Knorpelverletzungen und deren Therapien sind heutzutage Bestandteil der orthopädischen Routineoperationen. Die Behandlungsmöglichkeiten von Knorpelläsionen sind vielzählig und reichen von konservativen über arthroskopische bis hin zu offen-chirurgischen Operationen. Zu den wichtigsten operativen Optionen zählen derzeit die Mikrofrakturierung (MFX), die osteochondrale autologe Knorpel-Knochen-Transplantation (OAT), die Transplantation osteochondraler Allografts (OCA) und die matrixinduzierte autologe Chondrozytentransplantation (MACT) [9].

Falldarstellung

Anamnese

Ein 17-jähriger Patient stellte sich in der Notaufnahme der letztlich zuweisenden Klinik mit einer penetrierenden Verletzung des rechten Kniegelenks vor. Im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung war es zu einer Messerstichverletzung im Bereich des lateralen distalen Oberschenkels gekommen.

Befund

Es zeigte sich eine etwa 2 cm große penetrierende Stichverletzung ventrolateral am rechten Knie. Eine Einschränkung des aktiven und passiven Bewegungsumfangs bestand nicht, der Bandapparat war stabil.

Das angefertigte Röntgenbild zeigte einen freien Gelenkkörper im Bereich der Eminentia intercondylaris (Abb. 1a). Die weiterführende Bildgebung mittels Magnetresonanztomographie (MRT) ergab eine Knorpelläsion der lateralen Femurkondyle und bestätigte einen freien Gelenkkörper (Abb. 1b).

Abb. 1
figure 1

a Röntgenbild Kniegelenk rechts a.-p- mit freiem Gelenkkörper im Bereich der Eminentia intercondylaris. b Magnetresonanztomographie (MRT) sagittal mit Knorpeldefektzone im ventralen Bereich der lateralen Femurkondyle

Therapie und Verlauf

Bei vorliegender Penetrationsverletzung des Kniegelenks wurde durch die Kollegen der letztlich zuweisenden Klinik die Indikation zur Arthroskopie mit Bergung des chondralen Flakes sowie Spülung gestellt. Intraoperativ zeigte sich ein Knorpeldefekt Grad IIIb nach ICRS-Klassifikation mit einer Größe von etwa 5 cm2. Das geborgene Knorpelflake war aufgrund der Messerstichverletzung fraglich kontaminiert und zeigte sich brüchig und dünn (Abb. 2). Postoperativ folgte eine 14-tägige Antibiotikatherapie mit Ampicillin/Sulbactam.

Abb. 2
figure 2

Geborgenes Knorpelflake aus dem Gelenk

Zur Planung und Durchführung der weiteren operativen Therapie im Sinne einer MACT wurde der Patient in unserer Abteilung vorstellig. Die Knorpelzellentnahme wurde 6 Wochen nach der primären Arthroskopie durchgeführt. Hier wurde ein Staphylococcus epidermidis im intraoperativen Abstrich der Gelenkflüssigkeit nachgewiesen. Nach Rücksprache mit dem zuständigen Labor, welches für die Knorpelzellzüchtung verantwortlich war, bestanden keine Bedenken bezüglich der gewonnenen Knorpelknochenzylinder zur Anzüchtung der autologen Chondrozyten. Es folgte eine erneute 14-tägige kalkulierte Antibiose mit Cefuroxim und anschließender Rearthroskopie, bei der kein Keim nachgewiesen werden konnte.

Die MACT erfolgte über eine laterale Mini-Arthrotomie letztendlich 4 Wochen später (Abb. 3). Auch hier zeigte sich sowohl im intraoperativen Abstrich als auch in den Gewebeproben kein Keimwachstum.

Abb. 3
figure 3

Arthrotomie Kniegelenk über lateral mit Darstellung der Defektzone

Follow-up

Es erfolgte eine 6‑wöchige Teilbelastung der rechten unteren Extremität mit 10 kg mit anschließender sukzessiver Aufbelastung. Hier war eine Flexion bis 90° gestattet; eine Orthesenversorgung war nicht indiziert. Nach 12 Wochen war die Vollbelastung wieder schmerzarm möglich. Einschränkungen der Beweglichkeit zeigten sich in der klinischen Untersuchung nicht.

Bei der Halbjahreskontrolle zeigte sich in der klinischen Untersuchung ein reizloses Kniegelenk ohne Schwellung oder Erguss. Die Beweglichkeit war sowohl passiv als auch aktiv im Seitenvergleich frei. Schmerzen wurden verneint. Der Patient konnte seine Lehre wiederaufnehmen. Sportliche Belastungen (Radfahren) waren wieder möglich, High-impact-Sportarten sind ein Jahr postoperativ gestattet. Die MRT-Verlaufskontrolle zeigte ein Chondrozytentransplantat der lateralen Femurkondyle mit ähnlichem Signalverhalten wie das umliegende Knorpelgewebe und im Niveau zum umliegenden Knorpel, vereinbar mit einem Einwachsen des Transplantats (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

a MRT-Kontrolle 6 Monate postoperativ sagittal. b Axiale Aufnahme: autologes Chondrozytentransplantat (ACT) im Niveau zum umliegenden Knorpel

Diskussion

Bei diesem Fall handelt sich um eine Messerstichverletzung des rechten Kniegelenks mit Schädigung des Gelenkknorpels. Penetrierende Kniegelenkverletzungen zählen zu den häufigsten offenen Gelenkverletzungen der unteren Extremität [7]. Hierunter sind Stichverletzungen mit 15 % am dritthäufigsten, Schussverletzungen mit 32 % und Verkehrsunfälle mit 17 % liegen an erster und zweiter Stelle [4].

