In der Bundesrepublik Deutschland vollzieht sich ein stetiger demografischer Wandel mit einer Alterung der Gesellschaft. Aufgrund steigender Lebenserwartung bei gleichzeitig sinkenden Geburtenzahlen befindet sich die Bevölkerung in einem Alterungsprozess. Gemäß Vorausberechnungen der statistischen Ämter würde 2030 die Altersgruppe der ≥ 60-Jährigen 37 % der deutschen Bevölkerung ausmachen, 2050 sogar 40 % – in 2009 lag dieser Anteil noch bei 25 % [34]

Hintergrund und Fragestellung

Der Bevölkerungsanteil mit fortschreitendem Alter ≥ 65 Jahren ist u. a. gekennzeichnet durch höhere Raten an Gebrechlichkeit, Schwäche und Multimorbidität. Ein einfacher Sturz kann bei dieser Altersgruppe beispielsweise schwerwiegende bis tödliche Folgen nach sich ziehen. Im Jahr 2015 sind laut der Todesursachenstatistik in Deutschland 23.118 der 65-Jährigen und Älteren eines nichtnatürlichen Todes verstorben, was 63 % aller nichtnatürlichen Todesfälle ausmachte. Des Weiteren war mehr als jeder dritte Suizident mindestens 65 Jahre oder älter [35]. Angesichts der aktuellen Coronapandemie und eingeführter Isolationsmaßnahmen ist ein Anstieg der Suizide zu befürchten [25]. Der nichtnatürliche Tod, bestehend aus Unfällen, Suiziden, Todesfällen im Zusammenhang mit medizinischen Interventionen und Tötungsdelikten, ist im höheren Lebensalter ein ernst zu nehmendes Thema. Laut Studienlage wird aber ein ungeklärter Tod mit steigendem Lebensalter seltener auf dem Leichenschauschein attestiert [16]. Hauptanlass von Obduktionen von verstorbenen Älteren ist der Vorwurf von ärztlichem oder pflegerischem Fehlverhalten (52,6 %) [16]. Noch häufiger gilt dies bei Verstorbenen in Altenheimen, wo ein Prozentsatz von 74,5 angegeben wird [15].

Ziel dieser Arbeit ist die Analyse der nichtnatürlichen Todesfälle (Unfälle, Suizide, Todesfälle im Zusammenhang mit medizinischen Interventionen und Tötungen) der 65-Jährigen und Älteren im Vergleich zweier unterschiedlicher Zeiträume.

Material und Methoden

In dieser retrospektiven Mortalitätsstudie wurde das Obduktionsgut des Institutes für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums der Goethe-Universität in Frankfurt am Main für die Jahre 2000–2002 (Zeitraum I) und für 2013–2015 (Zeitraum II) untersucht. Ein Votum der zuständigen Ethikkommission lag vor Studienbeginn vor (Ethikkommission des Fachbereichs Medizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Nr. 116/14). Als Einschlusskriterien galten das Erreichen eines Mindestalters von 65 Jahren, eine nichtnatürliche Todesart und das Vorliegen eines Obduktionsprotokolls zu diesem Fall. Gezielt für die Analyse der suizidal Verstorbenen wurden zudem Daten nichtobduzierter, äußerlich besichtigter Selbsttötungen (n = 100) aufgenommen, um eine bessere Vergleichbarkeit mit anderen internationalen rechtsmedizinischen Studien zu ermöglichen und Unterschiede zu den obduzierten Fällen herauszuarbeiten. Informationen wurden aus den Obduktionsprotokollen sowie den in den Sektionsakten enthaltenen Informationen (z. B. Todesbescheinigungen, partielle Angaben aus den Ermittlungsakten, Krankenhausunterlagen etc.) gewonnen – sofern diese in den Akten des Instituts enthalten waren – und mit Microsoft Excel (Microsoft Corporation, Redmond, WA, USA) gelistet. Die Datenerfassung erfolgte pseudonymisiert.

