Einleitung

Mit bisher mindestens 269 Mio. COVID-19 (coronavirus disease 2019, deutsch: Coronavirus-Krankheit-2019) Erkrankten weltweit und geschätzten 5 Mio. Todesfällen bis Anfang Dezember 2021 [1] bindet die durch das neue SARS-CoV‑2 (Schweres-Akutes-Respiratorisches-Syndrom-Coronavirus 2) verursachte Pandemie die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft und der Mediziner in aller Welt [2]. Da sich diese Pandemie weiterhin auf allen Kontinenten ausbreitet, werden dringend Daten über die klinischen Merkmale und Ergebnisse von COVID-19-Patienten benötigt [3]. Die klinische Manifestation von COVID-19 reicht von leichten und unspezifischen Symptomen der oberen Atemwege bis hin zu schweren Verläufen, die eine invasive mechanische Beatmung erfordern und ein Multiorganversagen verursachen können [4]. Die Mortalität reicht je nach Risikokollektiv von 1 % bei jungen gesunden Patienten bis zu 49 % bei älteren und komorbiden Patienten [5, 6]. Komorbiditäten wie Bluthochdruck, Diabetes, chronische Niereninsuffizienz, kardiovaskuläre und pulmonale Vorerkrankungen erhöhen das Risiko, an COVID-19 zu versterben [7, 8]. Eine weitere, besonders gefährdete Subgruppe sind Patienten mit eingeschränktem Immunsystem.

Patienten nach einer Organtransplantation benötigen eine lebenslange immunsuppressive Therapie, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern, und sind daher möglicherweise anfälliger für COVID-19 [9,10,11]. Neben der medikamentösen Immunsuppression ist die Prävalenz von Komorbiditäten, die als Risikofaktoren für schwere Erkrankungen gelten, bei herztransplantierten Patienten hoch [12]. Da sich, u. a. wegen der dynamischen Infektionslage mit Auftreten von immer neuen SARS-CoV-2-Varianten, Transplantationszentren auf der ganzen Welt auf eine steigende Inzidenz der Krankheit vorbereiten, sind Kenntnisse über den klinischen Verlauf, Unterschiede in der Anfälligkeit für die Krankheit, die klinische Präsentation und den Schweregrad sowie das transplantationsspezifische Management sowohl der antiviralen Therapie als auch der immunsuppressiven Behandlung dringend erforderlich.

Die Datenlage, vornehmlich bestehend aus Fallserien zu Verläufen und individueller Therapie, ist heterogen, aber mit einem Trend zu schweren Verläufen in transplantierten Patienten [9, 13].

Das Ziel dieser retrospektiven Kohortenstudie ist es, unsere Erfahrungen mit COVID-19 bei herztransplantierten Patienten an einem deutschen Transplantationszentrum als Querschnitt über die bisherigen Pandemiewellen zu analysieren und diese in publizierte Erfahrungen anderer Zentren weltweit einzuordnen.

Patienten und Methodik

Ethik

Die Studie entsprach den Grundsätzen der Erklärung von Helsinki und der guten klinischen Praxis. Die Studie wurde von unserer lokalen Ethikkommission genehmigt.

Patienten und Studiendesign

Eingeschlossen wurden alle adulten Patienten, welche in unserem Zentrum eine Herztransplantation erhalten hatten und eine bestätigte COVID-19-Infektion hatten (n = 12). Der Zeitraum der nachgewiesenen Infektionen erstreckte sich dabei vom 16.12.2020 bis zum 13.12.2021. Der Nachweis erfolgte via Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) mit Angabe entweder des „cycle threshold“ (CT) oder der Viruskopien/ml. Die Daten wurden retrospektiv aus elektronischen und nichtelektronischen Krankenakten extrahiert. Die Charakterisierung der Patienten umfasste die Basischarakteristika des Empfängers, die initiale Hauptdiagnose für die Herztransplantation, die immunsuppressive Therapie, die Begleitmedikation, die Symptome, das Elektrokardiogramm (EKG), die Ergebnisse der Bildgebung (Echokardiographie und Röntgen- bzw. CT des Thorax), die Laborbefunde, die Behandlung und das Krankheitsmanagement sowie die Sterblichkeit.

