Hintergrund

Seit dem 01.01.2018 werden im Stadtgebiet Frankfurt am Main (752.321 Einwohner, Stand: 30.06.2019 [21]) die Leichenschauen im Auftrag der Polizei oder der Staatsanwaltschaft von Montag bis Freitag tagsüber (39 h/Woche) durch einen eigens hierfür eingerichteten rechtsmedizinischen Leichenschaudienst durchgeführt. In der Regel wird dieser von den Weiterbildungsassistenten abgedeckt. An den Abenden, Nächten, Wochenenden und Feiertagen führt diese Aufgabe überwiegend der ärztliche Bereitschaftsdienst (ÄBD) der kassenärztlichen Vereinigung aus [17].

In einer ersten Auswertung der Projektdaten für das Jahr 2018 zeigte sich v. a. eine große Zeitersparnis für die eingesetzten Polizeibeamten infolge geringerer Wartezeiten durch den nur für diese Aufgabe zur Verfügung stehenden rechtsmedizinischen Dienst. Darüber hinaus fiel ein großer Unterschied bei der Häufigkeit der angenommenen Todesarten im Vergleich zwischen rechtsmedizinischen Leichenschauern und den Ärzten des ÄBD auf: Während der ÄBD in 2 % (von 597 Leichenschauen) eine nichtnatürliche Todesart bescheinigte, wurde ein nichtnatürlicher Tod von der Rechtsmedizin in 11 % (von 410 Leichenschauen) attestiert [17]. In diesem Zusammenhang wird häufig die sorgfältige Ausbildung von Medizinstudenten bzw. die Fortbildung der klinisch tätigen oder niedergelassenen Ärzte als Möglichkeit zur Verbesserung der Leichenschauqualität, insbesondere zur Reduktion der Fälle eines fälschlich als natürlich bescheinigten Todes, aufgeführt [4, 7, 8, 13]. Allerdings gibt es Einschränkungen bei der Leichenschau, die als unabhängig von Erfahrung und Ausbildungsstand des Leichenschauers anzusehen sind – beispielsweise, wenn nur wenige oder keine Erkenntnisse zur (Kranken‑)Vorgeschichte der verstorbenen Person vorliegen.

Ziel der aktuellen Studie war der Vergleich der im Stadtgebiet Frankfurt am Main im Jahr 2019 durchgeführten ersten Leichenschauen beider Leichenschauerkollektive mit den Ergebnissen einer etwaig im Nachgang durchgeführten Obduktion (inklusive Zusatzuntersuchungen).

Material und Methoden

Im Jahr 2019 wurden insgesamt 950 Leichenschauen im Stadtgebiet Frankfurt am Main im unmittelbaren Auftrag der Polizei durchgeführt (ÄBD: n = 586; Rechtsmedizin: n = 364). Die übrigen Rahmenbedingungen waren wie im Jahr 2018 [17].

Auswertung Rechtsmedizin

Ausgewertet wurden alle durch den rechtsmedizinischen Leichenschaudienst im Jahr 2019 ausgestellten Leichenschauscheine (n = 364) insbesondere hinsichtlich attestierter Todesart und, mithilfe der institutseigenen Datenbank, bezüglich des nachfolgenden Procederes: Sektion, Freigabe, „Besichtigung“. Bei der „Besichtigung“ handelt es sich um eine unentgeltliche zweite rechtsmedizinische Leichenschau bei Verstorbenen, die nach Beschlagnahmung im Rahmen eines Todesermittlungsverfahrens in das Institut für Rechtsmedizin verbracht und ohne gerichtliche Leichenöffnung durch die Staatsanwaltschaft freigegeben wurden. Zur Feststellung des nachfolgenden Procederes wurden die Namen der Verstorbenen mit der institutseigenen Datenbank abgeglichen. Bei den Verstorbenen, die obduziert wurden, erfolgte die Auswertung des Obduktionsergebnisses und etwaiger Zusatzuntersuchungen (Toxikologie, Histologie, etc.).

