Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrages …

  • sind Ihnen sichere Anzeichen eines Protheseninfektes bekannt,

  • können Sie gängige Einteilungen beim Infekt benennen,

  • sind Sie in der Lage, diagnostische Maßnahmen beim Protheseninfekt festzulegen,

  • kennen Sie das häufige Erregerspektrum beim Protheseninfekt,

  • sind Ihnen die Therapieprinzipien hinsichtlich antibiotischer Therapie geläufig,

  • wissen Sie um die Empfehlungen und Prinzipien der chirurgischen Therapie.

Epidemiologie und Ätiologie

Protheseninfektionen stellen eine der verheerendsten Komplikationen für den Patienten und eine der größten Herausforderungen für den behandelnden Arzt und das betreuende Team dar. Die Lebensqualität der Patienten wird durch verlängerte Krankenhausaufenthalte, zusätzliche Operationen und wochenlange antibiotische Therapien maßgeblich beeinträchtigt [1].

Die Einführung des Lamina-Air-Flow und die perioperative Antibiotikaprophylaxe führten bereits zu einer deutlichen Verringerung der Inzidenz von Protheseninfektionen [2, 3]. Die Inzidenz von Gelenkinfektion nach primärem Gelenkersatz beträgt ca. 1 % für die Hüfte, ca. 2 % für die Schulter, über 2 % für das Knie und bis zu 9 % bei endoprothetischem Ersatz von Sprung- und Ellenbogengelenk [4, 5, 6, 7].

Bei Prothesenrevisionsoperationen zeigt sich sogar eine deutlich höhere Infektionsrate von 5–15 % [8, 9]. Darüber hinaus sind diese Infektionen mit erheblichen Kosten assoziiert. Die Behandlung eines Patienten mit einer infizierten Endoprothese kostet im Durchschnitt mehr als $ 50.000 pro Episode [6, 10].

Hüft- und Knierevisionen werden zwischen 2005 und 2030 hochgerechnet um 137 % bzw. 601 % wachsen [8].

Die Endoprotheseninfektion ist so alt wie die Endoprothetik selbst, jedoch gibt es nach wie vor weder einen internationalen Konsens über die Diagnostik noch über die beste Therapie [11]. Bei Beschwerden nach Totalendoprothesen (TEP)-Implantation ist so lange eine Infektion als Ursache anzunehmen, bis diese ausgeschlossen werden kann. Somit stellen die Protheseninfektionen in der Orthopädie auch in unserer Zeit eine große medizinische Herausforderung dar, die unter Berücksichtigung epidemiologischer, diagnostischer, therapeutischer und ökonomischer Aspekte ein interdisziplinäres diagnostisches und therapeutisches Vorgehen verlangt. Ein interdisziplinäres Behandlungsteam sollte neben chirurgisch erfahrenen Orthopäden und mit Fremdkörperinfektionen bewanderten Infektiologen auch Radiologen und Nuklearmediziner umfassen, um ein gezieltes und standardisiertes Vorgehen sicherzustellen.

Um ein standardisiertes diagnostisches und therapeutisches Vorgehen bei Patienten mit Protheseninfektionen empfehlen zu können, wurde im Jahr 2008 ein interdisziplinäres Expertenmeeting in Wien abgehalten, bei dem nach gründlicher Literaturrecherche in den einzelnen Disziplinen (Orthopädie, Infektiologie, Nuklearmedizin und Radiologie) und anhand von Erfahrungswerten versucht wurde, eine Konsensusarbeit zu erstellen.

In diesem Beitrag werden einige der diagnostischen und therapeutischen Übereinkommen dieses Meetings, die sich auf Literaturrecherchen in den einzelnen Fachgebieten beziehen, mit eingebracht [11]. Ebenso werden Erkenntnisse aus der rezenten Literatur diskutiert. Auf der ganzen Welt liegen große Unterschiede in der Praxis für die Prävention und Behandlung von periprothetischen Gelenkinfektion vor. Aus diesem Anlass wurde jüngst bei einem internationalen Expertenmeeting mit 300 Teilnehmern im August 2013 in Philadelphia anhand eines 207 Fragenkataloges, erstellt nach 3500 fachbezogenen Literaturangaben, durch prozentuelle Abstimmung der teilnehmenden Experten versucht, einen internationalen Konsensus über die Behandlungsprozesse von Protheseninfektionen zu finden [12].

