Hinführung zum Thema

Postoperative Wundinfektionen rangieren nach wie vor unter den Top 3 der nosokomialen Infektionen und stellen somit ein hoch relevantes Thema dar. Von der zumeist allgegenwärtigen Wundkontamination und -kolonisation, über die akute postoperative bis hin zur chronischen Wundinfektion mit Biofilmbesiedlung. Behandelnde sowie Patienten werden dabei mit langwierigen und komplexen Verläufen sowie einem ausgeprägten Anstieg der Morbidität, Mortalität, Hospitalisierung und Reduktion der Lebensqualität konfrontiert. Septische Exazerbationen und lebensbedrohliche Verläufe stellen gefürchtete Komplikationen dar. Gleichzeitig ist es jedoch auch ein Thema, in dem sich mit Blick auf die Prävention viel bewegt hat – und noch bewegen kann.

Die hohe klinische Relevanz und breite Berührung des Themenkomplexes mit vielen medizinischen Fachbereichen bedingt eine rege Diskussionskultur und Dynamik hinsichtlich Behandlungsoptionen, neuer Entwicklungen, aber auch besonders präventiver Strategien. Eine regelmäßige Auseinandersetzung mit aktuellen Studienergebnissen, Leitlinien und Best-Practice-Empfehlungen sowie die Basierung der alltäglichen Praxis auf möglichst unabhängigen, transparenten und evidenzbasierten Erwägungen muss das Ziel sein. Bei einem komplexen und facettenreichen Themengebiet wie der Wundinfektion gestaltet sich eine erschöpfende und doch übersichtliche Bearbeitung aller Subthemen in einer einzelnen Übersichtsarbeit unmöglich. Dieser Beitrag soll daher auf, aus Sicht der Autoren, aktuelle und vermehrt diskutierte Aspekte der postoperativen Wundinfektion mit besonderem Augenmerk auf Identifikation, Einordnung und Prävention fokussiert sein. Hierzu werden die folgenden Inhalte thematisiert:

  • Epidemiologischer Überblick aktueller Zahlen und Fakten

  • Risikoassessment und -stratifizierung

  • Allgemeine und spezielle Präventionsansätze postoperativer Wundinfektionen

Die dargestellten Themenbereiche adressieren die Prävention als wichtiges Mittel, um nosokomialen Infektionen wie der postoperativen Wundinfektion effektiv zu begegnen, und arbeiten dabei die aktuelle epidemiologische Lage auf, thematisieren Lücken im Risikoassessment und stellen generelle sowie neue Entwicklungen bei präventiven Maßnahmen anhand der aktuellen Studienlage in Form eines narrativen Reviews nach systematischer Literaturrecherche dar. Die Literaturrecherche erfolgte in den gängigen medizinischen Datenbanken (MEDLINE, EMBASE, Cochrane) sowie Publikationen und Berichten der offiziellen Surveillance-Institutionen Robert Koch-Institut (RKI), Europäisches Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC), Centers for Disease Control and Prevention (CDC) hinsichtlich Epidemiologie, Risikostratifizierung und präventiver Interventionen der postoperativen Wundinfektion. Die Suchstrategien wurden hierbei fokussiert auf den Fachbereich der Gefäßchirurgie und die berichteten Themenbereiche, wobei ein systematischer Ansatz verfolgt wurde. Die Literatur wurde durch zwei unabhängige Reviewer gescreent und die Ergebnisse in einem narrativen Ansatz für die fokussierten Themen (Epidemiologie, Scoringsysteme, spezifische Interventionen) berichtet.

Epidemiologie – Zahlen, Fakten und Trends

Initial lohnt ein Blick auf die aktuellen epidemiologischen Zahlen der postoperativen Wundinfektion, um deren Relevanz und aktuelle Trendentwicklungen adäquat einzuordnen.

Gemäß den aktuellen Zahlen des Nationalen Referenzzentrums für Surveillance von nosokomialen Infektionen (NRZ) aus 2016 [32] machen postoperative Wundinfektionen in Deutschland einen Anteil von 22,4 % der nosokomialen Infektionen (NI) aus. Die gesamthafte NI-Prävalenz der operativen Fächer liegt dabei bei 5,13 %, sodass statistisch gesehen insgesamt 1–2 % aller Patienten in operativen Fächern eine postoperative Wundinfektion entwickeln [1, 32]. Hierbei zeigt sich jedoch eine relevante Varianz in Abhängigkeit des operativen Eingriffs. So weisen Eingriffe in potenziell kontaminierten Gebieten (z. B. kolorektale Operationen) eine deutlich höhere kumulierte postoperative Wundinfektionsrate auf (9,33 %) als Eingriffe in nicht kontaminierten Gebieten (z. B. Hüftgelenkprothesen – 1,17 %) [1]. Auch variieren die Zahlen je nach Erhebungsland und Quelle. Im europäischen Vergleich der Prävalenz und Inzidenz nosokomialer Infektionen generell, sowie bei postoperativen Wundinfektionen, liegt Deutschland unter dem allgemeinen Durchschnitt (NI-Prävalenz 3,6 % vs. 6,5 % und NI-Inzidenz 3,1 % vs. 4,1 %) [32, 38].

