Anatomie und Biomechanik

Aus der Vereinigung der Muskeln des M. triceps surae, M. gastrocnemius und M. soleus, resultiert auch eine gemeinsame Sehne mit Insertion am Tuber calcanei, die Achillessehne. Im oberen Sprunggelenk dient sie, da die Insertion am Tuber dorsal der Bewegungsachse verläuft, als Plantarflektor, im unteren Sprunggelenk aufgrund ihrer medialseitig gelegenen Position in der Pro-/Supinationsebene als Supinator [10].

Die Achillessehne weist den regulär strukturierten Aufbau einer Körpersehne auf, bestehend aus Primär-, Sekundär- und Tertiärbündel, umgeben von Endo-, Peri- und Epitendineum. Hauptbestandteil ist das Kollagen mit 90% und hierbei Kollagen I zu 80% [10]. Die Sehne ist vom Paratenon umhüllt, welches wichtige Versorgungs- und Gleitfunktionen übernimmt. Zusätzlich gelangen auch nutritive Gefäße aus dem muskulotendinösen Übergangsbereich und vom Insertionsgebiet am Kalkaneus zum Achillessehnengewebe. Injektionspräparate konnten in der Sehnentaille eine reduzierte Gefäßversorgung zeigen, mit einem Minimum etwa 4 cm proximal des Insertionsgebiets am Tuber calcanei [29, 30]. Die Faserverläufe zuvor genannter Untereinheiten sind nicht parallel entlang der Sehne ausgerichtet, sondern zeigen einen um die Längsachse derselben geschlungenen Verlauf mit Zentrum im Übergang zum distalen Drittel der Sehne ([7], Abb. 1). Sowohl dieser Faserverlauf als auch die verminderte Gefäßversorgung, welche ab dem 3. Dezennium ausschließlich durch das Paratenon erfolgt, stellen den Grund für das mit 80% gehäufte Aufkommen von Rupturen an dieser Lokalisation dar. Dieser Bereich wird daher in der Literatur auch als mechanische und vaskuläre Wetterecke bezeichnet [12].

Die wichtigsten degenerativen Veränderungen der Achillessehne sind

  • die physiologische Alterung,

  • chronische Überlastungen mit Mikrotraumatisierungen,

  • Medikamenteneinfluss und

  • infektionsbedingte strukturelle Veränderungen [13].

Petersen et al. [30] konnten zeigen, dass Hypoxie und Mikrotraumatisierungen zur Neovaskularisation führen können, welche wiederum eine Reduktion der mechanischen Festigkeit und eine Ausschüttung von Zytokinen bedingt. Nahezu jede rupturierte Achillessehne weist degenerative Schäden auf.

Abb. 1
figure 1

Humanes Unterschenkelpräparat mit Darstellung des M. triceps surae, Achillessehne und des Tuber calcanei, Einzeichnung gewundener Faserverlauf

In biomechanischen Untersuchungen wurden die statische Reißfestigkeit der Achillessehne mit 3924 N (400 kp) und die dynamische mit 9123,3 N (930 kp) beschrieben, hierbei sind jedoch degenerative Veränderungen nicht berücksichtigt. Bei diesen Belastungen kann die Sehne um etwa 7–15% der Ausgangslänge elongiert werden [25, 40].

Epidemiologie, Unfallmechanismus, Risikofaktoren

Achillessehnenrupturen (ASR) werden in der Literatur mit einer Inzidenz von 12–18 auf 100.000 beschrieben [9, 37]. Mit etwa 5000 Rupturen pro Jahr stellt diese Verletzung die häufigste Spontanruptur einer Sehne im menschlichen Körper dar. Ein vermehrtes Aufkommen ist in der Altersgruppe zwischen 30 und 40 Jahren [1] beschrieben, das Risiko für Männer ist 6-fach höher als das für Frauen [10].