Statistische Auswertung

Alle Daten wurden als Median ± Interquartilabstand (Q1–Q3) oder als Anzahl (n) mit Prozentsatz (%) angegeben. Die statistische Analyse wurde mit GraphPad Prism Version 9 (GraphPad Software, Inc.) und IBM SPSS Statistics Software Version 27 (SPSS) durchgeführt.

Ergebnisse

Basischarakteristika

In unserem Zentrum konnten zwischen Dezember 2020 und Dezember 2021 insgesamt 12 Herztransplantationsempfänger mit der Diagnose COVID-19 identifiziert werden (Basischarakteristika: Tab. 1). Hiervon konnten 3 Patienten ambulant behandelt werden; neun Patienten mussten stationär versorgt werden (75 %). Alle stationären Behandlungen fanden im Transplantationszentrum selbst statt. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 61,5 (49 bis 63) Jahre. Die Mehrheit war männlich (83 %). Drei Patienten (25 %) wurden innerhalb der letzten 12 Monate und 4 weitere Patienten (33 %) innerhalb der letzten 24 Monate herztransplantiert. Die mittlere Zeit von der Transplantation bis zur Infektion mit SARS-CoV‑2 betrug 31,5 (13,5 bis 69,8) Monate. Der Anteil der SARS-CoV-2-positiven Patienten nach Beginn der Impfkampagne in unserem Zentrum (03/2021) liegt bei 58 % (7/12). Von diesen 7 Patienten lag bei 5 (71 %) ein vollständiger Impfschutz nach RKI/STIKO seit ≥ 2 Wochen zur Zeit des SARS-CoV-2-Nachweises vor, was einem Impfdurchbruch entspricht. Die durchschnittliche Zeit von der Impfung bis zur Infektion bei diesen Patienten betrug 210 (163,5 bis 242,5) Tage.

Tab. 1 Basischarakteristika der Patientenkohorte

Die zur Herztransplantation führende Grunderkrankungen waren die nichtischämischen Kardiomyopathien (n = 7, 58 %) und die ischämische Kardiomyopathie (n = 5, 42 %).

Zum Zeitpunkt der Datenerhebung erhielten die meisten Patienten eine 3fache immunsuppressive Behandlung mit Tacrolimus, Kortikosteroiden und entweder Everolimus (42 %, n = 5) oder Mycophenolatmofetil (MMF, 42 %, n = 5). Ein Patient (8 %) wurde mit Tacrolimus, Azathioprin und Prednisolon, ein weiterer (8 %) mit Everolimus, MMF und Prednisolon behandelt. Anamnestisch lag bei 3 Patienten (25 %) eine zurückliegende zelluläre Abstoßung mit ISHLT-Grad > 1R vor, während bei 2 Patienten (17 %) eine humorale Abstoßung (pAMR 1) dokumentiert war. Eine klinisch relevante Abstoßung mit der Notwendigkeit einer zusätzlichen Therapie wurde in 33 % aller Fälle verzeichnet. Im Patientenkollektiv finden sich Komorbiditäten wie Diabetes mellitus (42 %), arterielle Hypertonie (43 %), Dyslipidämie (29 %) sowie chronisches Nierenversagen mit mindestens dem CKD-Stadium I (67 %). Die Begleitmedikation umfasste ASS oder Clopidogrel bei 10 Patienten (83 %), Betablocker bei 4 Patienten (33 %), Ivabradin bei 5 Patienten (42 %), „Angiotensin-converting-enzyme“-Hemmer (ACE-I) oder Angiotensin-II-Rezeptorblocker (ARB) bei 5 Patienten (42 %) und Statine bei 10 Patienten (83 %).

Klinisches Bild und Behandlung

Die am häufigsten berichteten Symptome von COVID-19 (Tab. 2) waren Husten (67 %), Rhinitis (33 %), Dyspnoe (25 %), Fieber (25 %) und Diarrhöen (25 %). Nur ein Patient berichtete über Geschmacks- und Geruchsverlust (8 %).

