Einleitung

Stromunfälle, die sich im häuslichen Umfeld bei Netzwechselspannung (230 V) ereignen, sind den Niederspannungsunfällen zuzurechnen. Solche Unfälle ereignen sich durch das direkte Berühren eines unter Netzwechselspannung stehenden (aktiven) Teiles, wenn der menschliche Körper dadurch Teil eines geschlossenen Stromkreises wird.

Ursächlich sind zumeist fehlerhafte Elektroinstallationen (z. B. laienhafte Installationen oder Reparaturen), menschliches Fehlverhalten (Nichteinhaltung von Sicherheitsregeln, Arbeiten an der Elektroinstallation oder an Geräten ohne vorherige Freischaltung) oder aber defekte oder fehlerhaft konstruierte Elektrogeräte/-bauteile. Mithin ist auch die Nutzung technischer Elektrizität für suizidale Handlungen bekannt.

In den letzten Dekaden war die Zahl der Stromunfälle mit tödlichem Ausgang stetig regredient. Wurden 1970 noch etwa 250 tödliche Stromunfälle/Jahr in Deutschland registriert, so sank die Anzahl der durch akzidentelle Stromeinwirkung Verstorbener in 2016 nach Daten des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE) auf ein „historisches Minimum mit 34 Todesfällen“ [20]. Maßgeblich hierfür dürfte im Wesentlichen die zunehmende Verbreitung von Fehlerstromschutzschaltern (FI/RCD) sein. Solche Schutzschalter können einen akzidentiellen Körperstrom innerhalb des Bruchteils einer Sekunde automatisch abschalten, bevor dieser letale Auswirkungen zeigen kann (vorgeschriebene Auslösezeit < 0,3 s bei einem Bemessungsfehlerstrom von 30 mA [3]).

Innerhalb der letzten Jahre nahm die Anzahl letaler Stromunfälle dagegen wieder zu, wobei markanter Weise ausschließlich Frauen betroffen waren, und von Seiten des VDE die Verwendung von Ladegeräten in Badezimmern als ursächlich diskutiert wurde [19]. Ein solcher Fall wird nachfolgend präsentiert.

Kasuistik

Vorgeschichte und Fallumstände

Eine junge FrauFootnote 1 wurde von Angehörigen leblos in Rückenlage in der mit Wasser gefüllten Badewanne vorgefunden. Auf dem Rumpf der Frau befand sich ein Smartphone, das über ein Ladekabel mit dem Stromnetz verbunden war. Ungeklärt blieb die Position der Atemöffnungen über oder unter der Wasseroberfläche.

Trotz sofort eingeleiteter Reanimationsmaßnahmen verstarb die Frau ca. 3 h später in einer Klinik.

Eine Inaugenscheinnahme des Unfallortes durch einen Rechtsmediziner erfolgte nicht.

Obduktionsbefunde

Bei der Autopsie etwa 15 h nach dem Tod wurden z. T. großflächige, als Strommarken gedeutete Hautveränderungen an der rechten vorderen Brustkorbpartie sowie am Ober- und am Mittelbauch rechts, zudem an der rechten Hand, vornehmlich beugeseitig und den Kleinfinger- und Daumenballen (Abb. 1) betreffend, festgestellt. Daneben wurden Befunde wie eine Hyperämie der inneren Organe, ein hochgradiges Lungenödem mit feinschaumig durchsetztem Atemwegsinhalt sowie Zeichen akuten Hirndruckes erhoben. Die Lungen waren nach forcierter Wiederbelebung hinsichtlich eines evtl. Ertrinkungsbefundes nicht mehr beurteilbar. Eine umblutete, klaffende Fraktur des ersten Lendenwirbelkörpers sowie Einblutungen in das vordere Längsband in Höhe mehrerer Disci intervertebrales im unteren BWS-Abschnitt wurden als Folgen einer tetanischen Verkrampfung der autochthonen Rückenmuskulatur bei zumindest partieller Einbeziehung der paravertebralen Muskulatur in den Stromweg interpretiert. Eine differenzialdiagnostisch in Betracht zu ziehende Wirbelsäulenfraktur als Bergeartefakt scheidet rein aus physikalisch-biomechanischen Erwägungen de facto aus.

Abb. 1
figure 1

Strommarken an der rechten Hand

Histologische Untersuchungen

Mehrere der als Strommarken gewerteten Hautbefunde an der Rumpfvorderseite und der rechten Hand wurden histologisch untersucht. Im Stratum corneum waren Blasenbildungen realisiert; die Zellleiber in den tieferen Epidermisschichten wiesen eine typische fischzugartige Konfiguration auf. Die Zellkerne der Basalzellen waren spindelförmig elongiert (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Strommarke (HE-Färbung), u. a. mit fischzugartiger Anordnung der Zellen in den tieferen Epidermisschichten (blaue Pfeilspitze) und Vakuolenbildungen (grüne Pfeilspitze)

Technische Untersuchungen

Feststellungen am Unfallort

Die Elektroinstallation in der Unfallwohnung war augenscheinlich mehrere Jahrzehnte alt. Dementsprechend waren die Stromkreise durch Leitungsschutzschalter nur gegen Überstrom abgesichert. Ein Fehlerstromschutz, wie er in Deutschland seit 1984 für Neuanlagen gemäß DIN VDE 0100-701 zumindest für Bäder gefordert ist, war nicht vorhanden. Aufgrund des für Altanlagen geltenden Bestandsschutzes war dies allerdings nicht zu beanstanden.