Risikosportarten für diese Verletzung sind solche, bei denen die Schnellkraft der unteren Extremitäten ein wesentliches Merkmal ist. Insbesondere das Zusammentreffen von plötzlicher Dorsalextension mit gleichzeitiger Aktivierung der Muskeleigenreflexe ist als einer der Hauptverletzungsmechanismen anzusehen [1]. Zu den entsprechenden Sportarten zählen u. a. Basketball, Badminton, Fußball und (Tisch-)Tennis [10]. Mafulli [21] beschrieb den Verletzungshergang in 53% der Fälle als Abstoßmechanismus, in 17% als plötzliche, unerwartete Dorsalflexion des Sprunggelenks und in 10% als gewaltsame Dorsalflexion des plantar flektierten Fußes [21].

Für das Auftreten einer ASR werden 2 wesentliche Gruppen von Risikofaktoren verantwortlich gemacht, die intrinsischen und die extrinsischen [11, 45]. Zu Ersteren zählt u. a. ein insuffizientes Training ohne Berücksichtigung von propriozeptiven Übungen, was zum Versagen von neuromuskulären Schutzreflexen führt. Besonders Patienten mit überwiegend sitzender beruflicher Tätigkeit und nur gelegentlichen sportlichen Aktivitäten und somit konditionellen Schwächen haben bei oben genannten Sportarten ein deutlich erhöhtes Verletzungsrisiko. Deswegen ist im Bereich des Hochleistungssports eine ASR seltener anzutreffen als im Bereich von Hobby- und Gelegenheitssport. Weiterhin können Komorbiditäten, wie Diabetes mellitus, Gicht, rheumatologische Erkrankungen oder vaskuläre Defizite, z. B. im Rahmen einer pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit), degenerative Veränderungen der Achillessehne verursachen oder fördern, welche ebenfalls das Risiko einer ASR erhöhen. Risikofaktoren extrinsischer Art sind meist medikamentösen Ursprungs, hierzu gehören lokale sowie systemische Anwendungen von Steroiden. Weiterhin treten ASR gehäuft nach oder während der Einnahme von Fluorochinolonen auf [19, 26].

Diagnose

Patienten mit erlittener ASR berichten meist über einen peitschenartigen Knall nach Antritt oder Sprung und über ein Unvermögen oder eine Schwäche der Plantarflexion. Das Schmerzgeschehen ist hierbei nicht wegweisend, da es in Qualität und Dauer deutlich variieren kann.

Die wichtigste diagnostische Maßnahme bei Verdacht auf eine Achillessehnenruptur sind eine ausführliche Anamnese und klinische Untersuchung [21]. In Zweifelsfällen und zur Unterstützung der differenzierten Therapieentscheidung kann ergänzend eine dynamische Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden. Zusätzlich dient eine Sonographie mit Papierausdruck oder digitaler Speicherung aus forensischer Sicht als wichtiges Dokumentationsmittel.

Klinik

Bei der klinischen Inspektion zeigt sich häufig eine Lücke im Verlauf der Sehne, welche sich meist als lokal druckdolent erweist. Zuweilen kann eine deutliche Schwellung auftreten, welche den inspektorischen Befund mäßigt. Der palpatorische Befund lässt sich jedoch in den meisten Fällen sicher erheben, Einschränkungen der Beurteilbarkeit sind bei intakter Sehne des M. plantaris möglich. In diesen Fällen kann auch der Thompson-Test falsch-negativ ausfallen [8, 44]. Hierbei wird in Bauchlage durch Wadenkompression eine Plantarflexion des Fußes provoziert. Diese unterbleibt bei einem positiven Thompson-Test.

Auch der Zehenspitzenstand gehört zu den wichtigen klinischen Untersuchungen. Nach einer ASR ist ein kraftvoller Zehenspitzenstand gegen die Schwerkraft nicht möglich. Dieser klinische Test ist jedoch häufig aufgrund der Schmerzsymptomatik nicht adäquat durchführbar.

