Die aktuellen Leitlinien zur kardiopulmonalen Reanimation (CPR) beinhalten seit 2015 einen Algorithmus zur Versorgung von Patienten mit traumatischem Kreislaufstilstand (HKS). Besonderer Fokus liegt auf der Versorgung reversibler Stillstandsursachen, wie beispielsweise der Ausräumung einer Perikardtamponade oder der proximalen Aortenkompression zur Blutungskontrolle (Abb. 1). Die Clamshell-Thorakotomie im HKS beschreibt eine invasive Ultima-Ratio-Notfallprozedur, die mit verhältnismäßig einfachen Mitteln einen sehr schnellen Zugang zum Thorax ermöglicht, um so potenzielle Ursachen eines HKS zu bekämpfen [1].

Abb. 1
figure 1

Korrigierte Version des Algorithmus zur Versorgung eines traumatisch bedingten Kreislaufstillstands aus der Leitlinie des European Resuscitation Council. Zur Entlastung einer Perikardtamponade, chirurgischen Blutungskontrolle oder proximaler Aortenkompression soll eine Notfallthorakotomie in Erwägung gezogen werden. CPR kardiopulmonale Reanimation, ALS Advanced Cardiac Life Support. (Truhlář et al. [6])

Hintergrund

Nach bilateralem Vorgehen über den 4. oder 5. Interkostalraum (ICR), und damit ausgeschlossenem Spannungspneumothorax, kann im Rahmen der Clamshell-Thorakotomie durch Verbinden der Inzisionen und Durchtrennen des kaudalen Sternums eine muschelförmige Öffnung des Thorax erzeugt werden. Kennzeichnend für diese extrem seltene Notfallmaßnahme ist, dass sie eine exzellente intrathorakale Übersicht innerhalb kürzester Zeit erzeugen kann.

Vor dem Hintergrund bestehender Empfehlungen internationaler Leitlinien auf der einen Seite [2], aber der geringen Anzahl publizierter Fälle in Deutschland [3, 4] auf der anderen Seite, erfolgt die Einsatzbeschreibung einer erfolgreich durchgeführten präklinischen Clamshell-Thorakotomie nach penetrierendem Trauma.

Falldarstellung

Alarmierung des Rettungsdienstes

Um 07:48 Uhr geht bei der Rettungsleitstelle ein Notruf ein. Der Anrufer beschreibt einen blutüberströmten Angehörigen im Bad der eigenen Wohnung. Ein ca. 30 cm langes Küchenmesser läge neben ihm. Während des Notrufs lässt sich nicht sicher klären, ob der Patient noch einen Kreislauf hat, sodass mit der Anleitung zur Laienreanimation gestartet wird. Die Alarmierung der Rettungsmittel Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) und Rettungswagen (RTW) erfolgte parallel durch einen weiteren Mitarbeiter der Leitstelle (Alarm 07:49 Uhr). Die Rettungsmittel trafen nach kurzer Anfahrt nahezu zeitgleich ein (Status 4: 07:56 Uhr), kurz darauf auch die Polizei.

Auffindesituation und erste Maßnahmen

Der Einsatzort ist das 1. Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses ohne Fahrstuhl. Vor Ort präsentiert sich dem Team aus 2 Rettungsassistenten (RTW), einem Hospitanten (RTW), einem Notfallsanitäter (NEF) und einer Notärztin (Fachärztin für Anästhesie) eine leblose männliche Person in einem kleinen Badezimmer (ca. 07:59 Uhr). Es findet eine Laienreanimation statt. Die Situation wird als aufgeregt, aber verhältnismäßig übersichtlich und ohne Gefahr für das Einsatzteam wahrgenommen. Nach Verbringen des ca. 55- bis 60-jährigen Patienten in den Flur, um die Zugänglichkeit zu verbessern, erfolgt die Übernahme der Thoraxkompression. Die Ableitung des Initialrhythmus ergibt eine pulslose elektrische Aktivität (PEA). Bei adipösem Habitus und fehlenden sichtbaren Venen erfolgen die primäre Anlage einer intraossären Kanüle an der Tibia und die Gabe von Adrenalin. Die Atemwegssicherung gelingt trotz primär verwendetem Videolaryngoskop in 2 Versuchen nicht, sodass ein Larynxtubus (LTS‑D, Gr. 5, VBM Medizintechnik GmbH, Sulz a. N., Deutschland) platziert wird. Eine positive Kapnographie und fehlende Leckage lassen die Atemwegsicherung als suffizient erscheinen.