Die metallenen Armaturen der Kunststoffbadewanne (Wassereinlass, Brauseschlauch, Wannenabfluss) führten keine irreguläre Spannung. Sie waren im Gegenteil regulär niederohmig mit dem Erdpotenzial verbunden (geerdet). Hierüber war allerdings mangels Fehlerstromschutzschalter ein persistenter Fehlerstromweg zum Erdpotenzial möglich.

Neben der Badewanne befanden sich am Boden liegend ein Smartphone, ein zugehöriges Ladegerät sowie eine Mehrfachsteckerleiste. Rein geometrisch hätten sowohl das zum Laden angeschlossene Mobiltelefon als auch die Mehrfachsteckerleiste selbst in das Badewasser geraten können.

Am Netzteil des Ladegerätes imponierte eine ausgeprägte thermische Beschädigung im Sinne eines lokal begrenzten „Brandloches“ (Abb. 3). Das Smartphone selbst war wassernass, und an seiner metallenen Gehäuserückseite stellten sich geformte, kalkähnliche Antragungen dar, deren Form an die Papillarleisten der menschlichen Hand denken ließ (Abb. 4).

Abb. 3
figure 3

Smartphone-Netzteil mit thermischem Defekt des Gehäuses

Abb. 4
figure 4

Smartphone-Rückseite mit kalkähnlichen Antragungen

Laboruntersuchungen

Die in der Mehrfachsteckerleiste regulär spannungsführenden Metallteile waren frei von Kalkantragungen. Es war somit auszuschließen, dass die Mehrfachsteckerleiste versehentlich in das Badewasser geraten war.

Bei dem Netzteil handelte es sich nicht um das Originalgerät des Smartphone-Herstellers, sondern um ein augenscheinlich preiswerteres Ersatzgerät, an dem jedoch eine CE-Kennzeichnung vorhanden war.

Wesentliches Merkmal eines solchen Netzteiles ist die Umwandlung der 230-V-Netzwechselspannung auf die für das Smartphone notwendige Gleichspannung von 5 V. Im vorliegenden Netzteil wurde dies durch einen Transformator bewirkt. Dieser stellte gleichzeitig die galvanische Trennung zwischen der Netzwechselspannung und der normalerweise ungefährlichen Kleinspannung von 5 V her.

Schaltungsbedingt war diese galvanische Trennung jedoch durch einen sog. Entstörkondensator überbrückt. Solche Kondensatoren dienen der Vermeidung hochfrequenter Störsignale und sind nach den VDE-Vorgaben prinzipiell erlaubt. Sie müssen aus sicherheitstechnischen Gründen gem. DIN EN 62368‑1 (VDE 0868-1) allerdings der Klasse Y1 nach DIN EN 60384-14 (VDE 0565-1-1) entsprechen. Solche Sicherheitskondensatoren erfüllen erhöhte Qualitätsanforderungen und verhindern im Versagensfall zuverlässig eine Spannungsverschleppung auf die Ausgangsseite.

Im vorliegenden Netzteil hatte der Kondensator jedoch wohl spontan versagt („durchgebrannt“, Abb. 5). Hierbei war auch der thermische Schaden im unmittelbar darüber liegenden Gehäusebereich entstanden. Über diesen zerstörten Kondensator lag nun eine niederohmige Verbindung zwischen der Eingangs- und der Ausgangsseite des Netzteils vor, wodurch nahezu die gesamte Netzwechselspannung von 230 V auf den Ausgang und somit auf das metallene Gehäuse des Smartphones verschleppt wurde.

Abb. 5
figure 5

Geöffnetes Ladegerät-Netzteil mit zerstörtem („durchgebranntem“) Kondensator

Innerhalb des Netzteils waren im Weiteren sekundäre Schäden im Sinne von überstrombedingt abgelösten Lötkontakten festzustellen, die einen abnormal großen Stromfluss durch das Netzteil belegten.

Dieser Strom muss von der Steckdose im Bad über den zerstörten Kondensator, das Smartphone-Gehäuse, den Körper der jungen Frau, das Badewasser und die geerdeten Badewannenkomponenten (Wannenabfluss) geflossen sein.

Es war zerstörungsgradbedingt nicht mehr nachvollziehbar, ob im unfallursächlichen Netzteil vom Hersteller tatsächlich ein regulärer Y1-Sicherheitskondensator verbaut worden war. Das Schadensbild und der Unfallhergang sprachen jedoch in hohem Maße dagegen.

