Navigationssysteme

In den letzten 10 Jahren wurden bei computerassistierten Operationsverfahren große Fortschritte gemacht. Bildfreie bzw. auf prä- oder intraoperativer Bildgebung mittels Bildwandler oder Computertomographie (CT) basierende Navigationsverfahren sind mittlerweile in einigen Bereichen der Orthopädie und Unfallchirurgie etablierter Standard. So werden solche Systeme heute bei elektiven Eingriffen in der Hüft- und Knieendoprothetik sowie bei der dorsalen Instrumentation der Wirbelsäule regelmäßig eingesetzt.

Ziele der Anwendung von Navigationssystemen sind:

  • die Präzision der Eingriffe zu verbessern,

  • Materialfehllagen zu vermeiden,

  • die intraoperative Strahlenbelastung von Patient und Personal zu reduzieren und

  • eine bessere Visualisierung der Operationsablaufs zu ermöglichen, was besonders beim aktuellen Trend zu minimalinvasiven Operationsverfahren relevant erscheint.

In der Akuttraumatologie wird auf die Unterstützung durch Navigationssysteme überwiegend nur bei der Platzierung von Iliosakralschrauben am hinteren Beckenring zurückgegriffen.

Technologie

Je nach Hersteller kommen unterschiedliche Referenzmarker und Kamerasysteme zum Einsatz. Bei älteren Systemen werden Marker mit Kabelverbindungen verwendet, neuere Modelle arbeiten kabellos. Dabei werden aktive und passive Marker unterschieden. Erstere senden aktiv Infrarotsignale an die Kamera des Navigationssystems, während passive Marker die Infrarotsignale der Kamera lediglich reflektieren. Bei beiden Systemen ist dementsprechend ein freier Blickwinkel zwischen Kamera und Referenzmarkern Voraussetzung.

Die Registrierungsalgorithmen basieren entweder auf intraoperativ aufgenommenen Röntgenbildern oder auf CT-Aufnahmen, die anhand von implantierten Markern oder knöchernen Referenzpunkten korreliert werden. Alternativ steht für Anwendungen in der Endoprothetik eine bildfreie Referenzierung anhand knöcherner Oberflächenpunkte, die intraoperativ mit einem Pointer abgetastet werden („bone morphing“), zur Verfügung.

Die heutigen Systeme zur Navigation von Endoprothesenimplantationen basieren auf der bildfreien Referenzierung, während sämtliche Osteosyntheseverfahren eine radiologische Bildgebung erfordern.

Anwendungsgebiete und bisherige Erfahrungen

Während über die höhere Genauigkeit und die Reduktion der Strahlenbelastung durch die Anwendung von Navigationssystemen bei der Implantation von Hüft- und Knieendoprothesen sowie bei Eingriffen an der Wirbelsäule bereits mehrere Studien vorliegen [4, 11, 18] und der Einsatz der Systeme in vielen Kliniken etablierter Standard ist, gibt es über computernavigierte Operationen an den langen Röhrenknochen bisher nur Machbarkeitsstudien und Einzelfallberichte. So wurden retrograde Anbohrungen bei Osteochondrosis dissecans und Korrekturosteotomien durchgeführt [3, 17].

Sinnvoll erscheint die Anwendung eines Navigationssystems bei der osteosynthetischen Versorgung von langen Röhrenknochen v. a. bei Femurschaftfrakturen, da aufgrund des geschlossenen Vorgehens bei der Marknagelung trotz intraoperativer Torsionskontrolle in 10–30% der Fälle eine relevante Torsionsabweichungen von mehr als 15° auftritt [1, 12, 23, 30, 34] und die exakte Repositions- und Torsionskontrolle auch heute noch von vielen Autoren als ein ungelöstes Problem angesehen wird [23, 33].