Minithorakotomie

Aufgrund der offensichtlichen Verletzung des linken Hemithorax und des abgeschwächten linksseitigen Atemgeräuschs wird eine linksseitige Minithorakotomie in Höhe des 5. ICR durchgeführt. Es entleeren sich etwas Luft und reichlich Blut; das Atemgeräusch ist jetzt seitengleich. In der Folge kann ein spontaner Kreislauf (1. „return of spontaneous circulation“ [ROSC] ca. 08:15 Uhr) erzeugt werden.

Organisation des Zubringens von Blutprodukten

Parallel zum Geschehen vor Ort versucht die Leitstelle, das Zubringen von Blutprodukten zu organisieren. Hierzu wird Kontakt mit der Uniklinik Heidelberg (UKHD) und mit dem Rettungs- und Intensivtransporthubschrauber (RTH/ITH) Christoph 53 aufgenommen. Der RTH/ITH befindet sich gerade in der Ertüchtigung für den präklinischen Einsatz von Blutprodukten, hat aber noch keine an Bord. Das sog. Medical Intervention Car der Klinik für Anästhesiologie des UKHD ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Dienst gestellt und kann daher nicht genutzt werden, um Blut und weitere personelle Unterstützung zu liefern. Daher wird der Christoph 53 alarmiert (08:13 Uhr). Dieser landet mit Notfallsanitätern („helicopter emergency medical service“, HEMS) und Notarzt (Facharzt für Anästhesie) um 08:28 Uhr fußläufig in der Nähe der Wohnung. Zwischenzeitlich hat das Team an der Einsatzstelle den Kreislauf des Patienten wieder verloren (08:25 Uhr) und muss ihn erneut reanimieren.

Clamshell-Thorakotomie

Voraussetzungen

Für den Arzt des Hubschraubers ergibt die Kurzübergabe somit eine erneute Reanimationssituation bei Messerstichverletzung in den Thorax. Die genaue „downtime“ lässt sich vor Ort nicht sicher beziffern. Die Auffindesituation, die Dauer der Laienreanimation und die fragliche Effektivität der Thoraxkompression bei der zugrunde liegenden Verletzung erzeugen Zweifel, ob die in den Leitlinien geforderte maximale Zeit ohne Vitalzeichen von 15 min überschritten wurden [2]. Vor dem Hintergrund, dass zu diesem Zeitpunkt alternativ nur das Beenden aller Maßnahmen infrage kommt, wird beschlossen, die Thoraxkompressionen einzustellen, die Klebe-Patches zu entfernen und die Verletzung durch einmaliges Abwischen des Brustkorbs darzustellen. Es zeigt sich eine singuläre, ca. 3 cm messende linksthorakale Stichwunde etwa in Höhe des 4. ICR.

Die Teamentscheidung zur Clamshell-Thorakotomie wird gemäß der „4E-Regel“ getroffen.

  • „expertise“ (Erfahrung),

  • „equipment“ (Ausrüstung),

  • „environment“ (Umgebung),

  • „elapsed time“ (Zeitverzögerung).

Expertise.

Drei der anwesenden Personen (HEMS, Notärztin und Hubschraubernotarzt) haben einen Kurs zur Clamshell-Thorakotomie besucht bzw. unterrichten dort.

Die Teamentscheidung zur Clamshell-Thorakotomie wird gemäß der „4E-Regel“ getroffen

Equipment.

Benötigt werden ein Skalpell, eine stabile Schere, Nahtmaterial und Klemmen. Dieses Material wird vom RTH/ITH mitgeführt.

Environment.

Idealerweise sollte die Clamshell-Thorakotomie im OP stattfinden. Dorthin gelangen diese Patienten aber praktisch niemals innerhalb der geforderten Zeit. Die Zugänglichkeit zum Patienten war zwar nicht ideal, aber prinzipiell von allen Seiten gegeben. Ein Transport aus der Wohnung in den RTW im HKS ohne Reanimationsmaßnahmen wäre eine Option, die ca. weitere 10 min ohne Perfusion („no flow“) bedeutet hätte.

Elapsed time.

Der Verlust der Vitalzeichen sollte nicht länger als 10 min, maximal 15 min beim penetrierenden Trauma zurückliegen.