Folgende Parameter wurden erhoben: Alter, Geschlecht, Familienstand, Wohnort, Sterbeort, Body-Mass-Index (BMI), Todesart gemäß Leichenschauschein, Todesart gemäß Obduktion, Unfallart, Blutalkoholkonzentration (BAK), suizidspezifische Parameter (Suizidart und -motiv, Vorliegen eines Abschiedsbriefs, Abschiedsbriefthematik, Suizidversuche und/oder Ankündigungen in der Vorgeschichte) und spezifische Parameter zu den Todesfällen im Zusammenhang mit medizinischen Interventionen (Obduktionsveranlasser, empfohlene weitere Veranlassungen) und zu den Tötungen (angewandte Gewaltform, Tötungsmotiv, Täter, Täterverbindung zum Opfer, Verhalten des Täters nach der Tat). Für das Studienkollektiv wurde eine Einteilung in 4 Altersklassen für jeweils 10 Jahre vorgenommen. Die Altersklasse eins beinhaltet Verstorbene mit einem Alter von 65 bis 74 Jahren, die Klasse zwei von 75 bis 84 Jahren, die Klasse drei von 85 bis 94 Jahren und die Klasse vier die 95 Jährigen und Älteren. Die Einteilung des BMI erfolgte gemäß der Einteilung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) [5]. Demnach wird ein BMI < 18,5 kg/m2 als Untergewicht, von 18,5 bis unter 25,0 kg/m2 als Normalgewicht, von 25,0 bis unter 30,0 kg/m2 als Präadipositas und ab 30,0 kg/m2 als Adipositas gewertet.

Zur Überprüfung der statistischen Signifikanz wurde der Chi-Quadrat-Test (Vierfelder bzw. Kontingenztafel) unter Zuhilfenahme des Programmes BiAS. (Biometrische Analyse von Stichproben) [1] verwendet, wobei p-Werte < 0,05 als signifikant gewertet wurden. Das Studienkonzept besteht in einer explorativen-deskriptiven Analyse, sodass bei der Auswertung keine multiplen Tests (Bonferroni, Bonferroni-Holm) berücksichtigt wurden. Dies erfolgte in der Absicht, keine evtl. vorhandenen Unterschiede zu übersehen. Aufgrund des explorativen Designs konnte keine Fallzahlberechnung erfolgen. In diesem Sinn werden die errechneten p-Werte im deskriptiven Sinn verwendet.

Ergebnisse

In den beiden Untersuchungszeiträumen wurden 1206 Obduktionen (Zeitraum I n = 670; Zeitraum II n = 536) erfasst. Davon wiesen 669 eine natürliche (55,5 %) und 404 eine nichtnatürliche (33,5 %) Todesart auf. In 39 Fällen (3,2 %) resultierte eine Kombination, d. h., bei konkurrierenden Todesursachen lag eine nichtnatürliche Todesart auf der einen und eine natürliche Todesart auf der anderen Seite vor. Die Todesart konnte in 94 Fällen (7,8 %) nicht geklärt werden.

Während sich die Studie von Wach et al. mit den natürlichen Todesfällen befasst [41], wurden in dieser Studie 404 nichtnatürliche Todesfälle in die Analyse einbezogen, davon stammten 199 aus Zeitraum I, 205 aus Zeitraum II und machten jeweils 29,7 % und 38,3 % der Obduktionen aus. Es ergab sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Zeiträumen I und II und der Todesart nichtnatürlich unter Ausschluss der nichtgeklärten Todesfälle (p < 0,001).

Es fand eine Unterteilung der nichtnatürlichen Todesfälle in Untergruppen statt, die in Tab. 1 dargestellt werden. Zwischen den beiden Zeiträumen und den Untergruppen besteht ein signifikanter Zusammenhang (p < 0,001).

Tab. 1 Übersicht der Fallzahlen nichtnatürlicher Todesfälle im Obduktionsgut

Zudem wurden 100 Berichte rein äußerlich besichtigter Fälle erfasst, welche allerdings nur im Kontext mit den Suiziden mitanalysiert wurden.

Angaben zu Alter, Geschlecht und BMI werden in Tab. 2 dargestellt. Der Männeranteil überwiegt insgesamt gegenüber den Frauen und wächst nicht signifikant von Zeitraum I zu Zeitraum II an, während der Frauenanteil von Zeitraum I zu Zeitraum II nicht signifikant abnimmt.

Tab. 2 Vergleich der BMI-, Alters- und Geschlechterverteilung (gesamt (Zeitraum I/Zeitraum II)). 20 Fälle („unklare“ und „sonstige“) sind nur in der Spalte der nichtnatürlichen Todesfälle berücksichtigt

Unfälle

Die genaue Unterteilung der 221 Unfallopfer mit Angaben zur Aufteilung in die Zeiträume, Altersdurchschnitt und Geschlechterverteilung wird in Tab. 3 präsentiert. Verkehrsunfälle und Stürze bildeten die größten Subgruppen. Alle Subgruppen weisen keine signifikanten Veränderungen der Häufigkeitsverteilung im Vergleich der Untersuchungszeiträume auf.

