Zusammenfassung
Hintergrund
Die Diagnostik von Ellenbogenverletzungen stellt eine besondere Herausforderung dar. Nicht selten werden hier relevante Verletzungen mit Langzeitfolgen übersehen.
Diagnostik
Grundlage der Diagnostik ist die Kenntnis der möglichen Verletzungsmuster sowie der alterstypischen Verteilung der einzelnen Verletzungen. Ziel ist es, in der Akutdiagnostik eine aktiv behandlungsbedürftige Verletzung zu erkennen bzw. auszuschließen. Dabei bildet das konventionelle Röntgenbild in 2 Ebenen nach wie vor die Basis der bildgebenden Diagnostik. Die Magnetresonanztomographie spielt häufig bei prolongierten Heilverläufen zum Ausschluss z. B. einer okkulten Fraktur oder von Knorpelläsionen eine Rolle. Aufgrund der geringen Ossifikation beim Kind wird die Computertomographie i.d.R. erst beim Adoleszenten zur Beurteilung der seltenen Gelenkfraktur des distalen Humerus eingesetzt. Die Sonographie ermöglicht die Darstellung nichtossifizierter Anteile und von Frakturen, die im Röntgen nicht sichtbar sind.
Abstract
Background
The diagnostics of elbow injuries pose a particular challenge. Relevant injuries are misdiagnosed relatively often at this location with long-term consequences.
Diagnostics
The diagnostics are based on knowledge of the possible injury patterns and the typical age distribution of the specific injuries. The goal is to identify injuries requiring an active intervention. The conventional anteroposterior and lateral radiographs constitute the basis of diagnostic imaging. Magnetic resonance imaging is helpful in cases of prolonged healing to exclude, for example an occult fracture or cartilage injuries. Due to the little ossification of the pediatric elbow computer tomography usually is used not until adolescence to evaluate the rare complex articular fractures of the distal humerus. Ultrasonography allows visualization of the cartilaginous parts of the elbow and occult fractures which are not visible in X-ray images.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Ellenbogenverletzungen bei Kindern und Jugendlichen stellen für die behandelnden Ärzte häufig eine Herausforderung dar. Nicht selten werden gerade in dieser Lokalisation Frakturen übersehen [1, 3, 11, 14]. Pseudarthrosen, Wachstumsstörungen und Deformitäten können hier zu relevanten Langzeitfolgen führen [13].
Ziel der Untersuchung muss daher sein, eine aktiv behandlungsbedürftige Verletzung auszuschließen. Hierzu gehören alle dislozierten Frakturen außerhalb der Grenzen der Spontankorrektur sowie alle nicht oder wenig dislozierten Frakturen, die trotz symptomatischer Therapie mittels Immobilisation bei Nichterkennen zu Problemen führen können.
Bildgebung
Konventionelles Röntgen
Grundlage der Diagnostik stellt nach wie vor das konventionelle Röntgenbild in 2 Ebenen dar. Hierbei soll auch im Sinne der Strahlenhygiene nicht auf die 2. Ebene verzichtet werden, da wenig dislozierte Frakturen manchmal nur in einer Ebene erkennbar sind. Eine Ausnahme stellen vollständig dislozierte Frakturen dar, bei denen eine klare Operationsindikation besteht. Hier liefert eine 2. Ebene keine relevanten Zusatzinformationen. Sie kann schmerzfrei in Narkose nachgeholt werden.
Ebenso sollte durch eine klinische Untersuchung die Verletzungsregion eingegrenzt werden, um gezielte Röntgenaufnahmen anfertigen zu können. Sog. Übersichtsaufnahmen von z. B. einer Extremität in einer Ebene sollten vermieden werden.
Die Vielzahl und die Varianz der Knochenkerne am noch überwiegend knorpelig angelegten Ellenbogengelenk erschweren die Beurteilung der Röntgenbilder. Das Auftreten der Knochenkerne erfolgt in bestimmten Alterszeiträumen, die bei der Befundung einer Aufnahme bekannt sein müssen (Abb. 1).