Durchführung

Das Vorhaben wird im Team kommuniziert, und die Türen werden geschlossen. Personen, die noch keine Thorakotomie gesehen haben und den Raum verlassen möchten, werden dazu aufgefordert. Zum Eigenschutz werden 2 Paar Handschuhe angelegt; Sterilität oder Asepsis wird nicht angestrebt.

Die eigentliche Thorakotomie benötigt ca. 90 s

Die eigentliche Thorakotomie benötigt ca. 90 s. Sie beginnt mit der rechtsseitigen Thorakotomie und verbindet diese mit dem Sternum. Die bestehende linksseitige Minithorakotomie wird ebenso zum Sternum erweitert. Hierzu werden Kutis und Subkutis mit dem Skalpell durchtrennt, die Interkostalmuskulatur und das Sternum werden mit der Schere (Leatherman Multitool Raptor, Leatherman Europe GmbH, Ratingen, Deutschland) geschnitten. Es entweicht keine Luft. Zur Eröffnung und zum Offenhalten der Thorakotomie greift ein Helfer (HEMS) vom Kopf aus den Rippenbogen (Abb. 2).

Zunächst imponiert eine Verletzung der linken Lunge. Das Perikard erscheint unauffällig. Erst nach der Perikardiotomie über einen umgekehrten T‑Schnitt und Luxieren des Herzens findet sich ein großes dorsal gelegenes, frisches Hämatom, das eine Perikardtamponade verursacht. Diese wird ausgeräumt, und es kommt eine ca. 2–3 cm große apikale Stichwunde im linken Ventrikel zur Darstellung. Das Herz zeigt zu diesem Zeitpunkt keine Kontraktilität und beginnt auch nach Repositionierung nicht wieder zu schlagen.

Abb. 2
figure 2

Erstes Einsatzbild nach Clamshell-Thorakotomie. Zu sehen ist das Offenhalten des Thorax aus der Position oberhalb des Patientenkopfes. Ein zweiter Helfer komprimiert die Aorta gegen die Wirbelsäule (proximale Aortenkompression)

Ein weiterer Helfer (Notärztin) führt eine proximale Aortenkompression durch (Abb. 2). Auch eine interne Herzmassage führt bei schlechter kardialer Füllung nicht zur Eigenaktivität. Da zu diesem Zeitpunkt lediglich ein intraossärer Zugang besteht und keine Venen sichtbar sind, fällt die Entscheidung, unter Fortsetzung der intrathorakalen Herzdruckmassage (beispielhaft Abb. 3), zur ultraschallgestützten (GE Healthcare, Vscan) Anlage eines großlumigen Venenkatheters (12 F, 3 Lumen) in die Leiste. Dies gelingt im ersten Versuch, und es werden 1000 ml 6 %ige Tetraspan-Lösung (Fa. B. Braun, Melsungen, Deutschland) mit manuellem Druck infundiert. Das Herz füllt sich und beginnt nach einigen Sekunden zu schlagen (2. ROSC 08:44 Uhr). Die Notärztin in der Position der Aortenkompression kann nun die Aorta gut tasten. Die Kapnographie dokumentiert den ROSC. Mit dem Einsetzen des Kreislaufs beginnen die beiden Aa. mammaria interna und die singuläre myokardiale Stichwunde zu bluten. Beide Arterien können unmittelbar geklemmt werden (Abb. 4).

Abb. 3
figure 3

Herzkompression. Durchführung der offenen Herzdruckmassage mithilfe der bimanuellen Kompression des Herzens und der proximalen Aortenkompression durch zweiten Helfer

Abb. 4
figure 4

Blick auf die Thorakotomie zum Zeitpunkt der Versorgung der Aa. mammaria. Zu sehen sind die bereits geklemmte rechte A. mammaria und die noch blutende linke A. mammaria. Für die Versorgung werden 20 s benötigt (Zeitstempel der Fotodokumentation)

Der Versuch, die kardiale Stichwunde mit dem Finger zu okkludieren, gelingt nicht suffizient, sodass diese Verletzung mit insgesamt 3 Einzelknopfnähten genäht werden muss (Abb. 5). Alternative Techniken der „damage control surgery“, wie ein Blasenkatheter oder ein Hauttacker (Abb. 6), standen nicht zu Verfügung. Aus der Lungenverletzung entweicht praktisch kein Blut und nur wenig Luft, sodass diese nicht unmittelbar versorgt werden muss.

