zu versorgen. Projekte wie die des Gemeinde-NotSan oder auch der NotSan-Erkunder im Rahmen der Coronavirus-disease-2019-Pandemie bieten Lösungsmöglichkeiten und zeigen, dass möglicherweise die Qualifizierung für dieses neue Aufgabengebiet angepasst werden muss [4, 8].

Gleichzeitig steigt der Anspruch an die NotSan in der Zusammenarbeit mit Notärzten, zumindest wenn man die Entwicklung maximal-invasiver Notfalltechniken betrachtet. Ob prähospitaler „extracorporeal life support“ (ECLS), Clamshell und „resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta“ (REBOA) eines Tages von jedem Notarzt beherrscht werden sollen, ist zweifelhaft. Möglicherweise bleibt dies notfallmedizinischen Supraspezialisten, wie 2002 gefordert, vorbehalten – und damit auch die Assistenz spezialisierten NotSan. Häufiges ist häufig (und Seltenes ist selten), insofern wird zukünftig die zentrale Frage sein, wie sich die Masse der Einsätze bewältigen lässt. Dazu gehört auch zu klären, ob NotSan lediglich überbrückende Maßnahmen bis zum Eintreffen des Notarztes übernehmen oder doch viel eher mit einer eigenständigen Handlungskompetenz in einem System verankert werden und damit in der Lage sind, das Gesundheitssystem ressourcengerecht zu bedienen und zu entlasten. Dafür müssen die Qualifizierungsmaßnahmen und Fortbildungspflichten angepasst werden – denn auch die Notärzte sehnen sich erfreulicherweise nach einer konkreten Fortbildungspflicht [1].

Die Notfall+Rettungsmedizin ist das einzige deutschsprachige Journal, das sich nur auf die Notfallmedizin fokussiert. Insofern wünschen wir uns eine themenunabhängige Offenheit im Sektor Notfallmedizin mit dafür methodisch und wissenschaftlich anspruchsvollen Originalarbeiten, ansprechenden und kreativen Konzepten und Ideen sowie Nischen für unterhaltsame Meinungen und den wissenschaftlichen Austausch. Die Rubrik „Teamwork + Education“ soll auch ein niederschwelliges Angebot für die Publikation von Abschlussarbeiten sein („Students Corner“) und gleichzeitig innovative Ideen zum Thema transportieren. Die wissenschaftliche Publikation von Erkenntnissen der Berufsgruppe ist elementar, um

  • andere an Ideen und Konzepten teilhaben zu lassen und

  • auch Möglichkeiten und Grenzen in Bezug auf Maßnahmen etc. darzulegen.

Damit ist die Notfall+Rettungsmedizin beides: eine Plattform für Newcomer und für wissenschaftlich routinierte Kolleginnen und Kollegen.

Also los gehts, die Damen und Herren Notfallsanitäter, zeigt mal, was ihr draufhabt – und herzlichen Glückwunsch zum 25. Geburtstag, NORE!