Räume und Umwelten des Alter(n)s spielen in der gerontologischen Forschung schon seit ihren Anfängen eine Rolle. Während sich Forschungsarbeiten rund um „ageing and living in place“ mit der Anpassung von (Wohn)Umwelten, Wohnzufriedenheit und Wohnveränderungen im Alter auseinandersetzen [12], beschäftigt sich Literatur der ökologischen Gerontologie an der Schnittstelle zu aktivem bzw. erfolgreichem Alter(n) mit der Frage, inwiefern Räume Aktivitäten und Teilhabe im Alter unterstützen oder behindern. Die kulturelle Bildung im Alter, die auf die Unterstützung sozialer Teilhabe im Alter abzielt [14], hat sich bislang allerdings nur am Rande mit räumlichen Aspekten beschäftigt.

Hintergrund und Fragestellung

Räumliche Aspekte spielen in der Verwirklichung von aktivem Alter(n) auf vielfältige Art und Weise eine Rolle. Studien zeigen, dass Umweltvariablen einen signifikanten Einfluss darauf nehmen, an welchen Aktivitäten im höheren Lebensalter partizipiert wird bzw. partizipiert werden kann [1, 20], gleichzeitig nimmt die räumliche Gestaltung von Interventionsprogrammen Einfluss darauf, welche Gruppen von diesen Programmen erreicht werden [19]. Obwohl aus dieser Perspektive deutlich wird, dass Räume und Umwelten kein „Außen“ des Alter(n)s sind, sondern eng damit verknüpft sind, wie ältere Menschen ihr Alter erleben und aktives Alter(n) verwirklichen können, wurden in der ökologischen Gerontologie Räume lange als Umweltbedingungen verstanden und der Fokus meist entweder auf das subjektive Erleben oder auf objektiven Facetten von Umwelten im Alter gelegt [21]. Die ökologische Gerontologie hält damit an ihren Grundprämissen, nämlich einer konzeptionellen Trennung zwischen (älterem) Mensch und relevanten Umwelten, und einem kausalen Verständnis dieser Relation, fest [16].

Unter den Vorzeichen der kulturellen Wende in der Gerontologie [24] werden diese Prämissen vermehrt infrage gestellt. Räume und Umwelten spielen aus einer solchen Perspektive eine konstitutive Rolle darin, wie das Alter(n) erlebt, bewertet und gestaltet wird. Alter(n) verwirklicht sich so erst im Zusammenspiel zwischen (älterem) Mensch und relevanten Umwelten (siehe dafür etwa aus der Perspektive des „new materialism“: [17]).

Gerade die kulturelle Bildung, die die Unterstützung sozialer Teilhabe durch das Entdecken neuer Aktivitäten im Alter als Ziel formuliert hat [14], zeigt auf vielfältige Weise auf, welche Bedeutung Räumen im Erleben des Alter(n)s zukommt. So finden kulturelle Bildungsangebote häufig in besonders bedeutsamen (sog. Konsekrations‑)Räumen [15], wie Theatern oder Museen, statt [14]. Obwohl räumliche Aspekte damit in der kulturellen Bildung eine bedeutsame Rolle spielen, wurden diese wissenschaftlich bislang noch kaum untersucht. Forschung zu Wirkung und Gestaltung kultureller Bildung bleibt bislang meist an therapeutischen Kontexten verhaftet und nimmt die (räumlichen) Bedingungen von kulturellen Aktivitäten im Alter nur selten in den Blick [11, 13].

Der vorliegende Beitrag fokussiert die räumlichen Aspekte von kulturellen Bildungsangeboten für ältere Menschen und geht der Frage nach, welche Bedeutung diese Aspekte für das Erleben von Alter(n) haben. Dafür folgt der Beitrag einem kulturgerontologischen Verständnis von Räumen und Alter(n) und bearbeitet davon ausgehend die folgenden Fragen:

  1. 1.

    Welche Bedeutungen des Alter(n)s liegen den räumlichen Anordnungen von kulturellen Bildungsangeboten für ältere Menschen zugrunde?

  2. 2.

    Wie begrenzen und ermöglichen diese Räume das Erleben eines aktiven Alter(n)s?