Tab. 3 Übersicht der Unfälle (n (%))

Unter den Verkehrsunfällen wurde unterschieden, ob der Betreffende als Passant (n = 55; 64,7 %), Kfz-Fahrer (n = 15; 17,6 %), Kfz-Beifahrer (n = 8; 9,4 %) oder Fahrradfahrer (n = 7; 8,2 %) beteiligt war. Auffällig war, dass die Kfz-Fahrer ausschließlich männlich waren, es unter den 8 Beifahrern lediglich einen Mann und unter 7 Fahrradfahrern wiederum nur eine Frau gab. Passanten waren zu etwa gleichen Anteilen männlich (n = 28) und weiblich (n = 27). Es ergeben sich unter den Unfällen geschlechtsspezifische signifikante Unterschiede bezüglich der Kriterien Kfz-Fahrer (p = 0,002) und Beifahrer (p = 0,023). Hinsichtlich des BMI und des Alters zeigten sich keine signifikanten Auffälligkeiten.

Bei den Stürzen wurde unterschieden, ob sich diese zu Hause oder in der Öffentlichkeit ereigneten. Der Großteil der Sturzereignisse passierte zu Hause (n = 63; 75,9 %). Männer stürzten häufiger (n = 48; 57,8 %), verglichen mit den Frauen (n = 35; 42,2 %). In 17 Fällen wurde die BAK bestimmt. Davon betrug die BAK in 9 Fällen max. 0,01 ‰, in 4 Fällen zwischen 0,01 und 0,5 ‰ und in den restlichen 4 Fällen über 0,5 ‰. Hinsichtlich des BMI und des Alters zeigten sich keine signifikanten Auffälligkeiten.

Suizide

Von den insgesamt 182 Suiziden wurden 82 obduziert (45,1 %). Die Obduktionsrate in den einzelnen Zeiträumen nahm von 52,4 % auf 35,1 % signifikant ab (p = 0,030) (Tab. 4).

Tab. 4 Obduzierte vs. nichtobduzierte Suizidfälle (n (%)), wobei I für Zeitraum I und II für den Zeitraum II stehen

Obduzierte Suizide

Auf den gesamten Zeitraum betrachtet, waren die häufigsten Suizidarten Erschießen, Erhängen und Ertrinken. Diese Verteilung variierte jedoch in den einzelnen Zeiträumen (Tab. 4).

In 24 Fällen (29,3 %) wurde ein Abschiedsbrief bzw. eine -notiz gefunden. In 5 Fällen konnten keine weiteren Informationen bezüglich des Inhalts in den Akten gefunden werden. In den restlichen 19 Fällen ergaben sich am häufigsten Ausführungen zum Motiv (n = 13), zur Hinterlassenschaft (n = 4) und zur Bestattung (n = 4).

Großteils konnten die Motive aus der Aktenlage nicht eruiert werden (n = 57; 69,5 %); in den restlichen Fällen wurden in Abschiedsbriefen oder Fremdanamnesen am häufigsten gesundheitliche Probleme als Motiv genannt (n = 14).

In 11 Fällen (13,4 %) waren Suizidversuche in der Vorgeschichte der Suizidenten bekannt; in 27 Fällen (32,9 %) gab es Vorzeichen in Form von verbalen Ankündigungen der suizidalen Tat. Insgesamt gab es – in Form von Versuchen und/oder verbalen Äußerungen – in 36 Fällen (43,9 %) Vorzeichen für den Suizid. Dabei konnten keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede festgestellt werden.

Verglichen mit den restlichen nichtnatürlichen Todesfällen war der BMI-Mittelwert niedriger. Es bestand ein signifikanter Zusammenhang, ob der BMI der Suizidenten bei < 25 kg/m2 oder ≥ 25 kg/m2 lag (p = 0,001) (Tab. 2).

Hinzu kommt, dass es insgesamt 5 erweiterte Suizide (Zeitraum I n = 4; Zeitraum II n = 1) gab, bei denen der Täter > 65 Jahre alt war. Die Täter wurden alle obduziert und lebten mit ihren weiblichen Opfern in einer (Ehe) Partnerschaft. Einmal tötete der Täter zusätzlich sein Kind.

