Die Rehabilitation von Menschen mit einer schweren Verletzung oder einen schweren beruflich bedingten Erkrankung erfordert in der Regel das Zusammenwirken von verschiedenen Leistungen. Im Bereich der Unfallversicherung sind hier beispielsweise die berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung (BGSW), die erweiterte ambulante Physiotherapie (EAP) oder die Arbeits- und Belastungserprobung (ABE) zu nennen. Die Leistungen werden in der Regel von zugelassenen, rechtlich selbstständigen Diensten und Einrichtungen erbracht, beispielsweise durch sogenannte Durchgangsärzte (D-Arzt), zum Verletzungsartenverfahren zugelassene Krankenhäuser (VAV-Krankenhaus) und berufsgenossenschaftliche Unfallkliniken (BG-Kliniken).

Der Versorgungsbereich der Rehabilitation lässt sich entsprechend als vernetztes System betrachten, dessen Funktionieren von der Kooperation verschiedener, weitgehend autonomer Teilsysteme beeinflusst wird. In Abb. 1 finden sich für die Behandlung von Schwerunfallverletzten relevante Teilsysteme als typische Behandlungskette dargestellt, wobei die einzelnen Leistungsarten bzw. -erbringer durch Kontaktstellen miteinander verbunden sind.

Abb. 1
figure 1

Rehabilitation als vernetztes, durch Kontaktstellen miteinander verbundenes System, BG Berufsgenossenschaft, BGSW berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung, D-Arzt Durchgangsarzt, EAP erweiterte ambulante Physiotherapie, Mediz. medizinische, Reha Rehabilitation, VAV Verletzungsartenverfahren

Unter dem Blickwinkel des gesetzlichen Auftrags – der möglichst weitgehenden Wiedereingliederung in das berufliche und gemeinschaftliche Leben – lassen sich 3 Qualitätsebenen identifizieren, die den Rehabilitationserfolg beeinflussen und deren Berücksichtigung einen Teil des gesetzlichen Auftrags an die Rehabilitationsträger darstellt:

FormalPara Ebene 1: Qualität des Versorgungssystems hinsichtlich Bedarfsgerechtigkeit und Zugänglichkeit

Hier stellt sich für die Versorgung von Unfallverletzten die Frage, ob es in ausreichender, regionaler Dichte qualifizierte Rehabilitationsdienste und -einrichtungen für die bedarfsadäquaten Leistungen gibt. § 19 SGB (Sozialgesetzbuch) IX gibt die Verantwortung für diese Versorgungsqualität den Rehabilitationsträgern, die diese durch Einbeziehung von Rehabilitationsdiensten und -einrichtungen zu gewährleisten haben.

FormalPara Ebene 2: Qualität der Einzelleistungen

Hier geht es um die Frage, ob die jeweiligen Leistungen dem allgemein anerkannten und in den Zulassungsanforderungen definierten Stand der Wissenschaft entsprechen. An diesem Punkt setzen die Verfahren der Qualitätssicherung an, die von den Rehabilitationsträgern entsprechend § 20 SGB IX zu entwickeln und von den Leistungserbringern durch ein internes, auf der Ebene der BAR (Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V.) anerkanntes Qualitätsmanagementsystem einzuhalten sind [18].

FormalPara Ebene 3: Qualität der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Leistungserbringern

Diese Ebene baut auf den beiden Erstgenannten auf und ist für Ausmaß, Geschwindigkeit und Nachhaltigkeit des Rehabilitationserfolgs maßgeblich. Auch für diese Aufgabe übertrug der Gesetzgeber den Rehabilitationsträger die Verantwortung (§§ 10–12 SGB IX). Unter diesem Blickwinkel tritt das Management der Verbindungen zwischen den beteiligten Leistungserbringern – in Abb. 2 als Kontaktstellen bezeichnet – in den Vordergrund.

Abb. 2
figure 2

Rehabilitationsplan als Steuerungsinstrument im Netzwerk, fallbez. fallbezogener, Reha Rehabilitation

Im Folgenden soll die letztgenannte Qualitätsebene in Hinblick auf Erfolgsfaktoren für die Zusammenarbeit in einem Netzwerk näher betrachtet werden. Das Modell der 3 Qualitätsebenen macht darauf aufmerksam, dass die erfolgreiche Zusammenarbeit in Netzwerken sowohl eine bedarfsgerechte Versorgungsqualität (Ebene 1) als auch eine nachgewiesene Qualität der Einzelleistungen (Ebene 2) voraussetzt.

