Im Bereich der Beckenchirurgie beschränkt sich die Anwendung der Navigation derzeit im Wesentlichen auf die Fugenverschraubung des Sakroiliakalgelenks (SI) sowie die supraazetabuläre Zugschraubenosteosynthese. Für beide Indikationen liegen erste Erfahrungsberichte vor [3]. Der vorliegende Beitrag soll einen aktuellen Überblick über die Möglichkeiten der Navigation bei der Versorgung von Beckenring- und Azetabulumfrakturen anhand eigener experimenteller und klinischer Erfahrungen geben.

Material und Methode

SI-Fugenverschraubung

Zunächst wurden in einem experimentellen Ansatz an 20 Spenderleichen 80 Schrauben bilateral perkutan in Rückenlage eingebracht. Die Verschraubungen erfolgten in konventioneller Technik oder mithilfe der 2D- und 3D-fluoroskopischen sowie der computertomographischen Navigation (CT-Navigation). Anschließend wurde zunächst die 2D-fluoroskopische Navigation zur perkutanen Verschraubung von nicht oder nur gering dislozierten Frakturen des hinteren Beckenrings in Rückenlage (35 Schrauben) klinisch eingesetzt und mit konventionell versorgten Patienten (23 Schrauben) verglichen. Außerdem wurden retrospektiv alle SI-Schrauben analysiert, die innerhalb der letzten 7 Jahre in unserer Klinik eingebracht worden waren (n=139).

Supraazetabuläre Schraubenimplantation

Experimentell wurden perkutan 3D-fluoroskopisch navigiert 10 Schrauben an 5 Spenderleichen in Rückenlage eingebracht. Klinisch wurde bislang bei 2 Patienten 2D-fluoroskopisch unterstützt eine supraazetabuläre Zugschraubenosteosynthese vorgenommen. Alle navigierten SI-Verschraubungen erfolgten mit dem Navigationssystem der Fa. Stryker und mit dem Siremobil Iso-C3D der Fa. Siemens Medical Solutions als 3D-Bildwandler.

Die experimentellen Versuche zur supraazetabulären Verschraubung wurden mit dem VectorVision® fluoro 3D (Fa. BrainLAB) als Navigationssystem und dem ARCADIS Orbic (Fa. Siemens Medical Solutions) als 3D-Bildwandler durchgeführt. Für den klinischen Einsatz wurde wiederum das System von Stryker verwendet. Als Schraubenimplantat wurden kanülierte 7,3-mm-Spongiosaschrauben verwendet (Fa. Clinical House).

Ergebnisse

SI-Fugenverschraubung

Experimentelle Daten

Hier zeigte sich eine signifikante Eingriffsverlängerung durch alle Verfahren der Navigation, wobei die CT-Navigation aufgrund der aufwendigen Matchingprozedur diesbezüglich besonders schlecht abschnitt (Tab. 1). Umgekehrt senkten alle navigierten Verfahren die intraoperative Durchleuchtungszeit drastisch. Beide 3D-navigierten Verfahren reduzierten außerdem die Fehlplatzierungsrate deutlich.

Tab. 1 Ergebnisse verschiedener Navigationsverfahren vs. konventionelle SI-Verschraubung

Klinische Daten

Die experimentellen Daten wurden im klinischen Studienarm hinsichtlich Eingriffsdauer (36,2±12,5 navigiert vs. 25,4±8,2 min konventionell, p=0,01) und Bildverstärkerzeit (BV-Zeit, 0,9±0,3 navigiert vs. 1,8±0,8 min konventionell) bestätigt. Bezüglich der Fehlplatzierungsrate ergaben sich Vorteile zugunsten der Navigation (8%, n=3/35, navigiert vs. 17%, n=4/23, konventionell, p>0,05).

Der Einsatz der Navigation hat sich im klinischen Alltag nach unseren Erfahrungen insbesondere zur perkutanen Beckenringstabilisierung in der Schwerverletztenversorgung bewährt (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Schwerverletzte Patientin mit Sakrumfraktur links, Sakroiliakalgelenksprengung rechts und vorderer Beckenringfraktur links: operative Versorgung simultan perkutan in Rückenlage mit navigierter SI-Verschraubung beidseits und supraazetabulärem Fixateur externe (postoperative Beckenübersichtsaufnahme links, Computertomogramm rechts)

Abb. 2
figure 2

Experimentelle Darstellung der 3D-fluoroskopisch navigierten Iliosakralgelenkverschraubung von S2 mit intraoperativer Monitordarstellung links und postoperativem computertomographischem Ergebnis rechts

In der Analyse aller SI-Schrauben der vergangenen 7 Jahre fand sich eine Gesamtfehlplatzierungsrate von 7% (n=10/139). Hier war die konventionelle Technik im Vergleich zur 2D-fluoroskopischen Navigation mit einer 4-fach höheren Fehlplatzierungsrate behaftet (14%, n=7/47, konventionell vs. 3%, n=3/92, navigiert, p=0,05).

