Anatomische Grundlagen

Die karpalen Bandverbindungen werden nach Lichtman u. Martin [13] in intrinsische und extrinsische Ligamente eingeteilt. Der intrinsische Bandapparat verbindet die Karpalknochen untereinander, und die extrinsischen Ligamente verbinden diese mit dem Unterarm [3].

Die proximale Handwurzelreihe ist über das skapholunäre (SL) und das lunotriquetrale (LT) Band rotationsstabil verbunden. Am Unterarm wird die Hand durch die Ligg. radiolunatum und radiocapitatum stabilisiert. Des Weiteren bildet die Sehne des M. extensor carpi ulnaris mit den ellenseitigen Karpalbändern Ligg. ulnolunatum und ulnotriquetrum den triangulären fibrokartilaginären Komplex (TFCC, auch ulnokarpaler Komplex; [14]).

Nach Kuo u. Wolfe [12] wird das skapholunäre Band in einen dorsalen, proximalen und palmarseitigen Anteil eingeteilt. Der dorsale Anteil enthält quer verlaufende Fasern und ist für die Stabilität von größter Relevanz. Sowohl das SL- als auch das LT-Band sind dreiteilig aufgebaut. Während beim SL-Band der dorsale Anteil der kräftigere ist, findet sich beim LT-Band palmarseitig der stabilitätsrelevante Anteil. Dementsprechend entstehen entgegengesetzt zuerst die Partialruptur (bei SL palmarseitig und bei LT dorsal), bevor es zu einer vollständigen Durchtrennung kommt [12].

Die Prävalenzen einer Teilruptur des skapholunären Bandes und von isolierten SL-Rupturen betragen kombiniert mit überwiegend intraartikulären körperfernen Speichenfrakturen 21–89 % [4].

Neben traumatisch bedingten Rupturen kann die Genese für die Durchtrennung von Bändern der Handwurzel durch degenerativen Verschleiß bedingt sein. Ältere Menschen, die häufig ihre Hände beanspruchen, können mit der Zeit, ausgehend von einer Dehnung und Partialruptur, eine Komplettruptur entwickeln. Degenerative SL-Band-Defekte bestehen bei Menschen höheren Alters zu 43 %, LT-Band-Läsionen zu 18 % und Diskusschädigungen zu 45 % [7, 22].

Verletzungsmechanismus und Diagnostik

Bei direkten Verletzungen wirkt die Kraft auf die Knochen- und Bandstrukturen ein, wohingegen sie bei einem indirekten Trauma weiter entfernt vom betroffenen Handabschnitt zugeführt wird [9]. Dabei werden in der Mehrzahl der Fälle Verletzungen der Bänder zwischen Kahnbein und Mondbein oder zwischen Mondbein und Dreiecksbein verursacht.

Klinik

Die Klinik ist häufig unspezifisch und ähnelt der eines Distorsionstraumas am Handgelenk mit Symptomen wie Kraftminderung, Weichteilschwellung und ruhe- und belastungsabhängigen Beschwerden.

Zur Verifizierung von ligamentären Handwurzelverletzungen ist eine exakte Untersuchung der Hand auf Instabilitäten erforderlich. Dabei können die genaue Analyse der Schmerzpunkte, aber auch spezielle Untersuchungstechniken wie der Watson- oder der Ulnar-Shift-Test hilfreich sein (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Watson-Test (a), Ulnar-Shift-Test (b). (Aus [14])

Bildgebung/Arthroskopie

Eine Röntgenaufnahme des Handgelenks in 2 Ebenen sowie die Kontrolle der unverletzten Gegenseite sind obligat. Insbesondere die seitliche Aufnahme ist häufig wegweisend, weil anhand der Winkel der Karpalknochen zueinander eine mögliche Bandläsion diagnostiziert werden kann. Bei Verdacht auf eine skapholunäre Dissoziation ist es ratsam, eine Clenched-Pencil-Aufnahme (Abb. 2) anzufertigen, da sich hierbei eine Projektionsebene ergibt, die einen orthograden Überblick auf das Handwurzelgefüge ermöglicht [6].