In der Literatur sind weitere Tests wie der „reversed Silfverskiöld-test“ beschrieben [23], sie entziehen sich jedoch den klinischen Standards.

Bildgebung

Bei fraglichem klinischem Untersuchungsergebnis und z. B. Partialrupturen kann die Diagnostik mittels dynamischer Ultraschalluntersuchung ergänzt werden. Dabei können die dehiszenten Sehnenstümpfe und ggf. das umgebende Hämatom dynamisch dargestellt und somit die verletzten Strukturen (Teilruptur, vollständige Ruptur) und die mögliche Adaptation der Sehnenenden differenziert beurteilt und eine entscheidende Grundlage zur Therapieentscheidung gelegt werden. Hierbei sollte die Sehne mittels eines 7,5-MHz-Schallkopfs im ganzen Verlauf dynamisch in longitudinalen und axialen Schichten untersucht werden. Eine statische Adaptation der Sehnenstümpfe und eine sichere partiale Läsion der Sehne in der dynamischen Untersuchung können als Indikationshilfe zur konservativen Therapie dienen [42, 43].

Handelt es sich um eine Rezidivruptur, eine chronische Achillessehnenverletzung oder besteht der Verdacht auf eine ausgeprägte degenerative Veränderung der Sehne, kann ergänzend eine magnetresonanztomographische (MRT) Diagnostik erfolgen.

Eine seitliche Röntgenaufnahme des oberen Sprunggelenks sollte durchgeführt werden, um im Akutstadium projektionsradiographisch eine knöcherne Avulsionsverletzung des Tuber calcanei (so genannter Entenschnabelbruch), eine Haglund-Deformität oder andere knöcherne Pathologien auszuschließen [40].

Therapie, Nachbehandlung

Zur Abschätzung des notwendigen Therapieregimes sind die Anamnese in Hinblick auf das Alter des Patienten, dessen körperlichen Anspruch und das Vorliegen von heilungskompromittierenden Begleiterkrankungen oder Medikamenten sowie das Alter der Verletzung maßgeblich. Zusätzlich ist die dynamische Sonographie eine wesentliche Stütze in der Therapieentscheidung. Lassen sich die Sehnenstümpfe in 20° Plantarflektion sonographisch adaptieren [31, 40], kann prinzipiell eine konservative Therapie in Erwägung gezogen werden.

Konservative Therapie

Zentrales Element der konservativen Behandlung von Achillessehnenrupturen ist die Adaptation der Sehnenstümpfe durch Dorsalflexion des oberen Sprunggelenks mittels externer Vorrichtung.

In der Vergangenheit wurde die nichtoperative Therapie mittels immobilisierender Gipsschiene in Spitzfußstellung gestaltet, welche für 8 Wochen getragen wurde [17]. Angeschlossen wurde eine Absatzerhöhung von 2,5 cm für eine Phase von 2–3 Wochen, bei gleichzeitiger physiotherapeutischer Kräftigung der Wadenmuskulatur. Als Nachteil dieser langen Immobilisationsphase ist im Wesentlichen die resultierende Muskelverkürzung anzusehen, welche, im Tierversuch nachgewiesen, mit schweren enzymhistochemischen und elektronenmikroskopischen Veränderungen einhergeht [36]. Die Rerupturrate bei dieser Art der Behandlung wurde mit 5–25% angegeben [17]. Die Nachteile im Bereich Muskelatrophie, Koordination und Propriozeption lassen die rigide Gipsbehandlung im Bereich sowohl der konservativen Therapie als auch der postoperativen Nachbehandlung obsolet erscheinen [40].