Tab. 2 Klinische Präsentation und Therapie

Im Median zeigten sich ein initialer CT-Wert von 31 (18,9–33) sowie eine Viruslast von ca. 8,2 Mio. Kopien/ml. Bezüglich respiratorischer Befunde zeigten sich eine initial im Median normale periphere Sauerstoffsättigung (SpO2) von 96 % sowie eine Atemfrequenz von 16/min. Bei 5 Patienten (42 %) zeigte sich das für COVID-19-typische Bild einer atypischen Pneumonie mit beidseitigen Infiltraten im Röntgen oder CT des Thorax. Eine Sauerstoffgabe via Maske oder Nasenbrille war bei 33 % der Patienten notwendig. Nur ein Patient war auf eine nichtinvasive Ventilation angewiesen (8 %). Kein Patient benötigte eine invasive mechanische Beatmung oder eine mechanische Herz-Kreislauf-Unterstützung (ECMO).

Es zeigten sich insbesondere zudem weder neue Pathologien in der transthorakalen Echokardiographie noch im Elektrokardiogramm (EKG). Klinisch, laborchemisch und apparativ boten sich keine Hinweise auf thrombembolische Ereignisse (tiefe Venenthrombose oder Lungenarterienembolie).

Nur ein Patient wurde mit einer antibiotischen Therapie (8 %; Meropenem) behandelt. Eine antivirale Therapie (z. B. mit Remdesivir) erfolgte nicht. Einschränkend muss erwähnt werden, dass Letzteres bei 2 Patienten auf die bestehende chronische Niereninsuffizienz zurückzuführen ist, welche eine Kontraindikation zur antiviralen Therapie darstellt. Zur Unterstützung der Immunantwort der Patienten erfolgte bei 50 % eine passive Immunisierung mit Rekonvaleszenzplasma (8 %) oder monoklonalen Antikörpern (Casirivimab/Imdevimab, 42 %). Bei einem Patienten (8 %) wurde eine antiinflammatorische Therapie mit einem Januskinase-1/2-Inhibitor (Baricitinib) durchgeführt.

Die Laborwerte (Tab. 3) zeigten initial ein leicht erhöhtes hs-cTnT („high-sensitive cardiac troponin T“) mit 41 (15,8–64,5) pg/ml und ein ebenfalls erhöhtes NT-proBNP („N-terminales pro brain natriuretic peptide“) von 620 (268,3–1927) ng/l. Im Blutbild zeigten sich im Median weder initial noch im Verlauf pathologische Werte, insbesondere keine Leukozytose (6,5 × 103 µl−1) oder Zeichen einer Anämie (Erythrozytenzahl, Hämoglobin und Hämatokrit normwertig). Die Retentionsparameter zeigten sich leicht erhöht, ohne Veränderung im Verlauf (glomeruläre Filtrationsrate 54 ml/min bezogen auf 1,73 m2KOF, im Verlauf 57 ml/min bezogen auf 1,73 m2KOF).

Tab. 3 Laborparameter bei Aufnahme und im Verlauf

Darüber hinaus zeigte die Analyse der Entzündungsmarker eine leichte Erhöhung des medianen C‑reaktiven Proteins (initial 4,2 mg/dl, maximal 4,5 mg/dl), während das Prokalzitonin sowohl initial (0,11 [0,1–0,6] ng/ml) als auch maximal (0,15 [0,1–0,9] ng/ml) im Median normwertig blieb. Daneben bestanden moderate Erhöhungen der Laktatdehydrogenase (345 [288–403] U/l) sowie des Ferritins (1218 [503–1625] µg/l) und der D‑Dimere (1,75 [1,2–2,3] mg/l). Weder für LDH, Ferritin oder D‑Dimere zeigte sich eine wesentliche Veränderung im Verlauf.

Die durchschnittliche Krankenhausverweildauer betrug 6 (0 bis 10) Tage, wobei 2 Patienten auf einer Intensivstation behandelt werden mussten (17 %; Verweildauer 4 und 9 Tage). Keiner der 11 zum Zeitpunkt der Datenerhebung bereits entlassenen Patienten verstarb im Rahmen des stationären oder ambulanten Aufenthaltes. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung befindet sich aufgrund des dynamischen Infektionsgeschehens noch ein Patient in unserer stationären Betreuung (Stand: 21.12.2021).

Sofern aufgrund der Fallzahl möglich zeigte sich zwischen geimpften und ungeimpften Patienten trotz sichtbarer absoluter Differenz formal kein statistischer Unterschied hinsichtlich COVID-assoziierter Krankheitsmerkmale wie Symptomlast (exemplarisch „Husten“: 57 vs. 80 %, p = 0,74), Atemfrequenz (16/min vs. 24/min, p = 0,26), peripherer Sauerstoffsättigung (98 % vs. 95 %, p = 0,72) oder Hospitalisierungsdauer (3 Tage vs. 8 Tage, p = 0,40).

