1 Einleitung

Im Zuge des durch die FFG geförderten Forschungsvorhabens „Faserbetontübbinge“ ist die Idee aufgekeimt, Tübbinge mittels Faserspritzbeton herzustellen und anschließend einem Großversuch am Tübbingprüfstand der Montanuniversität Leoben zu unterziehen. Der Grundgedanke dazu ist dadurch begründet, dass Spritzbeton meist mittels EFNARC-Plattenversuch auf dessen Tragfähigkeit hin untersucht und bewertet wird. Dieser Versuch ist für die geforderte Nachweisführung ausreichend, aber in Anbetracht zu den tatsächlich vorherrschenden Beanspruchungen einer Tunnelinnenschale möglicherweise als etwas abstrakt zu bewerten. Anhand dieser Mutmaßung sollen im Zuge der vorliegenden Forschungstätigkeit Versuchstübbinge aus Faserspritzbeton hergestellt und einer kontrollierten biaxialen Belastung im Realmaßstab am Prüfstand in Niklasdorf unterzogen werden.

Die Realisierung dieses Vorhabens stellte sich bereits zu Beginn als sehr fordernd dar, da die Herstellung eines einwandfreien Faserspritzbetontübbings zahlreiche Probleme mit sich bringt. So wurden im Zuge der Versuche mehrere Möglichkeiten zu Tage gefördert, um beispielsweise Maßnahmen zur Reduktion von Rückprall oder der Minimierung von Spritzschatten in Folge der zahlreichen Einbauten der Tübbingsegmente treffen zu können.

Angelehnt an die europäische EFNARC-Richtlinie für Spritzbeton zur Herstellung von Versuchskörpern für den Plattendruckversuch, wurden die Spritzbetontübbinge identisch zur Bauausführung untertage im Zuge eines aktiven Tunnelvortriebs hergestellt [1]. Zu diesem Zweck wurde eine Tübbingschalung für den Versuchszeitraum einer aktuellen Tunnelbaustelle zur Verfügung gestellt und im Verzweigungsbereich circa 100 m hinter der zum Zeitpunkt der Versuchsdurchführung situierten Ortsbrust positioniert. Für den Transport der Tübbinge nach Niklasdorf zum Großprüfstand wurde eine spezielle Vorrichtung aus Holzbalken verwendet, damit dieser keine überkritischen mechanischen Belastungen in Folge des Transportvorgangs erfährt. Nach 28 Tagen ab dem Herstellungsdatum wurden die Faserspritzbetontübbinge mit der in Niklasdorf zur Verfügung stehenden Testfacility geprüft und die entstandenen Bruchflächen analysiert. Die aus den ersten Versuchen gewonnenen Erkenntnisse wurden direkt in Maßnahmen zur Optimierung der Tübbingherstellung überführt und umgehend bei den letzten beiden Tübbingen umgesetzt.

Der Vergleich der Versuchsergebnisse zeigt den Erfolg der getroffenen Maßnahmen, jedoch ist der Gesamterfolg des Grundgedankens als kritisch zu bewerten. Anhand der Analyse der Belastungsversuche kann festgehalten werden, dass die Herstellung solch großer Probekörper in einer handelsüblichen Tübbingschalung mittels Spritzbeton nicht makellos umsetzbar ist.

2 Herstellung Faserspritzbetontübbinge

Zur Herstellung der Versuchskörper wurde eine gebrauchte Tübbingschalung mit der Bezeichnung „A1-12“, welche ursprünglich am Baulos KAT2 am Koralmtunnel erfolgreich eingesetzt wurde, auf eine Tunnelbaustelle transportiert und entsprechend der örtlichen Gegebenheiten und Platzverhältnissen im Verzweigungsbereich, welcher sich zum Zeitpunkt der Herstellung der Probekörper circa 100 m im Anschluss der Ortsbrust befand, platziert.

Die Benennung der Tübbinge setzt sich aus der Kurzbezeichnung des verwendeten Betons, der Abkürzung „T“ stellvertretend für Tübbinge und einer fortlaufenden Nummerierung zusammen. Der erste untertägig hergestellte Faserspritzbetontübbing mittels Makro Kunststofffasern trägt somit die Bezeichnung „FRSpC-T1“.