Aufgrund dieser Erkenntnisse [36] kam es im Rahmen der nichtoperativen Behandlung von Achillessehnenrupturen zu einem Verfahrenswechsel hin zu einer funktionellen Behandlung. Zentrales Element hierbei ist eine Orthese in 30° Spitzfußstellung (Abb. 2) mit initialer Teilbelastung an Unterarmgehstützen für 10 Tage und anschließend langsamem Übergang auf Vollbelastung der betroffenen Extremität. Die Orthese wird bei initialer Spitzfußstellung von 30° in Abständen von 3 Wochen nach sonographischer Kontrolle abhängig vom Befund sukzessive um 15° reduziert. Ziel der ersten 6 Wochen sind die Reduktion von Schwellung und Schmerz sowie die Erhaltung der Fitness und Mobilisation der Gleitschichten zur Adhäsionsprophylaxe im Rahmen der krankengymnastischen Beübung. In den Wochen 7–12 wird das Augenmerk auf die Verbesserung und Normalisierung der Beweglichkeit und Muskelkraft gerichtet. Bei regelrechtem klinischem sowie sonographischem Befund erfolgt die Sportfreigabe nach 6 Monaten.

Abb. 2
figure 2

Bewegliche Sprunggelenkorthese zur Spitzfußstellung bei funktionell-konservativer Therapie sowie zur Nachbehandlung nach operativer Intervention, hier postoperative Arretierung in 30° Spitzfußstellung

Therapiewahl

In der aktuellen Literatur sind für konservativ-funktionell behandelte Achillessehnenrupturen Rerupturraten von 10–30% beschrieben [15, 24, 38]. Die primäre Naht dagegen unterliegt nur einer Rerupturrate von 1,7–3,5% [15, 24].

Komplikationen im Sinne von Verwachsungen, Nervenirritationen und Wundinfektionen sind bei der operativen Versorgung laut Literatur verständlicherweise mit 34,1% häufiger anzutreffen als bei konservativer Intervention mit 2,1% [20, 24, 46].

Chronische Rupturen oder Rerupturen nach frustraner konservativer Therapie benötigen eine aufwändigere Versorgung, als im Akutstadium notwendig wäre. Hier sind u. a. offene Verfahren und plastische Versorgungen anzuwenden, was bei einer Therapieentscheidung zugunsten eines konservativen Vorgehens zu berücksichtigen ist.

Sollte sich sonographisch bei 20° Plantarflexion keine ausreichende Adaptation der Sehnenstümpfe erzielen lassen, ist von einer geminderten Erfolgsaussicht einer konservativen Therapie auszugehen, und eine operative Maßnahme sollte in einem kalkulierten Therapieansatz favorisiert werden. Ebenso kann ein hoher Rehabilitationsanspruch des Patienten die Behandlung in Richtung operativer Versorgung lenken.

Aufgrund der nur sehr geringen Weichteildeckung in diesem Bereich sind Wundheilungsstörungen eine häufige Komplikation der operativen Behandlung einer ASR (Abb. 3). Bei einer Patientenkonstitution, welche solch eine Komplikation wahrscheinlich werden lässt, ist die Indikation zur operativen Intervention mit größtem Bedacht zu wählen und, wenn möglich, ein konservatives Verfahren zu favorisieren.

Zum kalkulierten Therapieansatz haben wir in unserer Klinik den in Abb. 4 dargestellten Therapiealgorithmus entwickelt.

Abb. 3
figure 3

Klinisches Bild einer 60-jährigen Patientin mit auswärtig durchgeführter offener Versorgung einer Achillessehnenruptur und konsekutiv entstandener Wundheilungsstörung

Abb. 4
figure 4

Algorithmus zur Versorgung akuter oder chronischer Achillessehnenrupturen sowie -rerupturen, MRT Magnetresonanztomographie

Operative Therapie

Laut Literatur ist das Outcome umso besser, je früher die Operation nach dem Rupturereignis stattfindet [40]. Hiermit können Komplikationen aufgrund bereits eingesetzter Reparationsvorgänge mit Verwachsungen von Sehne und Peritendineum reduziert werden. Weiterhin geht eine Versorgung innerhalb der ersten 48 h mit einer erniedrigten Komplikationsrate einher [40].