Diskussion

Patienten nach einer Herztransplantation stellen aufgrund der chronischen Immunsuppression, der hohen Rate an Komorbiditäten und der häufigen Kontakte mit medizinischem Personal eine durch COVID-19 potenziell besonders gefährdete Patientengruppe dar.

Milder Verlauf von COVID-19 bei Herztransplantierten in unserer Kohorte

Die vorliegende retrospektive Kohortenanalyse zeigt milde Verläufe von COVID-19 in einer Kohorte von herztransplantierten Patienten, die u. a. weder eine invasive mechanische Beatmung benötigten noch eine erhöhte, COVID-19-assoziierte Mortalität aufwiesen. Dies entspricht in der Tendenz dem Verlauf internationaler Kohorten der Allgemeinbevölkerung [14]. Für Empfänger solider Organtransplantationen ist die Datenlage allerdings sehr heterogen. In kleineren Fallserien von Pereira et al. [9], Akalin et al. [15] sowie Latif et al. [13] zeigte sich eine Sterblichkeitsrate von 17,8–27,8 %. In einer multizentrischen deutschlandweiten Erhebung konnten Rivinius et al. [16] 2020 zeigen, dass bei 13 von 21 Patienten (61,9 %) ein milder Verlauf zu beobachten war. Allerdings lag der Anteil schwerer Verläufe in der Gesamtkohorte bei 87,5 % und die Sterblichkeit bei 33 %. Auch hier zeigte sich also ein Zusammenhang von zunehmender Mortalität mit der Schwere des COVID-19-Verlaufes. Zu beachten ist hierbei, dass die der Arbeit von Rivinius et al. zugrunde liegenden COVID-19-Fälle im Zeitraum März bis Juni 2020 lagen, sodass hier sicherlich ein negativer Bias hinsichtlich des seither bestehenden Wissensfortschritts in der Therapie vorliegt.

Die Auswirkung der zugrunde liegenden immunsuppressiven medikamentösen Therapie auf den Verlauf der COVID-19-Infektion bleibt umstritten. In-vitro-Daten deuten z. B. auf eine Hemmung der Virusreplikation durch immunsuppressive Medikamente hin [17], während eine langfristige Immunsuppression die Anfälligkeit für Infektionen erhöht [15]. Umstritten ist bisher, ob diese Effekte die Sterblichkeit in dieser Kohorte erhöhen; randomisierte kontrollierte klinische Studien liegen hierbei nicht vor.

Häufigkeit von COVID-19 bei Herztransplantierten

Sowohl unsere eigenen Daten als auch die anderer publizierter Kohorten lassen eher auf eine geringe Anzahl von Herztransplantationsempfängern mit COVID-19-Infektion schließen, wenn man bedenkt, dass in Deutschland jährlich zwischen 250 und 350 Herztransplantationen durchgeführt werden [16]. Gründe hierfür könnten ein gesteigertes Risikobewusstsein bei transplantierten Patienten sein, die bereits in der Regel vor der COVID-19-Pandemie in Infektionsprävention und Hygienemaßnahmen geschult wurden. Grundsätzlich wäre auch eine höhere Impfbereitschaft dieser vulnerablen Gruppe denkbar, was sich allerdings weder in der vorliegenden Studie mit nur 42 % Impfdurchbrüchen als auch in Erhebungen zur Impfbereitschaft in HTx-Patienten widerspiegelt, die nur der der Allgemeinbevölkerung entspricht [18]. Unterstützt wird diese Überlegung durch die Tatsache, dass nur bei 5 unserer Patienten der Zeitpunkt der COVID-19-Infektion vor dem Beginn der Impfungen in unserem Transplantationszentrum (März 2021) lag. Von den 7 Patienten, die nach diesem Zeitpunkt eine nachweisliche COVID-19-Infektion hatten, hatten 5 einen Impfdurchbruch (71 %). In jedem Fall erscheint das Problem von Impfdurchbrüchen bei herztransplantierten Patienten von besonderer Relevanz, wobei es interessanterweise in einer kürzlich veröffentlichten Studie von Saharia et al. keinen Unterschied im klinischen Verlauf bei teilweise vs. vollständig Geimpften gab [19]. Ein Vergleich zwischen geimpften und nichtgeimpften Patienten in unserer Kohorte wäre inhaltlich interessant, ist aber durch die geringe Fallzahl stark limitiert. Hierdurch ist zu erklären, warum Krankenheitsverlaufparameter und Symptomlast zwar in absoluten Zahlen relevant erscheinen (z. B. Krankenhausverweildauer 3 Tage bei geimpften und 8 Tage bei ungeimpften), diese Effekte aber statistisch nicht signifikant sind bzw. eine valide statistische Bemessung des Effektes nicht möglich erscheint. Große Kohortenstudien hierzu fehlen, publizierte Daten legen allerdings nahe, dass der Schweregrad von ungeimpften Organtransplantierten denen von geimpften Nonrespondern entspricht [20], dass ungeimpfte Transplantierte (sowohl nach solider Organtransplantation als auch Stammzelltransplantation) einen weitaus schwereren klinischen Verlauf als Nichttransplantierte zeigen [21], und dass eine Booster-Impfung eine mögliche verbesserte Immunresponse bei Empfängern solider Organtransplantation [22] bewirkt. In der Zusammenschau ist daher von einem deutlichen Nutzen der COVID-19-Impfung in unserer vulnerablen Kohorte auszugehen, was allerdings in Zukunft noch durch größere Fallzahlen in Studien bestätigt werden muss.

