Hintergrund

Eine Gelenkinfektion ist definiert als Befall eines Gelenks durch pathogene Erreger, meist Bakterien, und eine sich anschließende Entzündung. Pilzbedingte Gelenkinfektionen sind nur bei immungeschwächten Personen bekannt.

Eine Infektion eines Gelenks führt unbehandelt zu dessen Zerstörung.

Für die Entstehung einer Gelenkinfektion sind exogene und endogene Ursachen zu unterscheiden [7]. Die endogenen Faktoren stellen laut Literatur [19] die häufigste Ursache für eine Gelenkinfektion dar. In der überwiegenden Zahl der Fälle handelt es sich um eine hämatogene Streuung im Rahmen einer Bakteriämie. Die Infektion kommt dann meist im Rahmen einer Kombination von prädisponierenden Faktoren und der Bakteriämie zustande.

Unter unseren Patienten überwogen mit 95 % der Fälle die exogene Faktoren, in diesem Kontext als gelenknahe Frakturen, v. a. gelenknahe offene Frakturen, oder perforierende Verletzungen. Häufiger entwickeln sich Gelenkinfektionen jedoch nach diagnostischen Arthroskopien und arthroskopischen Operationen (Inzidenz 0,04–0,42 %; [2, 6, 20]), Gelenkpunktionen, intra- oder paraartikulären Injektionen (Inzidenz 0,003–0,42 %, [1, 7, 10, 12]) oder nach Arthrotomien (Inzidenz ≤ 1 %, [1, 8, 16]). Seltener sind sie durch paraartikulär fortgeleitete Infekte, z. B. eine verschleppte Bursitis, bedingt.

Nach Eintritt eines bakteriellen Erregers in den Gelenkbinnenraum kommt es zu einer intraartikulären Erregervermehrung und zur Anreicherung von Stoffwechselprodukten bzw. Toxin. Nach 24 h werden lysosomale Enzyme freigesetzt, nach 48 h zeigen sich klinische Symptome des Infektbeginns. Im Verlauf kommt es zur Freisetzung von Glukosaminen und Leukozytenproteinasen [11]. Nach 5 Tagen beginnt die Zerstörung des Knorpels, welche nach 10 Tagen irreversibel ist. Bereits nach 3 Tagen kommt es zu einer Synoviahypertrophie, nach 11 Tagen zur Pannusbildung. Am 17. Tag nach Infektbeginn ist ein Kapseldurchbruch festzustellen. Untersuchungen ergaben, dass die Arthroserate bereits am 3. Tag nach Beginn der Gelenkinfektion einen deutlichen Anstieg zeigt.

Diagnostik

Die Diagnosestellung eines akuten Gelenkinfekts ist oft einfacher als die eines chronischen Gelenkinfekts.

Die akute Gelenkinfektion verläuft klinisch wesentlich eindrucksvoller, die bekannten klinischen Entzündungszeichen („rubor“, „calor“, „dolor“ und „functio laesa“; Abb. 1) sind häufig eindrucksvoll. Die schmerzhaft aufgehobene Beweglichkeit des betreffenden Gelenks in Verbindung mit erhöhten Temperaturen ist typisch für die akute Gelenkinfektion.

Abb. 1
figure 1

Klinisches Bild eines akuten Empyems des oberen Sprunggelenks

Bei der chronischen, schon lange Zeit bestehender Gelenkinfektion können die klinischen Entzündungszeichen fehlen oder nur deutlich abgeschwächt vorhanden sein (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Klinisches Bild eines chronischen Empyems des oberen Sprunggelenks mit begleitender Osteitis des Pilon tibiale

Für die Diagnostik wichtig ist eine genaue Anamneseerhebung mit Befragung nach vorausgegangenen, auch längere Zeit zurückliegenden Gelenkpunktionen oder intraartikulären Injektionen oder Arthroskopien. Selbstverständlich muss auch nach Grunderkrankungen, wie u. a. Diabetes mellitus, PCP (primär chronische Polyarthritis), mögliche gelenkferne Streuherde (Tonsillitis, Otitis, Harnwegsinfekt), oder immunsuppressiven Medikamenten gefragt werden.

