Einleitung

Suizide, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, stellen immer ein dramatisches Ereignis für das betroffene Umfeld, angefangen von Angehörigen und Freunden bis hin zum involvierten medizinischen Personal, dar. Insgesamt sind Suizide bei Kindern und Jugendlichen zwar selten, aber dennoch die zweithäufigste Todesursache nach dem Unfalltod [6, 14]. Studien aus anderen westlichen Ländern zeigen, dass dieser Trend nicht nur in Deutschland zu beobachten ist: In Kanada beispielsweise ist der Suizid ebenfalls seit Jahrzehnten die zweithäufigste Todesursache nach Unfällen [21].

Laut Statistischem Bundesamt starben in Deutschland im Jahr 2021 27 Kinder unter 15 Jahren und 162 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 15 bis 19 Jahren durch Suizide [23]. In der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen sind v. a. männliche Jugendliche und junge Erwachsene vertreten. Insgesamt war im Jahr 2021 bei Kindern in der Altersgruppe von 10 bis 14 Jahren eine Suizidrate von 0,7 je 100.000 Einwohner in Deutschland zu verzeichnen. In der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen lag die Selbstmordrate bei 4,2 je 100.000 Einwohner [27]. Insgesamt betrug die Suizidrate 2021 in Deutschland 11,1 je 100.000 Einwohner [25].

Die Suizidrate ist in Deutschland seit den 1980er-Jahren rückläufig [24]. Bei Kindern und Jugendlichen blieb sie im Zeitraum von 2008 bis 2014 nahezu konstant. Im Gegensatz dazu ist die Zahl der verkehrsunfallbedingten Todesfälle bei Kindern und Jugendlichen im gleichen Zeitraum deutlich zurückgegangen [7].

In den vergangenen Jahren wurde der Einfluss der sozialen Medien auf die Suizidrate bei Kindern und Jugendlichen zunehmend kritisch diskutiert. Insbesondere Cybermobbing wird in diesem Zusammenhang als wesentlicher Risikofaktor für Suizidgedanken und -handlungen von Kindern und Jugendlichen bewertet [28]. Darüber hinaus scheinen Webforen, die Kindern und Jugendlichen als Plattformen zum Austausch über geplante Suizidhandlungen, aber auch für die Verabredung möglicher gemeinsamer Suizide dienen, eine größere Rolle zu spielen. Die über solche Suizidforen geteilten Suizidmethoden scheinen zu ähnlichen Nachahmungseffekten zu führen, wie die Berichterstattung in Print- und audiovisuellen Medien, wenngleich ein dadurch bedingter Anstieg der Suizidrate bisher nicht nachgewiesen werden konnte [6, 7, 14]. Eine Studie des Hamburger Instituts für Rechtsmedizin fand im Zeitraum von 1994 bis 2003 keine Fälle von gemeinsamen oder erweiterten Suiziden bei Kindern und Jugendlichen. Diese Studie ergab auch keine Hinweise auf Absprachen zum gemeinsamen Suizid über Webforen [30].

Des Weiteren stellt der Suizid von Minderjährigen eine besonders dramatische Form der Problembewältigung dar und wird oft als Kurzschlusshandlung interpretiert [1]. In diesem Zusammenhang wird das Verständnis jüngerer Kinder für den Tod und damit auch für die Selbsttötung oft infrage gestellt, was einen möglichen Suizid als Todesursache ausschließt [13]. Es ist jedoch bekannt, dass eine Differenzierung hinsichtlich des Alters der betroffenen Kinder und Jugendliche notwendig ist. Insbesondere bei Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren wird seltener die Ursache des Suizides festgestellt [30]. Da es keine Meldepflicht gibt, liegen keine zuverlässigen Daten über die Häufigkeit von Suizidversuchen im Kindes- und Jugendalter vor. Allerdings scheinen die Suizidrate und auch die Zahl der Suizidversuche bei Kindern unter 10 Jahren sehr niedrig zu sein [2]. In der Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes werden keine Suizide bei Kindern unter 10 Jahren aufgeführt [1].