Klinisches Bild und Therapie

Die klinische Präsentation, insbesondere der COVID-19-typischen Symptomatik, in der untersuchten Kohorte unterschied sich nicht von Nichttransplantationspatienten oder anderen Empfängern solider Organtransplantate. Diese Beobachtung wurde auch in anderen Berichten von immunsupprimierten Patienten so beschrieben [9, 13]. Bemerkenswert ist, dass nur ein Patient (8 %) über Anosmie oder Geschmacksverlust berichtete, was als ein frühes Anzeichen für COVID-19 beschrieben wurde [23], was aber dem niedrigen Auftreten in den Daten von Rivinius et al. entspricht (4,8 %) [16].

Insgesamt zeigen die Patienten in der vorliegenden Kohorte nur milde Atemwegssymptome mit guter peripherer Sauerstoffsättigung (96 %) und nur geringer Notwendigkeit einer Sauerstoffgabe (33 %). Eine invasive Beatmung war nicht notwendig, was ebenfalls für einen milderen Verlauf der respiratorischen Situation spricht. Im Vergleich hierzu zeigten sich in der Kohorte von Rivinius et al. 86 % sauerstoffpflichtig, wobei 38 % eine invasive Beatmung benötigten [16].

Die Therapie einer COVID-19-Infektion ist so dynamisch wie die Infektionslage selbst, allerdings haben sich im Verlauf Therapiekonzepte entwickelt, die sich von reinen supportiven Maßnahmen unterscheiden. Hierbei war in unserer Kohorte aufgrund bestehender Niereninsuffizienz keine antivirale Medikation möglich, allerdings wurde bei einem Patient Rekonvaleszenzplasma und bei 5 Patienten eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern (Casirivimab/Imdevimab) und damit insgesamt bei 6 Patienten eine passive Immunisierung durchgeführt (50 %). Eine solche passive Immunisierung mit neutralisierenden Antikörpern in der Frühphase der COVID-19-Infektion führt nachweislich zu einer Reduktion der Hospitalisierungsdauer und Mortalität [24]. Ein Patient erhielt eine antiinflammatorische Therapie mit Baricitinib, einem Inhibitor der Januskinase (JAK1/JAK2), welche bei hospitalisierten Patienten nachweislich zu einer Mortalitätsreduktion führte [25]. In unserer Kohorte ist allerdings die Kohortengröße zu klein, um diese beiden Therapieprinzipien systematisch zu untersuchen.

Kardiovaskuläre Ereignisse

Bemerkenswert ist, dass in der untersuchten Kohorte keine neuen kardiovaskulären Ereignisse oder eine Verschlechterung der kardialen Funktion zu beobachten war. Dies ist allerdings im Einklang mit der Hypothese, dass eine rechtsventrikuläre Dysfunktion, erhöhte Pulmonalarteriendrücke und eine zunehmende Trikuspidalklappenregurgitation mit einer höheren Mortalität bei herztransplantierten COVID-19-Patienten einhergehen [16]. Die untersuchte Kohorte bot keinen dieser Prädiktoren. Zudem wurde in unserer Kohorte keine invasive Beatmung oder ECMO-Therapie durchgeführt. Beide gelten als Faktoren, die ansonsten insbesondere bei COVID-19-Patienten ebenfalls mit einer rechtsventrikulären Dysfunktion einhergehen [26].

