Pilzkeratitiden sind ein relativ seltenes, aber sehr ernst zu nehmendes Krankheitsbild. Die korrekte Diagnose wird in Deutschland initial nur bei 1/5 der Fälle gestellt [1, 10]. Die Gefahr für das Auge ist groß, denn nicht adäquat behandelt, kann es zu Hornhautvernarbungen, Augenperforationen oder Endophthalmitiden kommen, was die visuelle Prognose erheblich reduziert und den Erhalt des Auges unsicher macht. Eine perforierende Keratoplastik ist im Verlauf nicht ungewöhnlich. In dem Deutschen Pilz-Keratitis-Register erhielten 65,7 % der eingeschlossenen Patienten im Verlauf der Krankheit eine perforierende Keratoplastik [10].

Die klinische Diagnosestellung einer mykotischen Keratitis stellt uns besonders bei atypischem Krankheitsbild vor Herausforderungen. Eine Kontaktlinsenanamnese lässt uns manchmal a priori zu Unrecht eine solitäre Akanthamöbenkeratitis vermuten. Aufgrund der möglichen Koinfektion sind wir der Meinung, dass alle diagnostischen Modalitäten – Polymerasekettenreaktion (PCR), In-vitro-Kultivierung, Histologie und in vivo konfokale Mikroskopie – parallel durchgeführt werden sollten [4, 11]. Bei der therapierefraktären kontaktlinsenassoziierten mykotischen Keratitis muss man nicht selten auch auf Koinfektionen oder Superinfektionen gefasst sein [8, 9]. Bei Koinfektionen ist es meistens problematisch, rechtzeitig die adäquate Therapie einzuleiten.

Klinischer Befund

Patientin 1.

Eine 37-jährige Kontaktlinsenträgerin stellte sich zur Mitbeurteilung mit seit 5 Tagen zunehmender Visusminderung und Schmerzen bei therapierefraktärer Keratitis in unserer Hochschulambulanz vor. Die Patientin hatte keine Haustiere, und anamnestisch war Kontakt mit kontaminiertem Wasser nicht bekannt. Eine Kombinationstherapie von Tobramycin und Dexamethason-Augentropfen sowie lokale und systemische Aciclovir-Gabe (5-mal 400 mg pro Tag) war extern eingeleitet worden. Spaltlampenbiomikroskopisch zeigten sich am linken Auge ein großes stromales Infiltrat mit Epitheldefekt und die Vorderkammer mit einem für mykotische Keratitiden typischen pyramidenförmigen Hypopyon (Abb. 1, Bild nach Vorderkammerspülung).

Abb. 1
figure 1

Patientin 1: 2. Tag des stationären Aufenthaltes. Zustand nach Vorderkammerspülung und Hornhautabrasio: zentraler Epitheldefekt mit stromalem Infiltrat, Vorderkammer mit gemischtem Blut und pyramidenförmigem Hypopyon-Rezidiv (BB-1-Zeichen nach Behrens-Baumann, Pfeil) [2, 11]

Patientin 2.

Eine 25-jährige Kontaktlinsenträgerin stellte sich zur Mitbeurteilung mit seit 4 Wochen bestehender Visusminderung, Lichtempfindlichkeit und Schmerzen bei therapierefraktärer Keratitis in unserer Hochschulambulanz vor. Die Patientin geht in ihrer Freizeit oft reiten, und anamnestisch war kein Kontakt mit kontaminiertem Wasser bekannt. Eine Kombinationstherapie von Moxifloxacin, Polymyxin B, Neomycin und Gramicidin, Dexamethason und antimykotischen (Voriconazol) Augentropfen war extern eingeleitet worden. Spaltlampenbiomikroskopisch zeigte sich am linken Auge eine diffuse interstitielle Keratitis mit ringförmigen multifokal akzentuierten Infiltraten, retrokornealen Beschlägen und einem 2‑mm-Hypopyon (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Patientin 2. Aufnahmetag. Spaltlampenbefund mit diffuser interstitieller Keratitis, ringförmigen multifokal akzentuierten Infiltraten und 2 mm hohem Hypopyon (Pfeil)

