In der Schmerzforschung herrschte für Jahrzehnte ein Kampf der Ideen zu den Entstehungsmechanismen von chronischen Schmerzen. Dabei schwang das Pendel über Jahrzehnte hin und her zwischen peripher und zentral oder zwischen somatisch und psychisch [1, 2]. Zum Glück setzt sich mehr und mehr das Konzept durch, dass sich periphere und zentrale Schmerzmechanismen gegenseitig beeinflussen und so gemeinsam – mit unterschiedlicher Gewichtung bei einzelnen Patienten – das Schmerzgeschehen bestimmen [3]. Insofern war es ein wesentlicher Fortschritt, dass mit der Einführung der Diagnose „Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren“ (F45.41 der Deutschen Version der 10. Revision der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 2009) den klinisch relevanten Entstehungsmechanismen Rechnung getragen wurde. Man könnte sogar behaupten, dass in diesem Fall die Klinik im praktischen Umgang mit dieser Codierung der Forschung in gewisser Weise eine Nasenlänge voraus war.

Wie allerdings angesichts der komplexen Interaktionen zu erwarten, ergaben sich trotz der Erarbeitung von nachprüfbaren Operationalisierungskriterien [4] bei der praktischen Umsetzung Probleme und Unschärfen, die z. B. die Anerkennung der Diagnose durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen erschweren. Um in dieser Situation Abhilfe zu schaffen, hat die Ad-hoc-Kommission Multimodale interdisziplinäre Schmerztherapie der Deutschen Schmerzgesellschaft ein Formular erarbeitet [6], das die Kriterien zur Erfüllung der Diagnose F45.41 abfragt und so dem Behandelnden ein Hilfsmittel an die Hand gibt, das einerseits die Diagnosestellung erleichtert, aber auch die Indikation zur interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie nahelegt.

Die Deutsche Schmerzgesellschaft versteht sich als Plattform, die klinische Aspekte von Diagnose und Therapie von Patienten mit Schmerzen und die wissenschaftlichen Fragestellungen von der Epidemiologie bis hin zu Mechanismen verbindet. Obwohl der vorgestellte Fragebogen zunächst nur die „Niederungen“ der Dokumentation und Administration zu betreffen scheint, sind die Terminologie und Klassifizierung [5] für die Entwicklung von Krankheitskonzepten von elementarer Bedeutung. Insofern hat die erfolgreiche Arbeit an diesem Fragebogen nicht nur ein praktisches Hilfsmittel hervorgebracht, sondern kann auch zur klareren Differenzierung von Schmerzerkrankungen beitragen. Zusätzlich zu den administrativen und abrechnungstechnischen Aspekten erhöht diese Differenzierung aber auch die Qualität von wissenschaftlichen Projekten, z. B. in der Versorgungsforschung, und entspricht somit unserer Vision einer gemeinsamen klinisch-wissenschaftlichen Plattform in der Deutschen Schmerzgesellschaft.

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Martin Schmelz