Einteilung der Protheseninfektionen

Sowohl die Eigenschaften und Resistenzbildung der unterschiedlichen Erreger als auch die Anzahl der Nebenerkrankungen und Voroperation am Gelenk machen Patienten mit Protheseninfektionen zu einem inhomogenen Patientengut . Nicht zuletzt der Zeitpunkt des Auftretens einer Protheseninfektion nach der Implantation lässt Therapiekonzepte als mehr oder weniger sinnvoll erachten. Um dennoch ein effizientes Therapiekonzept für dieses inhomogene Patientengut zu definieren, haben mehrere Autoren eine Einteilung der Protheseninfektionen konzipiert. Allgemein ist zu festzustellen, dass für die Einteilung der Protheseninfektionen keine einheitlichen Empfehlungen existieren. Insall [13] trifft 1982 erstmals die Einteilung in Frühinfektionen , wenn diese maximal 3 Monate nach Implantation auftreten, oder in Spätinfektionen bei Auftreten nach mehr als 3 Monaten. Rand [14] unterscheidet 1983 ebenfalls in eine Frühinfektion (bis 2 Monate nach Implantation), eine intermediäre Infektion zwischen 2 und 24 Monaten postoperativ sowie eine Spätinfektion nach mehr als 24 Monaten.

Eine weitere Einteilung wurde von Tsukayama [15] 1996 publiziert, der die hämatogenen Infekte von den nosokomialen Frühinfekten und chronischen Spätinfekten unterschied und den Zeitraum eines Früh- oder Akutinfektes auf unter 1 Monat für das weitere Therapievorgehen festlegte:

  • Typ I: positive intraoperative Kulturen während des Prothesenwechsels,

  • Typ II: frühe postoperative Infektion (< 1 Monat),

  • Typ III: akute hämatogene Infektion (< 1 Monat),

  • Typ IV: späte (chronische) Infektion (> 1 Monat).

In der Einteilung nach McPherson 1999 ([16]; Tab. 1) wird der weitere Therapieplan einer Protheseninfektion nicht nur über den Zeitpunkt des Auftretens des Infektgeschehens, sondern auch in Zusammenschau mit der lokalen Wundsituation und systemischen Grunderkrankungen des Patienten und den damit zu erwartenden Komplikationen und Heilungsverzögerungen in einem Gruppenschema mit Unterpunkten definiert. Sowohl die chirurgische Therapie von einzeitigem und zweizeitigem Prothesenwechsel, Dauer der antibiotischen Therapie, aber auch die Einschätzung der Zumutbarkeit der chirurgischen Interventionen bei im Allgemeinzustand reduzierten Patienten sowie auch von immunsupprimierten Patienten soll mit diesem Schema nachvollziehbar und vergleichbar gegliedert werden. Das Risiko einer Re-Infektion soll durch die Anwendung dieses Schemas minimiert werden.

Tab. 1 Einteilung der Risikogruppen von infizierten Knie- und Hüfttotalendoprothesen nach der McPherson-Einteilung [47]

Diagnostik

Bildgebung

Das ursprüngliche Röntgen bleibt nach wie vor das Mittel der Wahl der Erstdiagnostik einer Prothesenlockerung. Insbesondere das Auftreten von Osteolysen und schleichenden Migrationen bei chronischen Infekten können im Krankheitsverlauf röntgenologisch gut beurteilt werden (Abb. 1a, b). Bei einer septischen Lockerung werden häufig eine rasche Migration von zumindest 2 mm innerhalb von 6 Monaten sowie eine rasche und irreguläre periprothetische Osteolyse beobachtet. Die Computertomographie (CT) kann für die Beurteilung von komplexen ossären Strukturen, Abszessen und postoperativen Komplikationen eingesetzt werden. Limitationen ergeben sich durch Metallartefakte in Abhängigkeit von der TEP-Legierung [17].

Abb. 1
figure 1

Röntgen einer septischen Hüfttotalendoprothesen-Lockerung: a a.p. und b axial mit typischen verwaschenen Osteolysen und Saum um den Prothesenschaft

Die Magnetresonanztomographie (MRT) kann bei der Beurteilung von Weichteilveränderungen, Osteomyelitiden und postoperativen Seromen Anwendung finden, jedoch ist auch hier die Beurteilung durch Metallartefakte eingeschränkt [17]. Metallartefaktreduzierte Sequenzen (MARS) in der MRT reduzieren die metallinduzierten Suszeptibilitätsartefakte deutlich und erzeugen klarere Bilder, um Pseudotumoren und Weichteilschädigungen bei Metallabrieb nach Metall-Metall (MoM)-Gleitpaarungen in der Hüftendoprothetik besser beurteilen zu können [18].