Die physiologische Antetorsion des Femurs wird in aktuellen Studien mit durchschnittlich 14–24° angegeben, wobei Werte zwischen 0 und 50° gemessen wurden [1, 26]. In Einzelfällen kommt auch eine Retroversion von bis zu 20° bei asymptomatischen Patienten vor. Einheitlich wird als Grenze für einen Korrektureingriff ein Torsionsunterschied von 15° bei symptomatischen Patienten angegeben [1, 13, 27], während individuelle Torsionsabweichungen von 10–15° als physiologisch angesehen werden [26]. Die Folgen einer relevanten postoperativen Torsionsabweichung sind häufig unspezifisch. So leiden Patienten unter Gangbildstörungen mit dauerhaftem Hinken, chronischen Schmerzen in Hüft- und Kniegelenken sowie schmerzhaften Seitenbandreizungen. Nach fehlverheilten Tibiaschaftfrakturen wurde ferner ein frühzeitiger Gelenkverschleiß im langfristigen Verlauf nachgewiesen [25, 31]. Allgemein gilt, dass eine vermehrte Innentorsionsabweichung schlechter toleriert wird und eher zu Beschwerden führt als eine Außentorsionsabweichung.

Den derzeit zur Vermeidung von Torsionsabweichungen empfohlenen Methoden ist gemein, dass sie kleinere Achsabweichungen nicht ausschließen können, subjektiv sind und z. T. mit einer deutlich erhöhten Strahlenbelastung einhergehen. So können der Vergleich der Kortikalisdicke oder des Trochanter-minor-Profils, die Kabelmethode und die klinische Untersuchung im Seitenvergleich, obwohl die jeweiligen Autoren gute Ergebnisse erzielten [9, 13, 21, 30], in der klinischen Routine nur Hinweise auf grobe Fehler liefern.

Im Gegensatz zu diesen Methoden verspricht der Einsatz eines Navigationssystems durch die Möglichkeit der intraoperativen Torsions- und Längenmessung sowie einer navigationsgestützten Reposition ohne Bildwandlereinsatz folgende Vorteile:

  • eine Vermeidung von relevanten Torsionsunterschieden und

  • eine Reduktion der Strahlenbelastung für Patienten und Operationspersonal.

Erste Versuche von Joskowicz et al. [15] mit einem selbst konstruierten System zur navigationsgestützten Frakturreposition am Femur zeigten 1998, dass eine Reposition basierend auf initial mit dem Bildwandler aufgenommenen Referenzröntgenaufnahmen möglich ist. Auch in den Folgejahren wurde lediglich über im Versuchsstadium befindliche Systeme berichtet, wobei die prinzipielle Machbarkeit der navigationsgestützten Reposition von Femurschaftfrakturen aufgezeigt wurde [10, 22]. Erste eigene Versuche aus dem Jahr 2001 zur navigationsgestützten distalen Verriegelung von Marknägeln ergaben zwar, dass die Strahlenbelastung deutlich reduziert werden kann, allerdings kam es häufig zu Schraubenfehllagen. Aktuell berichteten Weil et al. [32] über gute experimentelle Ergebnisse eines auch klinisch einsetzbaren Navigationssystems, mit dem im Laborversuch Länge und Torsion von komplexen Frakturen auf 1,9±1,8 mm bzw. 2,5±1,8° reponiert werden konnten [32].

Bisher liegen nur Einzelfallberichte über die klinische Anwendung von Navigationssystemen zur Versorgung von Femurschaftfrakturen vor. Wir berichten über unsere Laborversuche, bei denen wir ein Navigationssystem zunächst ausführlich testeten, und über unsere ersten klinischen Erfahrungen mit dem System.

Material und Methode

Material

Die Untersuchungen wurden mit dem Navigationssystem VectorVision Trauma (Softwareversion 2.5) der Firma Brainlab (Feldkirchen, Deutschland) und einem Bildverstärker der Firma Ziehm (Vision3D, Nürnberg, Deutschland) durchgeführt (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Aufbau des Navigationssystem im Operationssaal (Patient in Rückenlage, Navigationssystem am Fußende, C-Bogen auf der unfrakturierten Seite)

Vorversuche

Unter Laborbedingungen wurden 5 quer osteotomierte und mit einem dem Weichteilmantel entsprechenden Schaumstoffüberzug ummantelte Kunstknochenpaare (Sawbones, Malmö, Schweden) osteosynthetisch versorgt (Abb. 2).

