Auch wenn Verkehrsunfälle bezüglich der Häufigkeit unter den Unfallursachen mit 8,5% nur an 3. Stelle stehen, sind sie doch bezüglich der Verletzungsschwere führend [5]. Im Jahr 2003 ereigneten sich in Deutschland 354.534 Unfälle mit Personenschaden. Bei Verkehrsunfällen getötet wurden 6613 Personen, verletzt wurden 462.170 (www.destatis.de).

Zwar nahm die Anzahl tödlicher Verkehrsunfälle in den letzten Jahrzehnten aufgrund einer ständigen Verbesserung der Technik ab, diese führte aber andererseits auch zu einer Zunahme der Geschwindigkeit. Zudem erreichen wegen des effizienteren Rettungssystems immer mehr Schwerstverletzte die Kliniken. So gingen Haas et al. [6] von etwa 32.500 Polytraumen/Jahr mit einem Polytraumaschlüssel (PTS) der Gruppen III und IV in Deutschland aus. Für die Versorgung dieser Patienten stehen in Deutschland zur Verfügung:

  • 108 Krankenhäuser der Maximalversorgung mit 24-h-Bereitschaft von Unfall-, Neuro- und Viszeralchirurgie sowie ständig verfügbarer Intensivkapazität mit insgesamt etwa 8700 unfallchirurgischen Betten;

  • 209 Krankenhäuser der Schwerpunktversorgung mit etwa 12.000 unfallchirurgischen Betten sowie

  • 431 Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung mit etwa 37.000 chirurgischen Betten.

Diese Kliniken sind aber nicht flächendeckend, sondern in Orientierung an der Bevölkerungsdichte über Deutschland verteilt [10]. Anhand der Zahlen aus dem Polytraumaregister der DGU (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) ist davon auszugehen, dass etwa die Hälfte der Polytraumen nicht an Häusern der Maximal- und Schwerpunktversorgung behandelt wird.

Da somit die Versorgung der Schwerverletzten nicht nur in hochspezialisierten Zentren erfolgen kann, soll im vorliegenden Beitrag ein Überblick über die modernen Osteosynthesetechniken bei Extremitätenverletzungen im Rahmen eines Polytraumas gegeben werden. Gerade bei Schwerstverletzten kann die Antwort auf die Frage nach solchen Methoden nicht nur in der Verwendung neuer „High-Tech-Implantate“ oder der Anwendung neuer minimalinvasiver Operationstechniken liegen, vielmehr muss die Behandlung von Extremitätenverletzungen bei diesen Patienten in ein Gesamttherapiekonzept eingebettet sein und kann somit nicht isoliert betrachtet werden.

Pathophysiologie

Bei jedem polytraumatisierten Patienten besteht, bedingt durch den initialen Blutverlust, die Gefahr der Entstehung eines traumatisch-hämorraghischen Schocks. Zur Aufrechterhaltung des Blutdruckes kommt es zu einer Zentralisation, die evtl. noch durch eine rasche Auskühlung des Patienten gefördert wird. In dieser Phase entwickelt sich eine periphere Hypoxämie, die durch ein häufig vorliegendes Thoraxtrauma mit Lungenkontusionen noch verstärkt werden kann. Die bei jedem Weichteilschaden erfolgende Mediatorenausschüttung und ein regelhaft auftretendes Reperfusionssyndrom bei Wiedereröffnung der peripheren Strombahn mit dann folgender Laktatazidose verursachen einen Endothelschaden in der Endstrombahn.

Nicht rechtzeitig suffizient behandelt führt diese Kaskade zu Organschäden in Folge der Mikrozirkulationsstörungen, die dann in einem ARDS („adult respiratory distress syndrome“) oder einem Multiorganversagen (MOV) münden können. Primäres Ziel in der Behandlung polytraumatisierter Patienten muss also sein, diese Kaskade möglichst frühzeitig zu unterbrechen und die Entstehung eines protrahierten Schocks zu vermeiden.