Der Faserspritzbeton wurde ident zur örtlichen Bauausführung vom Mischwerk angeliefert und mittels Spritzbeton-Manipulator, wie in Abb. 1 ersichtlich, in die Tübbingschalung eingebracht. Es handelt sich dabei um einen Spritzbeton FRSpC 25/30 mit 5 kg/m3 Makrokunststofffasern der Type PM 54/800 von KrampeHarex. Vor Betonierbeginn wurde die Schalung gründlich gereinigt und eingeölt. In Abb. 1 ist die Schalung und der Spritzbetoneinbau im Verzeweigungsbereich ersichtlich. Die Tübbingsegmentstärke von 35 cm wurde dabei in zwei Lagen aufgebracht und die Dosierung des Beschleunigers am Spritzbeton-Manipulator mit 5 % eingestellt. Der Einsatz einer Vakuumplatte zum Abheben der erhärteten Tübbinge aus der Schalung wurde aufgrund der charakteristischen Spritzbetonoberfläche und der daraus reduzierten Hubkraft als nicht möglich bewertet. Somit wurden zwischen der ersten und zweiten Spritzbetonlage handelsübliche Ankerstangen inklusive Kopfplatten mit in den Tübbing eingespritzt, um diesen nach dem Erhärten von der Schalung abheben zu können. Die somit hergestellten Anschlagpunkte wurden so angeordnet, dass das durch den Hebevorgang eingeleitete Biegemoment, welches infolge des Eigengewichts von circa 8 to resultiert, möglichst gering gehalten wurde. Somit erfolgte dadurch auch kein Einfluss auf die anschließende Versuchsdurchführung.

Abb. 1
figure 1

Herstellung der Faserspritzbetontübbinge

Die Tübbinge wurden nach dessen Herstellung gegen Feuchtigkeitsverlust durch abdecken geschützt und sind im Anschluss daran nach Niklasdorf zum Prüfstand transportiert worden. Bei der Anlieferung des Tübbings „FRSpC-T1“ wies dieser bereits einen über 95 % der gesamten Bauteilhöhe verlaufenden Riss auf (Abb. 2). Bei der Vorbereitung des Tübbings hat sich dieser Riss noch vor dem Einbau infolge des Zusatzgewichtes der Tübbingschuhe von selbst durch das gesamte Bauteil fortgepflanzt. Aufgrund dieses Ereignisses war es nicht mehr möglich, den Tübbing als Ganzes sicher mit dem Hallenkran zu manipulieren und eine Versuchsdurchführung konnte somit nicht mehr bewerkstelligt werden.

Abb. 2
figure 2

Riss über die gesamte Tübbinghöhe von FRSpC-T1

Aufgrund dieses Ereignisses und den nicht überragenden Ergebnissen des zweiten Versuchstübbings wurde eine Reihe an Anpassungsmaßnahmen bei der Versuchstübbingproduktion untertage vorgenommen.

So sind die beiden Tübbinge „FRSpC-T3“ und „FRSpC-T4“ nach dessen Herstellung für zumindest für 14 Tage in der Schalung verblieben, die Beschleunigermenge auf ein Minimum von 3 % reduziert und alle nicht für den Versuch notwendigen Einbauteile (Schraubendurchführungen etc.) entfernt. Auch das Spritzschema wurde dahingehend abgeändert, dass der Spritzbetonauftrag entlang der Ringfuge anstelle der Längsfuge geführt wird. Diese Maßnahme erforderte ein außerordentlich hohes Maß an Fertigkeiten des Düsenführers im Umgang mit dem Spritzbeton-Manipulator, welche jedoch zu vollster Zufriedenheit umgesetzt werden konnten. All diese Maßnahmen sollen Fehlstellen im Tübbing infolge der dadurch verminderten Spritzschatten und anfallenden Menge an Rückprall reduzieren.

Die im Zuge des Forschungsvorhabens hergestellten Tübbinge sind in Tab. 1 aufgelistet.

TABELLE 1 Übersicht Versuchstübbinge

3 Versuchsaufbau

Die Versuche zur Verifizierung des Trag- und Verformungsverhaltens der Tübbinge wurden am Tübbingprüfstand in Niklasdorf durchgeführt. An diesem Prüfstand sind biaxiale Versuche mit baustellenkonformen Tübbingen im Realmaßstab durchführbar. Durch den modularen Aufbau ist das Prüfen von unterschiedlichen Tübbinggeometrien und -abmessungen möglich [2].