Bei gefäßchirurgischen Eingriffen variieren die Zahlen der postoperativen Wundinfektionen gleichermaßen. Eine der größten multizentrischen Kohortenstudien des Forschungskonsortiums „Groin wound Infection after Vascular Exposure (GIVE)“ aus dem Vereinigten Königreich (UK) zum Thema der postoperativen Wundinfektionen bei Leistenzugängen beobachtete eine Inzidenzrate von klinisch relevanten Wundinfektionen von 8,6 % nach Leistenzugängen [16]. Diese gingen mit einer signifikanten Verlängerung des Krankenhausaufenthalts sowie der Notwendigkeit einer Re-Intervention von 43,6 % einher. Wiseman et al. [44] berichten ähnliche Inzidenzraten aus den USA mit einer kumulierten Inzidenz von 8,9 % nach gefäßchirurgischen Eingriffen, wobei insbesondere periphere Revaskularisationen mit 11 % eine hohe Inzidenz postoperativer Wundinfektionen aufweisen. Weitere aktuelle Publikationen ordnen die Inzidenz im Bereich der vaskulären Chirurgie, auch in Deutschland, ebenfalls zwischen 10–11 %, in einzelnen Studien sogar noch immer bis zu 30–40 % ein [9, 14, 15, 22].

Allerdings herrscht eine hohe Varianz in den bis dato berichteten Inzidenzraten zu postoperativen Wundinfektionen bei gefäßchirurgischen Eingriffen, welche je nach Quelle zwischen 3 % und 31 % rangieren [9, 18, 40]. Im internationalen Vergleich wurde eine kumulierte Infektionsrate von 4,06 % bei ca. 50.000 Eingriffen berichtet [1]. Die ausgeprägte Varianz kann auf die Vielzahl einflussnehmender Faktoren zurückgeführt werden, welche gleichzeitig als die wichtigsten Risikofaktoren der postoperativen Wundinfektion anzusehen sind. Hierbei sind neben der technisch-operativen Durchführung und hygienischer Maßnahmen aufseiten der Versorger patientenbezogene Einflüsse wie Adipositas, Körperhygiene, Lokalisation und Art des Eingriffs sowie Komorbiditäten und Revisionseingriffe zu nennen (s. Tab. 1; [9, 24, 40, 44]).

Tab. 1 Übersicht endogener (patientenbezogen) und exogener (prozessbezogen) Risiko- bzw. Einflussfaktoren für die Entwicklung einer postoperativen Wundinfektion [9, 19, 22, 24, 44]

Insgesamt kann jedoch positiv festgehalten werden, dass in den vergangenen Jahrzehnten ein klarer Trend hin zu einer Reduktion vermeidbarer postoperativer Wundinfektionen zu erkennen ist: Nach Angaben des NRZ reduzierte sich die Prävalenz der postoperativen Wundinfektionen im Vergleich der Erhebungen 2011 zu 2016 signifikant von 1,31 % auf 1,08 % und ihr Anteil an allen nosokomialen Infektionen von 25,7 % auf 22,4 % [31, 32].

Breit aufgestellte und transparente Forschungs- und Präventionsprojekte (z. B. GIVE), Qualitätsmanagementsysteme und flächendeckend eingesetzte Routineabläufe tragen dabei wesentlich zur Verbesserung und Entwicklung der Thematik bei. Hierzu gehören unter anderen Surveillance-Systeme wie das deutsche Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS), Awareness-Kampagnen für KollegInnen und PatientInnen wie die Kampagne „Ihre Wunde in unsere Hände“ der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG) oder internationale kooperative Ansätze wie das seit 2014 laufende Projekt „Antimicrobial Stewardship in Wound Management“ der European Wound Management Association (EWMA) mit E‑Learning-Kursen und Webinaren, Awareness-Aktionen und kooperativen wissenschaftlichen Positionspapieren („Surgical site infection – prevention and management across health-care sectors“) [37].