Nichtobduzierte Suizide

Auf den gesamten Zeitraum bezogen, waren die häufigsten Suizidarten in dieser Gruppe Erhängen, Sprung aus großer Höhe und Vergiften. Innerhalb der Zeiträume I und II finden sich deutliche Abweichungen von dieser Häufigkeitsverteilung (Tab. 4).

Es ereigneten sich 8 Todesfälle (Zeitraum I n = 2; Zeitraum II n = 6) im Rahmen von 4 Doppelsuiziden, welche allesamt nur besichtigt worden waren. Nur besichtigt wurden auch alle Schienensuizide.

Vergleich obduzierte und nichtobduzierte Suizide

Stellte man die obduzierten den nichtobduzierten Suiziden mit Berücksichtigung der beiden verschiedenen Zeiträume gegenüber, so ergaben sich einige Unterschiede (Tab. 4). Signifikante Unterschiede wurden bezüglich folgender Kriterien gefunden: Suizidart Erhängen, Vorhandensein eines Abschiedsbriefs, Altersgruppe 65 bis 74 Jahre, Familienstand geschieden oder getrennt lebend, Todesort zu Hause und Wohnort Frankfurt.

Todesfälle im Zusammenhang mit medizinischen Interventionen

In 40 Fällen handelte es sich um gerichtlich angeordnete Obduktionen. Es lag nur ein Fall einer Privatsektion vor. Auf dem Leichenschauschein wurde in 16 Fällen eine nichtnatürliche, in 14 Fällen eine ungeklärte und in 6 Fällen eine natürliche Todesart bescheinigt. In 5 Fällen wurde diesbezüglich keine Angabe auf dem Leichenschauschein vermerkt. Die Todesursachen gemäß Obduktionsprotokoll werden in Abb. 1 präsentiert. Nach den vorläufigen Gutachten zu den Obduktionen wurde zunächst kein Fall eines ärztlichen Behandlungsfehlers vorläufig bestätigt. Jedoch wurde zur weiteren Beurteilung in 28 Fällen (68,3 %) empfohlen, Krankenunterlagen der Patienten (z. B. zur Überprüfung der Indikationsstellung, der erfolgten Aufklärung und des Klinikverlaufs) einzuholen. In 19 dieser Fälle wurde zudem eine Beurteilung durch ein externes fachärztliches Gutachten und in 8 Fällen eine mikrobiologische und/oder feingewebliche Untersuchung angeraten. In einem der 41 Fälle ist nur eine feingewebliche Untersuchung empfohlen worden. Bezüglich der weiteren Verlaufsentwicklung sind, bis auf einen Fall, in den analysierten Akten keine weiteren Informationen enthalten gewesen. In diesem konkreten Fall wurde das Gerichtsverfahren eingestellt.

Abb. 1
figure 1

Todesursachen der Todesfälle im Zusammenhang mit medizinischen Interventionen gemäß Obduktionsprotokoll

Es besteht eine signifikante Häufung des weiblichen Geschlechts, verglichen mit den restlichen nichtnatürlichen Todesfällen. Der BMI-Mittelwert ist auffallend hoch. Die Verteilung der BMI-Intervalle ist im Vergleich zu den restlichen nichtnatürlich Verstorbenen signifikant. Hinsichtlich des Alters zeigten sich keine signifikanten Auffälligkeiten (Tab. 2). Der Todesort war fast ausschließlich ein Krankenhaus (n = 39; 95,1 %).

Tötungen

Für beide Untersuchungszeiträume wurden insgesamt 40 Tötungsdelikte analysiert. Sie bilden mit 9,9 % einen kleinen Anteil aller nichtnatürlich Verstorbenen (Tab. 1).

Unter den Opfern fanden sich 24 Frauen (60,0 %) (Zeitraum I n = 16; 69,6 %; Zeitraum II n = 8; 47,1 %) und 16 Männer (40,0 %) (Zeitraum I n = 7; 30,4 %; Zeitraum II n = 9; 52,9 %). Der Altersmittelwert betrug unter den Frauen 77,4 Jahre, unter den Männer 74,2 Jahre, der Altersmedianwert unter den Frauen 75 Jahre, unter den Männer 73 Jahre.