Aus der Literatur ist bekannt, dass eine COVID-19-Infektion mit einem Anstieg der kardialen Biomarker, wie dem hochsensitiven kardialen Troponin T und NT-proBNP, einhergeht. Unterschiedliche pathomechanistische Überlegungen, u. a. ein Missverhältnis von Sauerstoffbedarf und -angebot, werden in diesem Zusammenhang diskutiert [27]. Dies findet sich auch in der untersuchten Kohorte, sowohl initial als auch im Verlauf, wobei allerdings keine wesentliche Dynamik zu beobachten ist. Die Höhe der kardialen Biomarker wurde bereits früh in der Pandemie mit verschlechtertem Outcome und erhöhter Mortalität von COVID-19-Patienten in Verbindung gebracht [28]. Im Vergleich absoluter Werte zeigt sich insbesondere das NT-proBNP in unserer Kohorte zwar erhöht (initial 620 [268,3–1927] ng/l, maximal 679 [287,5–7246] ng/l), aber verglichen mit einer Referenzkohorte [16] deutlich geringer (9426 ng/l). Vergleicht man nur die schweren COVID-19-Fälle mit unserer Kohorte, so ergibt sich sogar ein noch deutlicherer Unterschied (21.162 ng/l). Dies deutet erneut auf einen eher benignen Verlauf unserer HTx-Patienten im Vergleich hin.

In unserer Kohorte fanden sich zudem keine neu aufgetretenen thrombembolischen Ereignisse. Seit Beginn der Pandemie wurde häufig von einer hohen Inzidenz thrombembolischer Komplikationen in Patienten mit COVID-19 berichtet [29]. Da erhöhte D‑Dimer-Werte ein Zeichen für eine übermäßige Gerinnungsaktivierung und Hyperfibrinolyse sind, können daraus resultierende thromboembolische Komplikationen bei Patienten mit COVID-19 mit einer schlechten Prognose verbunden sein [30]. In unserer Kohorte zeigten sich die D‑Dimere nur gering erhöht (1,75 mg/l) und damit 4‑mal geringer als in schweren COVID-19 Fällen in HTx-Patienten (6,6 mg/dl) [16]. Zudem finden sich nach aktueller Datenlage thrombembolische Ereignisse in herztransplantierten Patienten vornehmlich in schweren COVID-19-Verläufen [26].

Zusammenfassung, Limitationen und Ausblick

Die vorliegende retrospektive Kohortenanalyse bestätigt zum einen, dass die Gesamtzahl der herztransplantierten Patienten, die an COVID-19 erkranken, im Vergleich zur Gesamtzahl der Herztransplantationen gering erscheint (ca. 5–7,5 % im Vergleich zur geschätzten 8 %-Gesamtprävalenz in Deutschland). Zudem konnten wir in unserer Kohorte longitudinal über die bisherige Pandemie keine schweren Verläufe detektieren, insbesondere zeigte sich hierbei auch keine COVID-19-assoziierte erhöhte Sterblichkeit. Bisherige vermutete Prädiktoren eines schweren Verlaufes zeigten sich in unserer Kohorte, passend zum guten Outcome, nicht oder nur unwesentlich erhöht.

Die größte und offensichtliche Einschränkung dieser Studie ist, dass sie aus einem einzigen Zentrum stammt und nur retrospektive Daten enthält. Aufgrund der geringen Stichprobengröße können wir daher nur begrenzt Aussagen zu bestimmten Aspekten, wie z. B. Therapieformen, treffen. Die Datenlage in unserer Kohorte ist allerdings konsistent zu milden Verläufen publizierter größerer Kohorten und erscheint damit ausreichend valide. Weitere (prospektive) Studien sind notwendig, um, v. a. auch in einer dynamischen Infektionslage mit immer neuen pathogenen SARS-CoV-2-Varianten, bessere Prognoseabschätzungen bei COVID-19 in (herz‑)transplantierten Patienten festlegen zu können.