Ein indirektes Zeichen für das Vorliegen einer Verletzung ist das sog. positive Fettkörperzeichen („fad pad sign“; [10, 15]): Normalerweise verschwindet der am Humerusschaft anliegende Fettkörper in der Fossa coronoidea und der Fossa olecrani. Bei Vorliegen eines intraartikulären Ergusses wird dieser zwar intraartikulär, jedoch extrasynovial liegende Fettkörper vom Humerusschaft abgehoben, was dann als positives Fettkörperzeichen auf dem konventionellen Röntgenbild zu sehen ist (Abb. 2). Ist dieses Zeichen nicht vorhanden, ist die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer relevanten Verletzung gering [4].
Die auch heute immer wieder angeführte Vergleichsaufnahme der Gegenseite ist nicht von Nutzen. Mehrere Studien haben gezeigt, dass sie nicht die Kenntnis der Anatomie sowie der möglichen Verletzungsmuster ersetzt [6]. Damit spielt sie heutzutage in der Akutdiagnostik von Verletzungen keine Rolle mehr.
Sonographie
Ihre Vorteile sind die fehlende Strahlenbelastung, die schnelle Durchführbarkeit und die vielfältige Verfügbarkeit. Allerdings ist sie noch wenig standardisiert, und die Ergebnisse sind stark vom Untersucher abhängig. Noch ersetzt sie das Röntgenbild nicht. Ansätze gibt es jedoch
-
in der Unterscheidung von vollständigen von den sog. hängenden Condylus-radialis-Frakturen,
-
in der Verlaufsbeurteilung von Frakturen oder
-
in der sonographischen Bestimmung des Rotationsfehlers der suprakondylären Humerusfraktur [9, 16].
Magnetresonanztomographie (MRT)
Bei stetig verbesserter Qualität und zunehmenden Einsatzmöglichkeiten gewinnt sie auch am Ellenbogengelenk an Bedeutung (Abb. 3).
Die therapeutische Relevanz der durch die MRT gewonnenen Informationen wird jedoch kontrovers diskutiert [2, 10, 12]: Griffith et al. [2] konnten in einer Untersuchung an 50 Ellenbogengelenken keinen Einfluss durch die Zusatzinformationen der MRT auf die Therapie, die Behandlungsdauer oder das Outcome beobachten. Sie spielt weniger in der Akutdiagnostik als in der Beurteilung von prolongierten Heilverläufen eine Rolle. Hier können Knorpeldefekte, Osteonekrosen oder freie Gelenkkörper ausgeschlossen bzw. dargestellt werden.
Computertomographie (CT)
Sie spielt in der Routinediagnostik bei Kindern eine untergeordnete Rolle. Der Großteil des Ellenbogengelenks ist noch nicht mineralisiert und durch Röntgenstrahlung nicht adäquat darstellbar. Zudem sind komplexe Gelenkfrakturen bei Kindern eine Seltenheit. Im Adoleszentenalter können solche seltenen Gelenkfrakturen im Sinne z. B. einer Y-Fraktur des distalen Humerus auftreten, bei denen u. U. eine CT zur besseren Darstellung indiziert ist. Ebenso kann sie bei posttraumatischen Fehlstellungen im Rahmen einer dreidimensionalen Rekonstruktion zur Beurteilung der Achsen und Gelenkstellungen sinnvoll sein.
Verletzungsmuster
Die Kenntnis der möglichen Verletzungsmuster ist Grundvoraussetzung, um diese auch im Röntgenbild zu diagnostizieren. Dabei gibt es für jede Altersgruppen eine typische Ellenbogenverletzung. Die häufigste Verletzung mit 55 % der Fälle ist die suprakondyläre Humerusfrakur mit einem Altersgipfel um das 6. Lebensjahr, gefolgt von der Condylus-radialis-Fraktur mit 19 % mit einem Altersgipfel bei den Kindergartenkindern um das 4. Lebensjahr. Der Epicondylus-ulnaris-Abriss (7 %) tritt häufig im Rahmen einer Ellenbogenluxation bei schon älteren Kindern mit einem Altersgipfel um das 11. Lebensjahr, die Radiushalsfraktur (9 %) um das 9. Lebensjahr und die Olekranonfraktur (10 %) um das 6. Lebensjahr auf [5].
