Die Behandlung von Menschen mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen (ERE) hat in den letzten beiden Jahrzehnten einen grundlegenden Wandel erlebt. Nachdem die Therapiemöglichkeiten lange Zeit mit dem Einsatz von Glukokortikoiden und konventionellen, synthetischen csDMARDs („conventional synthetic disease modifying antirheumatic drugs“) limitiert waren, wurden die Behandlungsoptionen insbesondere schwerer Krankheitsverläufe im Jahr 1999 mit der Zulassung des ersten Biologikums – dem Tumornekrosefaktor(TNF)-α-Blocker Infliximab, und in Folge weiterer Biologika („biologic DMARDs“ [bDMARDs]) – deutlich verbessert. Das Therapieziel ist heute die Remission, also die Abwesenheit von Erkrankungsaktivität und damit das Verhindern von Langzeitfolgen, wie z. B. Gelenkersatzoperationen, aber auch kardiovaskulärer Ereignisse [1]. Etliche der ursprünglich hochpreisigen Biologika stehen seit Ablauf des Patentschutzes als kostengünstigere Biosimilars zur Verfügung [2]. Zudem gilt für Infliximab seit April 2018 ein Festbetrag der Stufe 1 für wirkstoffgleiche Arzneimittel [3]. Für die übrigen TNF-α-Blocker gilt seit April 2021 ein Festbetrag der Stufe 2, der pharmakologisch und therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe betrifft [4].

Hintergrund

In der leitliniengerechten Versorgung von ERE sind Biologika inzwischen fest verankert. csDMARDS wie Methotrexat (MTX) werden nach wie vor zur Erstlinientherapie eingesetzt. Nach dem Treat-to-target-Konzept sind bei inadäquatem Ansprechen eine Therapieintensivierung und bei hoher Krankheitsaktivität bzw. Vorliegen ungünstiger Prognosefaktoren bDMARDs indiziert. Dies ist dann der Fall, wenn 3 Monate nach Therapiebeginn keine Verbesserung bzw. nach 6 Monaten keine Remission erreicht wird [5, 6].

Der Einsatz von Biologika bei rheumatischen Erkrankungen erfolgte zunächst eher zurückhaltend. Neben der mangelnden Erfahrung und der zu Beginn fehlenden Evidenz zur Langzeitsicherheit der TNF-Inhibition wurden auch die hohen Kosten der Arzneimittel und die damit einhergehende Regressangst seitens der Ärzteschaft immer wieder als Ursache genannt [7, 8].

Mit Ablauf des Patentschutzes für die Wirkstoffe Infliximab, Etanercept und Adalimumab in den Jahren 2015 bis 2018 wurden für die umsatzstärksten TNF-α-Blocker günstigere Biosimilars in gleicher Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit zugelassen. Damit ist ein bedeutsam erscheinender Grund für den zurückhaltenden Einsatz von Biologika entfallen. Bei einem deutschlandweiten Jahresumsatz der 3 betreffenden bDMARDs von knapp 1,6 Mrd. € im Jahr 2020 wird in der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) bereits ein Großteil der Tagesdosen („defined daily doses“ [DDD]) der betreffenden bDMARDs als Biosimilars verordnet (Stand im 1. Halbjahr 2021: Adalimumab 74,7 %, Etanercept 85,6 %, Infliximab 81,8 %) [9, 10].

Ziel der Studie

In der vorliegenden Studie wurde untersucht, inwiefern die Verfügbarkeit von Biosimilars das Verordnungsverhalten in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung Bayerns verändert hat und ob dies mit einer Verbesserung der Versorgung von Menschen mit ERE (rheumatoide Arthritis, axiale Spondyloarthritis und Psoriasisarthritis) einherging.

Parallel dazu wurden das ärztliche Therapieverhalten und die Krankheitsbelastung bei ERE hinsichtlich des Einsatzes von biologischen Originalen und Biosimilars beleuchtet.