Die Untersuchung von Suiziden hinsichtlich einer Fallrekonstruktion unter Einbeziehung eines etwaigen Verletzungsmusters oder auch chemisch-toxikologischer Analysen gehört zur rechtsmedizinischen Routine.

Das Institut für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Rostock ist zuständig für die Landgerichtsbezirke Rostock und Schwerin, welche im Jahr 2021 892.284 Einwohner umfassten [22]. Mit einer Suizidrate von 13,3 je 100.000 Einwohner im Jahr 2021 liegt Mecklenburg-Vorpommern hinter Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt im bundesweiten Vergleich an vierter Stelle [26]. Im Obduktionsgut des Institutes für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Rostock konnten unter den untersuchten verstorbenen Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren Fälle von Selbsttötungen registriert werden. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ist die Unterscheidung zwischen einem Unfallgeschehen sowie einer Fremd- oder Selbstbeibringung entscheidend.

Material und Methoden

Im Zeitraum von Januar 2001 bis Dezember 2022 wurden am Institut für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Rostock insgesamt 13 Suizide von Kindern bis zum 14. Lebensjahr und Jugendlichen unter 18 Jahren untersucht. Dabei wurden Leichenschaufälle und das Obduktionsgut retrospektiv über einen Zeitraum von 22 Jahren systematisch hinsichtlich nichtnatürlicher Todesfälle von Kindern und Jugendlichen ausgewertet. In einem zweiten Schritt wurden entsprechende Obduktions- und Leichenschauprotokolle hinsichtlich eines Suizides untersucht. Fälle, in denen ein Suizid vermutet, ein Unfallgeschehen jedoch nach rechtsmedizinischer Untersuchung und seitens der Ermittlungsbehörden nicht sicher ausgeschlossen werden konnte, wurden aus der Betrachtung ausgeschlossen. Für die verbliebenen 13 Fälle wurden im Archiv des Institutes für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Rostock Leichenschau- bzw. Obduktionsprotokolle und Ermittlungsunterlagen der zuständigen Polizei und/oder Staatsanwaltschaft ausgewertet. Hierbei handelte es sich um Unterlagen aus Todesermittlungsverfahren sowie Klinikunterlagen (u. a. Arztbriefe) und Rettungsdienstprotokolle.

Insbesondere wurden Alter, Geschlecht, Suizidmethode sowie die Durchführung und das Ergebnis chemisch-toxikologischer Untersuchungen und die im Rahmen der Sektion festgestellte Todesursache erfasst. Wenn dies aus den Ermittlungsunterlagen hervorging, wurden auch vorbekannte psychische Erkrankungen und Substanzmissbrauch, vorangegangene Suizidversuche und die familiäre Situation der verstorbenen Kinder und Jugendlichen untersucht.

Ergebnisse

In 10 der untersuchten Fälle wurde eine gerichtliche Obduktion durchgeführt, wobei in 2 dieser Fälle eine rechtsmedizinische Leichenschau am Ereignisort erfolgte. In 3 Fällen ist lediglich eine rechtsmedizinische (äußere) Leichenschau, ohne anschließende Obduktion, durchgeführt worden (Tab. 1).

Tab. 1 Übersicht der Fälle

Unter den 13 in die Studie eingeschlossenen SuizidentInnen befanden sich 8 Mädchen und 5 Jungen. Die Altersspanne der Mädchen reichte von 13 bis 17 Jahren, die der Jungen von 12 bis 17 Jahren. Wie in Abb. 1 ersichtlich, handelte es sich bei den untersuchten Fällen in der Regel um Jugendliche, ab einem Alter von 14 Jahren.