Diagnose

Bei Patientin 1 betrug bei der Aufnahme der bestkorrigierte Visus (BCVA) Handbewegung am betroffenen linken Auge und 0,8 am gesunden rechten Auge. In der Sonographie bestand kein Anhalt für eine Endophthalmitis. Es zeigten sich in der konfokalen Mikroskopie hyperreflektive Strukturen (Abb. 3a, b) die für eine mykotische Keratitis sprechen. Eine Hornhautabrasion, Vorderkammerspülung mit Medikamenteingabe (Amphotericin B) und diagnostische Vorderkammeraspiration wurden am gleichen Tag durchgeführt. Bei therapierefraktärem Hypopyon und starkem Verdacht auf Pilzkeratitis führten wir am 3. Tag der Aufnahme eine Keratoplastik à chaud durch. Die PCR war 4 Tage nach der stationären Aufnahme negativ im Vorderkammeraspirat, aber positiv für Pilze im Hornhautabradat. Auch Pseudomonas aeruginosa konnte zeitnah in der In-vitro-Kultivierung nachgewiesen werden. Die PCR der Kontaktlinse und Kontaktlinsenbehälter sicherten am nächsten Tag eine Mischinfektion von Pseudomonas aeruginosa und Candida parapsilosis.

Abb. 3
figure 3

Patientin 1. Konfokal mikroskopischer Befund: helle, unterschiedlich breite hyperreflektive Linien im Sinne von Pseudohyphen bei einer mykotischen Keratitis (Pfeile, ab) [4]

Bei Patientin 2 betrug am Tag der stationären Aufnahme nach einer 4‑wöchigen Vorbehandlung der bestkorrigierte Visus (BCVA) 0,1 am betroffenen linken Auge und 1,0 am gesunden rechten Auge. Bis zum Tag der Aufnahme konnten extern keine Erreger nachgewiesen werden. In der Sonographie bestand kein Anhalt für eine Endophthalmitis. In der konfokalen Mikroskopie konnten sowohl hyperreflektive Linien wie bei mykotischer Keratitis als auch Akanthamöben-Zysten nachgewiesen werden (Abb. 4a, b). Eine Hornhautabrasion, Vorderkammerspülung mit Medikamenteingabe (Amphotericin B) und diagnostische Vorderkammeraspiration konnten am nächsten Tag durchgeführt werden. Die PCR sicherte eine Mischinfektion von Pilz (Pilz-DNA nicht weiter differenzierbar) und Akanthamöben im Hornhautabradat. Das Vorderkammeraspirat war negativ, und die In-vitro-Kultivierung konnte 4 Wochen nach einer durchgeführten Keratoplastik à chaud kein Wachstum nachweisen.

Abb. 4
figure 4

Patientin 2. In vivo konfokale Mikroskopie im Bereich des stromalen Infiltrats: helle, unterschiedlich breite und teilweise parallel verlaufende hyperreflektive Linien im Sinne von Pilzhyphen (Pfeil, a) und Akanthamöben typische rundliche hyperreflektive Strukturen (Kreise, ab) [4]

Therapie und Verlauf

Beide Patientinnen erhielten nach intensiver lokaler und systemischer antibakterieller und antimykotischer Therapie eine Excimerlaser-Keratoplastik à chaud (Transplantatdurchmesser bei Patientin 1: 8,0/8,1 mm, bei Patientin 2: 8,5/8,6 mm; mit 24 Einzelknüpfnähten in beiden Augen) mit mehrmaliger Vorderkammerspülung, Medikamenteingabe (Amphotericin B) und ggf. antiamöboider Therapie im Verlauf.

Patientin 1

Die lokale Therapie bestand in unserer Klinik aus Voriconazol 2 %, Amphotericin B 1 % und Fortified-Augentropfen (Tobramycin und Cefazolin 5 %), da beide Keime (Candida und Pseudomonas) dagegen sensibel waren. Die systemische Therapie bestand aus Voriconazol p.o. 200 mg 1‑0‑1, Vancomycin i.v. 1 g 1‑0‑1, Ceftazidim i.v. 2 g 1‑1‑1. Die Patientin wurde bei persistierendem Epitheldefekt mit einer Amnionmembrantransplantation als Patch entlassen. Die lokalen antimykotischen und Fortified-Augentropfen wurden über mehr als 2 Monate fortgesetzt mit langsam ausschleichender lokaler und milder systemischer Kortikosteroidtherapie (Therapiestart mit 100 mg oral mit Abstufung 20 mg alle 2 Tage) zur Nachbehandlung der Keratoplastik (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Patientin 1: 6. postoperativer Tag nach perf. Excimerlaser-Keratoplastik à chaud (8,0/8,1 mm), Einzelknüpfnähte fest, zentrale Descemet-Falten (Pfeil)

