Die Akademisierung der Gesundheitsfachberufe in Deutschland ist seit vielen Jahren ein stark diskutiertes Thema [1]. Bereits 2012 empfahl der Wissenschaftsrat eine Akademisierungsquote von 10 bis 20 % in den Gesundheitsfachberufen [2]. Diese Empfehlung entstand zu einem Zeitpunkt, zu welchem es im Rettungsdienst noch kein vollwertiges, das heißt dreijährig ausgebildetes Berufsbild gab. Seit der Einführung des Notfallsanitätsberufs findet auch im Rettungsdienst eine Akademisierungsdiskussion statt. Diese bezieht sich verstärkt auf primärqualifizierende Studiengänge oder Studiengänge mit Management- oder Bildungsbezug [3,4,5]. In der Praxis erscheinen Aufbaustudiengänge für Notfallsanitäter*innen interessant zu sein. So ist beispielsweise eine akademische Weiterqualifizierung mit Rettungsdienstbezug zumindest bei Auszubildenden zum Beruf der Notfallsanitäter*in deutlich attraktiver als beispielsweise ein fachfremdes oder das Studium der Humanmedizin [6]. Dabei gibt es bisher nur wenige Studienangebote, welche Rettungsdienstmitarbeitende in ihrer Kerntätigkeit, der Patientenversorgung, akademisch weiterqualifizieren [7].

Im Dezember 2021 führte die Deutsche Gesellschaft für Rettungswissenschaften e. V. (DGRe) eine virtuelle Studiengangmesse, den sogenannten Hochschultag, durch. Um Studienmotivation, -ziel und -wünsche unter Rettungsdienstmitarbeitenden besser verstehen zu können, führte die DGRe eine Befragung der anwesenden Studieninteressierten mittels eines kurzen Onlinefragebogens durch.

Methoden

Der Onlinefragebogen wurde auf der Plattform SoSci Survey® (SoSci Survey GmbH, München, Deutschland) erstellt und die Teilnehmenden während des Hochschultags wiederholt gebeten, diesen auszufüllen. Die Befragten mussten der Speicherung und Auswertung der Daten zustimmen. Ohne diese Einwilligung war technisch eine Teilnahme an der Befragung nicht möglich.

Um eine möglichst hohe Beteiligung zu erreichen, wurde der Fragebogen sehr kurz gehalten. Insgesamt beantworteten die Teilnehmenden vier Fragen zu soziodemografischen Attributen und drei Fragen zu Aspekten ihres Studienwunschs. Aufgrund der technisch-organisatorischen Gestaltung des Hochschultags ist die genaue Anzahl der Teilnehmenden nicht bekannt. Insgesamt gingen 125 Fragebögen in die Auswertung ein. Die rein deskriptive Analyse erfolgte mit Excel für Mac.

Ergebnisse

Die 125 Befragungsteilnehmenden waren im Mittel 24,61 Jahre alt (SD 5,96, Range 18–48), zu 54,4 % (n = 68) männlich, zu 44,8 % (n = 569) weiblich und zu 0,8 % (n = 1) diversen Geschlechts. 59,2 % (n = 74) der Befragten waren Rettungsassistent*in bzw. Notfallsanitäter*in. Knapp drei Viertel der Antwortenden gaben an, einen Schulabschluss zu besitzen, der sie direkt zur Aufnahme eines Studiums qualifiziert (70,4 %, n = 88, die allgemeine und 14,4 %, n = 18, die fachgebundene Hochschulreife).

Die Studienmotivation wurde durch eine fünfstellige Likert-Skala erfragt. Die Teilnehmenden konnten hierbei vorformulierte Aussagen gar nicht (entspricht 1 auf der Skala) bis voll zustimmen (entspricht 5 auf der Likert-Skala). Zur besseren Vergleichbarkeit der Studienmotivatoren wurden die Mittelwerte berechnet.

Die Frage, ob die Ergebnisse einer Likert-Skala metrisch sind und somit überhaupt Mittelwerte gebildet werden können, ist in der Wissenschaft umstritten. Eine Reihe von Autoren kommt zu dem Ergebnis, dass ordinale Variablen als metrisch verwendet werden können, da signifikante Unterschiede in beiden Verfahren auffallen und somit die Ergebnisse vergleichbar sind [8].