Der Tübbingprüfstand (Abb. 3) besteht aus zwei Hauptträgern (1), die auf zwei Stahlbetonauflagern mittels Einrollenkipplager gelagert sind. Auf diese sind Los- (2) und Festlager (3) mit Schraubverbindungen fixiert. Durch den modularen Aufbau – verschiebbare Lager – sind Versuche an Tübbingen mit unterschiedlichen Sehnenlängen möglich. Die Vertikalkräfte werden über zwei je 1 MN starke Hydraulikzylinder (4) mittels Zugstangen (5) auf das Querhaupt (6) übertragen. Die horizontale Kraftaufbringung erfolgt über zwei je 2 MN starke Hydraulikzylinder (7). Alle Hydraulikzylinder haben eine maximale Hublänge von 200 mm und werden einzeln angesteuert. Als Bindeglied zwischen dem zu testenden Tübbing und Prüfstand fungieren die sogenannten Tübbingschuhe (8). Die Steuerung erfolgt über eine SPS (speicherprogrammierbare Steuerung) mit überlagerter Kraftregelung je Zylinder. Die Krafterfassung erfolgt über Differenzdruckmessung und Kraftmessdosen an den Zylindern. Die Zylinderwege werden über LVDTs (Linear Variable Differential Transformer) bzw. Lasersensoren erfasst.

Abb. 3
figure 3

Tübbingprüfstand mit Hilfs- und Betriebseinrichtungen [2]

4 Messkonzept der Tübbingdeformation und Zylinderkräfte

Die nachfolgende Grafik (Abb. 4) zeigt das allgemeine Messkonzept für die Deformationsmessung am Tübbingprüfstand und die Positionen dieser Sensoren an der Tübbingunterseite.

Abb. 4
figure 4

Messkonzept Tübbinggroßversuche [2]

Zur Messung der Vertikaldeformationen wurden jeweils fünf Seilzugsensoren in zwei Reihen (Abb. 5) angebracht. Die Benennung beginnt mit der Reihennummer gefolgt von der Sensornummer. Zum Beispiel ist „1.1“ der Sensor in der ersten Reihe in der Nähe des Loslagers. Die Maßangabe der Abstände der Seilzugsensoren erfolgte von der Tübbingmitte aus von den Sensoren 1.3 bzw. 2.3, welche genau in der Symmetrieebene des Tübbings platziert werden.

Abb. 5
figure 5

Sensorlayout der Seilzugsensoren [3]

Die Messseile für die Seilzugsensoren werden über spezielle Kunststoffplatten am Tübbing befestigt. Hierfür wird die Klebestelle vorab angeschliffen und mittels technischen Alkohols gesäubert und entfettet. Anschließend erfolgt das Kleben der Kunststoffplatten mithilfe eines Zweikomponentenepoxidharzes. Die Seilzugsensoren sind auf einer Schiene am Hallenboden verankert und werden mithilfe eines Senklotes unter den aufgeklebten Kunststoffplatten ausgerichtet. Durch diesen Messaufbau ist die Bestimmung der Absolutverformungen des Tübbings in vertikaler Richtung möglich.

Die Relativdurchbiegung (rd) der Messpunkte wird mit Hilfe von zwei Geradengleichungen (balance line) durch die Messsensoren 1.1 und 1.5 bzw. 2.1 und 2.5 und den Abständen zwischen den Seilzugsensoren ermittelt (Abb. 5). Hierdurch ergibt sich ein Korrekturwert (cv) für die jeweiligen Sensoren.

Für die Kraftmessung am Tübbingprüfstand wurde ein redundantes System mit Differenzdruckmessung der Hydraulik für jeden Zylinder als auch eine Kraftmessdose an jeder Einzelachse verbaut. Durch die Anordnung der Kraftmessdosen direkt am Querhaupt und zwischen Schlitten und Horizontalzylinder werden bei diesen die Reibungskräfte der Zylinder nicht erfasst. Daher werden für alle Auswertungen die mittels Kraftmessdosen aufgezeichneten Messwerte verwendet.