Zum Nachweis einer Prothesenlockerung bzw. einer Protheseninfektion wurden schon frühzeitig nuklearmedizinische Untersuchungen mit ihrer geringen Strahlenbelastung von etwa 5 mSv herangezogen. An Methoden stehen heute die Mehrphasenknochenszintigraphie sowie als Entzündungsszintigraphie mit Leukozytenmarkierung der Granulozytenscan oder die Fluorodeoxyglucose-Positronenemissionscomputertomographie (FDG-PET-CT, Abb. 2a, b) zur Verfügung. Der FDG-PET-CT ist die modernste Untersuchungsmethode, wobei die Interpretation des Speicherungsmusters großer Erfahrung bedarf. Wenn oftmalige Wiederholungen im Rahmen der Entzündungsdiagnostik notwendig sind, empfiehlt sich die FDG-PET-CT, die bezüglich der Leukozyten- und Granulozytenmethoden gleichwertig ist [19]. Allerdings können bis zu 4 bis 6 Wochen nach einer akuten Entzündung falsch positive Befunde beobachtet werden. Hierbei ist wiederum die Berücksichtigung von Vorbefunden und Vortestwahrscheinlichkeit von großer Bedeutung.

Abb. 2
figure 2

Fluordeoxyglucose-Positronenemissionscomputertomographie einer septischen Hüfttotalendoprothesen-Lockerung: a frontaler Schnitt, b axialer Schnitt

Das FDG-PET-CT ist zwar signifikant spezifischer (p = 0,035), aber weniger sensitiv (p = 0,016) bei der Unterscheidung zwischen septischen und aseptischen Hüfttotalendoprothesen (HTEP)-Lockerungen [20].

Bei der Mehrphasenskelettszintigraphie werden mittels Tc-99m-Bisphosphonaten ein Blutpoolphasenbild, ein Frühbild und ein Spätbild erstellt. Dabei zeigt sich im ersten Jahr nach TEP ein variables Muster des Knochenstoffwechsels, sodass nur eine unauffällige Knochenszintigraphie als Einzeluntersuchung klinisch aussagekräftig ist [21]. Eine negative Mehrphasenknochenszintigraphie schließt eine (a)septische Lockerung der Prothese mit hoher Wahrscheinlichkeit („negative predictive values“ [NPV] > 95 %) aus. Bei einer positiven Szintigraphie mit einer periprothetisch langstreckigen Anreicherung kann es sich einerseits um eine aseptische Lockerung oder eine Protheseninfektion, bei der eine Hyperämie und eine diffuse Mehranreicherung entlang der gesamten Prothese auffallend sind, handeln.

Die weitere Abklärung erfolgt durch eine der oben angegebenen Entzündungsszintigraphien, deren Einsatz zentrumsabhängig ist. Unter Berücksichtigung von Sensitivität und Spezifität liegen die Werte für die „Genauigkeit“ von Skelett-, Leukozyten-, Anti-Granulozyten-Szintigraphie oder FDG-PET-CT zwischen 74 % und 95 %. Im Vergleich zum Hüftgelenk ergibt sich für die Beurteilung des Kniegelenkes eine geringere Spezifität und Genauigkeit [11].

Als Granulozytenscan kommen radioaktiv markierte autologe Leukozyten oder Anti-Granulozyten-Antikörper zum Einsatz. Markierte Leukozyten verlangen eine ausgewiesene Expertise für die sehr zeitaufwendige Präparation, sequenzielle Aufnahmen bis zu 2 Tagen sind erforderlich. Selbiges gilt auch für den Granulozytenscan mit monoklonalen murinen Antikörpern. Nachteil dieser Untersuchungstechnik mit monoklonalen Mausantikörpern sind bei wiederholtem Antikörperkontakt mögliche Immunreaktionen in Form einer humanen Anti-Maus-Antikörper-Reaktion (HAMA), weshalb oft eine 6‑monatige Wartezeit zwischen 2 Anwendungen empfohlen wird. Eine Dynamik der Infektion kann meistens schon nach einer Wartezeit von 6 Wochen gemessen werden. Eine Entzündungsszintigraphie mit markierten autologen Leukozyten kann jederzeit wiederholt werden [11].