Alter(n) und Räume aus der Perspektive der Kulturgerontologie

Was zeichnet ein kulturgerontologisches Verständnis von Räumen und Umwelten des Alter(n)s aus? Im breitesten Sinne fokussiert die Kulturgerontologie auf die symbolischen Dimensionen des Alters und damit verbunden auf Identitätskonstruktionen älterer Menschen [24, 25]. In der Erforschung von Räumen und Umwelten des Alters liegt der Fokus dabei, erstens, auf dem identitätsstiftenden Charakter von Räumen im Alter, der zeigt, dass ältere Menschen nicht nur von Räumen beeinflusst werden, sondern eine aktive Rolle in der Gestaltung und Aneignung derselben spielen [8, 18]. Räume wirken aus dieser Perspektive nicht von außen auf ältere Menschen ein, sondern die Bedeutung des Raumes und Identitäten älterer Menschen entstehen im Zwischenspiel zwischen Umwelten und älteren Menschen. Zweitens zeigt sich in kulturgerontologischen Arbeiten ein wachsendes Interesse an den Prozessen, durch welche Räume designt [4] werden. Aus dieser Perspektive werden Räume nicht als fixierte Einheiten vorausgesetzt, sondern ihnen wird Flexibilität und Kontextabhängigkeit unterstellt. Drittens zeigt sich in kulturgerontologischen Arbeiten ein vermehrtes Interesse an Dingen und ihren Bedeutungen, die im Alter eine Rolle spielen. Damit heben kulturgerontologische Arbeiten die Trennung zwischen Dingen und Räumen teilweise auf (zum „material convoy“: [9]). Räume und Umwelten sind damit aus kulturgerontologischer Perspektive kein „Außen“, sondern Teil der sozialen Praxis und der kulturellen Ordnung des Alter(n)s [10].

Räume, in denen kulturelle Bildungsangebote für ältere Menschen stattfinden, lassen sich aus dieser Perspektive als Teil einer Kultur des Angebots verstehen, in der Subjektkulturen (als Positionen von Teilnehmenden und Leitenden) und Objektkulturen (als Positionen von Räumen und Dingen) eine gleichberechtigte Rolle darin einnehmen, Alter(n) zu realisieren. Als gleichberechtigte Akteure des Alter(n)s nehmen dabei Subjekte und Objekte einen Anteil daran, wie das Alter(n) hergestellt wird (Diskussion der Arbeiten zur Akteur-Netzwerk-Theorie: [17]). Subjektkulturen lassen sich dabei als „ein Ensemble von Praktiken und Diskursen verstehen, die eine bestimmte Subjektform … voraussetzen oder produzieren“ [22, S. 73]: Ein bestimmtes Alter(n)serleben ist aus so einer Perspektive an die Praktiken geknüpft, die in einem Bildungsangebot ermöglicht oder unterstützt werden. „Objektkulturen“ [22, S. 75] – Umwelten, in denen ein Angebot stattfindet, oder Dinge, die dort verwendet werden – sind aus dieser Perspektive Teil von Subjektivität im Alter, weil „bestimmte materielle Arrangements von Artefakten […] zu einer bestimmten Subjektivierungsform beitragen“ [22, S. 75].

Ein bestimmtes Alter(n)serleben in kulturellen Bildungsangeboten entsteht damit aus dem wechselseitigen Zusammenspiel zwischen Räumen und Subjektivitäten der Teilnehmenden: Wir nehmen Alter(n) anders wahr, wenn wir uns in einem Bällebad für Kinder aufhalten oder ein SeniorInnen- bzw. Pflegeheim betreten. Das mag einerseits mit der spezifischen Materialität der sozialen Praxis zu tun haben (etwa Rollatoren in Pflegeheimen, die an das Alter erinnern) oder andererseits damit, dass Räume Bedeutung transportieren, indem sie bestimmten Altersgruppen zugeschrieben werden – beides lässt sich als „Objektkultur“ der relevanten Umwelt verstehen.

Es ist das Ziel des Beitrags, Subjekt‑/Objektkulturen von kulturellen Bildungsangeboten für ältere Menschen herauszuarbeiten und danach zu fragen, in welcher Form diese aktives Alter(n) ermöglichen oder begrenzen. Für die ökologische Gerontologie ermöglicht ein solches kulturgerontologisches Verständnis von Person und Umwelt – von Subjekt- und Objektkultur – einen differenzierten Blick auf die Prozesse, durch die Alter(n) und Räume miteinander verknüpft werden.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Um ein kulturgerontologisches Verständnis von Alter(n) und Räumen empirisch zu fassen, basiert der Beitrag auf Daten aus insgesamt 6 qualitativen Fallstudien kultureller Bildungsangebote für ältere Menschen. Als kulturelle Bildungsangebote wurden Angebote verstanden, die entweder Bildung durch die Künste oder Bildung in den Künsten [2] für ältere Menschen in regelmäßig stattfindenden und professionell geleiteten Gruppen anboten.

