1 Einleitung

Mit fortschreitender Technologie und der zunehmenden Digitalisierung gewinnen selbststeuernde Systeme immer mehr an Bedeutung. Diese sind mit Sensoren ausgestattet, die untereinander vernetzt sind und Echtzeitdaten erfassen, mit welchen neben einer stetigen Optimierung von Prozessschritten auch eine effizientere Nutzung der Apparate sowie ein energieoptimierter Betrieb erreicht werden kann.

In der Aufbereitungstechnik zählen Zerkleinerungsapparate zu den energie- und verschleißintensivsten Aggregaten, in deren Betrieb, vor allem in nasser Betriebsweise, eine Reihe von Parametern in teils komplexer Wechselwirkung Einfluss auf den Zerkleinerungserfolg nehmen. Können diese Einflüsse und Wechselwirkungen mathematisch beschreibbar gemacht werden, bietet sich großes Potenzial für die Entwicklung und Implementierung neuer effizienter Systeme, welche die Lenkung und Automatisierung der Apparate im Sinne eines energieoptimierten Betriebes, gewährleisten.

Im Zuge aktueller Forschungsprojekte der von Böhm geleiteten Arbeitsgruppe „Erz- und Schlackenaufbereitung“ des Lehrstuhls für Aufbereitung und Veredlung wurde in Kooperation mit der Firma CEMTEC Cement and Mining Technology GmbH (nachfolgend mit CEMTEC abgekürzt) eine semimobile, containerbasierte Pilotanlage gebaut. Zentrales Element hierbei ist eine nassbetriebene Rührwerkskugelmühle.

2 Projektziel

Im Rahmen des Dissertationsvorhabens soll ein Datenbanksystem aufgebaut werden, in welches vorerst für mahltechnisch bekannte Rohmaterialien zeitbezogen Betriebs- und Produktkennwerte aufgenommen werden, um rohgutbezogen eine Regelung für den energieoptimierten Betrieb der Rührwerkskugelmühle, bei einer definierten Produktdispersität aufbauen zu können. Die Korrelation der Daten aus Trübe- und Materialeigenschaften eingestellten Mahlparametern und Produkt- sowie Aufgabekenngrößen soll zu einem Modell führen, das ein energieoptimiertes Mahlen, ausgehend von einer bekannten Aufgabedispersität hin zu einer Produktdispersität, ermöglicht. Im Rahmen der Arbeit wird ein cloudbasiertes Datenbanksystem aufgebaut, dessen Daten die Ableitung eines physikalischen Simulationsmodells der Mühle ermöglichen soll (Digital Twin). Die Simulationsergebnisse werden zeigen, ob das Modell alleine oder parallel mit Regelalgorithmen auf Basis des Reinforcement Learnings (Maschinelles Lernen) für die Regelung herangezogen werden kann.

3 Stand der Technik

Für das K1-Met Projekt „Utilization of steelmaking slags“ wurde auf Initiative von A. Böhm für den Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung eine containermobile Mahlanlage angeschafft, deren Kern eine Rührwerkskugelmühle ist (Abb. 1). Das Nettomahlvolumen der Mühle beträgt 13,5 l. Das Rührwerk, ausgeführt als Sternrührer mit je 6 Pins in 4 Lagen und zugehörigen Gegenpins, wird von einem 7,5 kW Elektromotor angetrieben. Bei einer Maximalkorngröße der Aufgabe von 2 mm, kann eine Nenndurchsatzleistung zwischen 30 und 400 kg/h erzielt werden. Die erzielbare Produktfeinheit ist abhängig von den eingesetzten Mahlkugeln, den gewählten Einstellparametern sowie dem Mahlgut und reicht bis in den einstelligen Mikrometerbereich. Die Aufgabe auf den Mahlprüfstand erfolgt in Form einer Trübe – in Sonderfällen ist auch die Aufgabe von trockenem, sprödem Feststoff 100 % < 0,2 mm möglich. Mittels Aufgabetrübe kann ein kontinuierlicher Mahlprozess realisiert werden, während der Feststoff nur im satzweisen Betrieb verarbeitet werden kann.

Abb. 1
figure 1

Gesamtansicht der Mahlanlage im Innenraum des Containers

Durch die umfangreiche Ausstattung mit modernster Sensorik wird der Betriebszustand der Mühle, der Mahltrübe und die Dispersität des Mahlproduktes erfasst bzw. der halbautomatisierte Betrieb ermöglicht. So kann der aufgabeseitige 400 l Stahltank in Verbindung mit einem Coriolis-Durchflussmesser zur Herstellung einer Aufgabetrübe mit definierter Feststoffvolumenkonzentration verwendet werden. Hierbei wird die Trübe aus dem Tank durch den Coriolis-Sensor und wieder zurück in den Tank, im Kreis geführt. Durch manuelle Feststoff- und automatische Wasserzugabe – mittels eines Durchflussmessers – kann die gewünschte Feststoffvolumenkonzentration hergestellt werden. Zusätzlich zum Coriolis-Durchflussmesser ist aufgabeseitig ein Druckmesser verbaut. Der Mühlenüberlauf wird im Produkttank, einem weiteren 400 l Stahltank gesammelt, bei dessen Austrag zwischen zwei Pumpen – einer Schlauchquetschpumpe oder einer Exzenterschneckenpumpe – gewechselt werden kann. Mit der Schlauchquetschpumpe kann die Trübe im Kreis zurück in den Aufgabetank gefördert, oder aus dem System ausgeschleust werden. Mit der Exzenterschneckenpumpe kann, im Zusammenspiel mit einem weiteren Coriolis-Durchflussmesser und einem Druckmesser, die Aufgabe auf den Hydrozyklon erfolgen. Dabei wird der Zyklon-Überlauf aus dem System ausgeschleust und der Unterlauf entweder in den Aufgabetank zurückgeführt, oder auch ausgeschleust. Auf beiden Stahltanks ist neben Füllstandssensoren jeweils ein 2,2 kW Rührwerk verbaut, mit dem die Trübe in Bewegung gehalten wird [1].