Bei der Bewertung der Einflussgröße „chirurgische Erfahrung“ wurden 2 Gruppen gebildet (Gruppe 1: persönliche Erfahrung n=1–12 implantierte Schrauben, n=5 Operateure; Gruppe 2: n=104 Schrauben, n=1 Operateur). Eine signifikant höhere Fehlplatzierungsrate fand sich in Gruppe 1 (n=7/35 vs. n=3/104 Gruppe 2, p<0,01).

Als weitere Risikofaktoren für eine Fehlplatzierung wurden identifiziert:

  • Implantation von 2 Schrauben in S1 (bei n=5/10 fehlplatzierten Schrauben),

  • unzureichende Einstellung und Interpretation der seitlichen Bildwandlerprojektion (n=3/10) sowie

  • Vorliegen einer grob dislozierten Verletzung (n=2/10).

Zur Vermeidung einer Fehlplatzierung wird im eigenen Vorgehen alternativ zur Implantation von 2 Schrauben in S1 die Möglichkeit der navigierten Verschraubung von S1 und zusätzlich S2 genutzt (Abb. 2).

Supraazetabuläre Schraubenimplantation

Experimentelle Daten

Experimentell wurden perkutan in Rückenlage 10 Schrauben 3D-fluoroskopisch navigiert an 5 Spenderleichen eingebracht. Die Praktikabilität der hierfür genutzten Großgeräte konnte als hoch eingeschätzt werden. Allerdings bereitete die Orientierung anhand der in den 3 Bildebenen dargestellten Bohrerausrichtung zumindest anfangs erhebliche Mühe (Abb. 3). Ebenso wie bei der 3D-fluoroskopisch navigierten SI-Verschraubung wurden hinsichtlich der Bildauflösung deutliche Unterschiede im Vergleich zur Computertomographie offenkundig (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Darstellung der 3D-fluoroskopischen supraazetabulären Schraubenplatzierung im Experiment: operative Geräteanordnung (oben), intraoperative Monitordarstellung der navigierten Bohrhülse in Projektion auf das Azetabulum (unten links), postoperative Lagekontrolle, deutliche Unterschiede der Bildauflösung im Computertomogramm (unten Mitte) gegenüber 3D-Bildverstärker (unten rechts)

Tab. 2 Ergebnisse der 3D-fluoroskopischen supraazetabulären Schraubenplatzierung

Die Schraubenlage konnte intraoperativ im 3D-Scan mittels Bildverstärker sicher beurteilt werden, gegenüber der CT ergaben sich diesbezüglich keine Diskrepanzen. In der abschließenden CT-Kontrolle konnte in keinem Fall eine intraartikuläre Schraubenfehllage festgestellt werden. Ähnlich wie bei der SI-Verschraubung war auch die Durchführung der supraazetabulären Schraubenplatzierung von der persönlichen Erfahrung des Operateurs abhängig (Tab. 2).

Klinische Daten

In der klinischen Anwendung konnte die Navigation bislang erfolgreich im 2D-Modus für diese Indikation genutzt werden (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

35-jähriger Motorradfahrer mit Azetabulumquer- und hinterer Wallfraktur links: präoperative Bildgebung mit Beckenübersichtsaufnahme und Computertomogramm (links), intraoperative Monitordarstellung der 2D-fluoroskopisch navigierten supraazetabulären Zieldrahtplatzierung (Bildverstärker, Navigation, Mitte), postoperativ gute Reposition und korrekte Platzierung der supraazetabulären Schraube (rechts)

Diskussion

Die Navigation steht seit wenigen Jahren zur Anwendung bei der iliosakralen und supraazetabulären Schraubenplatzierung am Becken zur Verfügung [4]. Im Rahmen unserer eigenen experimentellen Vorversuche wurden eindeutige Vorteile zugunsten der C-Arm-gestützten Verfahren hinsichtlich Praktikabilität und Zeitaufwand offenkundig, sodass die CT-Navigation heute im eigenen klinischen Vorgehen praktisch bedeutungslos ist.