Abb. 1
figure 1

Altersverteilung der SuizidentInnen

Todesursachen und begleitender Substanznachweis

In insgesamt 7 Fällen wurden chemisch-toxikologische Zusatzuntersuchungen durchgeführt, wobei in 3 Fällen keine Substanzen oder Alkohol nachgewiesen werden konnten. Insgesamt verstarben 3 der Jugendlichen an einer Intoxikation. Dabei wurden in chemisch-toxikologischen Zusatzuntersuchungen u. a. die Substanzen Tramadol, Doxepin und Amlodipin in komatös-letaler Dosis im Blut nachgewiesen. Die Medikamente wurden in diesen Fällen je einem Elternteil der verstorbenen Kinder ärztlich verordnet. Zusätzlich konnten Ranitidin, Diclofenac, Loperamid und Amphetamin nachgewiesen werden. In einem Fall von Erhängen zeigte sich eine begleitende Alkoholisierung.

Ein Tod durch Erhängen konnte in 4 Fällen festgestellt werden. Die beiden Mädchen und Jungen wählten hierfür einen Gürtel, eine grobgliedrige Absperrkette, ein Seil und einen Schal. Ein Junge verstarb infolge eines hypoxischen Hirnschadens, wenige Tage nachdem dieser versuchte, sich zu erhängen, und zunächst erfolgreich reanimiert werden konnte.

Drei Mädchen und ein Junge verstarben an den Folgen eines Polytraumas, wobei dieses in 2 Fällen aus einem Sprung aus großer Höhe und in 2 Fällen aus der Überfahrung durch Regionalzüge resultierte.

Ein 13-jähriges Mädchen verstarb durch einen Kopfschuss in suizidaler Absicht. Der Vater des Kindes sei Sportschütze gewesen und habe eine Pistole in der Häuslichkeit in einem Waffenschrank aufbewahrt.

Bei der Betrachtung des Alters und des Geschlechts ließen sich keine Präferenzen bezüglich der Suizidmethode ableiten.

Leichenschau- und Sektionsbefunde

Im Rahmen der Obduktion oder Leichenschau konnten in 6 Fällen ältere, oberflächliche, parallele und gruppiert stehende, strichförmige Narben nachgewiesen werden. Den einsehbaren Ermittlungsunterlagen zufolge war ein selbstverletzendes Verhalten bei diesen Kindern vorbekannt. In 2 dieser Fälle seien bereits mehrere Suizidversuche durchgeführt worden.

Vorbekannte psychische Auffälligkeiten und familiäre Situation

Bei 2 Jungen waren neben selbstverletzendem Verhalten auch Depressionen vorbekannt. In 4 weiteren Fällen berichteten Eltern oder BetreuerInnen von Wohngruppen über psychische Vorerkrankungen; eine genaue Diagnose geht in eben jenen Fällen aus von der Polizei zur Verfügung gestellten Strafanzeigen nicht hervor. In einem weiteren Fall war die Diagnose einer Depression im Vorfeld gestellt worden.

Des Weiteren befand sich ein Junge zum Zeitpunkt seines suizidalen Sprungs aus großer Höhe zur Behandlung seiner Depression in einer psychiatrischen Klinik. Gegenüber Therapeuten habe der Junge angegeben, dass er sich von seinen Eltern und insbesondere seinem älteren Bruder zurückgewiesen fühle.

Insgesamt hatten 3 der Kinder bereits zuvor Suizidversuche unternommen; bei 3 weiteren Kindern waren Suizidgedanken vorbekannt.

In 3 Fällen ergaben die Ermittlungsunterlagen einen bekannten Substanzkonsum von Betäubungsmitteln, wobei keine genauen Angaben zu eingenommenen Substanzen und Konsumverhalten gemacht wurden.

Über die familiären Hintergründe der betroffenen Kinder und Jugendlichen war in den meisten Fällen wenig bekannt.

Für 2 Mädchen waren schulische Probleme bekannt: In einem Fall hätte ein Notendruck seitens des Elternhauses bestanden. Nach Überreichung des Abschlusszeugnisses suizidierte sich ein Mädchen in einem anderen Fall.