Die Auswahl der Fälle erfolgte auf Basis einer explorativen quantitativen Online-Erhebung von kulturellen Bildungsangeboten in Österreich (Erhebungszeitpunkt: November 2016). Die Datenbasis umfasste 173 Angebote in den Bereichen bildende Kunst (76 %), Literatur (71 %), Musik (64 %), Medien (87 %), Tanz (72 %) und Theater (76 %) (n = 173, Mehrfachantworten waren möglich). Bei der Auswahl wurde je ein Angebot aus jedem künstlerischen Bereich inkludiert (Tab. 1). Die 6 Bildungsangebote wurden von einem Forschungsteam teilnehmend beobachtet und anschließend durch je 2 detaillierte Protokolle dokumentiert. Zusätzlich wurden 6 qualitative, leitfadengestützte Interviews mit den Angebotsleitenden und 5 leitfadengestützte Interviews mit je einer Teilnehmerin eines Angebots geführtFootnote 1. Alle Interviews (38–101 min) wurden aufgezeichnet und transkribiert.

Tab. 1 Übersicht über Fallstudien in kulturellen Bildungsangeboten für ältere Menschen

Die Analyse der Beobachtungsprotokolle und Interviewtranskripte erfolgte nach dem Kodierschema der Grounded Theory [6] mithilfe des Datenanalyseprogramms MAXQDA (VERBI Software GmbH, Berlin, Deutschland). Im zweiten Schritt wurden die kodierten Daten mit der Situationsanalyse [5] analysiert. Dazu wurden auf Basis der Kodierungen sämtliche Elemente eines Angebots in einer Situation-Map visualisiert. In diesen Maps wurden „nichthumane Elemente“ (z. B. Räume und Dinge), „humane Elemente“ (z. B. Teilnehmende und Angebotsleitende) und „diskursive Elemente“ (z. B. Altersbilder) zueinander in Beziehung gesetzt, die in dem jeweiligen Angebot eine Rolle spielten [5]. Die Ergebnisse wurden aus der so vorgenommenen Analyse der 6 Fallstudien gewonnen. Zum Zwecke der kompakten Darstellung werden im Folgenden die Ergebnisse im Sinne der maximalen Kontrastierung [6] anhand von ausgewählten Fallstudien exemplarisch erläutert.

Ergebnisse

Welche Bedeutungen des Alter(n)s liegen nun den räumlichen Anordnungen von kulturellen Bildungsangeboten für ältere Menschen zugrunde? In der Analyse wurde im ersten Schritt deutlich, dass die Räume, in denen die Bildungsangebote stattfanden, eine zentrale Rolle im Erleben des Angebots durch die Teilnehmenden spielten. Dies lag zunächst daran, dass die Angebote meist in besonders bedeutsamen und häufig nicht für ältere Zielgruppen ausgerichteten Räumen stattfanden (Tab. 1).

Durch die Art, den Ort und die Ausstattung der Räume erhielten die Angebote eine bestimmte Bedeutung für die Teilnehmenden. So führte etwa die Tatsache, dass das Bildungsangebot in den Proberäumen eines renommierten Theaters stattfand, dazu, dass sich Teilnehmenden besonders wertgeschätzt fühlten, wie eine Teilnehmerin beschreibt: „Wo hat man sonst die Möglichkeit, sich am großen Haus dort zu bewegen?“ (Teilnehmerin, Spielclub, 53 Jahre). In anderen Fällen lösten diese Räume Frustration aus, etwa, wenn Räume nicht auf Bedürfnisse älterer Menschen ausgerichtet waren. Das war beispielsweise in einem Museumsangebot der Fall, in welchem die Räume auf Kindergruppen ausgerichtet waren und in welchen daher in der Pause Getränke nur aus Plastikbechern konsumiert werden konnten, was zu Unmut unter den Teilnehmenden führte. Im Jodelseminar auf einer Almhütte wurde durch die räumliche Anordnung ein Gefühl von Gemeinsamkeit hergestellt. Die räumliche Ordnung des Angebots wurde als Teil einer „Kultur“ verstanden, die eine wichtige Gemeinsamkeit zwischen den Teilnehmenden erzeugte: „und natürlich auf die Alm, auf die wir gehen und irgendwo gemeinsam singen, das ist ja das Schönste, nicht? Es passt alles zusammen, das gehört zu unserer Kultur“ (Teilnehmerin Jodelseminar, 71 Jahre).