Initialtherapie des Polytraumas

„first hit“

Die initiale Traumatisierung des Schwerverletzten im Rahmen des Unfalls, der so genannte „first hit“, ist naturgemäß nicht beeinflussbar. Hierzu sind nicht nur das physische Trauma, sondern auch die äußeren Umstände zu rechnen. Eine Einklemmung des Schwerverletzten im Fahrzeug, die eine komplizierte technische Rettung über 1 h oder mehr nötig macht – evtl. bei widrigen Wetterbedingungen wie extremer Kälte – kann im weiteren Verlauf kaum beeinflussbare negative Folgen haben.

Versorgung am Unfallort

Sobald der Notarzt am Unfallort mit der Therapie beginnt, ist auch die Gefahr des „second hit“ gegeben, d. h. der zusätzlichen iatrogenen Traumatisierung. Sie geht mit der gesamten weiteren Behandlung des Schwerverletzten einher, der aufgrund der primären massiven Schädigung seines Organismus in der Regel keine große Kompensationsmöglichkeiten mehr hat.

Die frühe Intubation am Unfallort und die ausreichende Volumengabe sind die Initialmaßnahmen, um die Zentralisation und Hypoxämie zu verhindern bzw. zumindest zu reduzieren.

Neben einer Therapieplanung, die in allen Phasen die Entstehung eines protrahierten Schocks „mit allen geeigneten Mitteln“ zu verhindern sucht, ist der 2. entscheidende Faktor für das Endergebnis in der Behandlung Schwerverletzter die Zeit: Je schneller der Patient komplett durchdiagnostiziert und operativ behandelt auf einer Intensivstation stabilisiert werden kann, desto besser sind seine Chancen bezüglich des Überlebens.

Transport

Nach einer zielgerichteten möglichst schnellen Initialtherapie durch den Notarzt ist der rasche Transport in das nächstgelegene geeignete Krankenhaus der nächste wichtige Baustein der Behandlung. An dieser Stelle setzt die Initiative TraumanetzwerkD der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie an. Seit 2007 entstehen in Deutschland flächendeckend Traumanetzwerke, in denen sich Krankenhäuser verschiedener Versorgungsstufen (Basisversorger, regionale und überregionale Traumazentren) untereinander vernetzen und deren Ziel es ist, die Primärversorgung eines Schwerverletzten in ganz Deutschland innerhalb von 30 min zu gewährleisten [4].

Erstmaßnahmen in der Klinik

Nach dem Eintreffen im Krankenhaus muss das zentrale Anliegen sein, die Vitalfunktionen zu stabilisieren bzw. stabil zu halten und schnellstmöglich eine komplette Diagnostik durchzuführen. Hierzu ist neben einem Schockraum auch ein eindeutig vorgegebener Algorithmus erforderlich, in dem sowohl die Abläufe als auch die Zuständigkeiten der Akteure klar geregelt sind.

Primäre Übernahme des Patienten vom Notarzt in die klinische Behandlung

Sie muss durch das bereits im Schockraum anwesende Team erfolgen. Dessen Leitung liegt entweder in der Hand eines erfahrenen Unfallchirurgen oder erfolgt interdisziplinär durch die Fachärzte für Anästhesie und Unfallchirurgie. Die Effizienz einer solchen „Teamleadership“ konnten Ruchholtz et al. [15] nachweisen, vorausgesetzt, es existieren exakte klinikinterne Verfahrensanweisungen und Absprachen im Team. Hierbei ist es sicher sehr hilfreich, wenn eine in ein QM-System (QM: Qualitätsmanagement) integrierte Arbeitsgruppe „Polytrauma“ solche Verfahrensanweisungen erarbeitet und auch ständig deren Einhaltung überwacht.