Die navigationsgestütze Operation erfolgte mit einem unaufgebohrten Fermurnagel (UFN, Firma Synthes, Solothurn, Schweiz) entsprechend der Operationsanleitung. Mit Hilfe des Navigationssystems wurden die Reposition der Osteotomie sowie die exakte Einstellung von Torsion und Länge durchgeführt. Wir wählten als Zielwerte eine Antetorsion von 25° sowie eine Länge von 430 mm. Hierdurch kam es zu einer Distraktion von 10 mm im Osteotomiespalt. Intraoperativ wurden die für die einzelnen Operationsschritte benötigte Zeit und die jeweilige Durchleuchtungsdauer aufgezeichnet (Tab. 1). Die postoperative Torsions- und Längenmessung erfolgte anhand goniometrischer Messungen an 2 standardisiert eingebrachten Kirschner-Drähten.

Abb. 2
figure 2

Kunstknochenmodell mit montierten Referenzmarkern

Tab. 1 Operations- und Durchleuchtungsdauer am Modell

Klinische Testung

Nach Auswertung der Laborversuche und Zustimmung der lokalen Ethikkommission führten wir die klinische Evaluation des Navigationssystems in unserer Klinik durch. Die Patienten wurden im Rahmen der Operationsaufklärung über die Verwendung des Navigationssystems und die hiermit verbunden Risiken aufgeklärt und stimmten der anonymen Speicherung ihrer Daten für wissenschaftliche Zwecke zu. Einschlusskriterien waren entweder

  • eine komplexe einseitige Femurschaftfraktur (B- und C-Frakturen nach AO-Klassifikation) oder

  • beidseitige Femurfrakturen.

Zur Vermessung von Länge und Torsion der unfrakturierten Seite führten wir bei allen einseitigen Frakturen eine präoperative CT-Untersuchung (LightSpeed 4.X, GE Medical Systems, Milwaukee, USA) durch, die nach Jend [14] ausgewertet wurde. Die osteosynthetische Versorgung erfolgte in Abhängigkeit von der Frakturlokalisation in ante- oder retrograder Technik mit T2-Femurnägeln (Firma Stryker, Duisburg, Deutschland). Das Navigationssystem wurde hierbei zur Reposition und zur Einstellung von Torsion und Länge eingesetzt (Abb. 3). Als Zielwerte wurden bei einseitigen Frakturen die in der präoperativen CT der unverletzten Gegenseite gemessenen Werte angestrebt, was bei beidseitigen Frakturen nicht möglich war. Hier wurden zunächst die Seite mit der einfacheren Fraktur versorgt und die mit dem Navigationssystem ermittelten Messwerte als Referenz für die Gegenseite verwendet.

Abb. 3
figure 3

Einzeichnen der Schenkelhalsachse (oben), Reposition eines Kunstknochens, grün aktuelle Position des proximalen Fragments (Mitte), Torsions- und Längenmessung sowie Achsverhältnisse (unten)

Abb. 4
figure 4

Postoperative Vermessung von Torsion und Länge mittels CT anhand der Schenkelhalsachse und der hinteren Kondylenebene bzw. vom Hüftkopfzentrum bis zur hinteren Kondylenebene, Torsion rechts: 8,4° (20,7–12,3°), Torsion links: 7,8° (20,7–12,9°), Beinlänge rechts 414 mm, links 415 mm.

Zur ossären Fixierung der Referenzmarker wurde das 1-Pin-Fixierungssystem der Firma Brainlab verwendet, wozu je eine 5-mm-Schanz-Schraube in den Trochanter major und den laterale Femurkondylus eingebracht wurden. Routinemäßig erfolgten alle Operationen in Rückenlage, wobei für antegrade Marknagelungen ein Extensionstisch verwendet wurde.