Netzwerk

Definition

Für den Bereich der Unfallversicherung nimmt der Handlungsleitfaden zum Rehabilitationsmanagement der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV, [4]) eine Netzwerkdefinition vor:

„In Netzwerken arbeiten Leistungserbringer verschiedener Fachbereiche und Leistungsträger zusammen. Grundlage eines Netzwerkes ist ein gemeinsames und abgestimmtes Handeln, bei dem jeder Netzwerkpartner entsprechend den Vereinbarungen seinen Teil zum Gesamterfolg beiträgt. Ziel ist es, ein abgestimmtes, nahtloses Rehabilitationsverfahren ohne hemmende Schnittstellen sicherzustellen. Dazu sind die Ansprechpartner der Netzwerkpartner bekannt, sie arbeiten ohne „bürokratische Schranken“ eng zusammen. Die Netzwerkpartner sind über die Reha-Planung informiert und die Verantwortlichkeiten für die einzelnen Phasen zwischen den Partnern ist festgelegt.“[3]

Es handelt sich damit um sogenannte vertikale Netzwerke, welche sich dadurch auszeichnen, dass die Partner in vor- und nachgelagerten Phasen der Wertschöpfung zusammenarbeiten [11]. Darüber hinaus lassen sich im Bereich der Rehabilitation horizontale Netzwerke identifizieren, die sich durch einen Zusammenschluss gleicher Einrichtungen auszeichnen und oft der Qualitätsverbesserung durch Voneinanderlernen oder der Erlösoptimierung durch gemeinsamen Einkauf dienen [17].

Kennzeichen eines vertikalen Netzwerks ist der gemeinsame Arbeitsgegenstand, in unserem Fall die im Netzwerk arbeitsteilig behandelten Patienten bzw. Versicherten. Die Zusammenarbeit kann durch das Bild des Staffellaufs verdeutlicht werden. Wie ein Staffelläufer orientiert sich jeder Netzwerkpartner an den Anforderungen des Nachbehandlers und versucht, seine Leistung so zu erbringen, dass dieser optimal weiterarbeiten kann. Umgekehrt stellt sich der Nachbehandler auf das Resultat und die Übergabeanforderungen des Vorbehandlers ein, um seine Leistungen passgenau planen und erbringen zu können.

Für die Definition von Zusammenarbeit in einem Netzwerk ist es wesentlich, festzuhalten, dass es sich um kooperative Verhaltensweisen rechtlich und partiell wirtschaftlich selbstständiger Unternehmen im Wettbewerb handelt [15]. Im Netzwerkmanagement kann daher nicht bzw. nur sehr begrenzt mit Anordnungen und Unter- und Überstellungen gearbeitet werden.

Steuerung im Netzwerk

Da es sich bei einem Netzwerk um einen freiwilligen Zusammenschluss von prinzipiell gleichberechtigten Partnern handelt, ist die Steuerung der Zusammenarbeit zwischen den Partnern zu vereinbaren. Unterschieden werden kann zwischen der grundsätzlichen Regelung über die Organisation und Finanzierung des Netzwerks und der Steuerung der Zusammenarbeit im Einzelfall, auf die in diesem Beitrag eingegangen werden soll.

Wie oben angeführt besteht das Charakteristikum des vertikalen Netzwerks in der gemeinsamen Wertschöpfung, in unserem Fall dem Rehabilitationserfolg des Patienten. Um diesen arbeitsteilig zu erreichen, wird ein gemeinsames Steuerungsinstrument eingesetzt. Im Fall der Rehabilitation von Unfallverletzten handelt es sich um den sogenannten Rehabilitationsplan, der im erwähnten Handlungsleitfaden zum Rehabilitationsmanagement der Unfallversicherung als verbindliches Element vorgesehen ist [1, 4].