Abb. 5
figure 5

Myokardnaht. Versorgung der Myokardverletzung mithilfe von Einzelknopfnähten durch den Notarzt. Die Notärztin des Notarzteinsatzfahrzeugs assistiert. Als Lichtquelle kommt eine im Rettungsdienst übliche LED-Taschenlampe zum Einsatz

Abb. 6
figure 6

Blasenkatheter. Beispielhafte Darstellung der Versorgung einer myokardialen Stichwunde durch Anwendung eines geblockten Blasenkatheters. (Bildquelle: Seminar INTECH Advanced Heidelberg)

Bodengebundener Transport des Patienten

Telefonisch, als Arzt-Arzt-Gespräch, wird der Schockraum der Chirurgischen Klinik des UKHD über die durchgeführte Thorakotomie informiert. Es wird vereinbart, den innerklinischen Übergabepunkt (Schockraum oder OP) festzulegen und dem präklinischen Team telefonisch mitzuteilen. Um 09:00 Uhr beginnt der Transport aus der Wohnung im 1. OG. Während der kompletten bodengebundenen Transportzeit von 23 min bis zum Eintreffen in den Schockraum wird die Aortenkompression aufrechterhalten. Die weiteren Volumen- und Katecholamingaben erfolgen nach Aortenpuls und Kapnographiebefund gesteuert. Es wird 1 g Tranexamsäure verabreicht.

Versorgung im Schockraum und Outcome

Im Schockraum verbleibt der Patient auf der Trage des Rettungsdienstes und wird dort mit vorbereitetem, gewärmtem Fremdblut (2 Erythrozytenkonzentrate, EK) notfalltransfundiert (Level 1® H‑1200, Smiths Medical Deutschland GmbH, Grasbrunn, Deutschland). Der Larynxtubus wird gegen einen Endotrachealtubus gewechselt. Gleichzeitig wird das zu diesem Zeitpunkt wieder nicht mehr kontrahierende Herz von einem Herzchirurgen untersucht und die Wunde nochmals übernäht. Unmittelbar nach Transfusion beginnt das Herz wieder suffizient auszuwerfen. Die endgültige Versorgung mit Patch-armierten tiefgreifenden Nähten (3‑0 Prolene) erfolgt, nach direktem Transport aus dem Schockraum, in einem kardiochirurgischen OP. Es werden insgesamt 10 EK, 8 Konserven „fresh frozen plasma“ (FFP), 3 Konserven Thrombozytenhochkonzentrat (THK) und 8 g Fibrinogen verabreicht. Zudem erfolgt die Versorgung der Lungenverletzung mithilfe einer Übernaht. Intraoperativ gelingt es, die Herzwunde suffizient zu versorgen und den Brustkorb des Patienten nach Einlage von Thoraxdrainagen endgültig zu verschließen (Operationsende 12:30 Uhr). Das anschließend durchgeführte CT zeigt jedoch ein generalisiertes Hirnödem mit aufgehobener Mark-Rinden-Differenzierung und beginnenden Zeichen der Einklemmung. Der Patient verstirbt am folgenden Tag im Beisein seiner Angehörigen. Einer Organspende wurde nicht zugestimmt.

Diskussion

Die aktuellen Leitlinien zur CPR legen es im Traumatic-cardiac-arrest(TCA)-Algorithmus nach der Abklärung der 4E-Regel nahe, die sofortige Thorakotomie zu erwägen. Ziele sind die Entlastung einer Perikardtamponade, eine proximale Aortenkompression und die direkte Versorgung von lebensbedrohlichen Blutungen. Thoraxkompressionen haben bei der Versorgung von Verletzungen, wie der hier berichteten, eine nachrangige Priorität. Tatsächlich hindern diese das Team daran, notwendige Maßnahmen zur Ursachenbekämpfung durchzuführen. In dem beschriebenen Fall konnte nach erfolgter Entlastung durch Minithorakotomie ein erster ROSC erreicht werden, der jedoch, in der Retrospektive nicht überraschend, wieder verloren ging. Die Entfernung zur nächsten geeigneten Klinik war, wie durch den späteren Transport gezeigt wurde, kaum unter 25 min zu bewältigen. Ein „load-and-go“ wäre auch mit mechanischer Reanimationshilfe (der RTH/ITH war damit ausgestattet, das NEF nicht) aufgrund der Kombination aus obstruktivem und hypovolämischem HKS nicht erfolgversprechend. Beim Load-and-go im HKS ist fraglich, ob es im vorliegenden Fall überhaupt noch einmal möglich gewesen wäre, einen ROSC zu erzeugen. Schlussendlich verstarb der Patient an einer zerebralen Ischämie. Die kritische Auseinandersetzung mit den Einschlusskriterien bleibt daher essenziell.