Abb. 2
figure 2

Clenched-Pencil-Aufnahme: orthograde Abbildung des Spalts zwischen Kahnbein und Mondbein, im Seitenvergleich Abschätzung der Spaltbreite möglich

Als weiterführende diagnostische Mittel gelten die Moneim-Röntgenaufnahme (im Handgelenk 20 ° proniert), die Röntgenaufnahme nach Stecher (in leichter Ulnadeviation 20 ° supiniert) und die Computertomographie (CT) zur zuverlässigen Aussage, ob eine knöcherne Affektion vorliegt [14].

Die Magnetresonanztomographie (MRT) kann bei entsprechender Erfahrung des Radiologen zur Beurteilung ligamentärer Verletzungen nützlich sein. Obligate technische Voraussetzung ist eine hochauflösende Handspule, die immer gefordert werden sollte. Die Spezifität der MRT ist geringer als ihre Sensitivität.

Als weiteres diagnostisches Mittel gilt die Arthrographie-MRT, welche nach vorheriger Kontrastmittelinjektion durchgeführt wird. Es handelt sich um ein sehr exaktes Verfahren, das allerdings nur bei bestimmten Fragestellungen eingesetzt wird und leider noch nicht sehr häufig verfügbar ist.

Die intraartikuläre 3-Kompartment-Arthrographie (Radiokarpal-, distales Radioulnar- und Midkarpalgelenk; Abb. 3) verbessert die Aussagekraft deutlich, bleibt jedoch aufgrund der Invasivität und des vermehrten Aufwands speziellen Fragestellungen vorbehalten [18].

Abb. 3
figure 3

Intraoperative Arthrographie a des Radiokarpalgelenks, b des Midkarpalgelenks mit intakter Bandverbindung zwischen Kahnbein und Mondbein

Die Kinematographie (dynamische Durchleuchtung) kann zum Nachweis einer möglichen Instabilität der Handwurzel hilfreich sein.

Als invasive Diagnostik etablierte sich mit hoher Sensitivität und Spezifität die Arthroskopie des Handgelenks.

Häufige Bandverletzungen

Frische Bandverletzungen der Handwurzel können genäht werden, daher ist eine rasche Diagnostik entscheidend. Ältere Bandverletzungen hingegen (> 3 Monate) müssen rekonstruiert werden. Häufig resultiert eine dauerhafte Einschränkung der Beweglichkeit und auch der Belastbarkeit. Die Folge von nicht erkannten ligamentären Verletzungen ist die Arthrose der Handwurzel und/oder des Handgelenks.

Geschlossene isolierte ligamentäre Verletzungen, z. B. eine Durchtrennung des skapholunären Bandes, stellen keine Notfallindikation dar und können nach initialer Ruhigstellung zeitnah elektiv operativ versorgt werden. Offene ligamentäre Verletzungen sind häufig mit knöchernen Verletzungen kombiniert und stellen eine Notfallindikation dar [9].

Verletzung des skapholunären Bandkomplexes

Klassifikation

Skapholunäre Bandverletzungen werden anhand ihrer Instabilität in 3 Schweregrade unterteilt, die skapholunäre Dissoziation wird dabei in eine dynamische und eine statische Instabilität differenziert (Tab. 1). Je nach Ausprägungsgrad tritt die dynamische Form nur unter Provokation auf. Unter Ulnarabduktion zeigt sich die Erweiterung des SL-Spalts im Vergleich zur unverletzten Gegenseite. Die statische Instabilität ist bereits in Ruhe nachweisbar (Terry-Thomas-Zeichen, [11]).

Tab. 1 Schweregrade der skapholunären Bandruptur

Therapie

Bei den Verletzungen des skapholunären Bands empfiehlt sich eine stadiengerechte operative Behandlung.

Eine Verletzung bis zu 2 Wochen nach dem Trauma gilt als akute Verletzung.

  • Bei frischen Teilrupturen (Grad I) ist eine 4- bis 6-wöchige Immobilisation im Kahnbeingips ausreichend.

  • Bei einer kompletten Ruptur mit dynamischer Instabilität empfehlen sich das (arthroskopische) Débridement der Bandstümpfe, die primäre Naht des Bandes, die Transfixation mit 1,6-mm-Kirschner-Drähten sowie die Immobilisierung im Kahnbeingips (dorsale Unterarmgipsschiene mit Einschluss des Daumengrundgelenks).