Diagnostik

Die derzeit schnellste Methode zur umfassenden Diagnostik bei Schwerverletzten stellt der Mehrzeilencomputertomograph („multi slice computertomography“, MSCT) dar, der idealer weise in den Schockraum integriert ist. Durch diese Weiterentwicklung der CT zur Spiral-CT (SCT) und zur MSCT wurde eine neue Qualität in der Diagnostik der Polytraumatisierten erreicht: Bei einem 4-Zeilen-Detektor verkürzte sich die Durchleuchtungszeit auf 1/8 gegenüber den Zeiten im konventionellen CT. Die Weiterentwicklung der Detektoren erlaubt Schichtdicken von 0,5–1 mm, sodass die Auflösung stark verbessert ist und auch multiplanare Rekonstruktionen beispielsweise der Wirbelsäule, des Thorax oder des Beckens in hoher Qualität möglich sind. Diese technischen Verbesserungen führten in den letzten Jahren zu der Empfehlung, die MSCT als primäres Screeninginstrument in den Schockraumalgorithmus einzuplanen [9, 14]. Ptak et al. [14] führten hierfür den Begriff des „three minute multiple trauma CT“ ein.

Kanz et al. [8] fanden bei 125 konsekutiven Traumapatienten einen durchschnittlichen Zeitbedarf von 6,08 min für Pilotscan, Untersuchungsplanung, Kontrastmittelgabe und eigentlichen CT-Scan vom Schädel bis zum Becken. Sie schlossen aus diesem Zeitbedarf in Übereinstimmung mit Köppel et al. [9], dass auch eine Kreislaufinstabilität keine Kontraindikation für ein MSCT darstellt. Dieser Einschätzung schließt sich der Autor an. In der Regel sind bereits spätestens 3 min nach Beginn der CT-Untersuchung valide Aussagen über größere intrazerebrale, intrathorakale oder intraabdominelle Blutungen möglich. Durch den konsequenten Einsatz des MSCT kann beispielsweise sicher vermieden werden, dass ein Patient bei sonographisch diagnostizierter intraabdomineller Blutung im OP an den Folgen einer, aufgrund der sofortigen Verbringung in den OP übersehenen intrakraniellen Blutung verstirbt.

Von besonderem Vorteil sind hier Geräte mit einer so genannten „sliding gantry“, d. h. der Patient wird auf einer feststehenden Untersuchungsliege gelagert, und die Gantry bewegt sich über den gesamten Patienten hinweg (Abb. 1). Bei diesem Vorgehen können alle Life-Support-Systeme direkt beim Patienten an der Untersuchungsliege belassen werden ohne das ansonsten häufige „Schlauchchaos“.

Abb. 1
figure 1

Schockraum mit MSCT mit „sliding gantry“ (Somatom-16-Sensation, Fa. Siemens Medical Solutions, Erlangen)

Verletzungsmuster

Bardenheuer et al. [3] berichteten über eine Auswertung von 2069 Patienten aus dem Traumaregister der DGU aus den Jahren von 1993–1997. Ihr Altersschnitt lag bei 38,5±18,7 Jahren, die durchschnittliche Verletzungsschwere nach dem Injury-Severity-Score (ISS) [2] bei 22,1±13,1 Punkten.

Hinsichtlich der verletzten Körperregionen fanden sich im Gesamtkollektiv [1]:

  • ein relevantes SHT (Schädel-Hirn-Trauma) entsprechend einem AIS („abreviated injury scale“) ≥3 bei 812 Patienten (39,2%),

  • ein relevantes Abdominaltrauma bei 392 Patienten (18,9%),

  • ein relevantes Extremitätentrauma bei 871 Patienten (42,1%) und

  • ein relevantes Thoraxtrauma bei 920 Patienten (44,5%).

Bei den Extremitätenverletzungen war die untere Extremität mit 576 Frakturen des Oberschenkels (27,8%) und 445 Unterschenkelfrakturen (21,5%) deutlich häufiger betroffen als die obere Extremität mit 201 Humerus- (9,7%) und 227 Radiusfrakturen (11,0%). Beckenfrakturen fanden sich bei 440 Patienten (21,3%).