Ähnlich der Laborversuche wurden auch während der operativen Eingriffe die für die einzelnen Operationsschritte benötigten Zeiten sowie die erforderliche Durchleuchtungsdauer erfasst (Tab. 2). Zusätzlich wurde vermerkt, ob eine rein navigationsgestützte Reposition möglich war oder ob hierbei auf das konventionelle Verfahren mittels Durchleuchtung zurückgegriffen werden musste.

Tab. 2 Operations- und Durchleuchtungsdauer in der klinischen Anwendung

Die postoperativ durchgeführte CT zur Torsions- und Längenkontrolle wurde jeweils 3-mal nach Jend [14] vermessen (Abb. 4). Der Durchschnittswert der Messungen wurde in einer hierzu programmierten Datenbank gespeichert, woraus eine deskriptive Statistik erstellt wurde.

Ergebnisse

Vorversuche

In den Laborversuchen wurden durchschnittlich 16 min für die durch die Anwendung des Navigationssystems erforderlichen zusätzlichen Operationsschritte benötigt. Das Einbringen der Schanz-Schrauben für die Referenzmarker und das Aufnehmen der Referenzbilder erforderten eine zusätzliche Durchleuchtungsdauer von 31 s (Tab. 1). Die Reposition der Kunstknochen war in allen Fällen navigationsgestützt ohne zusätzliche Durchleuchtung möglich. In allen Fällen lag der postoperative Torsionsunterschied <10°. Durchschnittlich wurden im Labor, abweichend von den geplanten und mit Hilfe des Navigationssystems eingestellten 25°, eine postoperative Torsion von 19,9±2,7° erreicht. Die navigationsgestützt erzielte Länge der Femora entsprach mit 430±2,3 mm dem Zielwert.

Sowohl in den Laborversuchen als auch in der klinischen Anwendung funktionierte das Navigationssystem stabil, sodass alle Operationen vollständig navigationsgestützt durchgeführt werden konnten.

Klinische Studie

Es wurden 20 Femurfrakturen (14 einseitige Frakturen: 1-mal A3-, 3-mal B2-, 5-mal B3-, 5-mal C3-Fraktur; 6 beidseitige Frakturen: 4-mal A3-, 1-mal B1-, 1-mal B3-Fraktur) bei 17 Patienten (12 Männer, 5 Frauen) im Alter von 16–67 Jahren (Durchschnittsalter 27,8 Jahre) navigationsgestützt versorgt. 17 Brüche wurden antegrad, 3 retrograd versorgt. Aufgrund des Verletzungsmusters (durchschnittlicher „injury severity score“: ISS=25) bzw. des Weichteilschadens (4 offene Frakturen Grad IIIa nach Gustilo-Anderson [8]) wurden alle Patienten zunächst mit Fixateur externe versorgt und die definitive Versorgung als geplanter Verfahrenswechsel durchschnittlich 10 Tage nach dem Unfall durchgeführt.

Durch die zur Anwendung des Navigationssystems erforderliche Montage der Referenzmarker und das Aufnehmen der Referenzbilder verlängerte sich die Operationszeit um durchschnittlich 35±8,67 min (Tab. 2). Für diese Operationsschritte war eine Durchleuchtungsdauer von 45±9 s notwendig. In 9 von 20 Fällen war eine rein navigationsgestütze Reposition ohne zusätzliche Durchleuchtung möglich.

Die Auswertung der postoperativ durchgeführten Kontroll-CT-Untersuchungen zeigte, dass die intraoperativ mit dem Navigationssystem eingestellte Femurtorsion um durchschnittlich 6,1±4,5° von der postoperativen Messung abwich. Der Torsionsunterschied im Seitenvergleich betrug postoperativ durchschnittlich 5,4±2,7°, wobei ein maximaler Torsionsunterschied von 11° gemessen wurde (Tab. 3).