Auswertung ärztlicher Bereitschaftsdienst

Für die Auswertung der Leichenschauen des ÄBD wurde durch das Polizeipräsidium Frankfurt am Main eine Tabelle mit den Namen der Verstorbenen und der Todesart zur Verfügung gestellt (n = 586). In 3 Fällen war in der Tabelle die Todesart nicht dokumentiert; diese wurden ausgeschlossen (n = 583). Zur Auswertung des nachfolgenden Procederes wurden die Namen der Verstorbenen mit der institutseigenen Datenbank abgeglichen. Fälle, bei denen nicht der vollständige Name übermittelt worden war, wurden ausgeschlossen (120 Fälle mit natürlicher und 2 Fälle mit ungeklärter Todesart), sodass 461 Leichenschauen der Ärzte des ÄBD in der Auswertung des nachfolgenden Procederes berücksichtigt werden konnten. Bei den obduzierten Fällen erfolgte die Auswertung des Sektionsprotokolls und etwaiger Zusatzuntersuchungen.

Bei beiden Gruppen und entsprechend auch bei der Gesamtanzahl nicht berücksichtigt wurden 13 Fälle, die nicht in der Dienstzeit der Rechtsmedizin lagen, aber im Rahmen des Suizidpräventionsprojektes FraPPE [6] rechtsmedizinischerseits beschaut wurden – sie wurden insgesamt ausgeschlossen.

Ergebnisse

Todesart

Im Jahr 2019 wurden durch den rechtsmedizinischen Leichenschaudienst 364 Leichenschauen im Frankfurter Stadtgebiet durchgeführt. In 42 Fällen wurde nach der ersten Leichenschau eine nichtnatürliche Todesart attestiert (11 %), in 166 Fällen eine natürliche (46 %) und in 156 Fällen eine ungeklärte Todesart (43 %).

Bei den insgesamt 583 durch die Ärzte des ÄBD durchgeführten ersten Leichenschauen wurde in 330 Fällen eine natürliche (57 %), in 17 Fällen eine nichtnatürliche (3 %) und in 236 Fällen eine ungeklärte Todesart attestiert (40 %).

Nachfolgendes Procedere

Von den 364 Todesfällen, die rechtsmedizinisch erstbeschaut wurden, wurde im Nachgang bei 78 Fällen eine Obduktion durchgeführt (21,5 %). Eine Besichtigung im Institut für Rechtsmedizin (ohne Obduktion) erfolgte in 37 Fällen (10 %).

Von den 461 für das nachfolgende Procedere auswertbaren Todesfällen, die durch die Ärzte des ÄBD erstbeschaut wurden, wurden 76 obduziert (16,5 %); in 40 Fällen erfolgte eine Besichtigung (8,5 %).

Eine Übersicht findet sich in Tab. 1.

Tab. 1 Übersicht nachfolgendes Procedere

Rechtsmedizin

Bei den insgesamt 78 sezierten Verstorbenen ergab sich in 49 Fällen (62,8 %) eine Änderung im Vergleich der Todesart, die im Rahmen der Sektion festgestellt wurde, und der in der Leichenschau angegebenen Todesart. Die Tab. 2 (Kreuztabelle) enthält die detaillierte Aufstellung nach Todesart.

Tab. 2 Unterschiede bei der Todesart (TA) bei den 78 sezierten Verstorbenen im Vergleich mit der ersten Leichenschau – Rechtsmedizin

Von den 166 bei der ersten Leichenschau als natürlich bescheinigten Todesfällen wurden 2 Verstorbene obduziert. In einem dieser beiden Fälle ergab sich eine Diskrepanz der Todesart: Im Leichenschauschein war als Todesursache ein Herzinfarkt, DD Aortendissektion/‑ruptur, angegeben worden. Die Obduktion erbrachte allerdings eine Medikamentenintoxikation (Tilidin und Amitriptylin); der Verdacht auf einen Behandlungsfehler, der die Ermittlungen angestoßen hatte wurde nicht bestätigt.

Bei den 11 Fällen, in denen die Todesart nach Leichenschau ungeklärt war und nach Obduktion ungeklärt blieb, handelte es sich ausnahmslos um stark fäulnisveränderte Leichen.

Unter den 8 Todesfällen, die im Rahmen der ersten Leichenschau als ungeklärte und im Anschluss an die Sektion als nichtnatürliche Todesfälle klassifiziert worden waren, fanden sich 6 Fälle mit todesursächlichen Intoxikationen und 2 Fälle mit einem todesursächlichen Sturzgeschehen. Drei dieser 8 Leichen wiesen höhergradige Fäulnisveränderungen auf (Intoxikation: n = 2, Sturz: n = 1). Insgesamt fanden sich unter den bei der ersten Leichenschau als ungeklärte Todesart klassifizierten Fällen 16 Leichen mit starken Fäulnisveränderungen, die nicht obduziert wurden.