Material und Methoden

§ 287 SGB V ermöglicht den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), unter definierten Rahmenbedingungen (KV-Kodex) Projekte zur Versorgungsforschung in Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie durchzuführen (PHARAO – Pharma Analyse Recherchen Arznei Objektivität) [11].

Routinedatenanalyse

Die KVB vertritt rund 28.000 niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten. Der retrospektiven Querschnittanalyse liegen Abrechnungsdaten der gesetzlich Versicherten im Bereich der KVB von 2014 bis 2019 zugrunde. Die Analyse deckt den Zeitraum von 1 Jahr vor Markteintritt des ersten Biosimilars zu Infliximab bis hin zu 1 Jahr nach Einführung des Biosimilars zu Adalimumab ab. Der Datenkörper umfasst alle in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Versicherten, die im Untersuchungszeitraum in Bayern mindestens einen Arztkontakt im Rahmen des vertragsärztlichen Leistungsgeschehens hatten. Hierbei handelt es sich um die vertragsärztlichen Abrechnungs- und Arzneimitteldaten gemäß § 295 und § 300 SGB V. Diese Daten sind pseudonymisiert und umfassen Alter und Geschlecht der Patienten, Angaben zur Verschreibung (Fachrichtung des verordnenden Arztes, Wirkstoff, Verordnungsmonat, Dosierung, Anzahl der Packungen und Darreichungsformen) sowie Angaben zu den Diagnosen nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten, 10. Auflage (ICD-10).

Die Falldefinition erfolgte anhand des ICD-10-GM-Katalogs (German Modification) mit dem sog. M2Q-Kriterium (mindestens 2 Quartale). Hierbei handelt es sich um das Aufgreifkriterium aus dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) zur Identifikation von Patienten mit definierten Krankheitsbildern [12]. Das Kriterium beinhaltet, dass mindestens in einem Quartal des Jahres eine gesicherte Diagnose und eine zweite in einem der 3 auf das Indexquartal folgenden Quartale gestellt wurde. Eingeschlossen wurden die Diagnosen für

  • rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis [RA]) M05.-, M06.-, M08.-, M13.-,

  • axiale Spondyloarthritis (axSpA) M45.-,

  • Psoriasisarthritis (PSA) M07.-, M09.-.

Die Einteilung der Arzneimitteltherapie erfolgte anhand folgender Wirkstoffgruppen:

  • Glukokortikoide,

  • csDMARDs (Methotrexat, Leflunomid, Sulfasalazin, Hydroxychloroquin, Azathioprin, Mycophenolsäure, Ciclosporin, Cyclophosphamid),

  • bDMARDs mit dem Wirkprinzip TNF-α-Blocker (Adalimumab, Certolizumab pegol, Etanercept, Golimumab, Infliximab),

  • bDMARDs mit anderen Wirkprinzipien (Anti-CD20/Rituximab, Anti-CTLA-4/Abatacept, Interleukin-Inhibitor/Sarilumab, Tocilizumab),

  • JAK-Inhibitoren („targeted synthetic DMARDs“ [tsDMARDs]) wie Baricitinib und Tofacitinib.

Paper-Pencil-Befragung

Weiterhin wurde eine Paper-Pencil-Befragung von Patienten und Rheumatologen zur Therapie bei ERE durchgeführt.

Gegenstand der Untersuchung waren der Gesundheitszustand und die gesundheitsbezogene Lebensqualität bei einer Therapie mit biologischem Original im Vergleich zu Biosimilars anhand von:

  • Einschätzungen des Krankheitszustands seitens der Patienten und der Ärzte seit Beginn der biologischen Therapie und seit dem letzten Praxisbesuch bzw. Patientenkontakt,

  • den zuletzt erhobenen standardisierten Scores des krankheitsbezogenen Gesundheitszustandes,

  • aktueller und, sofern zutreffend, vergangener biologischer Therapie (Original und Biosimilar),

  • den Therapiezeiträumen vor und nach Beginn der Behandlung mit dem aktuellen Biologikum/Biosimilar sowie

  • soziodemografischen Patientendaten.