Nichtsdestotrotz ist das Problem der postoperativen Wundinfektion längst nicht vollständig behoben und benötigt weiterhin intensive Aufmerksamkeit. Während therapeutische Interventionen und Ansätze weiterhin wissenschaftlicher Verfeinerung und Klarifizierung bedürfen, sollte der Fokus insbesondere auch auf die Primärprävention gelegt werden, um generell das Auftreten schwerwiegender und komplikativer Verläufe zu reduzieren. Wesentliche Faktoren hierbei sind das korrekte Erkennen gefährdeter Patientengruppen und gefährdender Eingriffe bzw. Praktiken, ebenso wie die resultierende Stratifizierung des Risikos und das Ziehen adäquater Konsequenzen.

Erkennen und Einordnen – Risikoassessment und -stratifizierung

Um effektive Präventivmaßnahmen ergreifen zu können und im Sinne der Verhältnismäßigkeit zu agieren, ist insbesondere eine adäquate Stratifizierung der Patienten hinsichtlich ihres Risikos einer postoperativen Wundinfektion wichtig [25, 37]. Hierzu wurden in der Vergangenheit mehrfach Ansätze verfolgt, valide, standardisierte und klinisch nutzbare Risikoassessmenttools und Klassifikationssysteme zu entwickeln. Hinsichtlich der Klassifikation der postoperativen Wundinfektion hat sich international die 1992 durch die amerikanische CDC veröffentlichte Klassifikation der postoperativen Wundinfektion (s. Abb. 1) etabliert [20]. Während die meisten Scoringsysteme die allgemeinhin bekannten, wichtigsten Risikofaktoren für postoperative Wundinfektionen integrieren (s. Tab. 1), konnte bis dato keines der entwickelten Punktesysteme sich flächendeckend in der klinischen Alltagspraxis etablieren. Die Gründe hierfür sind vielfältig und umfassen u. a. mangelnde Genauigkeit, Ausrichtung, zu hohe Komplexität oder unzureichende Validierung. Um im klinischen Alltag gefährdete Patienten zu selektieren und eine effektive Ausrichtung präventiver Maßnahmen zu ermöglichen, sind entsprechende Werkzeuge jedoch unabdingbar, weshalb kontinuierlich zu neuen Scoringsystemen und Entscheidungshilfen geforscht wird [17].

Abb. 1
figure 1

Klassifikation der postoperativen Wundinfektion gemäß des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS) des Nationalen Referenzzentrums für Surveillance von nosokomialen Infektionen (NRZ), basierend auf den Definitionen der Centers for Disease Control and Prevention (CDC). (Modifizierte und vereinfachte Adaptation nach [33]. Zusätzlich sind die detaillierten Angaben in den KISS-Definitionen zu beachten). * Surveillance-Zeitintervall (30 bzw. 90 Tage) entsprechend der Zuordnung der OP zu Indikatoroperation. ** Es darf jedoch keine negative mikrobiologische Untersuchung vorliegen. *** Festgestellt bei z. B. OP, Untersuchung, Bildgebung

Aktuelle Beispiele hierfür sind der „Surgical Site Infection Risk Score“ (SSIRS [41]), der W.A.R-Score („Wounds-at-risk“ [10, 21]) oder der TILI-Score („Therapeutischer Index für lokale Infektionen“ [11, 12]), welche verschiedenen Aspekten der Früherkennung dienen:

  • Der SSIRS (Tab. 2) schätzt anhand einer gewichteten Risikopunktezuteilung, basierend auf relevanten patienten- sowie prozedurbezogenen Risikofaktoren und der Operationsart, die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer postoperativen Wundinfektion ab. Somit dient er vor allem der frühzeitigen Identifikation gefährdeter Patienten und ermöglicht so die Einleitung und Nutzung präemptiver Maßnahmen. Die Entwicklung erfolgte anhand der Daten des amerikanischen „National Surgical Quality Improvement Program“ und umfasst eine Konzeptions- (n = 181.894) und eine Validierungskohorte (n = 181.146). Dabei ist der SSIRS detaillierter als der grundlegende „National Nosocomial Infections Surveillance (NNIS) Risk Index“ und zeigt eine signifikant bessere Diskrimination (C-index 0,781 für SSIRS vs. 0,641 für NNIS) sowie potenziell bessere prädiktive Aussagekraft. Vorteile des Scores sind die Diversität der einfließenden Faktoren, eine einfache Erhebung und Unabhängigkeit von der chirurgischen Disziplin durch Einbindung der OP-Schlüssel. Letzteres hebt den SSIRS von disziplin- und prozedurspezifischen Scores ab und ermöglicht eine universellere Einsetzbarkeit. Ein klarer Nachteil ist jedoch für den deutschsprachigen Raum die Konzeption des SSIRS mittels der amerikanischen Klassifikation der „Current Procedural Terminology“ (CPT) für die Eingriffsgruppierung, sodass eine Adaption und entsprechend neue und unabhängige Validierung für das deutsche Operationen- und Prozedurenschlüssel(OPS)-System notwendig wäre.

