Zusammenfassung
Die Qualität der ärztlichen Leichenschau in Deutschland ist ein seit Jahren bekanntes Problem, ohne dass es zu wesentlichen strukturellen Veränderungen gekommen ist. Lediglich in Bremen und Frankfurt am Main gibt es erste Ansätze, das Leichenschauwesen umzugestalten, um die Qualität der Leichenschau zu erhöhen. Unabhängig davon zeigen alle Untersuchungen, dass eine Übereinstimmung zwischen Leichenschau- und Sektionsdiagnose häufig nicht gegeben ist. Ziel dieser Arbeit war u. a. die Untersuchung der Übereinstimmungsrate zwischen Leichenschau- und Sektionsdiagnose bei fraglich iatrogenen Todesfällen im Krankenhaus. Aufgenommen in die Studie wurden nur Todesfälle in Krankenhäusern des Einzugsgebietes des Institutes für Rechtsmedizin in Kiel, die sich nach oder bei einer medizinischen Maßnahme ereignet haben. Insgesamt flossen 148 Fälle aus den Jahren 2009 bis 2014 in die Untersuchung ein.
Es zeigte sich, dass in etwa einem Drittel der Fälle die todesursächliche Komplikation prämortal nicht erkannt wurde. Blutungskomplikationen waren die häufigsten Komplikationen, die von den behandelnden Ärzten nicht erkannt wurden. Insgesamt fand sich eine Übereinstimmung zwischen Leichenschau- und Sektionsdiagnose von 61,5 %.
Nach wie vor ist bei fraglich iatrogenen Todesfällen die autoptische Sicherung der Todesursache zwingend geboten, auch vor dem Hintergrund eventueller rechtlicher Auseinandersetzungen.
Abstract
Issues of external examination of corpses have been discussed in Germany for many years, but structural changes are yet to be initiated. Only in Bremen und Frankfurt on the Main first steps have been taken to improve the quality of the external examination of corpses. Differences between external examination of a corpse and the following autopsy were detected in important studies. The aim of our study was to determine the amount of differences between an external examination of a corpse and the results of the autopsy in iatrogenic fatalities. Included in our study were only questionable iatrogenic fatalities of the catchment area of the Institute of Legal Medicine of Kiel University. In all, 148 cases from the years 2009–2014 were entered into the study. In 1/3 of our cases, a complication of a medical treatment leading to death was not detected by clinical doctors. Bleedings were the most undetected complication. Overall, the result of the external examination of a corpse matched the autopsy in 61,5% of the cases. Therefore, in questionable iatrogenic fatalities an autopsy is strongly recommended, especially in cases involving a legal dispute.
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Preuß-Wössner, J., Spieß, J., Meißner, C. et al. Die Qualität der ärztlichen Leichenschau bei fraglich iatrogenen Todesfällen in Krankenhäusern im Einzugsgebiet des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Kiel. Rechtsmedizin 28, 389–397 (2018). https://doi.org/10.1007/s00194-018-0250-x
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