In 13 Fällen (32,5 %) erfuhr das Opfer Gewalt gegen den Hals, in 14 Fällen (35,0 %) stumpfe und in 8 Fällen (20,0 %) scharfe Gewalt jeweils einzeln oder in Kombination miteinander. In 3 Fällen (7,5 %) wurde das Opfer erschossen. In 3 Fällen (7,5 %) verstarb das Opfer infolge eines Pflegemangels.

30 Opfer (75,0 %) verstarben zu Hause. 31 Opfer (77,5 %) starben unmittelbar nach der Gewalttat.

In 10 Fällen (25,0 %) waren der Täter- bzw. die Täterin zum Zeitpunkt der Obduktion unbekannt. Ansonsten waren in 11 Fällen (27,5 %) der (Ehe)Partner, in 6 Fällen (15,0 %) das Kind oder Enkelkind, in 5 Fällen (12,5 %) ein Fremder und in 6 Fällen (15,0 %) ein dem Opfer sonstiger Bekannter die Täter. In 2 Fällen (5,0 %) trat der Tod im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz auf.

Im Zeitraum I waren unter den in den Akten der Polizei bekannten Tätern nur 31,3 % (n = 5) entweder (Ehe)Partner, Kind oder Enkel und somit „familienzugehörig“, während im Zeitraum II 85,7 % (n = 12) dieser Gruppe angehörten. Es ergab sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Zeiträumen und der Familienzugehörigkeit des Täters (p = 0,008), dem Motiv Ehe- bzw. Familienstreit (Zeitraum I n = 2; Zeitraum II n = 6; p = 0,015) und auch dem Aspekt, ob der Täter nach der Tat geflüchtet ist (Zeitraum I n = 10; Zeitraum II n = 3; p = 0,033). Das häufigste Motiv war eine Bereicherungsabsicht (n = 9), welche nicht signifikant von Zeitraum I (n = 8) auf Zeitraum II (n = 1) abnahm.

Im Rahmen des erweiterten Suizids („homicide-suicide“) gab es 7 Opfer, von denen nur 4 (Zeitraum I n = 2; Zeitraum II n = 2) in die Studie miteinbezogen wurden, da die restlichen Opfer jünger als 65 Jahre alt waren.

Leichenschauscheine versus Obduktionsergebnis

Bei einem Vergleich der 404 Fälle, die in der Obduktion als nichtnatürlich gewertet wurden, mit dem ursprünglichen Leichenschauschein wurde am häufigsten ein nichtnatürlicher Tod (n = 178; 44,1 %; Zeitraum I n = 79; 39,7 %; Zeitraum II n = 99; 48,3 %) bescheinigt. In absteigender Reihenfolge wurde der Tod als ungeklärt (n = 101; 25,0 %; Zeitraum I n = 47; 23,6 %; Zeitraum II n = 54; 26,3 %), mit unzulässiger Doppelankreuzung als sowohl ungeklärt als auch nichtnatürlich (n = 26; 6,4 %; Zeitraum I n = 23; 11,6 %; Zeitraum II n = 3; 1,5 %) und am seltensten als natürlich (n = 9; 2,2 %; Zeitraum I n = 1; 0,5 %; Zeitraum II n = 8; 3,9 %) angegeben. In einigen Fällen waren keine Angaben auf dem Leichenschauschein vermerkt worden, oder dieser fehlte in der zugehörigen Akte (n = 90; 22,3 %; Zeitraum I n = 49; 24,6 %; Zeitraum II n = 41; 20,0 %).

Diskussion

Der Alterungsprozess der Bevölkerung spiegelt sich in der Zunahme des Altersdurchschnittes wider (Tab. 2).

Bei den nichtnatürlichen Todesfällen spielen wie im internationalen Vergleich Unfälle, Suizide und Tötungen die größte Rolle [2, 10, 11, 20, 39].

Unfälle

Bedingt durch die Abnahme kognitiver, motorischer und visueller Fähigkeiten kommt es im Alter verstärkt zu Unfällen, die in Verknüpfung mit der Multimorbidität nicht selten letal enden. Im Frankfurter Obduktionsgut war eine nichtsignifikante geringe Fallzahlzunahme zu verzeichnen. In vergleichbaren Studien stehen Verkehrsunfälle und Stürze im Ranking an den obersten Plätzen [11, 38, 39].