  • Der W.A.R. Score (Abb. 2) dient der frühzeitigen Erkennung einer Infektionsgefährdung, basierend auf Charakteristika und Risikofaktoren der Wunde. Der Score wurde ursprünglich für die Anwendung in chronischen Wunden entwickelt, wobei er anhand der Kriterien und Erweiterung ebenfalls für akute und postoperative Wunden anwendbar ist. Die Rationale hinter dem Score ist einerseits, infektgefährdete Wunden frühzeitig zu identifizieren und damit indirekt einer antimikrobiellen Therapie zuzuführen, und andererseits die unnötige und prolongierte Nutzung antimikrobieller Lokaltherapien zu reduzieren. Damit erfüllt der W.A.R. Score nicht nur den Nutzen einer Erkennungs-, sondern auch einer Entscheidungshilfe. Bisher ist der Score jedoch nicht an größeren Kohorten und für verschiedene Wundarten validiert und lediglich in einer retrospektiven Kohorte chronischer Wunden evaluiert worden [21]. Somit werden die adäquate Einordnung der Aussagekraft und der Nutzen von weiteren validierenden und prospektiven Studien abhängen. Für die Nutzung als Entscheidungshilfe in der zielgerichteten Therapie postoperativer Wundinfektionen bedarf es unter anderem einer möglichen Anpassung der Items. Nichtsdestotrotz ist gerade in der generellen Wundbehandlung ein Scoringtool für den Alltag von großem Nutzen, insbesondere für Behandelnde mit geringer Erfahrung im Umgang mit akuten und chronischen Wunden.

  • Speziell zur schnellen und einfachen Indikationsstellung einer lokalen antiseptischen Wundtherapie (insbesondere für Behandelnde, die nicht auf Wundbehandlung spezialisiert sind) wurde der „Therapeutische Index für Lokale Infektionen“ (TILI, Abb. 3) entwickelt. Dieser Index differenziert in indirekte (z. B. bekannte Kardinalzeichen der Entzündung) und direkte (z. B. freier Pus) Kriterien einer lokalen Infektion und hilft bei der Entscheidung zur antiseptischen Lokaltherapie. Dabei wird insbesondere durch die Abstufung in der Interpretation eine partielle Lokalreaktion, basierend auf einzelnen Entzündungszeichen, nicht überbewertet. Hierdurch kann eine verbesserte Indikationsstellung erfolgen und therapiebedingte (exzessive und nicht indizierte Anwendung von lokalen Antiseptika), regenerationshemmende Einflüsse können reduziert werden. Der Index wurde in einer retrospektiven europäischen Kohorte an 307 Patienten validiert, wobei der Index eine hohe Sensitivität, Spezifität und Genauigkeit (je > 91 % für den Cut-off-Wert von mind. 5 Kriterien) zeigte. Allerdings wird auch hier als Limitation festgehalten, dass der Index zwar für die Anwendung bei akuten und chronischen Wunden konzipiert wurde, die Validierung bisher jedoch nur an chronischen Wunden erfolgte und somit hinsichtlich akuter Wunden noch weitere Analysen in der Zukunft ausstehen.

Tab. 2 Darstellung des Surgical Site Infection Risk Score, SSIRS (Übersetzt und modifiziert, basierend auf [41])
Abb. 2
figure 2

Wounds-at-Risk(W.A.R.)-Score zur Abschätzung der Infektionsgefährdung einer Wunde. KOF Körperoberfläche. (Modifiziert nach [10])

Abb. 3
figure 3

Therapeutischer Index für lokale Infektionen (TILI), Score zur Früherkennung von lokalen Wundinfektionen und Indikationsstellung einer lokalen antiseptischen Wundtherapie. (Modifiziert nach [11])

Der aktuelle Stand verfügbarer Scoringtools zeigt, dass weitere Bemühungen notwendig sind, um robuste Systeme zu entwickeln, welche im klinischen Alltag als Entscheidungshilfen anwendbar sind. Die Wundmedizin präsentiert dabei ein sehr heterogenes Patientenklientel und eine nahezu unübersichtliche Fülle moderner, komplexer Präventions- und Behandlungsoptionen. Insbesondere in einem solchen Versorgungsfeld stellen flächendeckende, robuste Risikoassessment- und Stratifizierungsmechanismen die Weichen für eine optimale Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Optionen. Nur so können erweiterte Präventions- und Therapiemaßnahmen über die grundlegende Basistherapie in der Wundbehandlung hinaus gezielt zum Einsatz kommen.