Ärzte des ärztlichen Bereitschaftsdienstes

Eine Änderung der Todesart nach der Sektion (n = 76) ergab sich bei den Ärzten des ÄBD in 57 Fällen (75,0 %). Für dieses Kollektiv wurde ebenfalls eine Kreuztabelle erstellt (Tab. 3).

Tab. 3 Unterschiede bei der Todesart (TA) bei den 76 sezierten Verstorbenen im Vergleich mit der ersten Leichenschau – Ärzte des ärztlichen Bereitschaftsdienstes

Bei den 2 in der Leichenschau als natürlich attestierten Todesfällen, die gerichtlich angeordnet obduziert wurden (ein Fall wurde im Krematorium wegen fortgeschrittener Fäulnisveränderungen angehalten; im zweiten Fall ist nicht bekannt, wie die Polizei Kenntnis von dem natürlich attestierten Tod erlangte), bestätigte sich im Rahmen der Sektion die natürliche Todesart.

Bei den 6 Obduktionen mit nichtnatürlicher Todesart nach der Leichenschau änderte sich in einem Fall nach Sektion die Todesart zu einem natürlichen Tod (akut auf chronisches Links- und Rechtsherzversagen bei schweren Herz- und Lungenvorerkrankungen statt Schädel-Hirn-Trauma).

In 12 der im Rahmen der Leichenschau als ungeklärt klassifizierten Todesfälle wurde die Klassifizierung nach der Sektion beibehalten. Hierunter fanden sich 9 Leichen mit weit fortgeschrittenen Fäulnisveränderungen. Bei 19 der nach der Leichenschau als ungeklärt klassifizierten Todesfälle wurde die Klassifikation nach Sektion auf nichtnatürlich spezifiziert. Hierunter waren 15 Fälle mit todesursächlichen Intoxikationen, wovon wiederum 4 Fälle starke Fäulnisveränderungen aufwiesen.

Diskussion

In der Auswertung der im Jahr 2019 in unmittelbarem Auftrag der Polizei durchgeführten ersten Leichenschauen fällt (wie schon in der Vorstudie [17]) der große Unterschied in der Annahme einer nichtnatürlichen Todesart durch Ärzte des ÄBD und der Rechtsmedizin auf (3 % vs. 11 %). In der Auswertung der vorherigen Studie wurde bereits gezeigt, dass dies nicht auf die unterschiedlichen Tageszeiten der 2 Leichenschau(er)kollektive zurückgeführt werden kann – der Vergleich eines Halbjahreszeitraums (1. Halbjahr 2017), in dem die Ärzte des ÄBD 24 h am Tag und 7 Tage die Woche die Leichenschau durchführten, mit dem gleichen Halbjahreszeitraum des darauffolgenden Jahres (1. Halbjahr 2018), in dem durch die Ärzte des ÄBD nur nachts und am Wochenende die Leichenschauen erfolgten, ergab hinsichtlich der Bescheinigung der Todesarten bei den Ärzten des ÄBD prozentual keinen relevanten Unterschied (am Beispiel nichtnatürlicher Tod: 1. Halbjahr 2017: 3 %, 1. Halbjahr 2018: ebenfalls 3 %; [17]).

Würde man in der aktuellen Studie die 13 ausgeschlossene Fälle, die rechtsmedizinischerseits im Rahmen des Projektes zur Suizidprävention während der Bereitschaftszeit der Ärzte des ÄBD durchgeführt wurden (und allerdings auch nicht in den 42 nichtnatürlichen Fällen der Rechtsmediziner Berücksichtigung fanden), den Ärzten des ÄBD zurechnen, hätten diese 30 nichtnatürliche Todesfälle bei insgesamt 596 Leichenschauen im Jahr 2019 und lägen damit bei 5 %, also immer noch bei weniger als der Hälfte des durch die rechtsmedizinischen Leichenschauer im selben Jahr als nichtnatürlich klassifizierten Anteils der Leichenschauen.