In einer Übersichtsarbeit zum Thema Radionuklide in der bildgebenden Infektionsdiagnostik wird die kombinierte Knochenmarkszintigraphie mit Leukozytenmarkierung mit einer Genauigkeit von 90 % als das Mittel der Wahl für die Diagnostik von Protheseninfektionen angesehen [17]. Infektionsspezifische Tracer sind jedoch bis heute nicht verfügbar [17].

Labormedizinisches Management

Laborchemie – Entzündungsparameter

Die systemischen Entzündungsparameter im Blut wie Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), Leukozytenzahl, C‑reaktives Protein (CRP), Interleukin-6 (IL-6) und Procalcitonin spielen eine richtungsweisende Rolle in der Diagnostik der Protheseninfektionen, können diese aber nicht mit ausreichender Sensitivität und Spezifität bestätigen oder ausschließen [22]. Insbesondere bei sog. Low-grade-Infekten können sämtliche Biomarker im Normbereich liegen [23].

Die postoperative Normalisierung der BSG kann Wochen dauern, jene des CRP Tage bis Wochen und die des IL-6 lediglich wenige Stunden bis zu 1 Tag [24]. IL-6 erreicht sein Maximum 4 h nach der chirurgischen Intervention. IL-6-Werte über 50 pg/ml nach > 48 h bzw. Werte über 10 pg/mh im Langzeitverlauf sollen auf eine mögliche Infektion hinweisen. Die Kombination von erhöhten CRP- und IL-6-Spiegeln im Serum deckt alle tiefen Infektionen auf. Bei erhöhter BSG oder erhöhtem CRP bzw. bei weiter bestehendem klinischem Verdacht sollte stets eine Punktion durchgeführt werden.

Bei Gelenkendoprothesen ist ein durchschnittlicher Richtwert bei der Zellzahl von ≥ 2000/mm3 in der Synovialflüssigkeit mit ≥ 80 % Neutrophilenanteil hoch verdächtig auf das Vorliegen einer Protheseninfektion. Weiter differenziert in der Knie- und Hüftprotheseninfektionsdiagnostik, zeigt sich in der Studienlage bei Knieprotheseninfektionen eine Leukozytenzahl von ≥ 1,7 × 109 mit ≥ 65 % Neutrophilen in der Synovialflüssigkeit mit einer Sensitivität von 96 % und einer Spezifität von 98 % als Richtwert für das Vorliegen einer Infektion. Bei Hüftprotheseninfektionen liegen diese Werte im Fall der Leukozytenzahl bei ≥ 4,2 × 109 mit ≥ 80 % Neutrophilen in der Synovialflüssigkeit und zeigen eine entsprechende Sensitivität von 95 % und eine Spezifität von 98 % [4, 6].

Bei der Bestimmung der Zellzahl aus der Synovialflüssigkeit im Mikroskop oder mit der Durchflusszytometrie ist darauf zu achten, dass die Flüssigkeit in einem EDTA-Blutbildröhrchen oder unter Beimischung von Heparin zur Auszählung gelangt. Ein sehr trübes und mit Fibrinfäden durchzogenes Punktat sollte vor maschineller Auswertung unbedingt einer Hyaluronidasebehandlung unterzogen werden, bis sich das Punktat aufklart und damit das Risiko einer Verstopfung der Analysegeräte und einer fehlerhaften Auswertung minimiert ist.

Mikrobiologie

Als Untersuchungsmaterialien stehen in der Regel Gelenkpunktate (evtl. Spülung), (intraoperativ gewonnene) Gewebeproben oder Abstriche sowie im Falle von Wechseloperationen verschiedene Komponenten der Prothese zur Verfügung.