Als besonders relevant für den weiteren Verlauf hinsichtlich des Überlebens oder des Auftretens von Komplikationen während der Intensivbehandlung erwiesen sich der Schweregrad des SHT sowie der Thoraxverletzung.

Einordnung der Extremitätenverletzung in ein Gesamtbehandlungskonzept

Um ein schlüssiges Behandlungskonzept für Extremitätenverletzungen bei polytraumatisierten Patienten vorlegen zu können, sind mehrere Aspekte zu beachten:

„treat first what kills first“

In den seltensten Fällen ist ein Patient durch die Extremitätenverletzungen selbst vital gefährdet, sondern vielmehr durch intrakranielle, intraabdominelle oder intrathorakale Blutungen oder eine instabile Beckenverletzung.

Operationszeit

Sie stellt einen wesentlichen Faktor für den Behandlungsverlauf von polytraumatisierten Patienten dar.

  • In einer Analyse des prospektiv multizentrisch dokumentierten Patientengutes des DGU-Traumaregisters wurden die Auswirkungen der Dauer der initialen Operationszeit in 3 Gruppen vergleichbarer Verletzungsschwere untersucht. Eine kurze Operationszeit wurde mit bis 3 h, eine mittlere mit bis 6 h und eine lange als >6 h definiert. Im Ergebnis zeigte sich bei der Gruppe mit der langen Operationsdauer im Vergleich zu den anderen Gruppen eine deutlich erhöhte Letalität [13].

  • Als Konsequenz aus obigen Erkenntnissen forderten Nast-Kolb et al. [11], bei schwerem Polytrauma das additive Operationstrauma so gering wie möglich zu halten. Andererseits vertraten sie in Übereinstimmung mit anderen Autoren [7, 16] den Standpunkt, dass die operative Stabilisierung von Frakturen des Beckens und der langen Röhrenknochen innerhalb der ersten 24 h obligat sein sollte.

  • In einer Studie von Scalea et al. [16] betrug die Operationszeit für die operative Stabilisierung von Femurschaftfrakturen mit einem Fixateur externe durchschnittlich 35 min und mittels Marknagelung durchschnittlich 135 min. Bei Nowotarski et al. [12] lag die Operationszeit für den Fixateur externe bei 30 min.

  • Selbst in größeren Kliniken steht nicht zu jedem Zeitpunkt ein hochtrainiertes Operationsteam aus Ärzten und Pflegekräften zur Verfügung, und gerade außerhalb der Regeldienstzeit kann es zu erheblichen Engpässen kommen, wenn ein Traumateam über viele Stunden nur einen Patienten versorgen kann.

„acute respiratory distress syndrome“

Patienten mit einem schweren Thoraxtrauma haben ein erhöhtes Risiko eines protrahierten Verlaufes im Sinne eines ARDS mit einer erhöhten Letalität, wenn primär Marknagelosteosynthesen v. a. im Oberschenkelbereich durchgeführt werden [17].

Zusammengefasst wird also eine Osteosynthesemethode benötigt, die es möglich macht, in möglichst kurzer Operationszeit ohne weiteren Blutverlust, ohne weitere Schädigung einer vorgeschädigten Lunge und ohne die Gefahr einer weiteren Auskühlung des Patienten seine Extremitätenverletzungen, die er im Rahmen eines Polytraumas erlitten hat, sicher zu stabilisieren. Dies muss in einer Art und Weise erfolgen, dass der Patient auf der Intensivstation gut zu pflegen und zu lagern ist und dass alle Wunden problemlos jederzeit zu inspizieren und zu verbinden sind.