Zur operativen Versorgung der frischen ASR bieten sich sowohl offene als auch perkutane Verfahren an. Unterschiedliche Aspekte wie Wundheilung, Infektionsrate, Rerupturraten, Nervenverletzungen usw. sind hierbei zu berücksichtigen.

Perkutane Naht

Eine Versorgung in perkutaner Technik wird in Bauchlage durchgeführt. Um eine seitengleiche Vorspannung erzielen zu können, werden beide Beine desinfiziert und steril abgedeckt. Zudem muss die Durchführbarkeit einer intraoperativen Sonographie gewährleistet sein (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Intraoperative Sonographie bei perkutaner Versorgung einer Achillessehnenruptur, beide untere Extremitäten zur Erzielung einer seitengleichen Vorspannung desinfiziert und abgedeckt

Es bieten sich verschiedene perkutane Nahttechniken an, welche über Stichinzisionen durchgeführt werden. In unserem Haus wird, sofern möglich, eine perkutane Naht modifiziert nach Pässler [27] mit einer 1,3-mm-PDS-Kordel (PDS: Polydioxanon) durchgeführt. Aufgrund der engen anatomischen Beziehung des N. suralis zur Hauptrupturzone sehen wir eine Darstellung desselben über die Stichinzisionen als zwingend notwendig an (Abb. 6). Somit bietet sich die Anlage einer Blutleere an, da sich die Neurolyse über die Stichinzision ansonsten sehr anspruchsvoll gestaltet. Durch die standardisierte Präparation und Visualisierung kam es in unserer Klinik in den letzten Jahren zu keiner Komplikation im Sinne einer Suralisläsion.

Abb. 6
figure 6

Intraoperative Darstellung des N. suralis über lateralseitige Inzision vor perkutaner Sehnennaht

Eine der 5 notwendigen Stichinzisionen wird, wie in Abb. 7 zu sehen, nach sonographischer Kontrolle sagittal-mittig der Sehne auf Höhe der Ruptur platziert, die 2 proximalen Inzisionen jeweils längs der medialen und lateralen Begrenzung abhängig von der Rupturlokalisation im tendinösen Bereich der Sehne etwa 3–4 cm proximal der Ruptur. Die 2 distalen Inzisionen werden unter sonographischer Kontrolle seitlich der Sehne im tendinösen Bereich proximal des Tuber calcanei gesetzt.

Nach standardisierter Neurolyse des N. suralis durch die proximal lateral gelegene Inzision wird dieser vom Assistenten mittels Kleinert-Haken geschützt. Mittels Fadenahle folgt das sonographisch assistierte Auffädeln des proximalen Sehnenstumpfs mit Austreten der Ahle durch die Inzision im Rupturbereich. Der PDS-Fadens wird eingefädelt und mit Hilfe der Ahle vorsichtig retrograd durch den Sehnenstumpf zurückgezogen. Entsprechend wird mit dem distalen Sehnenstumpf verfahren – beginnend mit dem Auffädeln des distalen Sehnenstumpfs durch die distal-laterale Inzision, Austreten der Ahle durch die mittige Inzision im Rupturbereich und antegradem Durchziehen des PDS-Fadens. Dieser Vorgang wird erneut mit Führen des Fadens durch die mediale Inzision sowie diejenige im Rupturbereich und mit Austreten durch die proximal-laterale Inzision mit besonderer Beachtung des Verlaufs des N. suralis durchgeführt. Nach Durchführen des Fadens nach medial und Kontrolle seiner intratendinösen Lage wird der Faden unter seitengleicher Vorspannung verknotet. Die mediale Lage des Knotens dient dazu, Irritationen des N. suralis zu vermeiden.

Nach beendeter Hautnaht erfolgt – aufgrund der Gefahr einer reaktiven Hyperämie und der dadurch bedingten postoperativen Schwellung – unter Anlage einer Blutleere die elastokompressive Wickelung der unteren Extremität, und es wird eine Gipsschiene oder Orthese in 30° Spitzfußstellung angelegt.