In der mikrobiologischen Diagnostik sind die Identifizierung des Erregers und Resistenzprüfung die Ausgangsbasis für eine gezielte antimikrobielle Therapie. Deshalb sollten ausreichend Flüssigkeit, Abstriche, vorzugsweise aber insbesondere Gewebe aus den makroskopisch infizierten Arealen des Gelenks entnommen und bakteriologisch sowie histopathologisch analysiert werden. Mit der Anzahl der abgenommen Abstriche steigt die Sensitivität des bakteriellen Keimnachweises. Deshalb sollten zumindest 3 bis 6 Gewebeproben zur bakteriologischen Analyse aus dem Gelenk entnommen werden [25]. Aufgrund bereits eingeleiteter, empirischer Antibiotikatherapie, Abnahmefehlern, unzureichender Menge an entnommenen Bakterien, ungeeignetem Transport und/oder niedrigvirulenter langsam wachsender Keime ergeben im Schnitt 20 % der Protheseninfektionen keinen Keimnachweis in der Kultur [26]. Als weiterer Grund für falsch negative Ergebnisse (Kulturausfälle) wird die Ummantelung der adhärenten Bakterien durch Antibiotika-unzugängliche Biofilme beschrieben [27]. Um den Nachweis mikrobiologischer Erreger von Prothesenoberflächen zu verbessern, wurde versucht die Erreger aus dem Biofilm zu lösen. Nach Explantation der septischen Prothese werden die Komponenten in einen sterilen verschließbaren Behälter eingelegt und mit Ringer-Lösung bedeckt. Danach wird der Behälter zur Sonikation in ein mikrobiologisches Labor gesandt. Durch die Anwendung des langwelligen Ultraschalls (Sonikation) entstehen Kavitationskräfte an der Oberfläche der Prothesenkomponenten, die den Biofilm und damit die Bakterien von den Oberflächen lösen können. Durch dieses Verfahren konnte die mikrobiologische Diagnostik signifikant verbessert werden [28].

Die Herausforderung bei der Beurteilung des kulturellen Erregernachweises besteht in der Unterscheidung zwischen einer Kontamination durch kommensale Mikroorganismen und einer Infektion durch Bakterien, die häufig ebenfalls der Hautflora entstammen.

Zu den potenziellen Erregern von Protheseninfektionen gehören koagulasenegative Staphylokokken, Staphylococcus aureus, Streptokokken, Enterokokken, gramnegative Stäbchen und Anaerobier wie Proprionibacterium acnes [6]. Eine Verlängerung der Bebrütung der Kulturen auf 14 Tage hat einen vermehrten Nachweis an Proprionibacterium acnes gezeigt [29]. Mischinfektionen können in bis zu 10 % vorkommen, und in 10–30 % ist kein Erregernachweis möglich [23].

Wesentliche Bedingungen für die Probenentnahme sind kontaminationsfreies Arbeiten und Einsendung einer ausreichenden Menge an Probenmaterial. Je geringer der Grad der Infektion, desto mehr Proben sollten gewonnen werden, um die Trefferquote für einen Keimnachweis zu erhöhen [6]. Die Antibiotikatherapie sollte mindestens 2 Wochen vor der geplanten Probengewinnung abgesetzt werden. Die Entnahme von Gewebebiopsien oder Aspiraten ist reinen Abstrichen mit Abstrichtupfern aus der Wunde vorzuziehen. Die Biopsie sollte sofort nach Kapseleröffnung mit einem sterilen Instrument entnommen werden. Bei zweizeitigem Hüft-TEP-Wechsel muss mit etwa 5 % falsch positiven Punktionsergebnissen gerechnet werden. Die intraoperative Kultur liefert bei Revisions-Hüft-TEP 13–31 % falsch positive Resultate. Es sollten mindestens 3 bis 6 Gewebeproben aus unterschiedlichen Bereichen des infizierten Gewebes entnommen werden, da hiermit der mikrobiologische Befund deutlich an Aussagekraft gewinnen kann [21]. Bei 3 oder mehr Gewebeproben beträgt die Wahrscheinlichkeit eines richtig positiven Keimbefundes, bestätigt in 2 unabhängigen Kulturen, 96,4 % [11].

Die Gramfärbung als schneller primärer Erregernachweis besitzt bei Gelenkpunktaten eine hohe Spezifität von > 90 % bei jedoch einer nur geringen Sensitivität von 10–30 %. In großen Studien zeigen sich für die Kultur eine Sensitivität von 60–95 % und eine Spezifität von 92–97 % [11, 23]. Untergliedert finden sich bei der Analyse der Synovialflüssigkeit eine Sensitivität von 60–80 % und eine Spezifität von 97 %, bei periprothetisch gewonnenem Gewebe eine Sensitivität von 70–85 % und eine Spezifität von 92 % und bei der Sonikationsflüssigkeit die höchste Sensitivität von 85–95 % bei einer Spezifität von 95 % [23]. Mithilfe der Sonikation kann der Biofilm von den explantierten Prothesen gelöst werden und dadurch eine signifikante Verbesserung der mikrobiologischen Diagnostik erzielt werden [28, 30]. Vor allem bei antibiotisch vorbehandelten Patienten zeigt die Sonikation der Prothesenteile eine höhere Sensitivität als die Gewebekultur, da die im Biofilm geschützten Bakterien an der Prothesenoberfläche überleben und in der Sonikationsflüssigkeit nachgewiesen werden können [28].