Die bezeugte Downtime < 10 min nach TCA ist einer der Erfolgsfaktoren der Clamshell-Thorakotomie

Die größte Aussicht auf Erfolg hat eine Clamshell-Thorakotomie bei der Stichverletzung ins Herz mit Perikardtamponade und bezeugter Downtime von weniger als 10 min [5]. Bei diesem Einsatz waren nicht alle prognostisch positiven Faktoren gegeben. Besonders problematisch waren die folgenden Aspekte:

  • unklare Downtime in Verbindung mit der Reanimation vor der Entscheidung zur Durchführung,

  • nichtvollständige Blutstillung bei gleichzeitigem Fehlen von Fremdblut,

  • relativ weiter Weg in die geeignete Klinik.

Die unklare Downtime erschwert die Entscheidungsfindung. Die vorliegende Datenlage erlaubt keine sichere Handlungsanweisung. Das Risiko eines negativen Ausgangs wurden daher ebenso wie persönliche Risiken für die Helfer (Verletzungs- und Infektionsrisiko) abgewogen und in Kauf genommen.

Die nichtvollständige Blutstillung ist v. a. vor dem Hintergrund des fehlenden Fremdbluts bedeutsam, da die Blutungsmenge nach Herznaht in der Klinik mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr weiter zu einem Hämoglobinabfall geführt hätte. Präklinisch musste jedoch weiter mit Kristalloiden gearbeitet werden. Wie effektiv die Transfusion war, hat die Phase im Schockraum klar demonstriert. Unmittelbar nach Druckinfusion von 2 EK konnte eine Stabilisierung erzeugt werden, die dann unter weiterer Transfusion persistierte.

Das Ausmaß der Bedeutung der einzelnen Faktoren lässt sich aufgrund der Abhängigkeit untereinander kaum quantifizieren. Klar erscheint jedoch in diesem Fall, dass die Maßnahme Clamshell-Thorakotomie präklinisch durchführbar und geeignet war, das ursächliche Problem zeitnah zu lösen. Zwischen der Landung des RTH/ITH und dem ROSC nach Clamshell-Thorakotomie waren 16 min vergangen. Begünstigend war, dass mehrere Personen in die Prozedur eingewiesen waren, der Arzt vom RTH/ITH durch die Information der Leitstelle mental vorbereitet war und die Anlage des entscheidenden Volumenwegs schnell gelang. Das im Anschluss an den Einsatz durchgeführte Debriefing des Rettungsdienstteams ergab ein hohes Maß an Übereinstimmung in Bezug auf die Notwendigkeit dieser seltenen invasiven Notfallprozedur.

Fazit für die Praxis

  • Die Durchführung der Clamshell-Thorakotomie darf als entscheidend dafür angesehen werden, dass der Patient trotz Perikardtamponade und ausgeprägter Hypovolämie die Klinik mit einem Minimalkreislauf erreichte und einer zunächst erfolgreichen operativen Behandlung zugeführt werden konnte. Die unklare Downtime dürfte wesentlich verantwortlich dafür sein, dass letztlich trotz aller Bemühungen ein hypoxisches Hirnödem zum Tod führte. Deutlich wird daran das Dilemma, bei einem nichtunmittelbar beobachteten Kollaps die Downtime als Ein- bzw. Ausschlusskriterium zu ermitteln.

  • Abzuleiten ist die Bedeutung des entsprechenden Trainings im Team. Nur die Zusammenarbeit geschulter Kräfte, die technisch und mental auf derartige Situationen vorbereitet sind, ermöglicht die erfolgreiche Durchführung.

  • Die frühzeitige, präklinische Verfügbarkeit von Blutprodukten wäre hilfreich gewesen.

  • Um letztlich ein positives Ergebnis für den Patienten zu ermöglichen, muss auch die aufnehmende Herz‑/Thoraxchirurgie mit der Prozedur vertraut sein, bei entsprechender Alarmierung ein standardisiertes Vorgehen auslösen und geschultes Personal im Schockraum bereitstellen. In der Aufarbeitung des Falls wurde daher eine „standard operating procedure“ (SOP) mit dem Anmeldestichwort „CODE Red Clamshell“ etabliert.