Abb. 7
figure 7

Präoperatives Anzeichnen der Inzisionen unter sonographischer Kontrolle (a), schematische Darstellung des Fadenverlaufs bei perkutaner Versorgung (b), postoperatives Bild nach perkutan versorgter Achillessehnenruptur (seitengleiche Vorspannung! c)

Offene Naht

Als offenes Verfahren bietet sich eine End-zu-End-Rekonstruktion an, wie von Kirchmayr [16] oder Bunnell [3] beschrieben (Abb. 8). Hierbei wird der Patient ebenfalls in Bauchlage unter seitengleicher Vorbehandlung der Beine (beide Beine abgewaschen und abgedeckt) gelagert. Der Hautschnitt zur Darstellung der Sehnenenden kann sagittal-mittig der Sehne gesetzt werden, zuweilen wird eine konvex nach lateral geführte Schnittführung bevorzugt, da sich hierdurch die Darstellung des N. suralis einfacher gestaltet sowie der dünne Weichteilmantel über der Sehne geschont und das Risiko einer Wundheilungsstörung reduziert werden.

Abb. 8
figure 8

Schemazeichnung offener Nahttechniken, links Kirchmayr-Naht, rechts Bunnell-Naht

Laut Literatur galt lange Zeit, dass das perkutane Verfahren Vorteile auf dem Gebiet der Wundheilung und geringere Infektionsraten und Nachteile in Form erhöhter Rerupturraten und Suralisschäden aufweist. Die offene Naht dagegen sollte laut Literatur mit einer erniedrigten Rerupturrate einhergehen. Dies stimmt jedoch mit den aktuell in unserer Klinik erhobenen Daten nicht überein, wo die offene Naht zum perkutanen Verfahren vergleichbare Rerupturraten aufwies. Weitere Vorteile zugunsten der perkutanen Technik wurden im Bereich der Wundheilungsstörungen eruiert. Unsere Ergebnisse werden von einer Metaanalyse von Khan et al. [15] und weiteren aktuellen Studien unterstützt [6, 18]. Hier stellte sich die Rerupturrate der offenen Naht mit 4,3% höher dar als die der perkutanen Versorgung mit 2,1%. Die Komplikationsrate zeigte sich mit 26,1% für die offene Naht deutlich gegenüber der perkutanen Naht mit 8,3% erhöht [15].

Abb. 9
figure 9

MRT-Bildgebung eines Unterschenkels nach frustraner konservativer Therapie einer Achillessehnenruptur, Darstellung der dehiszenten Sehne mit bindegewebiger Vernarbung sowie möglicher Begleitpathologien

Besteht die Ruptur der Achillessehne länger als 3–4 Wochen, lassen sich die Sehnenenden auch im offenen Verfahren nicht adaptieren oder liegt eine Rezidivsituation vor, ist über ein plastisches Verfahren nachzudenken. Um in dieser Situation das gesamte Ausmaß der Verletzung darzustellen und die mögliche Therapie abzuschätzen, kann eine MRT-Bildgebung unterstützend wirken (Abb. 9). Zur Versorgung dieser Fälle stehen verschiedene Verfahren zur Auswahl:

  • Durchflechtung mit M.-peronaeus-brevis-Sehne,

  • VY-Plastik,

  • Umkippplastik,

  • Transfer der Sehne des M. flexor hallucis longus/digitorum longus oder

  • Augmentation mittels freiem Sehnentransplantat (Semitendinosus-, Grazilissehne) [22] (Abb. 10).

Die Nachbehandlung einer operativ versorgten Achillessehnenruptur ähnelt in weiten Teilen der funktionell-konservativen Therapie (s. oben). Zentrales Element der postoperativen Nachbehandlung ist die vorgenannte Orthese in 30° Spitzfußstellung, in welcher die sukzessiver Redression aus dieser Stellung entsprechend dem sonographischen Befund erfolgt (Nachbehandlungsschema erhältlich auf www.traumacentrum.de). Sofern eine Rezidivsituation oder eine heilungskompromittierende Patientenkonstitution bestehen, gilt es, dieses Schema im Hinblick auf Bewegungsrestriktion durch die Orthese entsprechend anzupassen. Der Operateur kann sich diesbezüglich am intraoperativen Befund und an den sonographischen Verlaufskontrollen orientieren.