5 Vergleich der Versuchsergebnisse

Um die Auswertung der Versuchsergebnisse und den anschließenden Vergleich zwischen den Spritzbetontübbingen zu ermöglichen, werden ähnlich zu den bereits vorab untersuchten Tübbingen und wie in [4] dargestellt, die aufgenommenen Kräfte bzw. das daraus resultierende Moment in der Symmetrieebene des Tübbings und die jeweiligen dazugehörigen Verformungen herangezogen. Hierfür werden mithilfe der aufgebrachten Vertikal- und Horizontallasten (FVZ, FHZ) und der Geometrie des Tübbings das Biegemoment in der Symmetrieebene des Tübbings bestimmt.

Als Versuchsprogramm wurden gemäß Abb. 6 folgende Laststufen der Prüfmaschinensteuerung vorgegeben.

Abb. 6
figure 6

Belastungskollektiv von FRSpC-T3 mit Kennzeichnung der Versagenszeitpunktes (rot)

Zur Gewährleistung von reproduzierbaren Belastungsszenarien und der besseren Vergleichbarkeit der jeweiligen Versuche erfolgt der Ablauf, im Gegensatz zu der in der Norm beschriebenen Verformungsrate [5], kraftgesteuert. Die Horizontalkraft wurde zu Versuchsbeginn etwas reduziert, um keine negativen Momente im Tübbing zu initiieren. Bei Erreichen von 100 kN wurde die Horizontalkraft konstant gehalten. Diese spezielle Art der Versuchssteuerung ist einem Tübbingring mit nicht ausreichender Bettung nachempfunden.

Bei allen Versuchen kam es zum Versagen durch einen maßgebenden Riss in der Mitte des Tübbings; die beobachtete Verformungskinematik war bei allen Tübbingen annähernd gleich. Somit kann die Durchbiegung in der Tübbingmitte für Vergleiche der Versuche herangezogen werden.

Im Diagramm (Abb. 7) sind die relativen Vertikalverformungen gemessen mit dem Seilzugsensor Nr. 1.3, korrigiert mit der Ausgleichsrechnung, über das Biegemoment dargestellt.

Abb. 7
figure 7

Moment über Durchbiegung aller Versuche

Aus dem Vergleich geht deutlich hervor, dass die Versuchsergebnisse des Tübbings „FRSpC-T2“ nicht für weiterführende Bewertungen herangezogen werden kann. Durch die optimierte Herstellung von Tübbing „FRSpC-T3“ und „FRSpC-T4“ konnten etwas bessere Ergebnisse mit geringer Streuung erzielt werden. Es ist deutlich die Erstrissbildung erkenntlich und der anschließende, für Kunststofffasern typische, Abfall des aufgenommenen Biegemoments. Nach der Aktivierung der Kunststofffasern erhöht sich dieses wiederum kurzzeitig, fällt jedoch im Nachbruchbereich bei zunehmender Durchbiegung und dadurch einhergehender wachsender Rissöffnungsbreite sehr schnell und steil ab.

6 Ausblick

Generell wird festgehalten, dass die Methode „Herstellen eines Tübbings mittels Spritzbeton“ als sehr schwierig zu bewerten ist, da handelsübliche Tübbingschalungen hierfür definitiv nicht geeignet sind. Der infolge des Betonspritzens auftretende Rückprall sammelt sich vorwiegend in den Schalungsecken, welcher in weiterer Folge nicht mehr ausreichend in die Matrix eingebunden werden kann und somit zahlreiche Fehlstellen erzeugt. Zusätzlich sind durch die unterschiedlichen Einbauten und Aussparungen des Tübbings Spritzschatten nicht vermeidbar. Die Kombination dieser Ursachen führt zwangsweise zu Imperfektionen des Bauteils, welche sich in den Versuchsergebnissen zum Teil widerspiegeln. Durch die Optimierungsmaßnahmen bei der Tübbingherstellung konnten deutlich bessere Ergebnisse erzielt werden. Das typische Verhalten von kunststofffaserverstärktem Spritzbeton kann im Allgemeinen beobachtet werden.

Das Ziel dieser Forschungsidee, Standartversuche am Spritzbeton mittels eines Tübbinggroßversuchs zu vergleichen beziehungsweise dessen Aussagekraft zu bewerten, ist aus Sicht des Verfassers nicht möglich, da eine Herstellung von makellosen Tübbingen aus Spritzbeton in einer gewöhnlichen Tübbingschalung praktisch nicht umsetzbar ist.