Die Stichprobengröße betrug 977 Patientendokumentationen von 25 bayerischen vertragsärztlich tätigen Rheumatologen, die folgende Kriterien erfüllt haben:

  • Patient hat Diagnose rheumatoide Arthritis, axiale Spondyloarthritis oder Psoriasisarthritis,

  • Arzt sieht Patient mindestens zum zweiten Mal und

  • Patient erhält bereits oder ab sofort eine Arzneimitteltherapie mit einem bDMARD (Original oder Biosimilar).

Die Fragebogenentwicklung erfolgte in Zusammenarbeit der KVB und Pro Generika in enger Abstimmung mit einem rheumatologischen Experten. Die Auswertung des Fragebogens erfolgte durch die DocCheck Research, Köln. Die Patientendokumentationen wurden durch die Ärzte gemeinsam mit den Patienten im Zeitraum 24.10.19 bis 31.01.2020 während der Sprechstunde ausgefüllt. Je Patient wurde eine Erhebung durchgeführt.

Ergebnisse

Steigende Verordnungshäufigkeit zielgerichteter Therapien

Im Zeitraum 2014 bis 2019 ist ein Anstieg der Diagnoseprävalenz von rheumatischen Erkrankungen von 1,9 % auf 2,01 % in Bayern zu beobachten (s. Abb. 1, vgl. auch Tab. 1). Auch die Arzneimittelversorgung dieser Patienten nahm von 2014 bis 2019 in Bayern zu. Über diesen Zeitraum stieg bayernweit der Anteil an diagnostizierten Patienten, die eine Arzneimitteltherapie (AMT) erhielten, von 38,5 % auf 43,2 % (s. Abb. 1) bei gleichzeitig sinkendem durchschnittlichem Alter von 62 Jahren in 2014 auf 59 Jahre in 2019. Auch der Anteil von Patienten unter Dauertherapie, die mehr als 183 DDD jährlich erhielten, nahm zu (2014: 23,1 %; 2019: 25,9 %). Der morbiditätsbezogene Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) definiert 183 DDD als Mindestmenge für eine Dauermedikation bei Versicherten mit chronischer Krankheit [12].Footnote 1

Abb. 1
figure 1

Diagnoseprävalenz, Durchschnittsalter und prozentualer Anteil von Rheuma-Versicherten mit Arzneimitteltherapie (AMT) im Zeitraum von 2014 bis 2019

Tab. 1 Epidemiologie der Rheuma-Kohorte: Verteilung nach Geschlecht und Indikation

Insgesamt ist eine vermehrte Arzneimitteltherapie für gesetzlich versicherte Patienten mit rheumatischen Erkrankungen zu beobachten. Dieser Trend fällt zusammen mit dem Markteintritt von 3 Biosimilars: dem Biosimilar zu Infliximab in 2015, dem Biosimilar zu Etanercept in 2016 und dem Biosimilar zu Adalimumab in 2018.

Die Versorgung der Patienten veränderte sich zudem in Bezug auf die verordneten Wirkstoffe. Die konventionelle medikamentöse Therapie rheumatischer Erkrankungen macht weiterhin einen Großteil der Medikation aus. Dieser ist im Untersuchungszeitraum jedoch kontinuierlich gesunken (2014 = 87,7 % vs. 2019 = 79,7 %; s. Abb. 2). Die rückläufige Entwicklung ist sowohl hinsichtlich der anteiligen Versorgung mit csDMARDS als auch im Bereich der kortisonbasierten Therapie zu beobachten (Anteil csDMARDS an DDD-Gesamtvolumen in 2014 = 48,5 % vs. 2019 = 45,4 %; Anteil Glukokortikoide in 2014 = 39,3 % vs. 2019 = 34,3 %).