Abb. 10
figure 10

Intraoperative Bilder der Versorgung einer chronischen Achillessehnenruptur mit etwa 7 cm dehiszenten Sehnenstümpfen und langstreckiger Defektstrecke, a retrahierte Sehnenstümpfe mit langer Defektstrecke nach Débridement und Resektion der bindegewebigen Narbe, b Präparation der M.-flexor-hallucis-longus-Sehne mit verbleibender distaler Verbindung zur Aufrechterhaltung der Durchblutung, c Augmentation der M.-flexor-hallucis-longus-Sehne und Vernähung mit den Achillessehnenstümpfen mit PDS-Nähten, d,e Bewegungsausmaße in Plantarflexion und -extension nach Transfer der Sehne des M. flexor hallucis longus zur plastischen Rekonstruktion der Achillessehne bei Reruptur

Komplikationen

Verschiedene Komplikationen, wie Nervenverletzungen, Rerupturen und Adhäsionen, sind bei der operativen Versorgung einer Achillessehnenruptur zu beobachten.

Eine der häufigsten Komplikationen stellt die Wundheilungsstörung bei offener Achillessehnennaht dar [2, 4, 14, 28, 34]. In den meisten Fällen basiert sie auf einem Infektgeschehen, welches durch den reduzierten Weichteilmantel in diesem Bereich begünstigt und unterhalten wird [2, 4, 28, 34]. Die notwendige chirurgische Therapie im Sinne eines Débridements sowie die durch den Infekt entstandene Gewebsnekrose verursachen meist Defektsituationen der Sehne. Diese Umstände lassen eine direkte Naht häufig nicht zu, und es wird eine plastische Versorgung erforderlich (s. oben). Zwingend notwendig vor Durchführung einer aufwändigen plastischen Intervention ist die Schaffung einer reizfreien Wundsituation, möglicherweise durch Einlage lokaler Antibiotikaträger (Sulmycinschwamm usw.) oder durch Anlage einer kontinuierlichen Vakuum-Sog-Therapie. Nach Schaffung eines infektfreien Wundgrunds können oben genannte plastische Verfahren durchführt werden.

Kutane Defekte gilt es vornehmlich mittels einer Lappenplastik zu adressieren, um ein ausreichendes Gleitlager zu schaffen. Hierfür eignen sich sowohl lokale Dehnungsplastiken, wenn möglich, als auch lokale Schwenklappenplastiken (z. B. Suralislappen) als auch freie Lappenplastiken (z. B. Radialislappen).

Verschiedene alternative oder ergänzende Verfahren werden momentan in der Literatur diskutiert [5, 33, 39]: Wie in vielen Bereichen wird auch bei der Achillessehnenruptur die Stoßwellentherapie proklamiert, jedoch mangelt es disbezüglich an Langzeitergebnissen und Studien mit entsprechender Fallzahl, um valide Aussagen zu treffen. Gleiches gilt für Ansätze mit lokaler Anwendung von Wachstumsfaktoren wie PDGF („platelet derived growth factor“), deren Einsatz sich jedoch noch recht experimentell gestaltet [33, 39].

Begutachtung

Verletzungsmechanismen der Achillessehne im Sinne einer Ruptur sind in direkte und indirekte Mechanismen zu unterscheiden. Als Erstere sind z. B. die scharfe Durchtrennung, der direkte Anprall sowie der Schlag auf die vorgespannte Sehne anzusehen [32]. Im Rahmen derartiger Verletzungsmechanismen gestaltet sich die Kausalitätsprüfung unproblematisch.