Der Auftrag des Netzwerks besteht darin, das individuelle Rehabilitationsziel des Patienten bzw. Versicherten zu erreichen, welches in einem gemeinsamen Gespräch mit möglichst allen Beteiligten festgelegt wird [1, 7, 8, 9]. Die zur Zielerreichung notwendigen Leistungen werden so genau wie zum Zeitpunkt des Erstgesprächs möglich, mit Angabe der Verantwortlichen, den zu erreichenden Zwischenzielen und den vorgesehenen Zeitzielen, definiert. Wichtig für die Organisation der Zusammenarbeit ist eine koordinierende Stelle, die von allen Beteiligten anerkannt und über den Verlauf des Rehabilitationsprozesses informiert wird. Bei Veränderungen wird der Rehabilitationsplan fortgeschrieben. Die koordinierende Stelle kann bei einem Netzwerkpartner angesiedelt werden, der die Koordination zusätzlich zu seinen Behandlungsleistungen übernimmt, oder bei einer neutralen Stelle, die sich ausschließlich um das Netzwerkmanagement und die -koordination kümmert. Im Bereich der Unfallversicherung übernimmt diese Steuerung der Unfallversicherungsträger durch festangestellte Rehabilitationsmanager/-innen.

Erfolgsfaktoren für die Zusammenarbeit

Nach oben angeführten Grundlagen des Netzwerkmanagements sollen Erfolgsfaktoren formuliert werden. Auch wenn nur wenige belastbare Untersuchungen zu Fragen der Effektivität und Effizienz von Netzwerken im Gesundheitswesen vorliegen, sollen auf der Basis ausgewählter Projekt- und Erfahrungsberichte 7 Faktoren identifiziert werden, für die hinreichende Belege vorhanden sind. Für die Auswahl wesentlich waren der Bezug zur Rehabilitation und zum Rehabilitations- bzw. Case-Management.

Erfolgsfaktor 1 – Sorgfältige Auswahl der Netzwerkpartner

Neben den fachlichen Anforderungen an die Expertise der Netzwerkpartner erscheint es wichtig, zu klären, ob genügend Ressourcen für die Zusammenarbeit zur Verfügung gestellt werden können. Zu denken ist hier an Rehabilitationsplanungsgespräche, regelmäßige Netzwerktreffen sowie die Erreichbarkeit fester Ansprechpartner [7, 8].

Des Weiteren sollte sichergestellt sein, dass keine Vorbehalte gegenüber anderen Netzwerkpartnern bestehen und die Bereitschaft vorhanden ist, sich an Maßnahmen zur Erfolgskontrolle zu beteiligen und Verbesserungsmaßnahmen umzusetzen [5, 17].

Erfolgsfaktor 2 – Übergeordnete Ziele und Grundsätze

Dieser Punkt berücksichtigt die Erfahrung, dass sich erfolgreiche Netzwerke über eine gemeinsame Vision definieren, die über die Maximierung des Einzelnutzens für jedes Mitglied hinausgeht [5]. Dazu kann z. B. das Bekenntnis zu einer Qualitätsführerschaft in einem definierten Bereich gehören [19].

Damit verbunden ist die Verpflichtung (nur) den Beitrag zu leisten, der das definierte Ziel effizient erreicht und der nicht von einem anderen Netzwerkpartner effizienter erbracht werden kann. Ansonsten ist der Fall an den geeigneteren Partner weiterzuleiten.

Im Sinne einer klaren strategischen Ausrichtung ist es sinnvoll, gemeinsame Grundsätze zu definieren, beispielsweise die Orientierung an anerkannten Leitlinien [13]. Darüber hinaus können Standards für die Zusammenarbeit festgelegt werden, etwa die maximale Wartezeit, bis ein Patient aufgenommen wird, oder Fristen für die Fertigung des Entlassberichts.

Erfolgsfaktor 3 – Vertrauen unter den Partnern

Für die Dauerhaftigkeit von Netzwerken erscheint dieser Erfolgsfaktor wesentlich. Wenn durch Netzwerkzusammenarbeit Kompetenzen potenziellen Wettbewerbern zur Verfügung gestellt werden, bedarf es des Vertrauens, dass diese nicht gegen die eigenen Interessen verwendet werden. Der Anspruch an das Netzwerkmanagement lautet: Es darf nur Gewinner geben! [5, 13].

Wesentlich erscheinen Regelungen zum Umgang mit Konkurrenzsituationen im Netzwerk ebenso wie ein netzwerkinternes Beschwerdemanagement, welches bei Hinweisen auf Abweichungen von den festgelegten Regeln und Absprachen aktiv wird [3].