Abb. 2
figure 2

Medikation nach Wirkstoffklasse anteilig an Gesamt-DDD im Zeitraum von 2014 bis 2019

Im Gegenzug nahm der Anteil zielgerichteter Behandlungen über den Auswertungszeitraum kontinuierlich zu: von 12,3 % in 2014 auf 20,4 % in 2019 für bDMARDs (Originale = 10,1 % und Biosimilars = 7,6 %) und tsDMARDS (2,7 %) zusammen. Jedoch spielten Letztere unter den zielgerichteten Therapien quantitativ noch eine deutlich untergeordnete Rolle. Diese Entwicklung zugunsten leitliniengerechter zielgerichteter Versorgung ging einher mit einem stetig zunehmenden Stellenwert von Biosimilars, die nicht nur konventionelle Therapieoptionen verdrängten, sondern auch Original-bDMARDs – sowohl in absoluten Zahlen als auch anteilig (Anteil Originale 2014 = 12,3 %; 2019 = 10,1 %).

Dieser Trend auf Populationsebene lässt sich auch in Bezug auf patientenindividuelle Medikationsmuster beobachten. So nahm der Anteil an Patienten, die ausschließlich eine konventionelle rheumatische Therapie (Glukokortikoide und/oder csDMARDs) erhielten, von 2014 zu 2019 innerhalb der untersuchten Kohorte über alle rheumatischen Erkrankungen um 9,0 % ab (s. Abb. 3). Der stärkste Rückgang ist bei der axialen Spondyloarthritis zu verzeichnen (−15,4 %).

Abb. 3
figure 3

Anteil ausschließlich konventionell versorgter Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen (Glukokortikoide und/oder csDMARDs) in 2014 und 2019 nach Indikationen

Im Vergleich dazu stieg der Anteil an Patienten mit einer biologischen Therapie (Originale und/oder Biosimilars) über denselben Zeitraum deutlich (s. Abb. 4). Der stärkste Anstieg ist mit 40,8 % bei der Versorgung von Patienten mit rheumatoider Arthritis festzustellen. Während in 2014 noch keine Biosimilars auf dem Markt verfügbar waren, erhielt in 2019 über alle rheumatologischen Erkrankungen hinweg bereits fast die Hälfte (48,7 %) der mit biologischen Therapien versorgten Patienten eine Biosimilar-Therapie.

Abb. 4
figure 4

Anteil an Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen mit bDMARD-Therapie in 2014 und 2019 nach Indikationen

Zielgerichtete Therapien und somit auch bDMARDs werden hauptsächlich durch Rheumatologen verordnet: Im Zeitraum von 2014 bis 2019 waren Rheumatologen für 74,7 % und andere Facharztgruppen (z. B. Orthopäden) für weitere 13,8 % der verordneten zielgerichteten Therapien verantwortlich (bDMARDs: 74,1 % und 14,3 %).Footnote 2 Rheumatologen sind damit die Arztgruppe, deren Therapieverhalten maßgeblich Rückschlüsse über den Einfluss der Einführung von Biosimilars auf die ambulante vertragsärztliche Versorgung zulässt.

Wie anhand der KVB-Abrechnungsdaten gezeigt, nahm der Anteil an Biosimilars gegenüber Original-bDMARDs in der Versorgung von 2014 bis 2019 zu. Aus den Patientendokumentationen der Paper-Pencil-Befragung mit niedergelassenen Rheumatologen geht hervor, dass zum Zeitpunkt der Erhebung mehr Patienten eine Therapie mit Originalen als mit Biosimilars erhielten (56 % zu 44 %, s. Tab. 2). Wurde jedoch die rheumatische bDMARD-Therapie umgestellt, fand ein Wechsel von Original auf Biosimilar mit 39 % deutlich häufiger statt als umgekehrt (7 %, s. Tab. 3).