Allerdings kann die relativ hohe Fehlplatzierungsrate der konventionellen SI-Verschraubung, die nach Auswertung der Literatur im niedrigen zweistelligen Bereich zu erwarten ist [1], nur mit einem dreidimensional operierenden Bildverstärkersystem zuverlässig reduziert werden. Ein weiterer Vorteil bei dessen Verwendung ergibt sich dahingehend, dass die Implantatplatzierung noch intraoperativ kontrolliert und ggf. revidiert werden kann. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liefern die verfügbaren 3D-Bildverstärker insbesondere im Bereich des Achsenskeletts allerdings noch keine der Computertomographie vergleichbar gute Bildauflösung [5]. Zu beachten sind bei ihrem Einsatz außerdem der begrenzte Bildausschnitt (Würfel mit einer Kantenlänge von etwa 13 cm) und die Erfordernis vollständig röntgendurchlässiger Operationstische, was mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.

Beide im Rahmen unserer Versuche eingesetzten Navigationssysteme haben sich für die SI-Verschraubung am Becken bestens bewährt. Die Geräte beider Anbieter fungieren als kabellose Systeme, wobei sich Unterschiede im Wesentlichen bezüglich der Funktionsweise der Tracker ergeben. Diese senden bei dem Navigationssystem der Fa. Stryker ihre Positionssignale aktiv an die Kamera des Systems, was für jeden Eingriff die Verwendung neuer, steriler Batterien erfordert. Beim VectorVision® fluoro 3D (Fa. BrainLAB) werden die Lichtsignale von der Kamera emittiert und passiv von den Referenzierungskügelchen der Tracker, die ebenfalls als Verbrauchsmaterial für jeden Eingriff neu beschafft werden müssen, an die Kamera zurück reflektiert.

Hinsichtlich Aktionsradius und Steuerbarkeit des Kameraarms schneidet nach unseren Erfahrungen das System der Fa. Stryker etwas besser ab, während das Gerät der Fa. BrainLAB etwas praktikabler bei der Anbindung des 3D-Bildwandlers und der Kalibrierung der Instrumente zu sein scheint.

Unabhängig vom verwendeten System bleibt zu berücksichtigen, dass die chirurgische Navigation als rein passives System fungiert, welches dem Anwender weder Therapievorschläge noch konkrete Anweisungen unterbreitet, sondern lediglich die Position navigierter Instrumente auf der Röntgendarstellung des Patienten anzeigt [2]. Somit verbleibt die Kontrolle zu jeder Zeit in den Händen des Chirurgen, der in der Lage sein muss, den Eingriff ggf. auch ohne Navigation selbstständig durchzuführen.

Zwar kann mit Hilfe der Navigation die Fehlplatzierungsrate bei der SI-Verschraubung gesenkt werden. Allerdings kommt nach Auswertung unserer Daten den individuellen Fertigkeiten und Erfahrungen des Operateurs bei der Durchführung dieser relativ komplexen Eingriffsart eine mindestens ebenso wichtige Bedeutung zu, die maßgeblich über die Präzision der iliosakralen Schraubenplatzierung entscheidet.

Weniger überzeugend erscheint die Datenlage für die Anwendung der Navigation im Bereich der Azetabulumchirurgie. In der Klinik ist die Nutzung des fluoroskopischen Verfahrens im 2D-Modus möglich und erleichtert nach unseren Erfahrungen die intraoperative Orientierung. Die Navigation mit einem 3D-Bildverstärker lässt im experimentellen Ansatz dagegen keine wesentlichen Vorteile erkennen. Da der Verlauf der supraazetabulären Schraube die angezeigten Bildebenen kreuzt und nicht parallel zu diesen verläuft, d. h. nicht über einen größeren Streckenabschnitt dargestellt wird, bereitet die intraoperative Orientierung im 3D-Modus auch dem geübten Operateur erhebliche Mühe. Insgesamt wird die Navigation nach unserer Einschätzung für diese Indikation eher Ausnahmefällen vorbehalten bleiben.

Fazit für die Praxis

Die Nutzung C-Arm-gestützter Navigationsverfahren für die Beckenchirurgie lässt nach Auswertung unserer Daten einen großen Nutzen erkennen, wobei die Überlegenheit der Navigation gegenüber der konventionellen Technik anhand evidenzbasierter Kriterien bislang nur für die SI-Verschraubung als gesichert gelten kann. Eine erfolgreiche Nutzung ist allerdings in hohem Maß von der persönlichen chirurgischen Erfahrung des Operateurs abhängig.

Einzukalkulieren ist ferner ein erheblicher personeller, finanzieller und zeitlicher Mehraufwand, der aktuell durch die Erlöse des DRG-Systems in keiner Weise adäquat abgebildet wird.

Perspektivisch ist die Möglichkeit des röntgenfreien Verfolgens (Tracking) einzelner Fragmente bzw. der Beckenringreposition wünschenswert.