Methoden

Fixateur externe

Berücksichtigt man alle oben genannten Aspekte, kann kein Zweifel daran bestehen, dass das modernste Osteosyntheseverfahren für Extremitätenverletzungen bei polytraumatisierten Patienten der Fixateur externe ist. Seine Anlage ist in der Regel mit kurzen Operationszeiten sowie nur unter geringem Blutverlust möglich. Auch Kettenverletzungen gerade im Bereich der unteren Extremitäten können durch Gelenk überbrückende Fixateurmontagen auch unter Einbeziehung des Beckens versorgt werden (Abb. 2). Bei höhergradig offenen Frakturen stellt der Fixateur externe ohnehin das Implantat der ersten Wahl dar. Aber auch geschlossene Frakturen mit höhergradigem Weichteilschaden sollten, gerade wenn Weichteilkontusionen im Bereich der geplanten Zugänge liegen oder ein Kompartmentsyndrom droht, primär mit einem Fixateur externe versorgt werden, um nicht bereits frühzeitig durch kontusionsbedingte Gewebeschädigungen frei liegendes Osteosynthesematerial wieder entfernen zu müssen.

Abb. 2
figure 2

39-jähriger, schwer polytraumatisierter Patient (ISS 44) mit SHT Grad 1, Rippenserienfraktur rechts mit Hämatothorax, instabiler Beckenfraktur (Tile C) mit Blasenruptur, geschlossener diakondylärer Oberarmfraktur links, offener Handgelenkluxation links, Schenkelhals- und Oberschenkelfraktur links, offener Unterschenkelfraktur links und traumatisch hämorrhagischem Schock, initiale Stabilisierung der Frakturen im Fixateur externe, Blasenübernähung und Symphysenverplattung sowie primäre Schenkelhalsverschraubung

In der Regel ist eine exakte Reposition der Frakturen nicht erforderlich und auch nicht gewünscht, da das Ziel der primären Anlage des Fixateur externe bei Extremitätenverletzungen im Rahmen eines Polytraumas die rasche Stabilisierung des Patienten und nicht die optimale Reposition ist.

Indikationen

Im Bereich der unteren Extremitäten können und sollten sämtliche instabile Frakturen von der hüftgelenknahen Fraktur bis zur OSG-Luxations- (OSG: oberes Sprunggelenk) oder Pilon-tibiale-Fraktur im Fixateur externe stabilisiert werden. Gleiches gilt für Kniegelenkluxationen oder Luxationsfrakturen. Extensionen oder Gipsverbände sollten hier die Ausnahme darstellen.

Im Bereich der oberen Extremitäten stellen die instabile Oberarmschaftfraktur, instabile supra- und diakondyläre Oberarmfrakturen sowie instabile Ellenbogen- und Handgelenkluxationen eine klare Indikation für die Anlage eines Fixateur externe dar. Humeruskopffrakturen können im Gilchrist-Verband ruhiggestellt werden, Unterarmfrakturen und Frakturen im Bereich der Hand, sofern es sich nicht um höhergradig offene Brüche handelt, im Gips.

Verfahrenswechsel

Die Ausbehandlung einer Fraktur im Fixateur externe ist häufig mit einer deutlich verlängerten Behandlungszeit, einer hohen Pseudarthrose- und einer hohen Pininfektionsrate vergesellschaftet [17]. Sie sollte Patienten mit schwersten Weichteilschäden, schwerer arterieller Verschlusskrankheit oder anderen Komorbiditäten vorbehalten bleiben, die bei einer internen Osteosynthese ein sehr hohes Risiko für die Entstehung einer tiefen Infektion bedingen. In der Regel wird aber ein Verfahrenswechsel auf ein internes Osteosyntheseverfahren erfolgen. Hierfür steht dem Operateur die gesamte Palette der modernen Implantate wie solide Marknägel, konventionelle oder winkelstabile Plattensysteme oder auch elastische Titanmarknägel zur Verfügung (Abb. 3).