Bei 2 Jugendlichen wurde bekannt, dass es kurz zuvor zu einer Trennung der jeweiligen PartnerInnen gekommen sei.

Abschiedsnachricht

Bei 4 der Kinder und Jugendlichen, die einen Suizid begingen, konnte eine Abschiedsnachricht gefunden werden. So handelte es sich in einem Fall um eine bei dem Messenger-Dienst WhatsApp verfasste Nachricht der Verstorbenen an ihren Expartner, der sich kurz vorher von ihr getrennt habe. Im Falle einer 17-jährigen Jugendlichen handelte es sich um einen Text, der durch das Mädchen in ihrem Tagebuch verfasst wurde. Ein 14-jähriges Mädchen hinterließ eine Abschiedsnachricht auf einem Notizzettel.

Nachfolgend werden exemplarisch 2 Fälle, für die ausführliche Informationen seitens der Ermittlungsbehörden vorlagen (Tab. 1), ausgeführt.

Fall 4: tödliche Amlodipinintoxikation

Ein 14-jähriges Mädchen sei von seiner Mutter in der Notaufnahme mit systolischen Blutdrücken zwischen 40 und 50 mm Hg vorgestellt worden. Kurz zuvor habe das Mädchen gegenüber seiner Mutter angegeben, 30 Tbl. des Medikamentes Amlodipin in suizidaler Absicht eingenommen zu haben. Amlodipin sei dem Vater des Mädchens zur Therapie einer arteriellen Hypertonie ärztlich verordnet worden. Des Weiteren habe das Mädchen angegeben, dass es seit längerer Zeit kleinere Mengen des Medikamentes zu sich genommen habe. Aufgrund zunehmend instabiler Kreislaufverhältnisse sei kurz nach Aufnahme eine Intubation des Kindes nötig gewesen. Trotz maximaler intensivmedizinischer Therapie sei das Mädchen an einem Multiorganversagen verstorben. Bei der nachfolgenden Sektion zeigten sich an beiden Unterarmen zahlreiche oberflächliche, z. T. parallel verlaufende Narben. Wegen des selbstverletzenden Verhaltens sei ein stationärer psychiatrischer Aufenthalt der Jugendlichen geplant gewesen.

Fall 6: Strangulation am Hochbett

Ein 13-jähriges Mädchen sei mit einem Schal um den Hals am Hochbett des Kinderzimmers aufgefunden worden. Die zunächst durchgeführten Wiederbelebungsmaßnahmen seien im nahe gelegenen Krankenhaus nach Einlieferung zeitnah eingestellt worden. Weitere polizeiliche Ermittlungen hätten ergeben, dass das Mädchen unter schulischen Leistungsdruck und hohen akademischen Erwartungen der Eltern gelitten habe. Bei der Obduktion zeigten sich am Hals eine zum Nacken hin ansteigende Strangmarke sowie petechiale Blutungen der Augenbindehäute und hinter dem rechten Ohr. Es ergaben sich keine Hinweise auf gänzlich andersartige Gewalteinwirkungen. In diesem Fall hätten keine Anhaltspunkte für eine vorangegangene Suizidalität vorgelegen. In Zusammenschau der Sektionsbefunde und der polizeilichen Ermittlungen ist hier am ehesten von einem im Affekt ausgeführten Suizid auszugehen. Ein Abschiedsbrief sei nicht aufgefunden worden.

Diskussion

Ziel dieser Studie war es, die Umstände von Suiziden im Kindes- und Jugendalter am hiesigen Institut genauer aufzuarbeiten, wobei aufgrund der geringen Fallzahl keine allgemeingültigen Schlussfolgerungen abgeleitet werden können. Entgegen den Ergebnissen anderer Studien und der Angaben des statistischen Bundesamtes waren hier mehr Mädchen als Jungen vertreten [7]. Die betrachtete Fallzahl kann keinesfalls als repräsentativ gelten, jedoch sollten vermeintliche unfallbedingte Todesfälle, v. a. bei jüngeren Kindern, kritisch bezüglich eines möglichen Suizides hinterfragt werden.