Die Mehrheit der im Straßenverkehr tödlich Verunglückten war dabei als Passanten unterwegs [11, 39]. Gemäß dem Statistischen Bundesamt waren bundesweit 2014 knapp unter und 2017 knapp über die Hälfte der als Fußgänger in Verkehrsunfällen Verstorbenen mindestens 65 Jahre alt [33, 36]. Zudem stieg gemäß Inoue et al. der relative Anteil der Generation 65+ an Verkehrstodesfällen in Deutschland, Frankreich und Japan [18].

In der Studie von Bux et al., die sich mit tödlich endenden Treppenstürzen, alle Altersklassen betreffend, befasste, konnte in 53,3 % der Fälle ein Einfluss von Alkohol nachgewiesen werden, wobei davon nicht ein Sturzopfer älter als 80 Jahre alt war [8]. Einschränkend sollte erwähnt werden, dass in der vorliegenden Studie mindestens 61 % der Sturzopfer frühestens 24 h nach dem Sturzereignis verstarben und somit der Alkoholwert während des Unfallgeschehens nicht mehr ermittelt werden konnte.

Suizide

Im Rahmen einer britischen Studie wurde in den Jahren 1979–2002 für beide Geschlechter eine Abnahme der Alterssuizide eruiert [29], jedoch trifft dies nicht auf die deutschlandweiten Suizidzahlen der Generation 65+ des Statistischen Bundesamtes zu [32]. Dort zeigt sich eine stetige Zunahme der absoluten Zahlen für die in dieser Arbeit untersuchten Jahre der Zeiträume I und II [32]. Dennoch wurde in der vorliegenden Studie ein signifikanter Rückgang der Obduktionen eingegangener Suizide festgestellt. Mit Ausnahme von 2001 war innerhalb der einzelnen Jahre ein stetiger Rückgang der absoluten Suizidzahl zu verzeichnen. Darüber hinaus wurde ein allgemeiner Rückgang der gesamten Obduktionszahlen in Frankfurt von 1995–2014 beobachtet [21].

In fast ausnahmslos allen Studien im internationalen Raum suizidieren sich mehrheitlich Männer [4, 11, 22, 26, 29, 30, 40]. Dies passt zu dem eruierten signifikanten Zusammenhang zwischen Geschlecht und Zugehörigkeit zur Suizidgruppe in dieser Studie.

In einigen europäischen Studien kristallisieren sich als gebräuchlichste Suizidart Erhängen und Vergiften heraus [11, 22, 26]. Unter Einbezug aller Suizide, über den gesamten Zeitraum betrachtet, zeigt sich auch in dieser Studie Erhängen als meist ausgewählte Suizidart. Betrachtet man jedoch die Zeiträume I und II für sich, so stellt sich heraus, dass „Erschießen“ im Zeitraum II zur am häufigsten angewandten Art wurde, was eher unüblich im europäischen Raum ist und besonders in Amerika als favorisiert gilt [4, 30]. Eine geschlechtsspezifische Betrachtung dieses Aspektes ergab, dass unter den weiblichen Suizidenten nur n = 4 (6,3 %), aber unter den männlichen Suizidenten n = 27 (22,9 %) zur Waffe griffen. Eine Berliner Studie zu Schusstodesfällen zeigte, dass der männliche Anteil der Opfer 90 % betrug und unter diesen großteils Suizid begangen worden war, während bei den weiblichen Opfern v. a. Fremdtötungsabsichten dahintersteckten [7]. Die männliche Häufung bei den Erhängten und Erschossenen stimmt auch mit einer norwegischen Studie überein [11]. Im Gegensatz dazu vergiftete sich in der vorliegenden Studie fast ein Drittel der Frauen, und knapp über ein Fünftel sprangen aus großer Höhe in den Tod, was von den Männern seltener als Suizidart gewählt wurde.

Das geringere Vorkommen übergewichtiger Suizidenten im Obduktionsgut im Vergleich zu den restlichen nichtnatürlichen Fällen deckt sich mit einer schwedischen Arbeit [42] und der Frankfurter Studie von Flaig et al. [13]. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Klinitzke et al. in einem Review über Fettleibigkeit und Suizid [19].

Als Ort für die Durchführung des Suizids wird großteils der eigene Haushalt gewählt [4, 26, 30].

Das Auffinden von Abschiedsbriefen bzw. -notizen beläuft sich zwischen 23 % [4] und 38 % [26], wobei in der vorliegenden Studie eine signifikante Häufung beim weiblichen Geschlecht gefunden wurde (p = 0,038).

