Anamnese

Ein 64-jähriger Patient stellte sich erstmalig im Januar 2021 mit einer Überweisung des niedergelassenen Augenarztes zur Abklärung einer okulären Hypertension in unserer Klinik vor. Der Patient hatte keine weiteren Augenerkrankungen, eine leere Familienanamnese, wurde niemals operiert oder gelasert und hat kein okuläres Trauma erlebt. Als Allgemeinerkrankungen waren eine arterielle Hypertonie und eine Hypothyreose bekannt, welche mit Candesartan und L‑Thyroxin therapiert wurden. Es lagen keine Malignomerkrankungen vor. Der Patient war bei der Vorstellung beschwerdefrei.

Klinischer Befund

Der bestkorrigierte Visus betrug bei Aufnahme an beiden Augen 1,0 (Refraktion rechts +0,25/−0,25/114° und links −0,50/−0,50/101°). Der vordere Augenabschnitt war mit Ausnahme eines Arcus senilis und einer Cataracta incipiens unauffällig und reizfrei. Der Intraokulardruck (IOD) betrug 23 mmHg rechts und 24 mmHg links. Fundoskopisch zeigten sich die Papillen randscharf und vital mit einer Cup-to-Disk-Ratio von 0,4. Der Makulabefund war beidseits altersentsprechend. Fundoskopisch zeigten sich rechts in der mittleren Peripherie im Bereich der Vortexvenen 2 weißliche Läsionen (Abb. 1, A1) und links am oberen Gefäßbogen sowie superior der Papille 3 Läsionen in einer ringähnlichen Konfiguration (Abb. 1, B1). Die Netzhaut war allseits anliegend.

Abb. 1
figure 1

Weitwinkelaufnahmen der Läsionen (Pfeilspitze) mittels Fundusfotografie (A1 rechtes Auge, B1 linkes Auge) und Fundusautofluoreszenz (A2 rechtes Auge, B2 linkes Auge). Die Läsionen erscheinen weiß-gelblich in einer ringförmigen Konfiguration. In der Fundusautofluoreszenz zeigten sich die Läsionen als hyperfluoreszierende Areale

Diagnostik

In der optischen Kohärenztomographie (OCT) waren die Befunde für Papille und Makula beidseits unauffällig. Die Papillen waren auch in der Heidelberg Retina Tomographie (HRT) unauffällig. Im Januar 2021 und 2022 wurde jeweils eine Gesichtsfelduntersuchung durchgeführt (Abb. 2), welche jeweils frei sowohl von glaukomatösen als auch den Läsionen korrespondierenden Defekten waren. Die Mean Deviation (MD) betrug am rechten Auge −0,5 dB, am linken Auge −0,4 dB. In der Sonographie zeigten sich die Läsionen als hyperechogene sklerochoroidale Strukturen mit distaler Schallauslöschung (Abb. 3) ohne Hinweis auf eine retrobulbäre Raumforderung. In der Fundusautofluoreszenz (Abb. 1, A2, B2) zeigten sich die Läsionen als hyperfluoreszierende Areale. In der Enhanced-Depth-Imaging-OCT (EDI-OCT) sind die betroffenen Netzhautareale unauffällig, die Choroidea erscheint aber leicht verdünnt (Abb. 4). Mittels internistischer Laboruntersuchung (u. a. Blutbild, Elektrolyte, Leber- und Nierenwerte, Entzündungsparameter und Blutgerinnung) konnte eine systemische Beteiligung ausgeschlossen werden.

Abb. 2
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Gesichtsfelduntersuchung. Diese ist frei sowohl von glaukomatösen als auch den Läsionen korrespondierenden Defekten

Abb. 3
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Sonographie des linken Auges. Die Läsion stellt sich als hyperechogene Struktur (Pfeil) mit distaler Schallauslöschung (Sternchen) dar. Eine retrobulbäre Raumforderung ist nicht sichtbar

Abb. 4
figure 4

Sklerochoroidale Kalzifizierungen dargestellt mittels „enhanced depth imaging“ optischer Kohärenztomographie (EDI-OCT). Im Infrarotbild imponieren diese als hyperreflektive Areale, welche ringförmig ausgelegt sind. Die Choroidea erscheint an den Stellen leicht verdünnt

Wie lautet Ihre Diagnose?

Therapie und Verlauf

Mittels erweiterter Glaukomdiagnostik konnte ein Glaukom bei dem Patienten ausgeschlossen werden. Seit der initialen Vorstellung im Januar 2021 stellte sich der Patient halbjährlich zur Verlaufskontrolle in unserer Klinik vor. Bei der letzten Vorstellung im Juli 2023 war der Patient weiterhin beschwerdefrei. Der Visus betrug unverändert 1,0 beidseits. Fundoskopisch zeigten sich die Kalzifizierungen unverändert. Mithilfe der der Fundusfotografie konnte eine Größenprogredienz in den letzten 2 Jahren ausgeschlossen werden. In der wiederholten Sonographie war zudem ein retrobulbärer Prozess nicht nachweisbar. Die nächste Kontrolle in unserem Haus ist in einem Jahr geplant.

