Einleitung

In der Bundesrepublik Deutschland nimmt der Anteil älterer Menschen immer weiter zu. Im Jahr 2018 war jede zweite Person in Deutschland älter als 45 Jahre und jede fünfte älter als 66 Jahre. Bei den über 70-Jährigen ist ein Anstieg von 8 Millionen im Jahr 1990 auf 13 Millionen im Jahr 2018 zu verzeichnen [1]. Mit dieser Entwicklung einhergehend steigt auch der Bedarf an professioneller Pflege. So ist zwischen 2003 und 2017 die Anzahl an in Heimen versorgten Pflegebedürftigen um 31,3 % gestiegen. Auch die ambulante Pflege verzeichnete in diesem Zeitraum eine beachtliche Zunahme der Pflegebedürftigen um 84,4 % [2]. Im Jahr 2017 befanden sich laut Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes 921.878 Pflegebedürftige in einem der 14.480 Pflegeheime in der Bundesrepublik Deutschland [2]. Eine Untersuchung von Dasch et al. kam zu dem Ergebnis, dass die Sterberate im häuslichen Umfeld rückläufig ist, während Sterbefälle in Alten- und Pflegeheimen zunehmen. So verstarben 12,2 % im Jahr 2001 in Alten- und Pflegeheimen, im Jahr 2011 stieg der Anteil auf 19,0 % [3].

Gleichzeitig sinken in Deutschland die Obduktionsraten. Laut einer Untersuchung von Brinkmann et al. nahmen klinisch-pathologische Obduktionen zwischen 1994 und 1999 ab; rechtsmedizinische Obduktionen erfolgten bei 2 % aller Sterbefälle [4]. In den USA, und bei vergleichbaren Verhältnissen möglicherweise auch in Deutschland, ist die Obduktionsrate bei Pflegeheimbewohnern besonders gering [5]. Einer der anzunehmenden Gründe ist, dass das Ableben in einem Alten- und Pflegeheim als wahrscheinlich und absehbar angenommen wird und somit selten suspekt wirkt [6]. Einer Untersuchung von Gleich und Graw zufolge strebten die leichenschauenden Ärzte in München bei nur 2,8 % der verstorbenen Pflegeheimbewohner eine Obduktion an, wobei die Empfehlung zu einer Obduktion mit zunehmendem Alter der Verstorbenen abnahm [7]. Dabei hat die „Görlitzer Studie“, gezeigt, dass die Diskrepanz der Diagnosen der inneren Leichenschau und der Angaben auf der Todesbescheinigung bei Pflegeheimbewohnern mit 59,0 % besonders groß war [8]. Auch zeigt der Fall einer Altenpflegerin aus Wachtberg, die in den Jahren 2003 bis 2005 neun Pflegeheimbewohnerinnen erstickte bzw. ersticken ließ, die Notwendigkeit einer gründlichen Leichenschau und vermehrten Durchführung von Obduktionen gerade bei pflegebedürftigen Verstorbenen auf [9]. So war in dem genannten Fall bei den getöteten Pflegeheimbewohnerinnen ärztlicherseits ein natürlicher Tod attestiert worden [10]. Laut Wagner bleiben aber auch nicht unmittelbar tödliche Gesundheitsschäden, die während der Pflege älterer Menschen beabsichtigt oder unbeabsichtigt entstanden sind, häufig unentdeckt [11]. Umso höher ist die Bedeutung der ärztlichen Leichenschau als weichenstellendes Instrument zur Aufdeckung, wobei die Leichenschau gerade bei Pflegebedürftigen möglicherweise unkritischer durchgeführt wird. Ziel der vorliegenden Arbeit ist ein Vergleich der attestierten Todesart und -ursache bei der ärztlichen Leichenschau mit den Obduktionsergebnissen von über 60-jährigen Verstorbenen unter besonderer Berücksichtigung von Pflegeheimbewohnern.