Eine weitere signifikante Häufung von aufgefundenen Abschiedsbriefen besteht unter den nichtobduzierten verglichen mit den obduzierten Suiziden unter Berücksichtigung der Zeiträume I und II. Gemäß einer dänischen Studie begünstigen neben dem Vorliegen eines Abschiedsbriefs folgende Faktoren, dass eine Obduktion bei Suiziden nicht durchgeführt wird: ein Alter > 50 Jahre, eine Vorgeschichte psychischer Vorerkrankungen, die Todesursachen Erhängen bzw. Strangulieren oder Ersticken, Ertrinken, Selbstverletzung durch scharfe Gewalt und Sprung aus großer Höhe [6]. Dies könnte möglicherweise bedeuten, dass bei Vorliegen eines Abschiedsbriefs und abhängig von der Suizidart vonseiten der Ermittlungsbehörden eher auf die Durchführung einer Obduktion verzichtet wird.

Im Rahmen des aktuellen Modelprojekts Frankfurter Projekt zur Prävention von Suiziden mittels Evidenz-basierter Maßnahmen (FraPPe) wird u. a. in Kooperation mit der Frankfurter Rechtsmedizin derzeit an der Reduktion von Suizidfällen gearbeitet [14].

Todesfälle im Zusammenhang mit medizinischen Interventionen

Zu den markantesten Ergebnissen dieser Studie zählt der signifikante Anstieg der Todesfälle, die im Zusammenhang mit medizinischen Maßnahmen stehen. Bereits in der multizentrischen Studie von Preuß et al. wurde in Deutschland im Zeitraum 1990–2000 eine Zunahme der Obduktionen festgestellt, die aufgrund eines Behandlungsfehlervorwurfs durchgeführt worden waren [23]. Ein weiterer Anstieg fand sich von 2001–2006 im Einzugsgebiet der rechtsmedizinischen Institute von Bonn und Düsseldorf [28]. Unter anderem wegen der Zunahme dieser Fälle wurde 2005 das Aktionsbündnis Patientensicherheit ins Leben gerufen [3], das das Bewusstsein für Patientenrechte und -sicherheit weiter stärken möchte. Eine Studie, die fraglich iatrogen bedingte Todesfälle unter Einbeziehung aller Altersgruppen im Kieler Raum untersuchte, ergab einen Altersdurchschnitt des Studienkollektivs von 70,6 Jahren [24]. Bei Preuß et al. betrug der Anteil der > 60-Jährigen am Fallkollektiv 52 % [23]. Dies zeigt, dass die Thematik iatrogener Todesfälle zu einem beachtlichen Teil das höhere Alter betrifft.

Tötungen

Mit 9,9 % des untersuchten Kollektivs bildet diese Gruppe den kleinsten Anteil der nichtnatürlichen Todesfälle. Es zeigte sich keine Tendenz der Zunahme solcher Fälle im zeitlichen Verlauf, wie beispielsweise auch im Bonner Raum von 1989–1998 verzeichnet werden konnte [27]. Dennoch sollte bedacht werden, dass Gewalt gegen ältere Personen im Alltag eine größere Rolle spielt, da hier ja nur solche mit tödlichem Ausgang berücksichtigt werden. Bei einer Befragung von Personen, welche die Pflege von Angehörigen durchführten, gestanden 40 %, mindestens eine Form von Gewalt gegen die zu pflegende Person angewandt zu haben, wobei 32 % psychische Gewalt und 12 % körperliche Gewalt zugaben [37].

Dagegen resultierten in weiteren deutschen Obduktionskollektiven beispielsweise nur ein Fall von tödlich endender Gewalt in der Pflege bei 60-Jährigen und Älteren [40] und in nur 2,6 % der Fälle pflegebedingte Verletzungen von untersuchten pflegebedürftigen Verstorbenen [17].

Auch weitere Ergebnisse dieser Rubrik deckten sich mit der Literatur. So geschieht die Tat in den meisten Fällen im eigenen Haushalt des Opfers [9, 10, 12, 27], und ein Großteil der identifizierten Täter stammt aus dem familiären oder sonstigen Umfeld des Getöteten [9, 10, 27, 40]. Dies trifft v. a. auf erweiterte Suizide („homicide-suicide“) zu, bei denen der Täter häufig der Ehe- oder Lebenspartner des meist weiblichen Opfers ist [31].