Der im Kollektiv am wichtigsten gewertete Motivator (Abb. 1) ist mit 4,79 von möglichen 5 Punkten „Ich will mehr wissen“, gefolgt von „Ich will mich als Person weiterentwickeln“ (4,66 Punkte), „Ich will den Rettungsdienst insgesamt weiterentwickeln“ (4,38 Punkte), „Ich will zukünftig Patient*innen besser versorgen können“ (4,34 Punkte), „Ich will eine höhere Vergütung erreichen“ (4,02 Punkte), „Ich will die Belastung des Einsatzdienstes verringern“ (3,57 Punkte) und weit abgeschlagen „Ich will perspektivisch den Rettungsdienst verlassen“ (2,77 Punkte). Damit zeigt sich bei den Befragten eine hohe Bereitschaft, sich selbst, aber auch die Branche Rettungsdienst weiterentwickeln zu wollen.

Abb. 1
figure 1

Motivation für die Studienaufnahme

Zur Erfassung der präferierten Studienrichtung konnten die Teilnehmerinnen vier Disziplinkomplexen bewerten. Bei möglicher Mehrfachauswahl wurde rettungsdienstliche Patientenversorgung/Notfallmedizin am höchsten bewertet. Auf dem zweiten Platz landete Katastrophenvorsorge/-schutz gefolgt von Lehre/Pädagogik und BWL/Management.

Hiermit zeigt sich, dass die aktuell starke Orientierung der Studienanbieter an die Bereiche Management und Bildung am Studieninteresse der Befragten teilweise vorbeigeht. Bei der Auswahl verschiedener Studienformen (Teilzeit, Vollzeit, Fern‑, Präsenz- und Abendstudium) wurden das Teilzeit- und das Fernstudium bevorzugt.

Im letzten Teil des Fragebogens wurde um ergänzende freie Aussagen zur individuellen Akademisierungsintention gebeten. Im Wesentlichen bestätigten die freien Antworten die bereits durch die geschlossenen Fragen erfassten Inhalte. Zusätzlich wurde wiederholt auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass es aktuell kaum Akademisierungsmöglichkeiten im Kontext der rettungsdienstlichen Patientenversorgung gibt.

Limitierungen

Eine Erfassung des Studieninteresses von Rettungsdienstfachkräften wurde bisher nicht publiziert. Die Durchführung des DGRe-Hochschultags bot dazu eine passende Gelegenheit. Dennoch ist diese Art der Stichprobenziehung eine wesentliche Limitierung der Untersuchung. Die Teilnehmer*innen der Messe wurden über Onlinewerbung in den sozialen Medien akquiriert und auch nicht alle nahmen an der Befragung teil. Somit ist davon auszugehen, dass das Ergebnis nicht repräsentativ ist. Dennoch kann diese kleine Untersuchung im Sinne einer explorativen Studie einige relevante Sachverhalte aufdecken.

Fazit

Die Befürchtung vieler, dass Rettungsdienstkräfte mit ihrer Akademisierung die Branche oder auch nur die aktive Tätigkeit an der Patient*in verlassen wollen, erscheint zumindest bei den Befragten als unbegründet. Diese gaben zu einem großen Anteil an, den Rettungsdienst nicht verlassen bzw. sogar diesen mit ihrem Studium weiterentwickeln zu wollen. Dies gepaart mit der Erkenntnis, dass es den Studieninteressierten primär darum geht, mehr zu wissen, sich als Person weiterzuentwickeln und Patient*innen besser versorgen zu können, deutet eine hohe Bindung an die Branche an.

Vielmehr scheint die Tatsache, dass aktuell kaum akademische Qualifizierungen in der Patientenversorgung angeboten werden, dazu zu führen, dass Personen mit Studieninteresse und damit mutmaßliche Leistungsträger sich zwangsläufig „weg von der Straße“ qualifizieren. Dieser „Braindrain“ könnte mittelfristig zum Problem für den Rettungsdienst werden, sodass es aus Sicht der Branche und der Befragten als notwendig angesehen werden kann, Studienangebote mit patientenversorgendem Schwerpunkt zu etablieren. In der Folge gilt es dann, entsprechende Stellen mit adäquater Vergütung zu schaffen.