Erfolgsfaktor 4 – Abgestimmte Ziel- und Behandlungsplanung

Dieser Faktor berücksichtigt die Notwendigkeit einer transparenten Fallsteuerung in vertikalen Netzwerken. Zentral ist das Management der Übergabeprozesse zwischen den einzelnen Leistungserbringern [2, 3, 11, 13].

Eine wesentliche Erleichterung stellt hier ein funktionierendes internes Prozessmanagement auf der Ebene jedes Netzwerkpartners dar, wie das Beispiel regionaler Suchthilfenetzwerke zeigt [2, 3]. Für häufige Fallkonstellationen und Verletzungsarten können standardisierte Übergabeprozesse festgelegt werden, die die Zusammenarbeit in der Routine regeln.

Erfolgsfaktor 5 – Koordinierende Stelle

Eine von allen anerkannte koordinierende Stelle, deren Hauptaufgabe in der Koordination und Qualitätssicherung der Netzwerkleistungen liegt, hat Vorteile gegenüber Modellen, bei denen ein Netzwerkpartner diese Aufgabe neben eigenen Behandlungsleistungen erbringt. Neben der höheren Professionalität erscheinen hier die Neutralität und das damit verbundene Vertrauen ausschlaggebend [16, 17].

Erfolgsfaktor 6 – Regelmäßige Kommunikation

Die Mitarbeit in einem Netzwerk macht für die meisten Netzwerkpartner einen vergleichsweise kleinen Teil der Alltagsarbeit aus. Daher ist die zielgerichtete Information über Ziele, Vorgehensweisen und Absprachen insbesondere zu Beginn der Netzwerkarbeit wesentlich [6, 13]. Für die Steuerung und Netzwerkentwicklung tritt die Feedback-Kommunikation über die Zielerreichung und Optimierungsansätze in den Vordergrund [19]. Neben der fachlichen hat auch die soziale Kommunikation eine wichtige Bedeutung [5].

Erfolgsfaktor 7 – Regelmäßige Evaluation der Zusammenarbeit

Die Motivation zu einer Netzwerkgründung liegt oft in dem Wunsch begründet, die Versorgung zu optimieren. Entsprechend wichtig ist die Frage, ob und in welchem Ausmaß dieses Ziel erreicht wurden [17, 19]. Darüber hinaus stehen Netzwerke als neue Versorgungsform unter besonderer Beobachtung und besonderem Nachweisdruck, sodass häufig eine begleitende Evaluation Bestandteil des Versorgungsprojekts ist [14].

Die Möglichkeit, unter den Partnern eine Einigung auf gemeinsam angewandte Assessmentinstrumente zu erzielen, kommt, verbunden mit vergleichsweise hohen Fallzahlen, den Anforderungen an eine wissenschaftlich aussagefähige Evaluation entgegen.

Die Ergebnisse werden transparent netzwerkintern dargestellt und analysiert. Sie können als Grundlage eines Netzwerkqualitätsmanagements dienen, bei dem sich die Netzwerkpartner gegenseitig auditieren und gemeinsame bzw. arbeitsteilige Verbesserungsprojekte durchführen [17]. Dies lässt sich wiederum durch eine Verbundzertifizierung nach einem anerkannten QM-System (QM: Qualitätsmanagement) wie der DIN/EN/ISO 9001:2008 (DIN: Deutsches Institut für Normung, EN: europäische Norm, ISO: internationale Normungsorganisation) nach außen nachweisen, soweit eine Anerkennung nach § 20 SGB IX vorliegt.

Fazit für die Praxis

Die Zusammenarbeit von Leistungserbringern und Leistungsträgern in Netzwerken birgt ein hohes Potenzial für die Gestaltung effizienter und effektiver Versorgungssysteme in der Rehabilitation. Der Handlungsbereich der Unfallversicherung bietet sich zur Realisierung dieses Potenzials in besonderer Weise an, da das spezifische Charakteristikum der DGUV in der sektorenübergreifende Zuständigkeit für ihre Versicherten liegt [7, 8, 9, 10]. Mit dem DGUV-Handlungsleitfaden [4] zum Rehabilitationsmanagement und dem dort verbindlich festgeschriebenen Rehabilitationsplan als partizipatives, versichertenorientiertes Planungsinstrument liegt eine wesentliche Grundlage für den Ausbau bestehender und den Aufbau neuer Netzwerke vor.