Wie auch in der Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes angegeben, konnte hier keine Selbsttötung eines Kindes unter 10 Jahren festgestellt werden [23]. Demgegenüber ist in Studien belegt, dass bereits bei Kindern im Grundschulalter ein Verständnis über den Tod und auch bezüglich Suiziden vorhanden ist [3, 16, 19]. Dennoch zeigten sich in dieser Fallauswertung keine SuizidentInnen, die jünger als 12 Jahre alt waren. Diese Beobachtung ist vergleichbar mit Angaben aus aktuellen Studien mit höheren Fallzahlen [8]. Bei unklarem Sachverhalt im Rahmen der Todesermittlung bei Kindern und Jugendlichen sollten zur Abgrenzung eines Unfalls von einem Suizid immer eine genaue Ereignisortinspektion von Polizei und Rechtsmedizin, eine Befragung der Angehörigen sowie die Leichenschau- bzw. Sektionsbefunde miteinbezogen werden. Insbesondere in 2 Fällen, in denen sowohl eine Leichenschau am Ereignisort als auch im Anschluss eine Obduktion erfolgte, ergaben sich aus rechtsmedizinischer Sicht keine Widersprüche bezüglich eines Suizides.

Nach der Untersuchung von Meyer et al. ist die Strangulation die häufigste unfallbedingte Todesursache bei Kindern [12]. Trotz dessen kann ein Suizid nie gänzlich ausgeschlossen werden.

Deswegen ist von rechtsmedizinischer Seite bei der Durchführung der Leichenschau v. a. auf Zeichen von selbstverletzendem Verhalten zu achten. In der untersuchten Gruppe konnten in 6 Fällen selbstbeibringungstypische Narben nachgewiesen werden. Auch laut Rodway et al. finden sich bei 54 % der durch Suizid verstorbenen Kinder und Heranwachsenden Zeichen von selbstverletzendem Verhalten [15].

Des Weiteren war in 2 der untersuchten Fälle eine Suizidalität mit Suizidgedanken vorbekannt. Konkrete Suizidhandlungen ließen sich aus vorliegenden Unterlagen nicht ableiten. Als häufige Gründe für Suizidalität bzw. Suizidversuche werden nach Dieserud et al. Beziehungskonflikte wie familiäre Probleme beschrieben [5]. Laut Hepp et al. gaben viele Heranwachsende an, dass zwischen der Entscheidung und der Ausführung des Suizidversuches lediglich Minuten vergangen seien [10]. Auch Zimmermann et al. berichten davon, dass Suizide bei Kindern und Jugendlichen häufig durch aktuelle Anlässe ausgelöst würden, die Ursache jedoch in der frühen Kindheit liege, beispielsweise durch Vernachlässigung oder zerrüttete Familienverhältnisse [30].

Eine genaue Abgrenzung von zerrütteten Familienverhältnissen – „broken homes“ – ist im Nachhinein aus rechtsmedizinischer Sicht oft schwierig und bedingt eine gute Zuarbeit von Angehörigen- oder Zeugenbefragungen sowie ärztlichen Dokumenten durch die Ermittlungsbehörden, um so Hintergründe eines Suizides differenziert zu betrachten und letztendlich diesen von Unfällen oder auch Homiziden abzugrenzen. Lediglich in 2 Fällen lagen umfangreiche Klinikunterlagen vor.

In 3 der betrachteten Fälle wurden hoher schulischer Leistungsdruck sowie die Trennung von PartnerInnen bekannt. Insgesamt lebten 2 der verstorbenen Kinder in Wohngruppen; ein Junge befand sich in der Psychiatrie. So lässt sich in diesen 6 Fällen zumindest eine für die betroffenen Kinder- und Jugendlichen belastende Situation bzw. ein belastendes Umfeld vermuten.