Durch die bestimmten räumlichen Bedingungen der kulturellen Bildungsangebote erhielten diese also auch eine spezifische Bedeutung bei den Teilnehmenden, die in den Interviews als Wert- oder Geringschätzung interpretiert wurde. Für die Teilnehmenden, so zeigen die Daten, ließen die zur Verfügung gestellten Räume daher einen Hinweis auf ihre soziale Position in der Kultur- oder Bildungsinstitution zu. In der Fallstudie des Theaterangebots trug die Möglichkeit, als ältere Amateurtänzerin professionelle Proberäume nützen zu können, als Ausdruck einer besonderen Wertschätzung des Theaters gegenüber den älteren Teilnehmenden zu einer selbstbewussten Position der Teilnehmenden in der Institution des Theaters bei. Im Jodelseminar wurde durch den Raum, in dem das Angebot stattfand, deutlich, wer zum „innen“ und wer zum „außen“ der dort vorherrschenden Kultur gehörte. Ein wesentlicher Teil der räumlichen Anordnung der Angebote war es deshalb, die Frage des „Wer darf bzw. soll in diesem Raum sein?“ zu verhandeln.

Subjekt-/Objektkulturen in kulturellen Bildungsangeboten

In den Interviews mit den Angebotsleitenden wurde deutlich, dass die Bildungsangebote zentral auf die Unterstützung von aktivem Alter(n) durch eine Aktivierung der TeilnehmerInnen abzielten: „Dass jeder aktiviert wird“ (Angebotsleiterin, Museumsführung) oder „ein Aktivieren des Gehirns“ (Angebotsleiter, Jodelseminar) wurden beispielsweise als Angebotsziele genannt. Wie begrenzen und ermöglichen diese spezifischen Räume, in denen die analysierten kulturellen Bildungsangebote stattfanden, nun das Erleben aktiven Alter(n)s, auf das die Angebote abzielten? Hier zeigt sich, dass nicht nur die Räume selbst, sondern auch die Bewegung innerhalb dieser Räume einen Einfluss darauf nahmen, wie Teilnehmende aktives Alter(n) in den Angeboten erlebten. Mit Anweisungen wie „Den ganzen Raum nutzen! Nicht schüchtern sein!“ (BP1, Spielclub) regte die Angebotsleiterin im Theaterangebot an, den Prozess des Raumeinnehmens und Präsentseins, zu üben (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

a Ausgangssituation, b Ergebnis der Umsetzung zur Anregung zur vermehrten Raumaneignung. F, rot Forscherinnen, blau Teilnehmende, KV, grün Leiterin

Hier wird erkennbar, dass Präsenz und Raumaneignung zentrale Ziele der analysierten Angebote darstellten. Die eingeübten Praktiken vermittelten, sich Präsenz zu verschaffen und gleichzeitig Teil einer sozialen Gruppe zu sein, die dazu berechtigt ist, sich selbstbewusst Platz in den symbolisch bedeutsamen Räumen des Angebots zu machen. Einem möglichen räumlichen Rückzug im Alter wurde hier durch bewusste Übungen entgegengesteuert, die die körperliche Präsenz in neuen Räumen zu einem Lernziel machten und damit ein aktives und präsentes Altern herstellten. Voraussetzung dafür sind nicht nur Lehrstrategien, die vorhandene Potenziale nutzen, und Teilnehmende, die die Übungen umsetzen können, sondern auch Räume, die eine solche Nutzung erlauben – etwa, indem genug Platz zur Verfügung steht, um sich um im Raum ausbreiten zu können. Aktives Alter(n) bedarf deshalb bestimmter räumlicher Voraussetzungen, die in den Angeboten nicht immer gegeben waren. Deutlich wird hier, dass weder Raum noch Lehrstrategien oder Teilnehmende für sich allein determinierten, welches Altsein in einem Bildungsangebot wahrscheinlicher wurde (Subjektkulturen). Alterssubjektivitäten entstanden erst aus dem Zusammenspiel von Raumnutzungspraktiken und materiellen Arrangements (Objektkulturen).