Diskussion

Intraokulare Kalzifizierungen können bei unterschiedlichen okulären sowie systemischen Erkrankungen vorkommen, wobei diese entweder idiopathischer (am häufigsten), dystrophischer oder metastatischer Genese sind [7]. Bei der dystrophen Kalzifizierung kommt es zu Kalziumphosphatablagerungen im Gewebe trotz eines normalen Kalzium- und Phosphatspiegels, wie z. B. im Rahmen einer Phthisis bulbi, einer chronischen Uveitis und eines schweren Bulbustraumas [5]. Bei der metastatischen Kalzifizierung kommt es zur Kalziumablagerung aufgrund eines erhöhten Kalziumspiegels, wie es z. B. bei Patienten mit Hyperparathyreoidismus, Sarkoidose, chronischer Niereninsuffizienz oder auch Malignomen der Fall ist [2, 5].

Die sklerochoroidale Kalzifizierung ist eine seltene Erkrankung, welche meist als Zufallsbefund während einer Routineuntersuchung beim niedergelassenen Augenarzt bei älteren Patienten diagnostiziert wird [5]. Im Allgemeinen sind die Patienten beschwerdefrei, und die Sehschärfe ist nicht herabgesetzt, da sich die Läsionen in der Peripherie befinden und die Fovea aussparen. Es wurden jedoch schon Fälle beschrieben, in denen auch der N. opticus betroffen ist, was zu einer progredienten und schweren bilateralen Sehverschlechterung führen kann [6]. Die Klassifizierung kann anhand des morphologischen Erscheinungsmuster in der EDI-OCT erfolgen [1]. Die Läsionen sind charakteristisch bilateral vorhanden, auch wenn es manchmal schwierig sein kann, diese fundoskopisch zu detektieren, insbesondere wenn die Läsionen weit in der Peripherie liegen. Hier kann die Sonographie – und als Ultima Ratio die Computertomographie – hilfreich sein, da die Läsionen hier als hyperdense Raumforderung sichtbar werden [4].

Häufig werden Patienten mit sklerochoroidaler Kalzifizierung zum Ausschluss von Malignomen in die Klinik überwiesen. Die Differenzialdiagnosen, welche teils schwer abgrenzbar sind, sind choroidale Metastasen, das choroidale Osteom, der amelanotische choroidale Nävus, die idiopathische Choroiditis sowie choroidale Tuberkulome. Choroidale Metastasen sind jedoch meist größer und dicker und gehen häufig mit einer exsudativen Netzhautablösung einher. Zudem zeigen sie sich in der Sonographie als weniger echoreich mit einer geringeren distalen Schallauslöschung. Das choroidale Osteom, welches die häufigste Differenzialdiagnose darstellt, tritt währenddessen vermehrt bei jungen Frauen auf, ist unilateral und häufig in der papillomakulären Region aufzufinden [3]. Zum Ausschluss choroidaler Tuberkulome ist eine Tuberkuloseabklärung unerlässlich.

Diagnose: Bilaterale idiopathische sklerochoroidale Kalzifizierungen

Die Ätiologie der sklerochoroidalen Kalzifizierungen ist bis dato ungeklärt, es kann aber wahrscheinlich zwischen einer idiopathischen und sekundären Form unterschieden werden. Eine geläufige Theorie ist, dass die Kalzifikationen aufgrund von chronischem mechanischem Stress zwischen der Sklera und der Ansatzsehne des M. obliquus superior entstehen [2, 5], da sich die Läsionen häufig an dieser anatomischen Stelle befinden. Bei der sekundären Form treten die Läsionen in einem anderen Verteilungsmuster auf und sind Zeichen einer systemischen Erkrankung, wie z. B. dem Hyperparathyreoidismus, der Hypomagnesiämie oder auch einer Nierenerkrankung wie dem Bartter- und Gitelman-Syndrom [2]. Im Labor wäre hier eine Hyperkalzämie erkennbar. Deshalb ist es lohnenswert, Patienten mit atypischen sklerochoroidalen Kalzifizierungen auf systemische Erkrankungen zu screenen.

Fazit für die Praxis

  • Sklerochoroidale Kalzifizierungen sind selten, haben aber ein erkennbares typisches Muster.

  • Sie zeigen sich als weiß-gelbliche, häufig ringförmig konfigurierte Läsionen häufig in der superioren Hemisphäre und treten zumeist bilateral auf. Die Patienten sind älter und meist asymptomatisch.

  • Die Abgrenzung zu malignen Differenzialdiagnosen ist notwendig.

  • Obwohl die Läsionen zumeist idiopathischer Genese sind, können die Kalzifizierungen auch Ausdruck einer systemischen Erkrankung mit Beteiligung des Kalziumhaushalts sein.