Patientin 2

Die lokale Therapie bestand in unserer Klinik aus Voriconazol 2 %, Natamycin 5 %, Amphotericin B 1 %, Polyhexanid, Propamidine isethinate und einem Kombinationspräparat aus Neomycin‑, Polymyxin B- und Bacitracin/Gramicidin-Augentropfen. Die systemische Therapie bestand aus Voriconazol 200 mg 1‑0‑1 und milden Kortikosteroiden (100 mg mit Abstufung 20 mg alle 2 Tage) als Nachbehandlung der Keratoplastik (Abb. 6). Die lokale Triple-Therapie (Polyhexanid, Propamidine isethinate, Amphotericin B 1 %) wurde über 2 Monate fortgesetzt.

Abb. 6
figure 6

Patientin 2: 3 Monate nach perf. Excimerlaser-Keratoplastik à chaud (8,5/8,6 mm). Die lockeren Hornhautfäden wurden entfernt

Diskussion

Diese Doppelkasuistik betont die breite Differenzialdiagnose und die daraus potenziell resultierenden therapeutischen Schwierigkeiten bei kontaktlinsenassoziierten Keratitiden. Fehldiagnosen sind aufgrund atypischer Erscheinungsbilder in der frühen Phase häufig. Jedoch gibt es einige klinische Anzeichen, die den Augenarzt warnen sollten. Eine gründliche Anamnese des Kontakts mit Tieren oder kontaminiertem Wasser steigert die Angst vor Pilz- oder Akanthamöbeninfektionen. Eine Kontaktlinsenanamnese lässt uns manchmal a priori zu Unrecht eine solitäre Akanthamöbenkeratitis vermuten. Eine sehr schnell fortschreitende eitrige stromale Keratitis deutet auf eine Pseudomonas-Infektion hin [3]. Pilzkeratitiden können als haloförmiges Infiltrat mit möglichen Satellitenläsionen erscheinen [1, 4, 10]. Zu diesem Krankheitsbild sind das pyramidenförmige Hypopyon und das Hornhautinfiltrat mit intaktem Epithel assoziiert, in Deutschland auch als BB-1- und BB-2-Zeichen nach Behrens-Baumann bekannt [2, 11]. Aus unserer Erfahrung ist der Vorderkammerreizzustand ein kritisches prognostisches Kriterium bei allen mykotischen Keratitiden.

Die wiederkehrenden Akanthamöbeninfektionen werden als Frühzeichen durch das sog. „Dirty-Epithelium“ gekennzeichnet, Schmerzen sind typischerweise stark, aber uneinheitlich [5].

Eine angemessene Behandlung kann nur durch ein systematisches Vorgehen erreicht werden. Aufgrund der möglichen Mischinfektion sind wir der Meinung, dass alle diagnostischen Modalitäten – Polymerasekettenreaktion (PCR), In-vitro-Kultivierung, Histologie und in vivo konfokale Mikroskopie am Aufnahmetag – parallel durchgeführt werden sollten [4, 8, 11]. Konfokale Mikroskopie ist nicht als ein alleinstehendes diagnostisches Verfahren anzusehen, sondern als Ergänzung zu dem Spektrum der diagnostischen Modalitäten besonders bei atypischen Hornhautbefunden. Die Interpretation der konfokalen Mikroskopie hängt von der Expertise des Untersuchers ab [6].

Wertschätzendes interdisziplinäres Zusammenarbeiten mit der Mikrobiologie ist unerlässlich zur Identifizierung der Pathogene und Anpassung der Therapie. Bei Verdacht auf Pilzinfektion (mit unbekanntem Erreger) sollte topisches Voriconazol 2 % als Primärbehandlung eingeleitet werden, denn der antimykotische Wirkstoff kann auch gegen andere Erreger wie Akanthamöben wirken [1, 7]. In beiden Fällen war die zeitnahe perforierende Excimerlaser-Keratoplastik mit Einzelknüpfnähten und adäquater Lokaltherapie über 8 Wochen therapeutisch erfolgreich.

Fazit für die Praxis

Bei jeder unklaren oder therapieresistenten kontaktlinsenassoziierten Keratitis sollte an eine Mischinfektion gedacht werden, und eine Polymerasekettenreaktion (PCR), In-vitro-Kultivierung, Histologie und in vivo konfokale Mikroskopie sollten am Aufnahmetag parallel durchgeführt werden.