Während die Konstanz der Unterschiede zwischen den beiden Untersuchergruppen im prozentualen Anteil der Diagnose einer nichtnatürlichen Todesart (Rechtmedizin 11 % vs. ÄBD 3 %) überraschen mag, sind die daraus resultierenden möglichen Konsequenzen zu beleuchten. Zunächst wäre davon auszugehen, dass die Motivation der Ermittlungsbehörden, eine gerichtliche Leichenöffnung anzuregen bzw. anzuordnen nach der Leichenschaudiagnose „nichtnatürliche Todesart“ größer sein dürfte als bei „ungeklärter Todesart“. Diese Annahme scheinen die vorliegenden Ergebnisse zu bestätigen (Tab. 1): Nach den rechtsmedizinischen Leichenschauen wurde bei ungeklärter Todesart in 37,8 % seziert, bei nichtnatürlichem Tod in 40,5 %. Für den ÄBD ergaben sich nach ungeklärter Todesart in 29,1 % und bei nichtnatürlichem Tod in 35,3 % Obduktionen. Allerdings sind für beide Untersucherkollektive die Steigerungen der Sektionen durch die Leichenschaudiagnose „nichtnatürlicher Tod“ im Vergleich zur „ungeklärten Todesart“ nur 2,7 % (Rechtsmedizin) bzw. 6,2 % (ÄBD). Daraus ist abzuleiten, dass in der Ermittlungspraxis genauso wie im formalen Ablauf (Meldepflicht des Leichenschauarztes – Einleitung eines Todesermittlungsverfahrens) die Klassifizierung in „nichtnatürlicher Tod“ oder „ungeklärte Todesart“ keine besonders große Relevanz hat. Bei mit 45,6 % gleichem Anteil der Diagnose „natürlicher Todesart“ für beide Untersucherkollektive (Tab. 1, zumindest bei den eingeschlossenen Fällen Leichenschau vs. Sektion) fallen die durch den ÄBD deutlich seltener diagnostizierten nichtnatürlichen Todesfälle offenbar in die Gruppe der ungeklärten Todesart. Dazu würde passen, dass in dem Kollektiv ÄBD in den 68 Sektionen nach Leichenschaudiagnose „ungeklärte Todesart“ 19-mal (27,9 %) ein nichtnatürlicher Tod festgestellt wurde (Tab. 3). Das rechtsmedizinische Kollektiv hatte als Resultat der 59 Sektionen nach Leichenschaudiagnose „ungeklärte Todesart“ nur 8 Fälle (13,6 %) mit nichtnatürlicher Todesart (Tab. 2).

Nimmt man jedoch für beide Untersucherkollektive die Diagnosegruppen „ungeklärte Todesart“ und „nichtnatürlicher Tod“ zusammen, wurden diese von der Rechtsmedizin 198-mal festgestellt, und es folgten daraus 76 Sektionen, was 38,4 % entspricht. Beim ÄBD entfielen auf diese beiden Todesartengruppen zusammen 251 Fälle, wovon 74 seziert wurden, was lediglich einem Sektionsanteil von 29,5 % entspricht. Es könnte also derart interpretiert werden, dass seitens der Ermittlungsbehörden der rechtsmedizinischen Leichenschaudiagnose „nichtnatürlicher Tod“ oder „ungeklärte Todesart“ eine höhere Relevanz zugemessen wurde. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei den Leichenschauen durch die Rechtsmedizin häufiger der Kriminaldauerdienst mit anwesend war und die ärztliche und die kriminalpolizeiliche Leichenschau gemeinsam durchgeführt wurden [17], was eine höhere Akzeptanz der Todesartklassifikation seitens der Ermittlungsbehörden bedingt haben könnte. Eine Auswertung der Anwesenheit der Kriminalpolizei erfolgte nicht, da diese Zahlen für das Untersucherkollektiv ÄBD nicht zu erheben waren.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der 8 Fälle mit nichtnatürlichem Tod nach der Obduktion, nach zuvor in der rechtsmedizinischen Leichenschau ungeklärten Todesart, ist, dass 3 dieser Leichen höhergradige Fäulnisveränderungen aufwiesen. Vor diesem Hintergrund erscheint es umgekehrt bedenklich, dass bei insgesamt 16 Verstorbenen, die aufgrund starker Fäulnisveränderungen im Rahmen der rechtsmedizinischen Leichenschau als ungeklärter Tod eingeordnet wurden, keine gerichtliche Leichenöffnung veranlasst wurde. Zwar besteht bei hochgradigen Fäulnisveränderungen die Möglichkeit, dass allein durch die Obduktion keine sichere Todesursache festgestellt werden kann (wie in 11 rechtsmedizinischen Fällen der Studie/ÄBD 12 Fälle), jedoch ist so zumindest die Möglichkeit gegeben, eine erfolgte fremde äußere Gewalteinwirkung weitgehend auszuschließen und außerdem die Identität zu sichern. Darüber hinaus können bei Beauftragung chemisch-toxikologischer Untersuchungen Intoxikationen sogar bei fortgeschrittenen Fäulnisveränderungen noch nachgewiesen werden, wie in 4 Fällen der durch Ärzte des ÄBD bei der ersten Leichenschau als ungeklärt klassifizierten Todesfälle.