Diese Objektkulturen der Angebote erwuchsen nicht nur durch Lage und Form der Räume, sondern auch durch die Nutzung von Dingen, die zur Verfügung standen: Im Jodelseminar (Abb. 2) war die Nutzung der spezifischen Umgebung ein zentrales Element – es wurde beispielsweise darum gebeten, vor der Hütte vor dem Bergpanorama singen zu dürfen (BP 2, Jodelseminar).

Abb. 2
figure 2

Räumliche Umgebung des Jodelseminars

Das Angebotsziel des Poetry-Slam-Workshops war es, ältere Menschen an die Kulturtechnik heranzuführen: „Das sind Menschen, die wirklich älter sind … und sich auf die Bühne stellen, obwohl sie noch nie in ihrem Leben auf einer Bühne gestanden sind und dort wirklich was performen“ (Angebotsleiterin, Poetry Slam). Zentraler Aspekt des Angebots war es, dass den Teilnehmenden Überwindung abverlangt wurde, etwas zu tun, dass sie vorher noch nicht getan hatten – und das auch in einer räumlichen Dimension: Bei der Präsentation der Texte wurden die Teilnehmenden dazu angehalten, die Bühne nicht über die Hinterbühne zu betreten, sondern durch den Gang, der zuvor zwischen den Publikumsreihen arrangiert worden war, mitten durch das Publikum auf die Bühne zu schreiten. Das erzeugte deutliche Präsenz für die einzelnen Teilnehmenden. Die Objektkultur, die durch die Nutzung der Bühne, Mikrofone und die Anordnung der Sessel entstand, erzeugte und stützte somit das Angebotsziel der erhöhten Präsenz älterer Menschen.

Die zuvor beschriebene durch Wertschätzung und Aktivität geprägte Subjektkultur des Theaterangebots war beispielsweise durch die Nutzung des professionellen Equipments, wie einer Ballettstange oder eines wandhohen Spiegels, in dem sich die Teilnehmenden während der Übungen selbst betrachteten, geprägt. Eine protokollierende Forscherin etwa staunt während der Teilnahme „darüber, dass hier vor dem Spiegel trainiert wird, weil ich weiß, wie unangenehm es mir selbst wäre, mir beim Tanzen im Spiegel zuzuschauen – dazu braucht es Selbstbewusstsein und Übung“ (BP 1, Spielclub). Die Subjekt‑/Objektkultur dieses Angebots entstand also nicht nur durch die Nutzung eines symbolisch bedeutsamen Raumes – sie entstand auch über die Dinge, die im Bildungsangebot genutzt wurden.

Diskussion

Es war das Ziel des Beitrags, Subjekt‑/Objektkulturen von kulturellen Bildungsangeboten für ältere Menschen herauszuarbeiten und danach zu fragen, in welcher Form diese aktives Alter(n) ermöglichen und begrenzen. Welche Erkenntnisse hat die vorliegende Analyse gebracht, und wie erweitert der angewandte kulturgerontologische Forschungszugang die Prämissen der ökologischen Gerontologie?

Erstens hat die Analyse verdeutlicht, welche Bedeutung symbolische Aspekte in der Gestaltung und im Erleben von kulturellen Bildungsangeboten im Alter haben. Räumliche Aspekte nehmen in der Gestaltung von kulturellen Bildungsangeboten eine zentrale Rolle ein. Als Orte, an denen Wertschätzung, Gemeinschaft oder Frustration erlebt werden, funktionieren Räume als affektive Infrastrukturen für Bildungsangebote. Die ökologische Gerontologie erweitert ein solcher Zugang um eine symbolische Komponente, die verdeutlicht, welche symbolische und affektive Bedeutung Räume – v. a. jene in Kunst- und Kulturinstitutionen – im Erleben und im Interpretieren des eigenen Alter(n)s einnehmen. Räume, in denen kulturelle Bildungsangebote stattfinden, sind ein Ausdruck symbolischer Macht [3], die einen Prozess des Erkennens und Verhandelns darüber auslösen, wer sich legitim in bedeutsamen Räumen aufhalten darf – und wer nicht.

Zweitens zeigt die Analyse auf, dass auch das Erleben von aktivem Alter(n) an eine räumliche Praxis gebunden ist. Aktives Alter(n) zu ermöglichen, hieß in den analysierten Angeboten, eine bestimmte Art der Raumaneignung zu üben: Sich frei in einem großen, professionellen Proberaum vor Spiegeln zu bewegen, war dabei genauso Teil des aktiven Alte(n)s, wie sich auf einer Bühne vor Publikum zu präsentieren. Der Beitrag verdeutlicht damit, dass aktives Alter(n) nicht nur eine subjektive, sondern auch eine räumliche Kategorie ist. Aktives Alter(n) zu ermöglichen, bedeutet damit, Räume zur Verfügung zu stellen, die für ein solches Alter(n) genutzt werden können. Für die kulturelle Bildung bedeutet das, kulturelles Schaffen älterer Menschen aus therapeutischen Kontexten herauszulösen und eine öffentliche Darstellung der künstlerischen Aktivitäten älterer Menschen zu ermöglichen [11].