Die postoperative Femurlänge differierte lediglich um 2,8±3,0 mm, wobei in einigen Fällen bewusst eine Verkürzung in Kauf genommen wurde, um das Pseudarthrosenrisiko zu reduzieren.

Diskussion

Femurtorsion und -länge

Literaturdaten

Das Problem der Torsions- und Längenstabilität nach der Marknagelung von Femurschaftfrakturen wurde schon in den 1970er Jahren von Küntscher erkannt und durch die Einführung von Verrieglungsmöglichkeiten gelöst [19, 20]. Im Gegensatz dazu ist die intraoperative Torsionskontrolle auch heute noch schwierig [23, 30, 33], und postoperative Torsionsabweichungen sind eine bekannte Komplikation der Marknagelung von Femurschaftfrakturen [27].

Aktuelle Untersuchungen belegen die Relevanz von Torsionsabweichungen. So konnten Gugenheim et al. [6] zeigen, dass bereits geringe Außendrehfehler zu einer Verschiebung der Lastachse in der Sagittalebene des Kniegelenks nach dorsal und somit zu einer dauerhaften Fehlbelastung des Kniegelenks führen.

Vorversuche

Im Laborversuch konnten von uns die auch in vivo auftretenden Schwierigkeiten bei der Versorgung von Femurschaftfrakturen sehr gut nachempfunden werden. Die Weichteile wurden durch einen Schaumstoffmantel simuliert, der eine direkte Sicht auf den Kunstknochen verhinderte, und die angestrebte Distraktion der queren Osteotomie machte eine Orientierung am Osteotomiespalt unmöglich. Mit durchschnittlich erreichten 19,9° bestand postoperativ eine Innentorsionsabweichung von den eigentlich navigationsgestützt eingestellten 25°. Die unter standardisierten Laborbedingungen erzielte maximale Abweichung von 6° entsprach den Ergebnissen von Keil et al. [16], die mit dem Navigationsgerät SurgiGATE (Praxim, Medivision, Grenoble, Frankreich) eine maximale Abweichung von der CT-Messung von 6,4° erzielten.

Reproduzierbar einzustellen war für uns auch die Femurlänge, die mit dem Navigationssystem zwischen Hüftkopfzentrum und dem Schnittpunkt von Schaftachse und hinterer Kondylenebene gemessen wird. Dies erschwert die präoperative computertomographische Messung erheblich, da die hintere Kondylenebene auf dem a.-p. Topogramm nicht exakt zu definieren ist. Die im Laborversuch erziele Genauigkeit von ±2,3 mm dürfte allerdings auch klinischen Ansprüchen genügen.

Klinischer Einsatz

In der klinischen Anwendung des Navigationssystems wichen die postoperativ gemessenen Torsionswerte mit 6,7±4,5° etwas mehr vom gewünschten Zielwert ab als in den Laborversuchen. Die Abweichungen der CT-Messung von den intraoperativ vom Navigationsgerät angezeigten Werten erreichten mit bis zu 16° einen relevanten Bereich, obwohl die postoperativ im Seitenvergleich gemessenen Torsionsunterschiede maximal 11° betrugen (Tab. 3).

Des Weiteren bestätigte sich der schon in der Labormessung aufgefallene Trend zu einer Innentorsionsabweichung. Dies scheint systematisch bedingt zu sein und muss Gegenstand weiterer Untersuchungen werden. Die Ursachen für die höheren Torsionsabweichungen in der klinischen Anwendung sind vielschichtig und wurden teilweise erst bei regelmäßiger Verwendung des Systems identifiziert. Bereits die erforderlichen prä- und postoperativen computertomographischen Vermessungen der Femora weisen eine Fehlermöglichkeit von jeweils ±3° auf [14], was im ungünstigsten Fall eine Abweichung von bis zu 6° bedingen kann. Wir verwendeten hierbei das Verfahren nach Jend [14], bei dem die Torsion zwischen der Schenkelhalsachse, definiert durch das Hüftkopfzentrum und die Mitte des Schenkelhalses, und der hinteren Kondylenebene, ähnlich der Vermessung mit dem Navigationssystem, bestimmt wird.