Material und Methode

Für die vorliegende Studie erfolgte eine retrospektive Auswertung der Fallakten der im Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2018 im Institut für Rechtsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz durchgeführten gerichtlich und privat beauftragten Obduktionen. Die Akten werden zu jedem Obduktionsfall in Papierform und seit 2018 auch digital angelegt; sie enthalten neben dem Sektionsprotokoll sämtliche dem Fall zugehörige Daten und Informationen, einschließlich der Todesbescheinigung sowie ggf. Ergebnisse von weiterführenden Untersuchungen (z. B. Toxikologie, Histologie, Neuropathologie). Als Einschlusskriterium wurde ein vollendetes 60. Lebensjahr festgelegt. Die Basis für die Datenerhebung bildeten die in den genannten Fallakten enthaltenen Angaben aus den Todesbescheinigungen und den Obduktionsprotokollen. Die Todesursachen wurden in Anlehnung an die International Statistical Classification of Diseases (ICD) gruppiert erfasst. Ferner wurden die jeweiligen Gründe für die Anordnung einer Obduktion gemäß polizeilichen Angaben oder aus den Beschlüssen der Amtsgerichte entnommen und ausgewertet. Anschließend wurden die Angaben auf den Todesbescheinigungen, unter besonderer Berücksichtigung der Todesart und Todesursache, bei Pflegeheimbewohnern und Nicht-Pflegeheimbewohnern verglichen. Die deskriptive Datenauswertung erfolgte mittels IBM SPSS Statistics Version 23 (IBM Deutschland GmbH).

Ergebnisse

Alter und Geschlecht der Verstorbenen

Im Zeitraum 2007 bis 2018 wurden 5726 Obduktionen im Institut für Rechtsmedizin durchgeführt. Von den Verstorbenen hatten 2278 das 60. Lebensjahr vollendet und wurden in die Studie eingeschlossen. Von den eingeschlossenen Fällen entfielen 11,3 % auf Pflegeheimbewohner und 88,7 % auf Nicht-Pflegeheimbewohner. Das mittlere erreichte Lebensalter der Pflegeheimbewohner betrug 82,5 ± 9,2 Jahre (Median 83,5 Jahre). Bei den Nicht-Pflegeheimbewohnern lag das mittlere erreichte Lebensalter bei 73,4 ± 8,8 Jahren (Median 73 Jahre). In der Gruppe der Pflegeheimbewohner waren 60,9 % der Verstorbenen weiblichen Geschlechts, bei den Nicht-Pflegeheimbewohnern betrug der Anteil der Frauen 39,7 %.

Anlässe zur Obduktion

In 48,0 % der Fälle des Gesamtkollektivs fanden sich bei der ärztlichen Leichenschau konkrete Ereignisse, die als kausal für den Todeseintritt angenommen wurden. Im Vergleich der beiden Gruppen bestand bei über der Hälfte der Pflegeheimbewohner (54,4 %) der Verdacht auf ein todesursächliches Sturzereignis, jedoch nur bei jedem 4. Nicht-Pflegeheimbewohner (24,7 %). Demgegenüber lagen mit 34,8 % bei den Nicht-Pflegeheimbewohnern im Vergleich zu den Pflegeheimbewohnern (9,5 %) fast 4‑mal so häufig auffällige Verletzungen bei der ärztlichen Leichenschau vor (Abb. 1). Die häufigsten Gründe für die Anordnung einer rechtsmedizinischen Obduktion waren gemäß den polizeilichen Angaben zur Obduktion und den Beschlüssen der Amtsgerichte in beiden Gruppen ein Verdacht auf ein Fremdverschulden (exklusive ärztlichem und/oder pflegerischem Fehlverhalten), ärztliches und/oder pflegerisches Fehlverhalten sowie unklare Todesumstände (Tab. 1).

Abb. 1
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Häufigkeiten von Ereignissen vor dem Todeseintritt bei Pflegeheim- und Nicht-Pflegeheimbewohnern

Tab. 1 Gründe für die Anordnung einer rechtsmedizinischen Obduktion bei Pflegeheim- und Nicht-Pflegeheimbewohnern

Vergleich Todesbescheinigungen und Obduktionsbefunde

Todesursache

In 75,7 % der Fälle mit vorliegender endgültiger Todesbescheinigung waren konkrete Angaben zur Todesursache enthalten. In den übrigen 24,3 % der Fälle war in der Rubrik „Todesursache“ auf der Todesbescheinigung entweder kein Vermerk, oder die Todesursache wurde als ungeklärt angegeben.