Die Laborparameter [Leukozyten/CRP (C-reaktives Protein)/BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit), [17]] zeigen nur beim Frühinfekt eine deutliche Erhöhung. Bei chronischen Gelenkinfektionen sind sie wenig aussagekräftig und haben allenfalls hinweisenden Charakter.

Weiterer wichtiger Baustein in der Diagnostik ist die Gelenkpunktion. Die Inspektion des aspirierten Punktats lässt differenzialdiagnostische Überlegungen zu. Es kann serös, serös-flockig, trübe bis eitrig sein. Ein Teil des Gelenkpunktats sollte zur bakteriologischen Untersuchung in ein mikrobiologisches Labor verschickt, ein weiterer Teil unter Gram-Färbung im Mikroskop untersucht werden. Dabei muss die Leukozytenzahl im Punktat überprüft werden, ggf. ist auch ein Keimnachweis erforderlich. Bei einer Leukozytenzahl im Punktat ≥ 25.000/μl (≥ 2,5 × 1010/l; [5]) ist von einem Infektgeschehen auszugehen. Sollte im Punktat der Erregernachweis gelingen, wäre die Diagnose der Gelenkinfektion gestellt [21].

Als bildgebende Verfahren zur Diagnostik eines Kniegelenkinfekts sind die Röntgennativuntersuchung, die Sonografie und die Magnetresonanztomografie (MRT) zu nennen. Die konventionelle Röntgenaufnahme zeigt im Frühinfekt keinen Hinweis auf entzündliche Veränderungen mit Ausnahme von Lufteinschlüssen bei perforierenden Verletzungen oder einer Infektion mit Gas bildenden Keimen. Bei der chronischen Gelenkinfektion bzw. dem Spätinfekt finden sich Veränderungen wie Sequestrierung und Aufhellungen unterhalb des Knorpels oder auch eine Zerstörung der Gelenkflächen [4].

Magnetresonanztomografisch lassen meist ein Ödem von angrenzendem Knochen und Knorpel, gelegentlich Arrosionen am Knochen und Knorpel und der in der überwiegenden Zahl der Fälle bereits klinisch bekannte Erguss detektieren [4, 15]. Die Synoviahypertrophie ist im MRT gut zu diagnostizieren (Abb. 3).

Mittels Sonografie [4, 14, 15] können der klinisch schon bekannte Gelenkerguss, aber auch eine Synoviaverdickung nachgewiesen werden.

Abb. 3
figure 3

MRT bei chronischem Kniegelenkempyem mit Infekt des tibialen Bohrkanals nach HKB-Ersatzplastik, MRT Magnetresonanztomografie, HKB hinteres Kreuzband

Die CT-Untersuchung (CT: Computertomografie) sowie die Dreiphasenskelettszintigrafie haben in der Diagnostik einer Gelenkinfektion eine nachgeordnete Bedeutung [4, 15].

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für die Diagnosestellung einer Gelenkinfektion die Anamnese, die klinischen Symptome, Laboruntersuchungen, die Gelenkpunktion und die Sonografie bzw. das MRT entscheidend sind. Die Nativröntgenuntersuchung ist zur Diagnose einer akuten Gelenkinfektion nicht geeignet.

Therapie

Ziel der Behandlung von Gelenkinfektionen sind die dauerhafte Infektberuhigung sowie der Erhalt eines stabilen Gelenks und einer belastungsfähigen Extremität. Die Mobilität des Patienten soll möglichst wiederhergestellt und die berufliche und soziale Wiedereingliederung sollen ermöglicht werden.