Präventiv handeln – Maßnahmen, Therapeutika und „neue“ Methoden

Wie in den vorherigen Abschnitten erläutert, gibt es eine Vielzahl von Risikofaktoren, aus welchen sich entsprechende Handlungsempfehlungen ableiten lassen. Insbesondere aufgrund ihrer einfachen Implementierbarkeit und Umsetzbarkeit sind allgemeine präventive Maßnahmen, wie sie durch die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) des RKI umfassend erläutert und zur Verfügung gestellt werden, wiederholt zu betonen und hervorzuheben [23]. Die Empfehlungen des RKI basieren dabei auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und decken ein breites Feld unterschiedlicher Ansätze zur potenziellen Infektionsvermeidung ab. Ein Überblick über die aktuellen Empfehlungen inklusive ihrer Einflussnahme auf das Risiko einer postoperativen Wundinfektion ist in Tab. 3 dargestellt.

Tab. 3 Einfluss prä- und perioperativer präventiver Maßnahmen auf die Rate der postoperativen Wundinfektionen, basierend auf aktuellen Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) [23]

Aufgrund des Gesamtumfangs der Empfehlungen können diese hier nicht alle einzeln im Detail behandelt werden. Insbesondere, da eine ausführliche Darstellung der einzelnen Komponenten an anderer Stelle durch die KRINKO bereits diskutiert wurde [23]. Daher sollen zwei spezifische präventive Maßnahmen und deren aktuelle Datenlage hier fokussiert werden, welche insbesondere in der unmittelbaren Entscheidung und Durchführung der Chirurgen/-innen liegen:

  • Intraoperative (antimikrobielle) Wundspülung vor Hautverschluss

  • Präventive Anwendung der Unterdruckwundtherapie (ciNPWT) auf primär verschlossene Wunden

Die Wahl dieser Fokusthemen erfolgte, neben der unmittelbaren Beeinflussbarkeit, im Falle der intraoperativen Wundspülung aufgrund der fortwährend bestehenden Diskussion zu diesem Thema bei unklarer und unzureichend aufgearbeiteter Datenlage. Hinsichtlich der präventiv angewandten Unterdruckwundtherapie bei primär verschlossenen Wunden wurde mit dieser Methodik eine in mehreren Studien belegte effektive Prävention postoperativer Wundkomplikation nachgewiesen, welche in den KRINKO-Empfehlungen noch nicht aufgearbeitet wurde, sodass eine Thematisierung hier erfolgen soll.