Psychische Vorerkrankungen als Ursache für einen Suizid scheinen bei Kindern und Jugendlichen eine geringere Rolle einzunehmen, als dies bei Erwachsenen der Fall ist [10]. Demgegenüber seien nach Shaw et al. bei 77 % der SuizidentInnen im Kindes- und Jugendalter „depressive Verstimmungen“ vorbekannt; die Hälfte der Betroffenen habe sich aufgrund einer Depression in Behandlung befunden [18]. In dieser Betrachtung wiesen 7 Kinder und Jugendliche psychische Vorerkrankungen auf. In 3 Fällen war eine Depression diagnostiziert worden. Laut Singh et al. lägen bei bis zu 82 % der SuizidentInnen im Kindes- und Jugendalter psychische Probleme vor [20].

Wie auch Erwachsene wählen Mädchen und Jungen am häufigsten Erhängen als Suizidmethode [11, 29]. Als zweithäufigstes findet sich bei Jungen Sprung aus großer Höhe, bei Mädchen eine Intoxikation verzeichnet [11]. In 2 der 3 hier betrachteten Fälle nahmen Mädchen Medikamente (Tab. 1) in suizidaler Absicht ein. Auch wenn diese Studie nicht als repräsentativ gelten kann, so konnte eine Medikamentenintoxikation mittels Tramadol in suizidaler Absicht bei einem Jungen registriert werden. Da lediglich 5 Jungen in die Betrachtungen eingeschlossen werden konnten, zeigte sich nicht die für Jungen in der Literatur beschriebene Häufung von Sprüngen aus großer Höhe in suizidaler Absicht [11]. Dennoch konnte der Fall eines Jungen, der in suizidaler Absicht von einem Gebäude aus 8–10 m Höhe sprang, eingeschlossen werden. Generell finden bei Kindern Suizidmethoden Anwendung, die leicht verfügbar sind, weswegen es sich häufig um „harte“ Suizidmethoden, wie Erhängen, Sprung aus großer Höhe oder Überfahrung durch Schienenfahrzeuge handelt [15]. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen hingegen werden häufiger auch „weiche“ Suizidmethoden, wie eine Intoxikation, vorgefunden [10].

In dieser Studie hinterließen 4 der verstorbenen Kinder eine Abschiedsnachricht. Dies findet sich auch in der Literatur wieder, wonach Abschiedsbriefe oder -notizen bei unter 25-Jährigen eher seltener hinterlassen werden [4]. Dennoch scheinen Kinder tendenziell häufiger Abschiedsnotizen zu verfassen als junge Erwachsene. Dies beinhaltet neben handgeschriebenen Briefen auch Sprachaufnahmen oder am Computer verfasste Nachrichten [9]. Im Rahmen dieser Untersuchung verschickte ein Mädchen eine Abschiedsnachricht über den Messenger-Dienst „WhatsApp“; ein anderes Mädchen erklärte ihren Suizid in umfangreichen Tagebuchaufzeichnungen.

Fazit

Der Suizid eines Menschen, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, ist für die Angehörigen und alle anderen involvierten Personen ein tragisches Ereignis. Insgesamt sind Suizide im Kindes- und Jugendalter selten, wobei von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer auszugehen ist.

Häufig resultieren Suizide bei Kindern und Jugendlichen aus aktuelleren Anlässen, wie schulischen Problemen oder der Trennung des/der PartnerIn [17], sodass eine genaue Unterscheidung zwischen Suizid und Unfall, insbesondere bei jüngeren Kindern, oft schwerfällt.

Dies begründet sich v. a. in der Schwierigkeit der Interpretation der Gesamtumstände, insbesondere bei jüngeren Kindern.

Aufgrund dessen ist die Zuarbeit von Angehörigen- oder Zeugenbefragungen und möglichen Krankenunterlagen durch die Ermittlungsbehörden entscheidend. Eine gemeinsame Leichenschau durch Rechtsmedizin und Polizei am Ereignisort kann hierbei helfen, einen Suizid von einem Unfall oder Homizid abzugrenzen.