Bei indirekter Gewalteinwirkung dagegen stellt sich die Klärung des Ursachenzusammenhangs anspruchsvoller dar. Meist handelt es sich um Abstoßbewegungen beim Sport oder das ruckartige Anschieben eines Gegenstands, auch die plötzliche Dorsalextension bei vorgespannter Wade (Aufkommen nach einem Sprung) oder fixiertem Fuß (Tritt in ein Erdloch) kommen in Frage [32]. Untersuchungen der Verteilungshäufigkeit zeigten für die indirekten Verletzungsmechanismen eine Häufigkeit von 67,3% verglichen mit der direkten Gewalteinwirkung bei 19% aller Fälle [47]. Da die Zugfestigkeit der Sehne bei normalen anatomischen Verhältnissen größer ist als die vom zugehörigen Muskel aufzubringende Kraft, gilt es stets im Einzelfall die verursachenden Kräfte, den Unfallhergang sowie die begleitenden Umstände genau zu analysieren [35]. So kann z. B. die Bodenbeschaffenheit eine koordiniert begonnene Bewegung verändern und zu einer ungeplanten Belastung führen, welche bei maximaler physiologischer Anspannung nicht mehr kompensiert werden kann [35, 41]. Der Hauptaspekt, den es bei der Begutachtung einer Achillessehnenruptur nach indirekter Krafteinwirkung im Hinblick auf die Zusammenhangsfrage zu klären gilt, ist, ob eine plötzliche, unkoordinierte, unphysiologische Belastung stattgefand, welche die Zugfestigkeit der Sehne überschritt. Nach Schönberger u. Valentin [35] sind solche möglichen Mechanismen u. a.:

  • Sprung über eine Hürde mit folgendem Sturz und Aufkommen auf dem Rand einer Vertiefung

  • plötzliches Ausrutschen beim Tragen von Lasten (plötzliches Überdehnen der Sehne und Zusammenziehen der Beinmuskulatur)

  • Sturz nach vorn mit fixiertem Fersenbein sowie aus der Höhe unter fußrückenwärtiger Belastung des Fußes

  • Abrutschen bzw. Verfehlen einer Stufe oder Tritt in nicht erkennbare Vertiefung

Nach Klärung der Kausalität kann die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach Schönberger u. Valentin [35] betragen:

  • je nach Funktionsbehinderung, durch narbiges Bindegewebe ausgeheilt: 20–30%

  • gut und ohne Funktionsbehinderung verheilt, trotz Muskelminderung: bis 10%

Fazit

  • Die Entscheidung, welcher Therapie ein Patient mit Achillessehnenruptur zugeführt wird, hängt maßgeblich von diesem selbst und seiner Konstitution ab.

  • Wichtige Faktoren bei der Entscheidungsfindung des optimalen Operationsverfahrens sind das Ausmaß und das Alter der Verletzung sowie das Patientenalter, die körperliche Konstitution und der körperliche/sportliche Anspruch des Patienten sowie dessen Nebenerkrankungen und Medikationen.

  • Sofern das Verletzungsausmaß und die Gesamtsituation es zulassen, sehen wir ein perkutanes Verfahren zur Versorgung einer Achillessehne im Hinblick auf Komplikationen und Outcome als vorteilhaft und präferierbar an.

  • Zwingend notwendig für den Heilungsverlauf wird die Compliance des Patienten bezugnehmend auf die Einhaltung der postoperativen Belastungskonzepte oder die Durchführung der konservativen Therapie erachtet. Um dies zu unterstützen oder zu sichern, wird der Aufklärung des Patienten über Verletzung und Therapie in unserem Hause enormes Gewicht beigemessen.

  • Bestehen eine Therapiefestlegung unter Einbeziehung aller genannten Aspekte und ein gefestigtes Arzt-Patienten-Verhältnis mit dezidierter Aufklärung des Patienten, sehen wir die Ruptur der Achillessehne als eine durchaus mit Erfolg zu behandelnde Verletzung an.