Die akute und die chronische Infektion erfordern ein unterschiedliches Vorgehen. Aufgrund der oben erläuterten pathophysiologischen Veränderungen ist von einer akuten Infektion innerhalb der ersten 7 Tage nach erstmaliger Manifestation der klinischen Symptome zu sprechen, bei länger andauernder Symptomatik ist von einer chronischen Gelenkinfektion auszugehen [11].

Die Behandlung von akuten Gelenkinfektionen stellt einen unfallchirurgischen Notfall dar! Sie bedarf der sofortigen operativen Intervention durch einen hierin erfahrenen Operateur.

Die Diagnosestellung einer Gelenkinfektion ist zu erzwingen, die Behandlung hat zeitnah, radikal und mit Konzept zu erfolgen. Verzögerungen in der Diagnostik oder eine insuffiziente Therapie resultieren in einer ausbleibenden Infektberuhigung mit desaströsen Folgen für den Patienten.

Die Auswertung der Daten von 90 Patienten, die mit Schultergelenkempyem bei uns behandelt wurden, ergab vor Übernahme eine Dauer der Behandlung von durchschnittlich 123 Tagen mit im Mittel 5,5 (1 bis > 20) infektberuhigenden Voroperationen (ohne Primäroperation). Ähnliche Ergebnisse erbrachte die Analyse von 84 Patienten mit chronischem Kniegelenkempyem. Die durchschnittliche Dauer der Vorbehandlung vor Aufnahme bei uns betrug 90 Tage (11 bis 600 Tage) mit im Schnitt 4,5 (0 bis 12) Voroperationen.

Für den Behandlungserfolg ist das radikale chirurgische Vorgehen entscheidend.

Die richtige Vorgehensweise hängt nicht nur davon ab, ob eine akute und chronische Infektion vorliegt, sondern auch von der Vorbehandlung und Infektausdehnung sowie dem Ausmaß der Gelenkschädigung.

Bei der stadienadaptierten Behandlung [9, 21, 22] stehen das arthroskopische oder das offene Vorgehen zur Auswahl. Akute Empyeme werden arthroskopisch behandelt, chronische Empyeme werden in der Regel offen chirurgisch versorgt. Bereits offen vorbehandelte Empyeme werden offen weiterbehandelt, Gelenkinfektionen mit Einbezug des gelenknahen Knochens können nicht arthroskopisch behandelt werden, auch hier ist eine offene Vorgehensweise erforderlich.

Die arthroskopische Behandlung ist bei akuten Empyem und Empyemen Stadium I (Synovialishyperämie und Erguss) und II (Synovialishypertrophie, Eiteransammlung im Gelenk) nach Gächter [9] sinnvoll und indiziert. Die Arthrotomie zur Behandlung einer Gelenkinfektion ist bei chronischen Empyemen und bei Empyemen Stadium III (Synovialisschwamm und beginnender Knorpelschaden) und IV (sog. Synovialismalignität) nach Gächter [9] notwendig.

Die arthroskopische Behandlung bedarf einer sorgfältigen Inspektion des Gelenks. Ein radikales Débridement [9, 13, 21] ist erforderlich, ebenso die Lavage mit mindestens 10 l Flüssigkeit sowie die Einlage eines oder mehrerer Antibiotikumträger. Diese antibiotikumhaltigen Vliese können über den Arbeitstrokar in das Gelenk eingebracht werden. Bei Infektion nach VKB-Ersatzplastik (VKB: vorderes Kreuzband) sollte ein Erhaltungsversuch des Kreuzbandersatzes unternommen werden [3]. Bei der Behandlung von akuten Empyemen ist eine geplante Second-Look-Operation nach 48–72 h sinnvoll.

Bei fortgeschrittenen Gelenkinfektionen sollte, wenn die Behandlung arthroskopisch begonnen wurde, frühzeitig auf ein offenes Verfahren gewechselt werden. Denn bei der Arthroskopie besteht die Gefahr, dass das Problem unterschätzt wird, woraus eine nicht ausreichend radikale Behandlung der Gelenkinfektion resultiert.