Ziel ist es, eine aktiv behandlungsbedürftige Verletzung auszuschließen. Dazu gehören vollständig dislozierte Frakturen, die zumindest diagnostisch keine Schwierigkeit darstellen. Problematisch sind die nicht oder wenig dislozierten Frakturen, die bei Nichterkennen und rein symptomatischer Therapie zu Problemen führen können. Hierzu gehören im Wesentlichen die suprakondyläre Humerusfraktur, die Condylus-radialis-Fraktur und die Radiusköpfchenluxation [8, 7, 17].
Suprakondyläre Humerusfraktur
Problematisch ist die Unterscheidung der stabilen von der instabilen Fraktur bei geringer Dislokation. Die Instabilität ist durch den sog. Rotationsfehler gekennzeichnet. Durch die spezielle Anatomie des distalen Humerus verkleinert sich die Auflagefläche der beiden Frakturfragmente durch Rotation deutlich, sodass es zu einem Abkippen meist in eine Varusfehlstellung kommen kann. Diese führt bei Ausheilung zu einem Cubitus varus mit v. a. kosmetischer Beeinträchtigung der Patienten.
Der Rotationsfehler ist im seitlichen Röntgenbild durch den sog. Rotationssporn sowie den Kalibersprung der beiden Fragmente gekennzeichnet (Abb. 4). Daneben muss auf eine Dislokation in der Sagittalebene geachtet werden. Hier ist die sog. Rogers-Hilfslinie nützlich (Abb. 5). Sie stellt eine Verlängerung der ventralen Humeruskortikalis dar, die im Normalfall das Capitulum humeri am Übergang vom mittleren zum dorsalen Drittel schneidet. Meist liegt eine Dislokation nach dorsal mit einer sog. Antekurvationsfehlstellung vor. Kommt es zu einer knöchernen Konsolidierung in dieser Position, können relevante Funktionseinschränkungen resultieren. (Die Antekurvationsfehlstellung führt zu einer verbesserten Überstreckbarkeit und zu einer reduzierten Beugefähigkeit). Eine Spontankorrektur dieser Fehlstellung ist nur um wenige Grad bei Kindern bis etwa zum 7. Lebensjahr möglich, sodass sie hier nur eingeschränkt miteingeplant werden kann.
Condylus-radialis-Fraktur
Sie tritt bei noch sehr jungen Kindern auf, bei denen die Epiphyse zum Großteil noch überwiegend knorpelig angelegt ist. Das macht die Unterscheidung einer vollständigen (instabilen) von einer unvollständigen bzw. sog. hängenden Fraktur (stabil) im konventionellen Röntgenbild schwierig (Abb. 6).
Übersieht man eine instabile vollständige Condylus-radialis-Fraktur, ist das Risiko einer Pseudarthrosenbildung bzw. eines radialen Überwachstums mit Cubitus-varus-Bildung bei verzögerter Frakturheilung hoch. Zudem handelt es sich um eine Gelenkfraktur, bei der Stufenbildungen der Gelenkfläche vermieden und eine anatomische Rekonstruktion angestrebt werden sollten. Möglichkeiten der primären Differenzierung liefern die Sonographie, die wenig standardisiert ist und viel Erfahrung benötigt, und die MRT. Letztere ist jedoch aufwendig, zeit- und kostenintensiv, sodass die Indikation hierfür sorgfältig abgewogen werden sollte. Zudem wird bei den noch jungen Kindern zu ihrer Durchführung nicht selten eine Narkose notwendig. Eine einfache Alternative sind bei vermeintlich stabilen, primär undislozierten Frakturen eine Immobilisation und nach 3 bis 5 Tagen die Durchführung einer gipsfreien Röntgenkontrolle zum Ausschluss einer Sekundärdislokation. Bleibt diese aus, kann man von einer stabilen Fraktur ausgehen und eine konservative Therapie anschließen.