  • Die akute SL-Band-Ruptur Grad III (statisch instabil) bedarf einer offenen Reposition, der primären Naht des Bandes und der temporären Kirschner-Draht-Transfixation von Skaphoid und Lunatum sowie Skaphoid und Capitatum.

Die veraltete SL-Ruptur mit dynamischer Instabilität kann mittels dorsaler Kapsulodese stabilisiert werden [21]. Ein am distalen Skaphoid gestielter Anteil des Lig. intercarpale dorsale wird samt der Kapsel gehoben und nach erfolgter Reposition dorsal am Lunatum und an der Radiushinterkante fixiert [7, 8]. Alternativ kann eine Bandplastik nach Brunelli u. Brunelli [1] erfolgen. In unserer Klinik führen wir diese in der Modifikation nach Garcia-Elias et al. [5] durch.

Die Ergebnisse der Bandplastiken bei statischen Instabilitäten sind kontrovers. In unserer Klinik sind sie negativ, sodass wir den betreffenden Patienten nur Empfehlungen für Bandrekonstruktionen oder Kapsulodesen geben, wenn arthroskopisch die Möglichkeit einer zwanglosen Reposition der Handwurzelknochen erkennbar ist.

Komplikationen

Eine unbehandelte skapholunäre Dissoziation kann im SLAC-Wrist (SLAC: „scapholunate advanced collapse“) resultieren. Die SL-Band-Schädigung führt zur Unterbrechung der Carpalia Skaphoid und Lunatum. Nachfolgend kommt es zu Verschiebungen der proximalen Handwurzelreihe: Das Skaphoid nimmt eine Flexionsstellung ein, dies wiederum resultiert in einer Verkantung des köperfernen Anteils mit dem Speichengriffelfortsatz (Processus styloideus radii) und der hinteren Radiusgelenkfläche. Daraus resultieren arthrotische Veränderungen, die den radioskaphoidalen Gelenkanteil erfassen. Im weiteren Verlauf nimmt das Lunatum aufgrund einer Dorsalkippung sowie palmarer Translation eine Extensionsstellung ein, daraus resultiert eine DISI-Konfiguration (DISI: „dorsal intercalated segment instability“). Unter dieser Verschiebung – Flexionsstellung des Skaphoids und Extensionsstellung des Lunatums – tritt das Capitatum nach proximal und verschiebt sich speichenwärts. Mit dem nachfolgenden Druckanstieg mediokarpal kommt es in dieser Lokalisation zum Fortschreiten der Arthrose [10].

Abb. 4
figure 4

Arthroseentwicklung in Handwurzel und Handgelenk bei unbehandelter SL-Band-Ruptur, SL skapholunär. (Aus [2]; mit freundl. Genehmigung)

Man unterteilt die SLAC-Wrist nach dem Schweregrad der Arthrose in 3 Stadien (Tab. 2):

  • Im Stadium I wird die Arthrose isoliert um den Speichengriffelfortsatz gesehen.

  • Das Fortschreiten der Arthrose auf die dorsale Gelenkfläche und den verkanteten proximalen Skaphoidpol bezeichnet man als Stadium II.

  • Korrespondierend zum Fortschreiten der Arthrose in das Mediokarpalgelenk wird vom Stadium III gesprochen (Abb. 4).

Die stadiengerechte Therapie des SLAC-Wrist dient der Wahrung ursprünglicher Gelenkfunktionen und hat die Vermeidung des karpalen Kollaps zum Ziel.

Tab. 2 Stadieneinteilung des SLAC-Wrist

Verletzungen des lunotriquetralen Bandes

Sie werden nicht nach einem einheitlichen Behandlungsregime versorgt und erfordern je nach Art und Alter eine spezifische Therapie. Frische Verletzungen sollten mittels direkter Naht oder Knochenanker rekonstruiert werden, nachdem sie arthroskopisch evaluiert wurden. Im Fall einer lunotriquetalen Dissoziation empfiehlt sich die Kombinationstherapie aus Kapsulodese und direkter Naht. Häufig ist mit der LT-Band-Verletzung eine ulnare Impaktion vergesellschaftet, die mittels Ellenverkürzung behandelt werden kann [9, 19, 20].