Im Gegensatz zur ersten Studie wurden in der aktuellen Auswertung die Ergebnisse der Leichenschau mit denen einer ggf. im Nachgang beauftragten Obduktion verglichen. Die Qualität der Leichenschau bzw. deren Verbesserung ist ein stets aktuelles Thema in der Rechtsmedizin, mit dem sich bereits zahlreiche Studien beschäftigt haben [1,2,3, 5, 9, 10, 12, 14,15,16, 18,19,20, 22, 23]. Große Perdekamp et al. betonen, dass nicht nur mangelndes Wissen, zu geringe Erfahrung oder unzureichende Sorgfalt des Leichenschauers zu Irrtümern bei der Leichenschau führen können, sondern dass äußere Korrelate eines nichtnatürlichen Todes fehlen können und deshalb die Erwartung, dass die Todesart bei einer „professionellen“ Leichenschau in jedem Fall richtig bestimmt werden kann, unrealistisch ist [11]. Als Beispiel hierfür wären bestimmte Arten von Intoxikationen zu nennen. Dies bestätigt sich in den Ergebnissen der vorliegenden Studie, wobei insbesondere der Fall des rechtsmedizinischerseits natürlich bescheinigten Todes hervorzuheben ist, der sich nach der Obduktion als nichtnatürlicher Tod infolge einer Medikamentenintoxikation (Tilidin und Amitriptylin) herausstellte. In diesem Fall konnten im Rahmen der Leichenschau nicht alle notwendigen Details zur Vorgeschichte erlangt werden, die, bei Kenntnis, zu der Einschätzung zumindest einer ungeklärten Todesart geführt hätten. Konkret war im vorliegenden Fall weder die Hausärztin erreichbar, die der Mann am Vortag – wie nachträglich bekannt wurde – konsultiert hatte, noch lagen offensichtliche Hinweise auf Medikamente in der Wohnung vor. Es fanden sich lediglich Angaben zu Vorerkrankungen bzw. Symptomen (Bluthochdruck, Dyspnoe) in Form von Arztbriefen. Durch eine Angehörige, die sich am Folgetag bei der Polizei meldete, weil sie einen Behandlungsfehler der Hausärztin vermutete, gelangte der Leichnam schließlich zur Obduktion.

Als Limitation dieser Studie ist insbesondere der geringe Prozentsatz von Obduktionen in dem Kollektiv der bei Leichenschau als natürlich klassifizierten Todesart anzuführen, was selbstverständlich darin begründet liegt, dass im Falle eines natürlichen Todes die Polizei in der Regel keine Kenntnis von dem Sterbefall erlangt und entsprechend kein staatsanwaltschaftlicher Auftrag zur Obduktion erfolgen kann. Des Weiteren konnten bei den Leichenschauen des ÄBD aufgrund unvollständig vorliegender Daten nur 78,7 % der Fälle hinsichtlich stattgehabter Sektion ausgewertet werden. Die Sektionsrate von 21,4 % (nach der Leichenschau durch die Rechtsmedizin) bzw. 16,5 % (nach der Leichenschau durch den ÄBD) war zu niedrig, um allgemeingültige Aussagen, beispielsweise zur Qualität der Leichenschau, zu erlauben.

Fazit für die Praxis

Die erhebliche Anzahl an Spezifizierung bzw. die Korrekturen der Klassifikation der Todesart nach Durchführung einer inneren Leichenschau unterstreicht deren Bedeutung im Bemühen um eine Verbesserung der Todesursachendiagnostik und Erhöhung der Rechtssicherheit. Insbesondere Todesfälle mit fortgeschrittenen Leichenveränderungen und solche mit todesursächlichen Intoxikationen stellen den Leichenschauer vor große Probleme bei der korrekten Klassifikation der Todesart (und -ursache). Fehlklassifikationen können insbesondere in diesen Fällen nur durch eine Erhöhung der Sektionsquote minimiert werden. Und hierfür spielt die Klassifikation der Todesart im Sinne einer Weichenstellerfunktion eine entscheidende Rolle.