Radiusköpfchenluxation/Monteggia-Fraktur
Die Radiusköpfchenluxation ist die am häufigsten übersehene Verletzung am Ellenbogengelenk. Durch das fehlende Widerlager bei persistierender Luxation kommt es zu einer Überlänge und Verplumpung des Radius, sodass Funktionseinschränkungen, Beschwerden und Instabilitäten resultieren können. In jedem Röntgenbild des Ellenbogengelenks, egal welcher Projektion, muss sich die Verlängerung des Radiusköpfchens auf den Knochenkern des Capitulums projizieren (Abb. 7). Liegt eine vermeintlich isolierte Luxation vor, muss immer eine Röntgenaufnahme des Unterarms zum Ausschluss einer Ulnapathologie im Rahmen einer Monteggia-Verletzung angeschlossen werden. Umgekehrt ist bei jeder Ulnaschaftfraktur eine Röntgenaufnahme des Ellenbogens zur Beurteilung der Stellung des Radiusköpfchens erforderlich.
Fazit für die Praxis
-
Die Kenntnis der Entwicklung, Anatomie und möglichen Verletzungsmuster des Ellenbogengelenks ist Voraussetzung für die Beurteilung eines Röntgenbilds im Wachstumsalter.
-
Bei der Diagnostik einer potenziellen Ellenbogenverletzung müssen alle aktiv behandlungsbedürftigen Verletzungen ausgeschlossen werden.
-
Auch bei unauffälligem Röntgenbefund sollte entsprechend des klinischen Befunds eine symptomorientierte Therapie mittels Oberarmschiene erfolgen.
Literatur
Freed HA, Shields NN (1984) Most frequently overlooked radiographically apparent fractures in a teaching hospital emergency department. Ann Emerg Med 13:900–904
Griffith JF, Roebuck DJ, Cheng JC et al (2001) Acute elbow trauma in children: spectrum of injury revealed by MR imaging not apparent on radiographs. AJR Am J Roentgenol 176:53–60
Halsted MJ, Kumar H, Paquin JJ et al (2004) Diagnostic errors by radiology residents in interpreting pediatric radiographs in an emergency setting. Pediatr Radiol 34:331–336
Irshad F, Shaw NJ, Gregory RJ (1997) Reliability of fat-pad sign in radial head/neck fractures of the elbow. Injury 28:433–435
John SD, Wherry K, Swischuk LE, Phillips WA (1996) Improving detection of pediatric elbow fractures by understanding their mechanics. Radiographics 16:1443–1460
Kraus R, Berthold LD, Laer L von (2007) Efficient imaging of elbow injuries in children and adolescents. Klin Padiatr 219:282–287
Laer L von, Kraus L, Linhart WE (Hrsg) (2007) Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter, 5. Aufl. Thieme, Stuttgart New York
Marzi I (Hrsg) (2010) Kindertraumatologie, 2. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York
Pistor G, Graffstädt H (2003) Sonographic diagnosis of supracondylar fractures of the humerus. Ultraschall Med 24:331–339
Pudas T, Hurme T, Mattila K, Svedström E (2005) Magnetic resonance imaging in pediatric elbow fractures. Acta Radiol 46(6):636–644
Rivara FP, Parish RA, Mueller BA (1986) Extremity injuries in children: predictive value of clinical findings. Pediatrics 78:803–807
Schneidmueller D, Maier M, Mack M et al (2005) Therapeutic relevance of magnetic resonance imaging in joint injuries in children. Unfallchirurg 108:537–543
Simanovsky N, Lamdan R, Mosheiff R, Simanovsky N (2007) Underreduced supracondylar fracture of the humerus in children: clinical significance at skeletal maturity. J Pediatr Orthop 27(7):733–738
Skaggs D, Pershad J (1997) Pediatric elbow trauma. Pediatr Emerg Care 13(6):425–434
Skaggs DL, Mirzayan R (1999) The posterior fat pad sign in association with occult fracture of the elbow in children. J Bone Joint Surg Am 81:1429–1433
Vocke-Hell AK, Schmid A (2001) Sonographic differentiation of stable and unstable lateral condyle fractures of the humerus in children. J Pediatr Orthop B 10:138–141
Weinberg AM, Schneidmueller D (Hrsg) (2010) Unfallchirurgie bei Kindern. Deutscher Ärzteverlag, Köln
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. D. Schneidmueller, I. Marzi und V. Bühren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. The supplement containing this article is not sponsored by industry.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Schneidmueller, D., Marzi, I. & Bühren, V. Sturz auf den Ellenbogen. Trauma Berufskrankh 17 (Suppl 1), 74–77 (2015). https://doi.org/10.1007/s10039-014-2118-y
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s10039-014-2118-y