Bei 91,5 % der Verstorbenen im Gesamtkollektiv konnte nach der Obduktion eine Todesursache angegeben werden. Am häufigsten waren sowohl gemäß Todesbescheinigung als auch nach Obduktionsbefund Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems, gefolgt von Verletzungen, Vergiftungen oder äußeren Ursachen todesursächlich (Tab. 2).

Tab. 2 Todesursachen aus den Todesbescheinigungen und Obduktionen im Gesamtkollektiv

Insgesamt stimmten bei Pflegeheimbewohnern in 66,0 % die angegebenen Todesursachen mit den Obduktionsergebnissen überein, und in 73,1 % bei Nicht-Pflegeheimbewohnern. Somit lag in 34,0 % respektive 26,9 % der Fälle keine Übereinstimmung der auf der Todesbescheinigung angegebenen Todesursache mit dem Obduktionsergebnis vor. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Fälle, die sich nicht eindeutig einer der Klassifikationen nach ICD zuordnen ließen, nicht miteinbezogen wurden („Sonstige“). Die entsprechenden Übereinstimmungsraten sind in Tab. 3 dargestellt.

Tab. 3 Übereinstimmungsraten der angegebenen Todesursachen in den Todesbescheinigungen mit den Obduktionsergebnissen bei Pflegeheim- und Nicht-Pflegeheimbewohnern

Todesart

In den vorliegenden Todesbescheinigungen wurde durch die leichenschauenden Ärzte bei Pflegeheimbewohnern in 35,8 % der Fälle ein natürlicher Tod bescheinigt. In 27,9 % der Fälle wurde eine nichtnatürliche Todesart attestiert, und in den verbleibenden 36,3 % war sie ungeklärt. Bei den Nicht-Pflegeheimbewohnern wurde in 25,9 % der Fälle ein natürlicher Tod bescheinigt. In 39,3 % der Fälle war die Todesart in dieser Gruppe als nichtnatürlich attestiert worden und in 34,8 % der Fälle ungeklärt. Die Vergleiche der auf den Todesbescheinigungen angegebenen Todesarten mit den Obduktionsergebnissen ergaben bei Pflegeheimbewohnern, dass bei nahezu jedem 7. auf der Todesbescheinigung als natürlich attestierten Tod bei der Obduktion ein nichtnatürlicher Tod festgestellt wurde (14,1 %) oder die Todesart durch die Obduktion ohne Folgeuntersuchungen nicht eindeutig geklärt werden konnte (6,3 %). Diese Abweichung war in der Gruppe der Nicht-Pflegeheimbewohner noch höher. Hier wurde bei laut Todesbescheinigungen natürlich Verstorbenen in jedem 4. Fall autoptisch ein nichtnatürlicher Tod festgestellt (25,4 %), und in jedem 10. war die Todesart allein autoptisch nicht abschließend zu klären (10,3 %). Bei den ursprünglich als ungeklärt attestierten Todesfällen ergab die Obduktion bei Pflegeheimbewohnern in 66,2 % und bei Nicht-Pflegeheimbewohnern in 62,5 % der Fälle einen natürlichen Tod (Abb. 2 und 3). Insgesamt lag die Übereinstimmungsrate der natürlichen und der nichtnatürlichen Todesarten von Todesbescheinigung und Obduktionsbefund bei Pflegeheimbewohnern bei 69,8 % und bei Nicht-Pflegeheimbewohnern bei 73,0 %.