Tab. 2 Verteilung der Patienten der Paper-Pencil-Befragung nach Original vs. Biosimilar (zum Erhebungszeitpunkt) und nach Geschlecht
Tab. 3 Verordnungsverhalten bei Therapiewechsel – Einsatz von Originalpräparaten und Biosimilars nach Indikation in Bezug auf alle in der Befragung erfassten Therapieumstellungen bei bekannter Vortherapie

Die Paper-Pencil-Befragung zeigte einen zunehmend früheren Einsatz von bDMARDs. So betrug die mediane Dauer der Basistherapie (Glukokortikoide und csDMARDs) von Patienten, die bis einschließlich 2013 erstmals auf eine bDMARD-Therapie eingestellt wurden, noch 3,71 Jahre (s. Tab. 4). Im Zeitraum ab 2014, in den die Markteinführungen von 3 Biosimilars fielen, sank die Dauer der Basistherapie vor Biologikaeinsatz mit Ausnahme von 2018 jedes Jahr weiter ab. Für Patienten, deren Ersteinstellung auf bDMARD 2019 erfolgte, verkürzte sich die mediane Dauer der Basistherapie auf 2,17 Jahre.

Tab. 4 Mediane Dauer der Basistherapie bis zum ersten bDMARD-Einsatz (Originale und Biosimilars) in Jahren nach Jahr der Ersteinstellung

Wahrnehmung der Wirksamkeit von Biosimilars und Originalen vergleichbar

Rheumatologen schätzten den Krankheitsverlauf bei Patienten, die eine Original-bDMARD-Therapie erhielten, im Einzelfall etwas besser ein als bei Patienten unter Biosimilars. So gaben Behandler in der Paper-Pencil-Befragung bei 89 % der mit Originalen behandelten Patienten an, der Gesundheitszustand habe sich seit Beginn der aktuellen Therapie (deutlich) verbessert (33 % seit dem letzten Besuch; s. Abb. 5, linke Seite). Diese Einschätzung traf für 83 % (30 %) der mit Biosimilars behandelten Patienten zu. Ähnliche Unterschiede lieferte auch die Selbsteinschätzung von Patienten (86 % vs. 81 % seit Therapiebeginn; 32 % vs. 32 % seit dem letzten Besuch Original vs. Biosimilar).

Abb. 5
figure 5

Einschätzung des Krankheitszustands unter bDMARD-Therapie (Original vs. Biosimilar, links) und standardisierte Scores (rechts). DAS Disease Activity Score, CDAI Clinical Disease Activity Index, DAPSA Disease Activity in Psoriatic Arthritis, BSG Blutsenkungsgeschwindigkeit (mm/h), VAS visuelle Analogskala (Selbsteinschätzung von Schmerzen), FFbH Funktionsfragebogen Hannover, CRP C-reaktives Protein (in mg/l), BASDAI Bath Ankylosing Spondylitis Activity Index, BASFI Bath Ankylosing Spondylitis Functional Index

Zusätzlich zur Einschätzung des Krankheitszustands wurden im Rahmen der Umfrage auch die letzterhobenen standardisierten Scores der Patienten dokumentiert. Während einige Scores zugunsten der Therapie mit Originalen ausschlugen (z. B. DAS28, CDAI, BASFI), erzielten bei anderen Biosimilars die besseren Werte (z. B. DAPSA, VAS, BASDAI). Insgesamt scheinen die Ergebnisse zwischen den Scores jedoch vergleichbar (s. Abb. 5, rechte Seite).

Diskussion

Die vorliegende Querschnittanalyse zeigt für den Zeitraum von 2014 bis 2019 eine deutliche Veränderung der medikamentösen Versorgung von Patienten mit ERE. Mit dem Markteintritt von Biosimilars für die umsatzstärksten bDMARDs Adalimumab, Etanercept und Infliximab in den Jahren 2015 bis 2018 standen bei bestehender Indikation für TNF-α-Blocker kostengünstigere Therapieoptionen zur Verfügung.Footnote 3 Damit ging ein häufigerer und früherer Einsatz von bDMARDs im ärztlichen Verordnungsverhalten in Bayern einher, wie er auch bereits für das Rheuma-Register RABBIT beschrieben worden ist [13].