Nach aktueller Studienlage hat sich die Arthroskopie zur Gelenkexploration und zum chirurgischen Débridement mit Spülung als Goldstandard etabliert [3, 7]. Ein wesentlicher Vorteil besteht in der Beurteilung der posterioren Gelenkkompartimente und Erkennung möglicher Begleitverletzungen sowie der Reduktion bakterieller Infekte und ihrer Langzeitfolgen [3, 7]. Die Arthroskopie als minimal-invasives Verfahren hat sich im Vergleich zu den offen-chirurgischen Therapien aufgrund der verkürzten Hospitalisationszeit, Minimierung der postoperativen Schwellung sowie Reduktion der Bewegungseinschränkung bewährt [7].

Die anschließende Behandlung der Knorpelläsion erfolgte nach aktueller Studienlage

Auch in diesem Fall wurden bei der ersten, zeitnahen Arthroskopie eine ausgiebige Spülung und ein chirurgisches Débridement durchgeführt. Anschließend wurde prophylaktisch eine antibiotische Therapie begonnen. In bisherigen Studien konnte gezeigt werden, dass mit einer arthroskopischen Spülung bei Kniegelenkinfekten mit anschließender Antibiotikatherapie eine vollständige Ausheilung erzielt werden kann. Über den Benefit einer routinemäßigen Rearthroskopie bei bestehendem Infekt wird kontrovers diskutiert [1].

Weiterhin konnte die Überlegenheit intravenöser gegenüber oraler Gabe der Antibiotika bei Gelenkverletzungen nicht gezeigt werden [5].

Retrospektiv muss in diesem Fall angemerkt werden, dass bei der primären Arthroskopie ein intraoperativer Abstrich hätte gewonnen werden müssen. Hätte sich hier bereits ein Keimnachweis ergeben, wäre eine kalkulierte antibiotische Therapie für mindestens 4 Wochen oder eine frühzeitige Rearthroskopie indiziert gewesen [1, 5].

Zum Zeitpunkt der geplanten Knorpelzellentnahme bestand klinisch kein Hinweis auf eine Gelenkinfektion.

Die anschließende Behandlung der Knorpelläsion erfolgte nach aktueller Studienlage und in Zusammenschau aller Befunde mittels MACT. Zu den wichtigsten operativen Optionen zählen die Mikrofrakturierung, die osteochondrale autologe Knorpel-Knochen-Transplantation, die Transplantation osteochondraler Allografts und die autologe Chondrozytentransplantation [9]. Das Ziel der jeweiligen Therapie ist der Aufbau von Faserknorpel. Zur Auswahl des Therapieverfahrens ist die Einsetzung epidemiologischer, klinischer und morphologischer Parameter notwendig. Bei vorliegendem Knorpelflake besteht zudem die Möglichkeit der Refixation [8].

Bezüglich der Einschätzung des Knorpeldefekts wird die ICRS-Klassifikation empfohlen.

In dem Fallbericht handelte es sich um einen jungen 17-jährigen sportlich aktiven Patienten mit isolierter Verletzung des femoralen Knorpels. Der Defekt wies eine Größe von etwa 5 cm2 und einer Defekttiefe von mehr als 50 % der Knorpelstärke auf; nach der ICRS-Klassifikation Stadium IIIb. Aufgrund der aktuellen Studienlage, welche bei Defekten > 4,5 cm2 einen Vorteil von der ACT gegenüber der MFX sieht, sowie der guten Resultate der ACT bei fokalen Knorpelläsionen an der Femurkondyle, wurde die MACT als Knorpelersatzverfahren gewählt [2, 6, 10]. Bei der Größe des Knorpelflakes sowie der vermeintlichen Kontamination wurde von einer operativen Refixation des Flakes abgesehen.

Bei der abschließenden Beurteilung des Falls wurde diskutiert, ob sich das durch den Messerstich abgetrennte Knorpelflake als Nährmaterial für die Anzüchtung von Knorpelzellen geeignet hätte. Aus Sicht der Autoren ist in diesem Fall aufgrund der potenziellen Kontamination sowie der brüchigen und dünnen Beschaffenheit des Flakes abzuraten. Zudem ist nicht sicherzustellen, ob bei einer derartigen traumatischen Verletzung eine ausreichende Anzahl an Chondrozyten zur Vermehrung aus dem Knorpelstück hätte gewonnen werden können.

Fazit für die Praxis

  • Penetrierende Messerstichverletzungen ins Gelenk sollten als infektiös angesehen und dementsprechend chirurgisch saniert werden.

  • Abgescherte Knorpelstücke sollte bei potenzieller Kontamination nicht refixiert werden; auch die Gewinnung von Knorpelzellen aus entsprechenden Flakes sollte nicht erfolgen.

  • Vor einer weiterführenden Knorpeltherapie nach einer penetrierenden Messerstichverletzung sollte Keimfreiheit vorliegen.