In Abhängigkeit vom verwendeten Nagelsystem muss, um eine Kollision von Schanz-Schrauben und Bohrwelle zu vermeiden, die Positionierung der Referenzmarker gut geplant erfolgen. Bereits in den ersten klinischen Anwendungen zeigte sich hierbei, dass, anders als im Laborversuch, erhebliche Kräfte durch die Weichteile auf die Referenzmarker ausgeübt werden können. Die Befestigung der Referenzmarker mittels zweier Kirschner-Drähte, die vom Hersteller ebenfalls angeboten wird, ist aus unserer Sicht insuffizient. Der Durchmesser der Schanz-Schrauben bei Verwendung des von uns eingesetzten 1-Pin-Fixierungssystems sollte mindestens 5 mm betragen, da es sonst zu einem Verbiegen der Referenzmarker kommen kann. Wir empfehlen die Referenzbilder des proximalen Femurs in a.-p. und streng seitlicher Richtung aufzunehmen und im Frakturbereich auch bei langstreckigen Frakturen darauf zu achten, dass ausreichend intakte Schaftanteile abgebildet werden. Dies reduziert die Untersucherabhängigkeit bei der Achsplanung und ermöglicht das Einzeichnen der korrekten Schaftachsen. Durch den Muskelzug kommt es meist zu einer Flexion und Außenrotation des proximalen Fragments. Wenn diese nicht vor Aufnahme der Bilder ausgeglichen werden, kann es durch eine andere Projektion des Schenkelhalses zu einer Abweichung beim Vermessen der Schenkelhalsachse kommen.

Tab. 3 Ergebnisse der klinischen Studie

Im Workflow des Navigationssystems wird empfohlen, zunächst die Verriegelung mittels Zielgerät und hiernach die Freihandverriegelung, ggf. navigationsgestützt, durchzuführen. Beim Freihandverriegeln kann durch leicht schräges Bohren eine Torsionsänderung von bis zu 10° eintreten. Daher empfehlen wir, mit der Freihandverrieglung zu beginnen, dann die Torsion noch einmal zu korrigieren und die abschließende Verriegelung mit den durch das Zielgerät exakt senkrecht zum Nagel eingebrachten Zielhülsen durchzuführen.

Die Längeneinstellung mit Hilfe des Navigationssystems funktionierte auch in der klinischen Studie problemlos, allerdings musste hierbei auf klinische Aspekte Rücksicht genommen werden. Zum Teil musste eine Verkürzung bewusst in Kauf genommen werden, um bei Trümmerzonen die Gefahr von Pseudarthrosen zu minimieren.

Frakturreposition

Sie ist ebenfalls mit Hilfe des Navigationssystems durchführbar und gelang in der klinischen Studie nur in 9 von 20 Fällen ohne zusätzlichen Bildverstärkereinsatz. Im Laborversuch konnte sie Reposition von mehreren Autoren erfolgreich durchgeführt werden [5, 15, 24] und auch in unserem Laborversuch gelang sie in allen Fällen.

In vivo waren die Knochenfragmente z. T. durch den starken Weichteilmantel, Muskelzüge und sich verhakende Frakturenden nur schlecht manipulierbar. Des Weiteren lassen sich die bei komplexen Frakturen häufig vorhanden Zwischenfragmente mit dem Navigationssystem nicht darstellen. Ferner kam es in vivo oft zu einem Abweichen des von uns verwendeten Führungsdrahts, der aufgrund seiner Flexibilität durch das Navigationssystem nicht abbildbar ist. Hier böte sich allenfalls bei der unaufgebohrten Marknagelung die Möglichkeit, die Position des starren Marknagels mit Hilfe des Navigationssystems anzuzeigen und die Reposition möglicherweise zu vereinfachen.