So stieg die Anzahl der Rheumapatienten mit Pharmakotherapie im Beobachtungszeitraum um 24,7 % von 38 % im Jahr 2014 auf 43 % im Jahr 2019. Dabei waren die insgesamt je Patient verordneten Mengen nahezu unverändert, das durchschnittliche Alter der Patienten mit Arzneimitteltherapie sank jedoch zwischen 2014 und 2019 um durchschnittlich 3 Jahre. Gleichzeitig ist ein Anstieg der Patienten mit ERE insgesamt zu beobachten, was sich mit vorangegangenen Studien deckt [14]. Der Anteil der Glukokortikoide an den Gesamt-DDD aller eingesetzten Wirkstoffklassen ist von 2014 bis 2019 um 5 % gesunken. Es ist also von einem reduzierten Einsatz auszugehen, wie er in den Leitlinien empfohlen wird [2]. Dennoch machen Glukokortikoide immer noch mehr als ein Drittel der verordneten DDD aus (34,3 % in 2019).

Über den Zeitraum von 2014 bis 2019, in den auch der Markteintritt von 3 Biosimilars fällt, scheint sich die Versorgung von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen also quantitativ wie qualitativ verbessert zu haben: Mehr Patienten erhielten eine Arzneimitteltherapie, gleichzeitig nahm der Anteil zielgerichteter Therapien zu, und immer weniger Patienten wurden ausschließlich konventionell behandelt. Zudem sank die mediane Dauer der Basistherapie bis zur erstmaligen Umstellung auf eine bDMARD-Therapie von 2014 bis 2019 von 3,15 Jahren auf 2,17 Jahre. Diese Beobachtung ist vorrangig für Patienten mit rheumatoider Arthritis oder Psoriasisarthritis von Bedeutung. Für Patienten mit axialer Spondyloarthritis ist in der Regel eine Biologikatherapie bereits dann indiziert, wenn unter nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) keine ausreichende Reduktion der entzündlichen Krankheitsaktivität erreicht werden kann [15].

Diese für Betroffene positive Entwicklung zugunsten leitliniengerechter zielgerichteter Versorgung ging einher mit einem stetig zunehmenden Stellenwert von Biosimilars, die nicht nur konventionelle Therapieoptionen verdrängten, sondern auch Original-bDMARDs – sowohl in absoluten Zahlen als auch anteilig (Anteil Originale 2014 = 12,3 %; 2019 = 10,1 %). Dies zeigen auch die Auswertungen des RABBIT-Registers [13].

Der verbesserte Zugang zur Versorgung mit bDMARDs sowie die erhöhte Leitlinienkonformität der Versorgung von entzündlich rheumatischen Erkrankungen stehen im zeitlichen Zusammenhang mit der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Verordnung durch Biosimilars. Diese beobachtete Korrelation entspricht der bereits 2017 von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie aufgestellten Forderung: „Die Verfügbarkeit von Biosimilars muss die Behandlungskosten von individuellen Patienten senken und den Zugang zu einer optimalen Therapie für alle Patienten mit rheumatischen Erkrankungen ermöglichen“ [16].

Besonderes Augenmerk verdient der Befund, dass Patienten und Ärzte den Krankheitsverlauf beim Einsatz von Originalprodukten etwas positiver einschätzten als beim Einsatz von Biosimilars. Die Ergebnisse der standardisierten Scores hingegen waren vergleichbar.

Dieser Unterschied kann zum einen daher rühren, dass eine subjektive Verbesserung im Krankheitsverlauf nicht zwangsläufig mit einem besseren Score korreliert. Im Alltag können Patienten von Originalpräparaten auf das entsprechende Biosimilar umgestellt werden, was nicht mit dem Ziel einer besseren Wirksamkeit verknüpft ist.