Ein immer wieder diskutierter, relevanter Aspekt ist die generelle und standardisierte Durchführung einer intraoperativen Wundspülung vor Hautverschluss. Trotz mehrfacher Thematisierung in der Vergangenheit [3] und der grundlegend unkomplizierten Durchführbarkeit wird diese Praxis weiterhin irregulär angewandt. Obwohl zumeist in ihrer grundlegenden Überlegung akzeptiert und insbesondere in Gruppe-III-(kontaminiert) und Gr.-V- (manifest infiziert) Operationen eingesetzt, kehren Fragen des generellen Nutzens einer intraoperativen Wundspülung, ihrer exakten Form und der verwendeten Spüllösung regelhaft wieder. Die Literatur zu dieser Thematik ist insgesamt weiterhin als unzureichend und gering zu bezeichnen, wobei der größte Anteil der Studien sich vor allem auf Wundspülung bei Laparotomien oder anderweitigen abdominellen Zugängen bezieht [2, 26, 36]. Anderweitige typische gefäßchirurgische Zugangswege (Leiste, retroperitoneal, popliteal) wurden in der Literatur nahezu gar nicht behandelt. Jedoch wurden in den letzten Jahren einige Arbeiten veröffentlicht und größere Studienvorhaben initiiert, welche die Datenlage verbessern und offene Fragen adressieren [27, 36]. Diese Studien können bereits als Grundlage für eine informierte Entscheidungsfindung in individuellen Situationen herangezogen werden. Eine Metaanalyse von Mueller et al. [26], basierend auf 35 RCTs mit 8472 Patienten, zeigte, dass in der abdominellen Chirurgie die Wundspülung vor Hautverschluss mit irgendeiner Form von Spüllösung dem Verzicht auf eine Spülung hinsichtlich der Reduktion einer postoperativen Wundinfektion signifikant überlegen ist (OR = 0,54, 95 %-CI [0,42; 0,69], p < 0,0001). Norman et al. [29] konnten diesen Effekt in einer Metaanalyse der Cochrane Collaboration nicht reproduzieren (RR = 0,87, 95 %-CI [0,68; 1,11]; p < 0,25), beide Studien zeigten jedoch einheitlich, dass im Falle einer Wundspülung die Rate postoperativer Wundinfektionen unter Verwendung antimikrobieller Spüllösungen (z. B. zugesetzte Antibiotika oder Antiseptika) signifikant geringer war im Vergleich zur Verwendung neutraler Spüllösungen (z. B. Kochsalzlösung) (RR = 0,57, 95 %-CI [0,44; 0,75]; p < 0,0001). Hinsichtlich der Verwendung neutraler Spüllösungen versus keine Wundspülung ergaben die Subgruppenanalyse bei Mueller et al. sowie eine Metaanalyse unter Beteiligung der Autoren [2, 26] keinen Vorteil für die regelhafte Wundspülung mit neutralen Spüllösungen vor Hautverschluss. Beide größeren Metaanalysen sowie ein Update der Daten von Norman et al. [39] unter Verwendung einer Netzwerk-Metaanalyse (42 RCTs mit 11.726 Patienten), um mehrere Interventionen miteinander zu vergleichen (antibiotische vs. antiseptische vs. neutrale vs. keine Spülung), geben die antibiotische Wundspülung als die effektivste Methode zur Vermeidung postoperativer Wundinfektionen an (OR = 0,44, 95 %-CrI [0,28; 0,67]), gefolgt von Wundspülung mit Antiseptika (z. B. PVP-Iod oder Polyhexanid; OR = 0,57, 95 %-CrI [0,32; 0,95]). Dabei überwiegen Studien, welche antibiotisch versetzte Spüllösungen untersuchen, während solche mit Antiseptika zumeist PVP-Iod-Lösungen analysierten. Moderne Antiseptika (z. B. Polyhexanid) wurden bis dato kaum untersucht. Außerdem verglich keine Studie direkt antibiotische mit antiseptischen Spüllösungen, sodass hier relevante Evidenzlücken bestehen. Jüngere Studien, wie der RECIPE-Trial (0,04 % Polyhexanid vs. 0,9 % NaCl) [36] oder der noch laufende IOWISI-Trial (0,04 % Polyhexanid vs. 0,9 % NaCl vs. keine Wundspülung) [27] versuchen Teile dieser Lücken aufzuarbeiten. Dabei konnte der RECIPE-Trial (Gesamt SSI-Rate 28,2 %; n = 202 Gruppe NaCl vs. n = 191 Gruppe Polyhexanid) eine signifikante Reduktion der postoperativen Wundinfektionen in der Polyhexanid-Gruppe nachweisen (21,5 % – Polyhexanid vs. 34,7 % – NaCl; p = 0,004).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die bisherige Datenlage weiterhin nicht abschließend mit absoluter Sicherheit den generellen Nutzen einer Wundspülung vor Hautverschluss belegen kann, allerdings eine klare Tendenz zu ihrem Vorteil vorherrscht. Dabei sollten, wenn eine Wundspülung erfolgt, antimikrobielle Substanzen verwendet werden, da diese gegenüber neutralen Lösungen signifikant überlegen sind. Bei der Wahl der Substanz kann zum aktuellen Zeitpunkt keine abschließende Empfehlung erfolgen, da weitere Studien hinsichtlich moderner Antiseptika (z. B. Polyhexanid) noch ausstehen. Generell wird, wenn auch in Metaanalysen als effektivste Lösung identifiziert, die Verwendung von Spüllösungen mit Antibiotika nicht mehr in der Alltagspraxis empfohlen, da dies insbesondere Antibiotikaresistenzen, lokale Irritationen und zelltoxische Nebenwirkungen fördert [3, 23]. Insbesondere da neuere Studien zu modernen Antiseptika einen guten Effekt zeigen und die Differenz in der Effektivität zwischen antibiotischen und antiseptischen Spüllösungen eher gering ist [39]. Zuletzt muss, speziell für die Gefäßchirurgie, beachtet werden, dass der überwiegende Anteil der zugrunde liegenden Studien auf abdominal-chirurgischen Eingriffen basiert und die stärksten positiven Effekte in der kolorektalen Chirurgie mit intestinaler Eröffnung zu beobachten sind. Eine direkte Übertragung der Ergebnisse auf andere Zugangswege und weniger kontaminationsgefährdete Operationsklassen ist daher nicht möglich und bedarf weiterer robuster Studien, um hier direkte Evidenz zu schaffen. Allerdings zeigen Subgruppenanalysen der bisherigen Metaanalysen auch hier eine klare Tendenz bzgl. der Reduktion postoperativer Wundinfektionen durch die Verwendung antimikrobieller Wundspülung in Gruppe-I- (nicht kontaminiert) und Gruppe-II-(sauber kontaminiert) Eingriffen [29].