Die ältere LT-Instabilität kann zu einer sekundären Arthrose im LT-Gelenk führen und mittels eine LT-Arthrodese (Abb. 5) versorgt werden. Bei fortgeschrittener Arthrose empfiehlt sich die Durchführung einer 4-Ecken-Arthrodese („four-corner fusion“), z. B. mittels Spider-Platte.

Abb. 5
figure 5

Arthrodese des lunatotriquetralen Gelenks mit Herbert-Schrauben (a,b) oder Kirschner-Drähten (c,d)

Andere ligamentäre Verletzungen

Die Verletzung des ulnokarpalen Komplexes wurde bereits ausführlich in der Literatur beschrieben, wir verweisen hierzu auf die Publikationen von Palmer [16], Palmer u. Werner [17], Mikic [15] sowie Paris et al. [18].

In der Diagnostik anderer interkarpaler Bandverletzungen spielt die abgestufte, effizient eingesetzte Diagnostik eine entscheidende Rolle. So können auch bei unauffälligem MRT oder Röntgen bei entsprechender Klinik Röntgen- oder CT-Aufnahmen in Subluxation und Neutralstellung wertvolle Hinweise auf Bandverletzungen geben. In Zusammenschau mit der obligaten Arthroskopie der Handgelenkabschnitte kann dann eine differenzierte Therapie angeboten werden: Bei der in Abb. 6 gezeigten Luxation von Capitatum und Hamatum gegenüber der proximalen Handwurzelreihe und dem Trapezium konnte durch eine mediokarpale Teilarthrodese Schmerzfreiheit erreicht werden.

Abb. 6
figure 6

Subluxation der proximalen Handwurzelreihe gegenüber der distalen Handwurzelreihe bei Verletzung der Bandverbindung zwischen Capitatum und Hamatum gegenüber den übrigen Knochen, a,b Röntgenaufnahmen p.-a. (a) und seitlich (b), c–f CT (Computertomographie) in Ruhestellung (c,e) und in Luxation (d,f), g intraoperativer Befund mit Bandzerreißung zwischen dem Verbund von Capitatum und Hamatum gegenüber den übrigen Handwurzelknochen; h postoperatives Röntgen p.-a. nach mediokarpaler Teilarthrodese

Folgen und Begutachtung

Die Behandlung von ligamentären Verletzungen der Hand ist diffizil und gehört in geübte Hände. Eine rasche Diagnostik und entsprechende Therapieeinleitung sind dringend erforderlich. Nach der operativen oder konservativen Therapie kann eine langwierige Nachbehandlung, mit einer Dauer von im Mittel zwischen 10 und 20 Wochen, erforderlich sein.

Die Unfallfolgen werden in der gesetzlichen Unfallversicherung als Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und in der privaten Unfallversicherung als Invaliditätsleistung festgestellt. Sie werden anhand der Erhebung der Vorgeschichte, der standardisierten klinischen Untersuchung mit Erhebung von Bewegungs- und Umfangsmaßen sowie der Einbeziehung der radiologischen Diagnostik ermittelt.

In der Regel wird die MdE der isolierten Schädigung eines karpalen Bandes mit unter 10 % eingeschätzt [7, 8]. Bei dauerhafter Einschränkung der Handfunktion mit resultierendem karpalem Kollaps (SLAC-Wrist) ist eine MdE von bis zu 30 % möglich.

Bei Unklarheiten bezüglich des Unfallzusammenhangs ist eine genaue Anamnese hilfreich. Ebenso müssen unfallunabhängige degenerative Schäden ausgeschlossen werden. Hierzu etablierte sich die Arthroskopie des Handgelenks als invasives Diagnostikum mit einer hohen Sensitivität und Spezifität.

Eine häufige Ursache der dauerhaften Minderung der Erwerbsfähigkeit nach vermeintlichen SL-Band-Verletzungen sind die Folgen einer ineffektiven Therapie aufgrund falscher Indikationsstellung, z. B. bei der statischen Dissoziation, oder aber fehlerhaft durchgeführter Operationen.