Welchen Stellenwert hat der hier angewandte kulturgerontologische Zugang für die ökologische Gerontologie? Zunächst zeigt das hier skizzierte Verständnis von Subjekt‑/Objektkulturen auf, dass Räume nicht von außen auf das Erleben des Alter(n)s einwirken, sondern sich Bedeutungen des Alter(n)s aus dem Zwischenspiel der älteren Teilnehmenden, ihren Umwelten und Materialitäten ergeben. Das Alter(n) selbst ist aus einer solchen Perspektive als zwischen Mensch und Umwelt aufgespannt zu verstehen. Die Kulturgerontologie fokussiert den Blick einerseits darauf, dass Räume im Alter neben physischer und sozialer, auch symbolische und kulturelle Bedeutung haben [23, 26], und andererseits darauf, dass sich Alter(n) nicht (nur) im Menschen vollzieht, sondern kontextabhängig im Zusammenspiel mit unterschiedlichen Räumen entsteht [17]. Diese Perspektive fügt sich in die Literatur ein, die ein relationales Raumverständnis in der geografischen Gerontologie skizziert [7] und stellt statt der Stabilität von älterem Mensch und Umwelt die vielfältigen Dynamiken, Transitionen und Verbindungen der beiden in den Vordergrund.

Obwohl der Beitrag zeigt, welchen Stellenwert ein kulturgerontologischer Blick in der Erforschung von Alter(n) hat, weist die Studie Limitationen auf, die in der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden sollten. Dies umfasst zunächst die Größe des Samples, das auf sechs Angebote begrenzt war. Des Weiteren war es aufgrund des Querschnittdesigns nicht möglich, die Entwicklung von Alter(n)sbildern bei den Teilnehmenden längsschnittlich zu begleiten und zu erforschen. Aktives Alter(n) wurde deswegen im vorliegenden Beitrag als Zielsetzung der untersuchten Angebote untersucht. Zuletzt beschränken sich die Ergebnisse auf den nationalen Kontext in Österreich. Obwohl die Erkenntnisse damit auf andere mitteleuropäische, ähnlich strukturierte Kultursektoren übertragen werden können, sind die Studienergebnisse nur bedingt auf andere nationale Kontexte übertragbar. Abschließend muss darauf hingewiesen werden, dass es die hier vorgestellte Analyse nicht erlaubte, die Heterogenität der untersuchten Angebote ausreichend zu thematisieren. So zeigte sich in der Analyse deutlich, dass die unterschiedlichen Räume – vom Proberaum über die Bühne bis zur Alm – deutliche Differenzen im Alter(n)serleben der Teilnehmenden bedingten und dabei Elemente wie geografische Lage, institutionelle Rahmung und Zugangsbarrieren eine bedeutsame Rolle spielten. Eine solche Analyse, die sich Gemeinsamkeiten und Unterschieden unterschiedlicher Bildungsräume im Alter widmet, ist für zukünftige Studien wünschenswert.

Fazit für die Praxis

  • Die Bedeutung von Räumen und Materialität kultureller Bildungsangebote in der Praxis sinnvoll einzubeziehen, bedeutet, diese in Angebotsplanung und -umsetzung als wirksame Bestandteile des Angebots zu verstehen.

  • Räume sind nicht gegebene Rahmenbedingungen von kulturellen Bildungsangeboten für ältere Menschen, sondern flexible Elemente des Lehr- und Lernprozesses, die in den geragogischen Zielen der Angebote berücksichtigt werden sollten.

  • Um aktives Alter(n) für heterogene Zielgruppen im Bildungsbereich zu unterstützen, sollte neben der Frage, welche Bedeutung die zur Verfügung gestellten Räume im Verhältnis zu Zielgruppen älterer Menschen erzeugen, auch in Betracht gezogen werden, wie Räume und Materialität im Zusammenspiel von Angebotsorganisation, Angebotsleitung und Teilnehmenden bewertet und genutzt werden.