Keineswegs endet das Thema des Einsatzes von Medizinprodukten zur Vorbeugung postoperativer Wundinfektionen beim intraoperativen Einsatz von Wundspüllösungen. Auch die primäre Anwendung spezieller Wundauflagen nimmt einen zunehmenden Stellenwert ein. Dabei hat in den letzten Jahren insbesondere eine spezifische Therapieform ihre Evidenzbasis deutlich ausgebaut: das Inzisionsmanagementsystem bzw. die „closed incisional negative pressure wound therapy“ (ciNPWT). Hierbei handelt es sich um spezifische NPWT-Systeme, welche auf primär verschlossene chirurgische Wunden aufgebracht werden, um postoperative Wundkomplikationen, insbesondere in hoch gefährdeten Patientengruppen zu verhindern. Eine ausgiebige Literaturrecherche ergab insbesondere in den letzten fünf Jahren einen deutlichen Anstieg der Publikationen zu dieser Thematik in allen chirurgischen Disziplinen. Dabei ist der durchgehende Tenor zunehmend positiv. Während die Studienergebnisse initial noch uneinheitlich waren [22], zeigen mittlerweile verfügbare, aktuelle Metaanalysen über mehrere chirurgische Disziplinen hinweg insbesondere bei Risikopatienten und zur Reduktion postoperativer Wundinfektionen eine signifikante Reduktion der Infektionsraten im Vergleich zur Standardtherapie [30, 34]. Dabei erzielten die analysierten RCTs eine signifikante Reduktion der postoperativen Wundinfektionsrate um 5 bis 8 Prozentpunkte und die Metaanalyse von Saunders et al. identifizierte eine „Number needed to treat“ von 20 [4, 34]. Spezifisch für gefäßchirurgische Zugangswege und Operationen konnten aktuelle Studien und Metaanalysen mit signifikanter Reduktion der postoperativen Wundinfektionsrate für Leistenzugänge [5, 18], periphere Bypasschirurgie [13], Majoramputationen [6] und generell vaskuläre Chirurgie [35, 42] aus den letzten drei Jahren identifiziert werden. Hinsichtlich weiterer postoperativer Wundkomplikationen (z. B. Dehiszenz, Serom, Nekrosebildung) ergibt sich bisher kein so eindeutig positives Bild wie bei Wundinfektionen: Während einzelne Metaanalysen [34], die mehrere chirurgische Disziplinen überspannen, eine signifikante Reduktion weiterer Wundkomplikationen abbilden können, zeigte der Großteil der verfügbaren Metaanalysen [4, 5, 30] zwar einen positiven Trend, jedoch keine Signifikanz. Neben weiteren größeren Studien wäre insbesondere hier eine genauere Stratifizierung der Patientenkollektive in besonders risikobehaftete Patienten in der Allokation in eine interventionelle (ciNPWT) und eine Kontrollgruppe (Standardtherapie) sinnvoll, um die genaue Stellung der ciNPWT bei weiteren Wundkomplikationen über die postoperative Wundinfektion hinaus klarzustellen. Der besondere Nutzen für Risikogruppierungen zeigt sich auch anhand von RCT wie dem WHIST-Trial [7], welcher keinen signifikanten Unterschied der postoperativen Wundinfektionsrate unter ciNPWT-Anwendung zeigte (5,8 % – ciNPWT vs. 6,7 % – Kontrolle). Hier erfolgte die Analyse von ciNPWT bei Patienten, die eine operative Versorgung von Frakturen der unteren Extremität nach großem Trauma erhielten. Im Vergleich zum durchschnittlichen gefäßchirurgischen Patienten handelte es sich hierbei allerdings um ein deutlich jüngeres Patientenkollektiv (ca. 36 % < 4 Jahren) mit nur wenigen Vorerkrankungen und Risikofaktoren. Diese Daten deuten zusätzlich darauf hin, dass bei der Anwendung der ciNPWT ein risikostratifizierter Ansatz mit gezielter Anwendung in gefährdeten Patientengruppen den medizinisch und ökonomisch sinnvollsten Ansatz repräsentiert. Hinsichtlich der generellen Kosteneffizienz, welche regelhaft einen Diskussionsfaktor gegen die Verwendung der ciNPWT darstellt, konnten aktuelle Analysen zeigen, dass durch das verminderte Auftreten postoperativer Komplikationen insgesamt eine Kostenreduktion durch die Verwendung der ciNPWT erreicht werden konnte [28, 43]. Dieser Effekt kann noch deutlicher beobachtet werden, wenn eine gezielte Anwendung bei Risikogruppierungen erfolgt.