Vorteile der Navigation

Das Femur bietet bei der geschlossenen Marknagelung nur wenige anatomische Landmarken, die eine intraoperative Torsionskontrolle ermöglichen. Eine Orientierung anhand des Frakturspalts ist aufgrund der häufigen Trümmerzonen schwierig, und auch die klinische Untersuchung bietet allenfalls Anhaltspunkte für grobe Torsionsunterschiede. So ist eine hohe Rate von relevanten Torsionsunterschieden nicht verwunderlich [1, 12, 23, 30, 34]. Ein fehlender Nulldurchgang kann noch als wichtigster klinischer Hinweis auf eine relevante Torsionsabweichung gesehen werden. Ansonsten kann die von Krettek [21] empfohlene intraoperative Kontrolle der Innen- und Außenrotationsfähigkeit im Seitenvergleich aus unserer Sicht allenfalls Hinweise auf grobe Torsionsabweichungen geben. Die klinische Untersuchung ist für eine exakte Torsionseinstellung zu untersucherabhängig. Der Korrelationskoeffizient bei der Bestimmung der Femurtorsion durch Palpation des Trochanter majors durch 2 Untersucher liegt bei lediglich 0,44 [7]. Bei Abschätzung der Torsion durch Rotation des in der Hüfte um 90° gebeugten Beins differiert die geschätzte Torsion in 40% der Untersuchungen um mehr als 10° von der computertomographischen Messung [29].

Im Gegensatz hierzu bietet die Anwendung eines Navigationssystems die Möglichkeit, die Torsionseinstellung standardisiert mit hoher Genauigkeit anhand von 5 Durchleuchtungsbildern durchzuführen. Die zusätzlichen Belastungen für den Patienten sind aus unserer Sicht unter Berücksichtigung der möglichen Vermeidung von relevanten Torsionsabweichungen akzeptabel. Der zusätzliche Zeitaufwand ist mit 35 min eher gering. Die Strahlenbelastung durch die präoperative Torsionsmessung ist mit der einer konventionellen Röntgenaufnahme des Femurs in 2 Ebenen vergleichbar, da lediglich ein Topogramm und 10–15 Schnitte durch den Schenkelhals und die Kondylen erforderlich sind [2]. Die zusätzliche intraoperative Durchleuchtungsdauer beträgt 45 s, wobei noch nicht untersucht ist, ob durch die Verwendung des Navigationssystems während der weiteren Operation nicht auch eine Verkürzung der Durchleuchtungsdauer z. B. beim Aufsuchen des Nageleintrittspunkts oder bei der Reposition möglich ist.

Nach Abschluss der Studie wurde eine neue Softwareversion (2.6) eingeführt. Diese ermöglicht die intraoperative Torsionsmessung der Gegenseite wodurch die präoperative CT-Untersuchung entfallen kann. Hierdurch werden die Strahlenbelastung weiter reduziert und das perioperative Management vereinfacht. Unsere bisherigen Erfahrungen mit der neuen Softwareversion beschränken sich auf nur wenige Fälle, und auch in der aktuellen Literatur liegen nur wenige Einzelfallberichte vor, sodass über die Neuerungen noch keine Beurteilung möglich ist.

Fazit für die Praxis

Bisher gibt es nur wenige Anwendungsmöglichkeiten von Navigationssystemen in der Frakturversorgung von langen Röhrenknochen. Gerade bei der Marknagelung von Femurfrakturen erscheint aufgrund der hohen Rate von Torsionsabweichungen die Anwendung eines stabil funktionierenden und anwenderfreundlichen Navigationssystems sinnvoll.

Mit dem System der Firma Brainlab scheint es möglich zu sein, postoperative Torsions- und Längenabweichungen zu verringern. Die navigationsgestützte Reposition gelang bei der klinischen Anwendung zur Versorgung komplexer Femurfrakturen noch nicht ausreichend zuverlässig. Um die Überlegenheit der navigationsgestützten Operation gegenüber der konventionelle Marknagelung zu beweisen, sind weitere klinische Studien mit höheren Fallzahlen notwendig.