Zum anderen bestätigen auch frühere Untersuchungen die Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung des Krankheitsverlaufs und der Messung anhand standardisierter Krankheitsparameter [17]. Diese abweichende Wahrnehmung wird mitunter durch den Nocebo-Effekt erklärt [18, 19], der allerdings durch geeignete Kommunikationsstrategien minimiert werden kann [20, 21]. In diesem Zusammenhang können die gefundenen Ergebnisse auf die Notwendigkeit verweisen, Nocebo-induzierende Kommunikation bei der Verordnung von und insbesondere bei Umstellung auf Biosimilars zu vermeiden, wie es auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) in ihrem Leitfaden zu Biosimilars empfiehlt [22]. Eine derartige Kommunikation ist allerdings zeitaufwendig, was sich vor dem Hintergrund der bekannten personellen Engpässe in der Ärzteschaft und damit auch bei Rheumatologen hemmend auswirken kann.

Aus den Ergebnissen dieser Querschnittanalyse wird deutlich, dass mittlerweile die Akzeptanz der Rheumatologen für den Einsatz von Biosimilars insgesamt hoch ist. Fördernde Faktoren sind dabei auch in den Bestrebungen der Selbstverwaltung in Bayern zu verorten, den Einsatz von Biosimilars durch Maßnahmen wie Biosimilarquoten zu steigern. Diese führten in den zurückliegenden Jahren zu einer hohen Biosimilarquote im bundesweiten Vergleich [23].

Diese Studie unterliegt gewissen Limitationen. So werden GKV-Routinedaten zu Abrechnungszwecken erhoben und spiegeln daher ausschließlich die gegenüber der GKV abgerechneten Leistungen wider, was eine lediglich indirekte Schlussfolgerung auf die in der Versorgung erbrachten Leistungen ermöglicht. Die Auswahl der Patienten für die Paper-Pencil-Befragung erfolgte durch die behandelnden Rheumatologen, womit ein Selektionsbias einhergehen kann. In den Patientendokumentationen wurden die Gründe für Therapieumstellungen nicht erfasst. Beides schränkt die Aussagekraft der Arzt- und Patienteneinschätzung hinsichtlich der Therapie mit biologischen Originalen oder Biosimilars ein. Schließlich sind die zeitlichen Zusammenhänge zwischen der Einführung von Biosimilars und den beobachteten Effekten als Korrelation beobachtet worden und bedingen sich nicht zwingend kausal.

Fazit für die Praxis

  • Biologika gewinnen aufgrund ihrer zielgerichteten Therapieansätze in der individuellen Patientenversorgung immer mehr an Bedeutung. Bei in der Regel guter Verträglichkeit und Langzeitsicherheitsdaten über mehr als 20 Jahre für TNF-α-Blocker ermöglichen diese Therapien bei vielen Patienten das Therapieziel der Remission der Erkrankung. Sobald diese in der Regel teureren Therapieoptionen den Patentschutz verlieren, erschließen sich wirtschaftliche Reserven.

  • Bei funktionierender Verordnungssteuerung durch die Selbstverwaltung und hoher ärztlicher Akzeptanz von Biosimilars sollte sich die weitere Förderung des Einsatzes von Biosimilars auf eine verbesserte Patientenkommunikation konzentrieren. Hier sind incentivierende Steuerungsansätze vorstellbar, um sowohl das kostensenkende als auch das versorgungsverbessernde Potenzial der Biosimilars zu realisieren. Steuerungsmechanismen, wie die gesetzlich vorgesehene Substitution von Biosimilars in der Apotheke, mögen zwar die gewünschten Auswirkungen auf (weitere) Rabatte entfalten und die Erhöhung des Verordnungsanteils rabattierter Biologika befördern. Anstelle der benötigten Verbesserung der Patientenkommunikation könnte eine Verunsicherung der Patienten resultieren, die die erzielten Qualitätsverbesserungen in deren Versorgung infrage stellen würde.