Die Kriminalpolizei konnte im Nachgang ermitteln, wo das Netzteil erworben worden war, und von dort ein Vergleichsnetzteil vorlegen. Darin befand sich anstelle des vorgeschriebenen Y1-Sicherheitskondensators tatsächlich nur ein Standardelektronikkondensator. Das am Vergleichsgerät vorhandene CE-Kennzeichen war insofern vom Hersteller regelwidrig angebracht worden, wovon auch für das unfallursächliche Gerät auszugehen ist.

Diskussion

Dass es einen pathomorphologisch zweifelsfreien Nachweis eines Todes durch die Einwirkung technischer Elektrizität nicht gibt, bedarf nicht der gesonderten Erwähnung. Einigkeit besteht wohl auch darüber, dass die forensische Untersuchung von Todesfällen durch elektrischen Strom interdisziplinär in Kooperation mit technischen Sachverständigen erfolgen sollte [1, 8, 11, 14].

Stromtodesfälle in der Badewanne stellen eine besondere Entität dar, u. a. da dem Badewasser die Funktion als Leitungsmedium zukommen kann, falls ein spannungsführendes Teil bzw. Gerät entweder Kontakt zum Badewasser und/oder zur Körperoberfläche hat. Über die Gegebenheiten bei Stromtodesfällen in der Badewanne wurde bereits umfassend berichtet [2, 5,6,7, 15,16,17].

Die Benutzung von an das Haushaltsstromnetz angeschlossenen Elektrogeräten in der Badewanne birgt, aufgrund der dort häufig vorhandenen guten Erdungsverhältnisse bzw. wegen der guten Leitfähigkeit des Badewassers, eine hohe Stromschlaggefahr und sollte insofern generell unterbleiben. Dies trifft insbesondere auch dann zu, wenn, wie vorliegend, kein Fehlerstromschutzschalter vorhanden ist, der einen Fehlerstrom über das Badewasser und die geerdeten Wannenbauteile rechtzeitig unterbrechen könnte.

Die Besonderheit des hier dargestellten Falles liegt aber darin, dass es sich bei dem Elektrogerät um ein Smartphone gehandelt hat, das über ein Ladekabel mit Netzteil mit dem Haushaltsstromnetz verbunden war. Bei intaktem Netzteil hätte lediglich eine Kleinspannung von 5 V am Smartphone angelegen, welche selbst bei unmittelbaren Kontakt mit dem Körper oder dem Badewasser ungefährlich gewesen wäre.

Durch den Defekt einer ungeeigneten und nach den VDE-Regeln an dieser Stelle nicht zugelassenen Elektronikkomponente im Netzteil (Entstörkondensator) kam es stattdessen aber zur Verschleppung wohl nahezu der gesamten Netzwechselspannung von 230 V auf das Smartphone-Gehäuse.

Den erhobenen Befunden nach war folgender Stromweg zu rekonstruieren: Smartphone-Gehäuse – rechte Hand – Körperdurchströmung mit Herz im Stromweg – großflächiger Übertritt von der unter Wasser befindlichen Körperoberfläche in das Badewasser – geerdeter Wannenablauf – Rückfluss über das Erdpotenzial zum Energieversorger.

Aufgrund der hohen lokalen Stromdichte an der Stromübertrittstelle an der rechten Hand kam es zunächst dort zur Ausbildung von Strommarken. Wohl im Zustand (tetanischer) Verkrampfung oder der Bewusstlosigkeit dürfte die Hand dann samt dem Smartphone in das Badewasser geraten sein, wodurch die kalkähnlichen, papillarleistenförmigen Antragungen am Smartphone-Gehäuse entstanden. Das Smartphone hatte augenscheinlich Kontakt im Brust- und im Bauchbereich, wo sich jeweils größere Strommarken ausprägten.

Eine bandförmige Hautrötung in topischem Bezug zur Wasserlinie, wie von Holzer 1955 dargelegt [10] und später als Grenzzonenphänomen [21] bezeichnet, wurde im gegenständlichen Fall nicht festgestellt.

Besonders beachtenswert ist, dass es sich nicht um einen Einzelfall gehandelt hat. Aus der direkten Kommunikation mit mehreren Landeskriminalämtern sowie aus diversen Presseberichten ist bekannt, dass sich allein in Deutschland in den letzten zwei Jahren vier vergleichbar gelagerte Unfälle mit tödlichem Ausgang ereignet haben; weitere sind aus dem Ausland bekannt [9, 12, 13, 18]. Es ist zu befürchten, dass minderwertige Ladegeräte – z. T. mit gefälschten CE-Kennzeichnungen – in großer Anzahl in Umlauf sind, wodurch die Gefahr weiterer derartiger Stromunfälle gegeben ist [19].

Das hier verwendete fehlerhafte Produkt wurde durch das Bayerische Landeskriminalamt über das zuständige Gewerbeaufsichtsamt dem Schnellwarnsystem für gefährliche Non-Food-Produkte (RAPEX) der Europäischen Kommission gemeldet. Von den Behörden wurde eine Rückrufaktion beim Endverbraucher initiiert [4].