Abb. 2
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Gegenüberstellung von Todesarten aus den Todesbescheinigungen und Obduktionen bei Nicht-Pflegeheimbewohnern

Abb. 3
figure 3

Gegenüberstellung von Todesarten aus den Todesbescheinigungen und Obduktionen bei Pflegeheimbewohnern

Diskussion

Im untersuchten Fallkollektiv hatten Pflegeheimbewohner ein höheres Lebensalter (Median 83,5 Jahre) als Nicht-Pflegeheimbewohner (Median 73 Jahre). In der Gruppe der Pflegeheimbewohner waren 60,9 % der Verstorbenen weiblich; bei den Nicht-Pflegeheimbewohnern betrug der Anteil weiblicher Verstorbener 39,7 %. Der überwiegende Anteil weiblicher Verstorbener in der Gruppe der Pflegeheimbewohner erklärt sich mit der höheren Lebenserwartung von Frauen. Das Risiko einer Pflegebedürftigkeit, und folglich in einem Pflegeheim versorgt werden zu müssen, ist erhöht. Zudem haben Frauen in fortgeschrittenem Alter häufig keinen (Ehe‑)Partner mehr, der bei bestehenden Erkrankungen und körperlichen Beeinträchtigungen die Versorgung übernimmt [12, 13].

Bei der Auswertung der Todesfälle in der vorliegenden Arbeit stellte sich heraus, dass in 14,1 % der bei Pflegeheimbewohnern durchgeführten Leichenschauen eine natürliche Todesart bescheinigt wurde, obwohl nach dem Obduktionsergebnis eine nichtnatürliche Todesart vorlag. Bei den Nicht-Pflegeheimbewohnern waren es 25,4 %. Eine Auswertung von Germerott et al. ergab bei rechtsmedizinischen Obduktionen von Verstorbenen, bei denen im Rahmen der zweiten ärztlichen Leichenschau vor einer Feuerbestattung Auffälligkeiten auftraten, einen ähnlich hohen Fehlerwert (14,2 %) wie in der Gruppe der Pflegeheimbewohner des vorliegenden Kollektivs [14]. Die hohe Anzahl an falsch attestierten Todesarten könnte u. a. dadurch begründet sein, dass Ärzte in Deutschland zu wenig darin ausgebildet sind, eine Leichenschau korrekt durchzuführen und Wissenslücken im Hinblick auf die Definitionen der Todesarten bestehen [15]. Eine Umfrage von Schwarz et al. unter Internisten, Chirurgen und Anästhesisten ergab, dass die befragten Internisten weniger dazu neigten, zu wissen, wie eine Leichenschau korrekterweise durchzuführen ist, obwohl diese laut Umfrage doppelt so viele Leichenschauen durchführten wie die Vertreter der anderen Fachrichtungen [16]. Ebenfalls ergab eine Untersuchung von Vennemann et al. bei 1000 zufällig ausgewählten befragten Ärzten aus dem Bereich der Ärztekammer Westfalen-Lippe, dass nur 25 % der Ärzte die Leiche bei der Leichenschau vollständig entkleideten [17]. Dabei sehen verschiedene Leichenschauverordnungen der Bundesländer sowie ein Musterentwurf der Bundesärztekammer für eine bundeseinheitliche Leichenschau vor, dass für die Attestierung eines natürlichen Todes die Untersuchung des unbekleideten Leichnams unerlässlich ist [18]. Die Diskrepanz in der fälschlicherweise als natürlich klassifizierten Todesarten bei Pflegeheimbewohnern und Nicht-Pflegeheimbewohnern (14,1 % bzw. 25,4 %) könnte u. a. daraus resultieren, dass bei Pflegeheimbewohnern in der Regel eine ausführliche Krankengeschichte bekannt ist. Darüber hinaus wies diese Gruppe eine größere Morbidität auf, weshalb häufiger ein natürlicher Tod vorlag. Bei Nicht-Pflegeheimbewohnern waren Vorerkrankungen tendenziell weniger bekannt. Auch wurden aus dieser Gruppe häufiger auf Fremdverschulden suspekte Fälle einer Obduktion zugeführt. Dies könnte dazu geführt haben, dass die Rate an falsch natürlich bescheinigten Todesfällen größer gewesen ist.