Der richtige Zeitpunkt zum Verfahrenswechsel auf das interne Verfahren muss in enger Zusammenarbeit zwischen Intensivmedizinern und Unfallchirurgen festgelegt werden, um auf jeden Fall einen „second hit“ bei möglicherweise aufwändigen sekundären Rekonstruktionen zu vermeiden. Der Verfahrenswechsel sollte beim schwer polytraumatisierten Patienten in der Regel frühestens nach Überwindung der so genannten vulnerablen Phase ab dem 4.–5. Tag erfolgen. Eine entscheidende Frage dabei ist die bezüglich des Infektrisikos: Wie lange darf ein Fixateur externe angelegt gewesen sein, bevor beim Verfahrenswechsel ein „fixateurfreies Intervall“ eingelegt werden muss?

Publikationen jüngern Datums zu dieser Frage sind rar. Lediglich Nowotarski et al. [12] konnten im Jahre 2000 anhand eines Patientenkollektives von 54 polytraumatisierten Patienten mit 59 Femurschaftfrakturen, die initial mit Fixateur externe stabilisiert worden waren, beweisen, dass der sekundäre Umstieg auf den Marknagel nicht mit einer hohen Komplikationsrate einhergeht. Der Verfahrenswechsel erfolgte in 55 von 59 Fällen nach 1–49 Tagen (durchschnittlich 7 Tagen) ohne fixateurfreies Intervall. Nur bei je einem Patienten kam es zu einem tiefen Infekt und einer Pseudarthrose. Nowotarski et al. [12] gaben an, dass während der gesamten Tragezeit des Fixateurs größter Wert auf die Pinpflege gelegt werden muss, da ein direkter Umstieg nur bei einwandfreien Pineintrittsstellen durchgeführt werden sollte [12].

Im eigenen Patientenkollektiv erfolgt derzeit eine Auswertung dieser Verfahrenswechsel vom Fixateur externe auf solide Marknägel im Bereich der unteren Extremitäten. Auch in dieser Studie wurde nach 2–47 Tagen direkt, ohne fixateurfreies Intervall umgestiegen. Die erste Auswertung ergab bei 27 Verfahrenswechseln vom Fixateur externe auf einen Marknagel im Bereich der unteren Extremitäten keine tiefe Infektion, sodass die Ergebnisse von Nowotarski et al. [12] bestätigt werden können.

Abb. 3
figure 3

31-jähriger Patient mit drittgradig offenen Frakturen an Femur und Tibia nach Motorradunfall (a), primär Massentransfusion und Fixateur-externe-Anlage (b–d), nach Weichteilkonditionierung am 10. Tag direkter Umstieg auf winkelstabile Platte am Femur (e), am 16. Tag Umstieg auf winkelstabile Platte an der Tibia (f–h) in Kombination mit freiem M.-latissimus-dorsi-Lappen

Weitere Verfahren

Sicherlich müssen nicht bei allen schwerverletzten Patienten Frakturen im Bereich der Extremitäten mit dem oben beschriebenen zweizeitigen Konzept der initialen Stabilisierung im Fixateur externe und dem sekundären Verfahrenswechsel auf ein internes Verfahren behandelt werden. Unter folgenden Voraussetzungen kann auch die primäre interne Osteosynthese, vorausgesetzt, die Weichteilverletzungen erlauben dies, durchgeführt werden (Abb. 4):

  1. 1.

    Kein höhergradiges SHT mit der Gefahr der Entstehung von Hirndruck

  2. 2.

    Kein schweres Thoraxtrauma mit Lungenkontusionen oder primärer Störung des Gasaustausches

  3. 3.

    Kein initial hoher Blutverlust mit der Notwendigkeit der Massentransfusion

  4. 4.

    Keine Entgleisung des Säure-Basen-Haushaltes mit Azidose

  5. 5.

    Kein Absinken der Körperkerntemperatur unter 35°C mit der Folge von Blutgerinnungsstörungen

  6. 6.

    Intakte Blutgerinnung

Im Zweifelsfall ist aus der Sicht des Autors immer dem Fixateur externe der Vorzug zu geben, da man sich mit dieser Versorgung alle weiteren Optionen offen hält und sekundär geplant unter optimalen Operationsbedingungen bezüglich der personellen Situation ggf. auch frühzeitig die definitive Versorgung durchführen kann.