Als häufigstes Motiv gelten Bereicherungsabsichten [9, 10, 12, 27].

Leichenschauscheine versus Obduktionsergebnis

Die Untersuchung von Leichenschauscheinen auf Fehler ist ein immer wieder aktuelles Thema. So zeigte sich bei Zack et al. eine fast 90 %ige fehlerhafte Ausstellung der Todesbescheinigungen [43]. Germerott et al. fanden eine Zunahme von fehlerhaften Eintragungen mit Zunahme des Lebensalters [16]. In diesem Studienkollektiv wurde auf den Leichenschauscheinen die Todesart mindestens in 8,7 % der Fälle falsch attestiert, jedoch mit einer Verbesserungstendenz im zeitlichen Verlauf (Zeitraum I n = 24; 12,1 %; Zeitraum II n = 11; 5,4 %).

Limitationen

Bei dieser Studie handelt es sich um ein rechtsmedizinisches und somit durch Ermittlungsverfahren vorselektiertes Untersuchungskollektiv.

Aufgrund einer nur geringen Anzahl von BAK-Werten bei Stürzen ist eine generelle Aussage zu einer möglichen Alkoholassoziation mit dem Sturzereignis nur eingeschränkt möglich. Limitierend ist zudem anzuführen, dass Angaben bezüglich mancher Parameter eher sporadisch vorhanden waren. Beispielsweise blieben Suizidmotive in 63,7 % der Fälle unklar.

Bei den fraglichen Behandlungsfehlern wurden teilweise Krankenunterlagen, histologische Untersuchungen und/oder externe Fachgutachten etc. angefordert, die zu einer weitergehenden Interpretation hinsichtlich des iatrogenen Zusammenhangs führen können, die allerdings noch nicht Bestandteil des vorliegenden vorläufigen Obduktionsprotokolls waren. Zudem gilt zu berücksichtigen, dass im Strafrecht andere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit und Beweislast bei einem ärztlichen Behandlungsfehler gestellt werden als im Zivilrecht.

Bei den Tötungen fehlten häufig Angaben zum Täter.

Schlussfolgerung

Die gerontologische Rechtsmedizin in Frankfurt ist anteilsmäßig zunehmend vom nichtnatürlichen Tod geprägt. Es bestehen immer noch Defizite bei der Leichenschauscheinausstellung, aber im zeitlichen Vergleich hat sich bereits eine gewisse Verbesserung eingestellt. Der Verdacht auf ärztliches und/oder pflegerisches Fehlverhalten ist laut Studienlage ein häufiger Obduktionsanlass, richtet sich aber mehrheitlich gegen Ärzte [23]. Todesfälle durch Pflegevernachlässigung waren im Frankfurter Obduktionsgut selten, während die Todesfälle, die im Zusammenhang mit medizinischen Interventionen stehen, zunehmen.

Bei Suiziden werden heutzutage zunehmend weniger Obduktionen vonseiten der Ermittlungsbehörden veranlasst. Das Frankfurter Modelprojekt FraPPe [14] zeigt jedoch, dass die Suizidforschung auch von rechtsmedizinischen Aspekten profitiert, welche durch die Kooperation mit dem Frankfurter Institut für Rechtsmedizin erhoben werden können. Dies sollte u. a. Anlass dazu geben, die sinkenden Obduktionsraten der Suizide zu überdenken und bei Suiziden eine Obduktion anzustreben.

Fazit für die Praxis

  • Bei der Gewalt gegen ältere Menschen mit tödlichem Ausgang ist im Vergleich der beiden Untersuchungszeiträume kein Anstieg zu verzeichnen.

  • Todesfälle, die im Zusammenhang mit medizinischen Interventionen stehen, nehmen im gerontologischen Obduktionsgut zu und werden voraussichtlich künftig weiter an Bedeutung gewinnen, insbesondere wenn die geburtenstarken Jahrgänge das Alter 65+ erreichen.

  • Suizidfälle werden zunehmend nicht mehr obduziert, obwohl im Bundesdurchschnitt kein Rückgang für die Fallzahlen in den Untersuchungszeiträumen vorliegt. Begünstigt wird ein Verzicht auf eine Obduktion in den Fällen, wo ein Abschiedsbrief vorliegt.

  • Nach dieser Erhebung wird in fast 9 % der Fälle die Todesart auf Leichenschauscheinen falsch attestiert.