Risikostratifizierte Infektionsprävention – gezielte nächste Schritte

Präventive Strategien nehmen einen großen Stellenwert in der Bekämpfung nosokomialer Infektionen ein. Im Falle der postoperativen Wundinfektion haben umfassende Surveillance-Programme nicht nur zu einer erhöhten Aufmerksamkeit für die Thematik geführt, sondern auch effektive strukturelle und grundlegende Strategien befördert, die in einem kontinuierlichen Rückgang der Infektionsraten resultierten. Die nächsten Schritte zur weiteren Reduktion sind gezielterer Natur und umfassen, wie hier dargestellt, insbesondere die Entwicklung robuster und akkurater Risikostratifizierungsansätze, um gefährdete Patienten korrekt und frühzeitig zu identifizieren und in diesem Bereich die zielgerichtete, individualisierte Medizin respektive Prävention voranzubringen. Hierfür bieten Tools wie die vorgestellten Scoringsysteme (SSIRS, WAR, TILI) hohes Potenzial und sollten in Zukunft weiter verfeinert und validiert werden. Dadurch können gezielte präventive Maßnahmen wie die ciNPWT oder die Durchführung antimikrobieller Wundspülungen effektiver eingesetzt und ihr volles Potenzial ausgeschöpft bzw. flächendeckender in den klinischen Alltag integriert werden. Die ciNPWT stellt hierfür unter den Gesichtspunkten der aktuellen Studienlage mittlerweile eine erwiesene, kosteneffiziente Maßnahme zur Reduktion vermeidbarer Wundinfektionen dar.

Die Zukunftsvision skizziert sich dann insofern, als unsere Patienten zusätzlich zu grundlegenden infektionspräventiven Maßnahmen anhand robuster Scores standardisiert auf ihr Risiko geprüft werden und bei bestimmten Risikokonstellationen die Allokation in gezielte Präventionsbündel (z. B. ±antimikrobielle Spülung, ±ciNPWT postoperativ) erfolgt, auf dass der Trend in der Reduktion postoperativer Wundinfektionen beibehalten wird.

Fazit für die Praxis

  • Postoperative Wundinfektionen zeigen einen abnehmenden Trend. Die Inzidenz liegt in der Gefäßchirurgie allerdings nach wie vor zwischen 8 und 11 % und steht mit 22,4 % unter den Top 3 der nosokomialen Infektionen.

  • Der Surgical Site Infection Risk Score (SSIS), Wounds-at-risk-Score oder der therapeutische Index für lokale Infektionen (TILI) stellen potenzielle Scores zum Risikoassessment und zur Stratifizierung von Patienten dar, bedürfen jedoch weiterer Validierung.

  • Präventionsmaßnahmen, wie die Empfehlungen der KRINKO, sind Grundlage des Erfolgs aktueller Trends und stellen die Basis der Prävention postoperativer Wundinfektionen dar.

  • Antimikrobielle Spüllösungen sind neutralen und keiner Spülung bei der intraoperativen Wundspülung vor Hautverschluss überlegen. Die aktuelle Datenlage bedarf jedoch weiterer Differenzierung und Studien im Bereich gefäßchirurgischer Eingriffe.

  • Die Verwendung spezieller Inzisionsmanagementsysteme (ciNPWT) bei gefäßchirurgischen Eingriffen reduziert insbesondere bei Risikopatienten signifikant das Risiko postoperativer Wundinfektionen und kann weitere Wundkomplikationen verhindern.