Im Jahr 2021 wurde die Forschungsmühle um ein für den nassen Anwendungsbereich konzipiertes Online-Korngrößen-Messinstrument von CEMTEC erweitert. Hierbei handelt es sich um das Cemtec-Online-Particlesize-Measurement-System (nachfolgend mit CEOPS bezeichnet), welches mit dem Messsystem Insitec von Malvern ausgestattet ist und nach dem Prinzip der Laserbeugungstechnologie Korngrößen im Bereich von 0,1 bis 1000 µm messen kann. Das CEOPS-System wird vom Austrag des Produkttanks durch die Schlauchquetschpumpe gespeist und liefert Echtzeitdaten, welche in Form einer Korngrößenverteilung am HMI (Human Machine Interface) dargestellt werden können (Abb. 2). Durch die Erweiterung um dieses System kann – bei bekannter Aufgabekorngrößenverteilung – die Veränderung der Dispersität des Mahlguts analysiert werden, welche das zentrale Steuerelement des Prozesses darstellt.

Abb. 2
figure 2

CEOPS-System der Firma CEMTEC mit zwei Auszügen vom HMI; Zoom A zeigt das Prozessschaubild während des laufenden Betriebs; Zoom B zeigt die Online-Korngrößenverteilung, basierend auf den ermittelten Echtzeitdaten, die während des Betriebs angezeigt werden kann

Zusätzlich zur Erweiterung um das CEOPS-System wurde im Forschungsprojekt „Smart Grinding“ (Forschungspartner: CEMTEC und das Linz Center of Mechatronics (LCM)) eine Datenbankstruktur auf einem eigenen OPC-UA-Server implementiert, mit der es möglich ist, sämtliche Daten des gesamten Prozesses cloudbasiert zu speichern und jederzeit abzugreifen. Die Basis der Datenbankstruktur stellt die erweiterbare Open-Source-Plattform Kubernetes dar. Kubernetes ist eine portable, erweiterbare Plattform, mit der containerisierte Arbeitslasten verwaltet werden können [2]. Der OPC-UA-Server bezieht die sekündlich übermittelten Daten der Rührwerkskugelmühle, an die auch das CEOPS-System angeschlossen ist, und lädt diese in den OPC-UA-Client, der den ersten Container in der Datenbankstruktur darstellt. Gespeichert werden die Daten in einer SQL-Datenbank, auf die der User Zugriff hat und anhand von SQL-Befehlen Echtzeitdaten abrufen kann.

4 Einsatzmöglichkeiten der Mühle

Neben dem Einsatz zur Herstellung von Produkten im Ausmaß von 30 bis 400 kg/h feinstgemahlenen Produkts mit Dispersitäten bis in den einstelligen Mikrometerbereich dient die Mühle zur Ermittlung von Auslegungsparametern für industrielle Rührwerkskugelmühlen. Übergeordnetes Ziel der Dissertationsarbeit ist es, mit Hilfe eines Simulationsprogrammes die Grundlage für einen automatisierten Programmablauf zu schaffen, der für eine im Zerkleinerungsverhalten unbekannte Rohgutart, bei definierter Aufgabedispersität, eine vorab festgelegte Zieldispersität, bei geringstmöglichem Energieverbrauch erzielt.

Ein weiteres Anwendungsgebiet der Mühle ist deren Verwendung als Rührreaktor (chemisches Reaktionsgefäß) im Bereich der Schlackenaufbereitung (Projekt K1-Met: Utilization of metallurgical slags, Projekt 1.2). Hierbei wird Wasser durch ein wässriges Lösungsmittel ersetzt, welches für Laugungs- und Lösevorgänge eingesetzt wird. Ziel ist es, durch die reibende Beanspruchung der Mühle kontinuierlich frische Reaktionsoberflächen zu schaffen bzw. bereits vorhandene Reaktionsprodukte von den Oberflächen abzureiben.

5 Ausblick

Das Simulationsprogramm, das eine mathematische Abbildung des Mahlvorganges mit der Rührwerkskugelmühle darstellt (Digital Twin), wird auf Basis der Analyse von Datensätzen aus der Datenbank erarbeitet, die aus Versuchsprogrammen, die speziell für diesen Zweck konzipiert wurden, generiert werden. Rohstoffe wie Dolomit, Spateisenstein und Schlacke sind für diesen Zweck bereits vorbereitet.

Die Rührwerkskugelmühle bildet dabei nur eine spezielle Lösung eines breiter aufgestellten Mahlmodells, dessen Module für unterschiedliche Aufgabenstellungen parametriert werden können und dessen Basis nach bisherigen Überlegungen auf einem fünf-parametrigen „population balance“-Ansatz beruht. Die erste Version des Konzeptes wird bewusst transparent auf Excel-Basis aufgebaut, in der einzelne Rechenroutinen in VBA (Visual Basic for Application) programmiert werden. Der Verlust an Programmierkomfort (der oft zu Lasten der allgemeinen Verständlichkeit geht) wird dabei bewusst in Kauf genommen. Dies dient unter anderem dazu, die Lehrveranstaltung „Computerunterstützte Planung von Aufbereitungsprozessen“ zu unterstützen, um die Notwendigkeit der mathematischen Durchdringung und das Verständnis für allfällige Probleme aus unterschiedlichen verfügbaren Rechenmaschinen (vgl. EXCEL-Solver) zu stärken.