In ungefähr einem Drittel der Todesfälle wurde in der vorliegenden Studie durch die leichenschauenden Ärzte eine unklare Todesart attestiert (35,0 %). Dies betraf 36,3 % der Todesbescheinigungen von Pflegeheimbewohnern und 34,8 % der Nicht-Pflegeheimbewohner. Darüber hinaus erfolgte in 28,4 % der Fälle die Anordnung der Obduktion durch die ermittelnden Behörden aufgrund unklarer Todesumstände. Da es sich bei der Leichenschau nur um eine äußere Besichtigung des Leichnams (ggf. unter Hinzunahme ärztlicher bzw. diagnostischer Befunde) handelt, ist die korrekte Interpretation der erhobenen Befunde herausfordernd. Natürliche Todesgeschehen sind äußerlich meist nicht erkennbar. Aber auch nichtnatürliche Geschehen müssen sich nicht zwingend durch äußerliche Auffälligkeiten bemerkbar machen. Laut Püschel et al. wird in klinisch aufgrund eines undurchsichtigen Krankheitsverlaufes unklaren Fällen zu selten eine ungeklärte Todesart beurkundet [19]. Der in der vorliegenden Arbeit hohe Anteil an Verstorbenen mit ungeklärter Todesart, sowohl bei Pflegeheim- und Nicht-Pflegeheimbewohnern, ergibt sich insbesondere aus der studiendesignbedingten Vorselektion. So muss bei einer in der Leichenschau ungeklärten oder nichtnatürlichen Todesart die Polizei informiert werden, welche wiederum Ermittlungen aufnimmt. Um die Todesart und schließlich auch die Todesursache mittels Obduktion sicher festzustellen, werden diese Verstorbenen viel häufiger einer rechtsmedizinischen Obduktion zugeführt als gemäß Todesbescheinigung auf natürliche Art Verstorbene. Dies ist gleichzeitig auch ein limitierender Faktor der vorliegenden Arbeit, da sich die Ergebnisse durch die Vorselektion nicht auf die Gesamtsterbefälle in Deutschland übertragen lassen.

In der vorliegenden Arbeit wurden sowohl in den Todesbescheinigungen als auch in den Obduktionsprotokollen am häufigsten Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, gefolgt von Verletzungen, Vergiftungen und äußeren Ursachen, als Todesursache angegeben. Betrachtet man die Übereinstimmungraten nach Organsystemen, so waren diese bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Verletzungen, Vergiftungen und äußeren Ursachen sowie Erkrankungen des Nervensystems am höchsten. Laut Statistischem Bundesamt waren Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems im Jahr 2018 mit 36,2 % die häufigste Todesursache, gefolgt von bösartigen Neubildungen in rund einem Viertel der Fälle [20]. Neoplasien wurden in der vorliegenden Untersuchung nur sehr selten als Todesursache angegeben. Eine retrospektive Studie aus Huston und Prag ergab, dass bei rund einem Drittel aller älteren Verstorbenen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems zum Tode führten. Während in der genannten Studie jeder 4. im Alter von 70 bis 79 Jahren bösartigen Neubildungen erlag, sank diese Zahl bei den über 79-jährigen Verstorbenen hingegen auf 10,0 % [21]. Das Versterben an einem Tumorleiden geht häufig mit einem langwierigen Krankheitsverlauf und umfangreicher Diagnostik einher. Daher kann in diesen Fällen leichter als bei Herz-Kreislauferkrankungen, die nicht selten plötzliche Todesfälle bedingen, ein natürlicher Tod attestiert werden. Aus diesem Grund sind Todesfälle nach Neoplasien im Kollektiv der vorliegenden Studie womöglich unterrepräsentiert.