Beim offen chirurgischen Vorgehen ist die bilaterale Arthrotomie indiziert (Kniegelenk, Ellenbogengelenk, oberes Sprunggelenk). Am Schultergelenk ist zumindest bei chronischen Infektionen neben dem ventralen der dorsale Zugang erforderlich, um radikal debridieren zu können. Ein Hüftgelenkempyem sollte nicht arthroskopisch, sondern stets offen chirurgisch über einen Zugang behandelt werden.

Bei der offenen chirurgischen Behandlung ist die radikale Synovektomie (Abb. 4) erforderlich. Begleitende Infektionen von gelenknahem Knochen müssen durch radikale Sequestrektomie in gleicher Sitzung mit behandelt werden [18, 23]. Implantate und Kreuzbandersatz müssen entfernt werden (Abb. 5). Nach radikalem Débridement erfolgt die Einlage lokaler resorbierbarer Antibiotikumträger, und das Gelenk wird verschlossen. Selbstverständlich wird entnommenes Gewebematerial zur bakteriologischen und histologischen Untersuchung verschickt. Postoperativ ist eine kurzfristige systemische Antibiose (7 bis 10 Tage) erforderlich.

Abb. 4
figure 4

Hypertrophe Synovia bei chronischem Kniegelenkempyem

Abb. 5
figure 5

Entfernter infizierter VKB-Ersatz, VKB vorderes Kreuzband

Nachbehandlung

Die postoperative Physiotherapie ist entscheidend und unerlässlich [22]. Zunächst unter ausreichender Schmerzmedikation, ggf. auch unter Schmerzkatheterbehandlung, erfolgen die Umlagerung auf einer Kirschner-Schiene, später die Behandlung mit der Motorschiene und die aktive Übungsbehandlung. Parallel zum operativen Vorgehen ist ein intensives Rehabilitationsprogramm unter krankengymnastischer Anleitung, hydrophysikalischer, sport- und ergotherapeutischer Behandlung erforderlich. Hilfsmittelversorgung und ggf. die Einleitung berufshelferischer Maßnahmen können im Verlauf notwendig werden. Die begonnene Physiotherapie sollte unbedingt auch nach der Entlassung aus der stationären Behandlung fortgeführt werden.

Verlegung

Gelenkinfektionen werden nicht selten zu spät erkannt und nicht suffizient chirurgisch behandelt. Konsequenz hieraus sind lange Krankheitsverläufe mit vielen frustranen Voroperationen und ein schlechteres funktionelles Ergebnis. Das Heilverfahren und der Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit dauern länger an, es resultiert in der Regel eine höhere MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit). Deswegen ist die frühzeitige Verlegung in ein Septisches Zentrum sinnvoll.

Fazit für die Praxis

  • Bei Verdacht auf Gelenkinfektionen ist eine Diagnose zu erzwingen.

  • Eine akute Gelenkinfektion stellt einen unfallchirurgischen Notfall dar.

  • Die Behandlung hat stadienadaptiert zu erfolgen, entweder arthroskopisch oder offen chirurgisch.

  • Bei fortgeschrittenen Gelenkinfektionen sollte, wenn arthroskopisch begonnen wurde, frühzeitig auf ein offenes Verfahren gewechselt werden.

  • Bei chronischen oder voroperierten Empyem muss offen vorgegangen werden.

  • Für den Behandlungserfolg ist das radikale chirurgische Vorgehen entscheidend.

  • Die Einlage lokaler Antibiotikumträger und die kurzzeitige systemische Antibiose sind als unterstützende Maßnahmen anzusehen und entbinden nicht von einer radikalen chirurgischen Behandlung.

  • Bei weitgehender Gelenkzerstörung und oder persistierender Instabilität ist die Arthrodese indiziert.

  • Postoperativ ist der sofortige Beginn einer intensiven Übungsbehandlung für das funktionelle Ergebnis unerlässlich.

  • Die frühzeitige Verlegung in ein Septisches Zentrum ist sinnvoll.