Abb. 4
figure 4

36-jähriger Patient nach Verkehrsunfall mit Motorroller mit a–d SHT Grad 1, ausgedehnten Mittelgesichtsfrakturen, stabiler BWK-3-Fraktur (BWK: Brustwirbelkörper), Oberschenkelfraktur links mit lateraler Schenkelhalsfraktur, Oberschenkelfraktur rechts mit transkondylärer Femurfraktur, Tibiakopffraktur rechts; e,f da kein Thoraxtrauma vorliegend am Operationstag Stabilisierung beider Oberschenkel mit langem γ-Nagel links und Femurnagel rechts mit perkutaner Kondylenverschraubung, nach 7 Tagen Versorgung der Mittelgesichtsfrakturen, Stabilisierung der Tibiakopffraktur mit lateraler Abstützplatte

Abb. 5
figure 5

66-jähriger Patient mit a B1-Verletzung des Beckens („open book“), diskoligamentärer Instabilität BWK 9/10; 3-Etagen-Fraktur des linker Femurs (laterale Schenkelhalsfraktur, diaphysäre Trümmerfraktur, supra- und diakondyläre Fraktur), Kalkaneusfraktur und bilateraler Rippenserienfraktur; b Ausheilungsbilder des Femurs

Da jede Methode ihre Einschränkungen hat, gibt es auch beim polytraumatisierten Patienten Frakturen, die weitgehend unabhängig vom Schweregrad des Polytraumas einer primären offenen und definitiven Versorgung bedürfen, um langfristige schwere Schäden im Bereich der Extremitäten zu vermeiden. Hierzu zählen:

  • mediale, zu verschraubende Schenkelhalsfrakturen beim jungen Patienten

  • geschlossen irreponierbare Hüftluxationen evtl. mit Azetabulumfrakturen

  • Talusluxationsfrakturen Hawkins-Typ IV

  • geschlossen irreponierbare Luxationen im Bereich der Schulter, des Ellenbogens, des Kniegelenkes, des OSG und USG (unteres Sprunggelenk) und ggf. der Lisfranc-Gelenke. Sollte nach der offenen Reposition eine Instabilität mit Neigung zur Reluxation bestehen, muss abhängig vom Gesamtzustand des Patienten entschieden werden, ob Frakturen sofort intern definitiv versorgt werden können oder ob nach erfolgreicher offener Reposition eine Stabilisierung im Gelenk überbrückenden Fixateur externe mit geplanter sekundärer interner Osteosynthese erfolgt.

  • Spezielle Verletzungskombinationen. Hierunter sind Einzelfälle subsumiert, in denen man sich nach Abwägung aller Möglichkeiten in enger Absprache mit der anästhesiologischen Abteilung zur primären internen Stabilisierung entschließt, da die Stabilisierung im Fixateur externe sehr schwierig zu realisieren wäre und/oder bei sofortiger interner Stabilisierung ein deutlich besseres funktionelles Endergebnis zu erwarten ist (Abb. 5).

Fazit für die Praxis

Das wichtigste Implantat für die Versorgung von Extremitätenverletzungen beim polytraumatisierten Patienten ist der Fixateur externe. Er erlaubt bei geschlossener, nicht notwendigerweise exakter Reposition von Frakturen eine schnelle Stabilisierung ohne größeren Blutverlust und damit eine rasche Therapieeinleitung auf der Intensivstation. Wenige Verletzungen im Bereich der Extremitäten erfordern eine sofortige definitive Versorgung, wobei aber immer wieder evaluiert werden muss, wie stabil der Patient ist und welche operativen Versorgungen noch möglich sind, ohne ihn vital zu gefährden.

Der sekundäre Verfahrenswechsel vom Fixateur externe auf ein internes Implantat ist ohne fixateurfreies Intervall auch nach mehreren Wochen, eine gute Pinpflege vorausgesetzt, komplikationsarm möglich.