Bei der Betrachtung der Todesursachen nach ICD-Klassifikation ergab sich in der vorliegenden Studie bei Pflegeheimbewohnern eine Übereinstimmungsrate von 66,0 % zwischen Leichenschaudiagnose und Obduktionsbefund. Bei den Nicht-Pflegeheimbewohnern lag diese bei 73,1 %. Verschiedene Studien zur Übereinstimmung zwischen klinischer und autoptischer Todesursache kommen auf Übereinstimmungsraten zwischen 40,6 % und 60,0 % [8, 14, 22,23,24]. Die im Vergleich zur Literatur höhere Übereinstimmungsrate der Todesursache könnte durch die unterschiedlichen Fallkollektive und eine Vorselektion der einbezogenen Fälle begründet werden. Zudem wurde in der vorliegenden Studie bei etwa einem Viertel der Verstorbenen (24,3 %) keine oder keine konkrete Todesursache (z. B. Angaben wie „Herz-Kreislauf-Versagen“) in den Todesbescheinigungen angegeben, sodass diese Fälle nicht mit den Obduktionsergebnissen verglichen werden konnten. Das mediane Lebensalter der verstorbenen Pflegeheimbewohner betrug in der vorgestellten Untersuchung 83,5 Jahre. Bei den verstorbenen Nicht-Pflegeheimbewohnern betrug dieses hingegen nur 73 Jahre. Eine mögliche Ursache für die höhere Übereinstimmungsrate der Todesursachen bei Nicht-Pflegeheimbewohnern könnte die Korrelation des Lebensalters des Verstorbenen mit der Fehlqualifikation der Todesursache bei der ärztlichen Leichenschau sein. Middelton et al. kamen bei einer retrospektiven Untersuchung einer geriatrischen und einer nichtgeriatrischen Gruppe zu dem Ergebnis, dass die Übereinstimmung der Todesursachen in der geriatrischen Gruppe mit 65,0 % niedriger war als in der nichtgeriatrischen Gruppe mit 70,0 % [25]. Diese Ergebnisse decken sich mit den erhobenen Daten der vorliegenden Studie. Ein Grund hierfür ist möglicherweise, dass bei steigendem Lebensalter Krankheitssymptome schwächer ausgeprägt sind oder sich manchmal anders präsentieren als bei jüngeren Menschen, wodurch es den behandelnden Ärzten erschwert wird, Erkrankungen zu diagnostizieren [26]. Gleichzeitig kommt es mit zunehmendem Lebensalter vermehrt zu einer Multimorbidität [27]. Eine Studie aus Schweden stellte fest, dass Multimorbidität das Risiko verdoppelt, stationäre Pflege in Anspruch nehmen zu müssen [28]. In der vorliegenden Untersuchung war das Auftreten von Multimorbidität bei Pflegeheimbewohnern häufiger als in der Vergleichsgruppe. Dies kann die Fehleranfälligkeit bei der Benennung der Todesursache vergrößern, da z. T. mehrere Grunderkrankungen vorliegen, die jede für sich ein Ableben begründen könnte. Somit ist es den leichenschauenden Ärzten häufig nicht möglich, im Rahmen einer äußeren Leichenschau die exakte Todesursache festzustellen [29].

Insgesamt lässt sich aus den hier vorgestellten Ergebnissen in Zusammenschau mit der einschlägigen Literatur ableiten, dass die Übereinstimmungsraten von Todesart und Todesursache der Todesbescheinigungen mit den Obduktionsergebnissen bei Pflegeheimbewohnern geringer als bei Nicht-Pflegeheimbewohnern sind. Die Anzahl falsch klassifizierter Todesarten kann Ausdruck unzureichender Kenntnisse und Erfahrungen der leichenschauenden Ärzte sein, was die Relevanz der Vermittlung von rechtsmedizinischen Inhalten zur ärztlichen Leichenschau in der Aus- und Fortbildung unterstreicht [30]. Auch bundeseinheitliche Regelungen zur ärztlichen Leichenschau fehlen bislang. Die Obduktion ist nach wie vor Mittel der Wahl, um die Todesursache exakt festzustellen. Erfolgversprechende Möglichkeiten zur Korrektur falsch attestierter Todesarten und Todesursachen sind die Anhebung der Obduktionsfrequenz und ergänzend die Nutzung etablierter Zusatzmethoden (z. B. radiologischer, histologischer, toxikologischer, neuropathologischer und/oder mikrobiologischer Untersuchungen) [8, 30].

Fazit für die Praxis

Die Übereinstimmungsrate von Todesart und Todesursache der Todesbescheinigungen mit den Obduktionsergebnissen ist bei Pflegeheimbewohnern geringer als bei Nicht-Pflegeheimbewohnern. Demnach sollte auch bei älteren Patienten nicht leichtfertig von einem natürlichen Sterbegeschehen ausgegangen werden, wenn die Annahme einer natürlichen Todesursache nicht begründet werden kann. In derartigen Fällen ist eine Klärung des Falles durch eine Obduktion anzustreben.