Die Routineauswertung mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) aus Synovialflüssigkeit, Gewebe und Sonikationsflüssigkeit hat sich nicht bewährt, ist jedoch bei speziellen Fragstellungen mit den entsprechenden Primern ein hilfreiches Zusatztool mit hoher Spezifität [6].

Zusammenfassend ist nur der mikrobiologische Nachweis identer Erreger aus mehreren getrennt verarbeiteten Proben pathognomonisch für die sichere Diagnose einer Infektion. Die primären Kulturbedingungen müssen auch die Anzucht kulturell anspruchsvoller Mikroorganismen und Anaerobier ermöglichen. Für die Beurteilung sind eine präzise Speziesidentifizierung und ein standardisiertes Antibiogramm erforderlich. Zum Nachweis seltener Erreger von Protheseninfektionen werden spezielle Anforderungen, eine Verlängerung der Kultur auf 14 Tage und ausreichende Materialmengen benötigt [11, 29].

Liegt in den Kulturen aus dem Gelenk trotz dringenden Verdachts einer Infektion kein Keimnachweis vor, kann durch die Analyse von α-Defensin , einem Biomarker, der von Granulozyten im Beisein von Keimen im Gelenk freigesetzt wird, mit einer Sensitivität von 97 % und einer Spezifität von 96 % eine Infektion bestätigt werden [31].

Histopathologie

Proben aus einem hochverdächtigen Bereich sollten bereits während der Operation als Gefrierschnitt (Sensitivität 0,80–0,91, Spezifität 0,94–0,99) untersucht werden. Dabei erfolgt eine Auswertung von 5 „high power fields“ (= 40-fache Vergrößerung), wobei mehr als 10 neutrophile Granulozyten pro Feld auf eine Infektion hinweisen können. Intraoperative Gefrierschnitte bieten sich als Schnelldiagnostik auch dann an, wenn BSG oder CRP aufgrund anderer Begleiterkrankungen erhöht sind [11].

Zur Abgrenzung von aseptischen zu septischen Prothesenlockerungen haben Krenn et al. [32] einen Konsensus zur Klassifikation von periprothetischen Synovialmembranen, in 4 histologische Subtypen untergliedert und damit die histopathologische Diagnose standardisiert.

Klinik

Die Anamnese (Schmerzen) sowie die Klinik (Hinken, Bewegungsschmerzen) geben neben der Beurteilung der Haut- und Weichteile (Rötung, Schwellung, Überwärmung) die ersten Hinweise für eine Protheseninfektion. Fehlende Beschwerdefreiheit nach der Implantation und Ruheschmerzen sind nur sehr unspezifische Infektionsanzeichen.

Eine gesicherte Infektion liegt vor, wenn derselbe Keim in zumindest 2 Punktaten oder Gewebeproben vorkommt, histopathologisch akute Entzündungszeichen vorliegen, eine erhöhte Leukozytenzahl und erhöhter Neutrophilenanteil in der Synovialflüssigkeit vorkommen, ein Fistelgang bis zur Prothese führt oder Eiter im Punktat oder im Operationsgebiet auftritt [33].

Erregerspektrum

Die häufigsten Erreger von Protheseninfektion sind Staphylococcus aureus und gramnegative Stäbchen in der Frühphase (< 3 Monate post TEP), koagulasenegative Staphylokokken und Propionibakterien (Propionibacterium acnes) in der chronischen Spätphase (3 bis 24 Monate post TEP) sowie Streptokokken, S. aureus und gramnegative Stäbchen in der hämatogenen Phase (> 2 Jahre post TEP) [34]. In bis zu einem Drittel der Fälle handelt es sich um eine polymikrobielle Infektion. Zu den seltenen Ursachen für implantatassoziierte Infektionen zählen Corynebakterien, Listerien, Aktinomyzeten, Nokardien, Clostridien, Mykobakterien, Mykoplasmen, Pilze oder sogar Echinokokken.

Biofilm

Protheseninfektionen werden typischerweise durch Biofilm-bildende Bakterien hervorgerufen. Diese Keime leben dicht zusammengedrängt in einer die Implantatoberfläche überziehenden, hydrierten, extrazellulären Matrix („Schleim“) (Abb. 3). Dieser Biofilm bietet Bakterien eine Möglichkeit des Überlebens. In der Regel teilen sich Bakterien innerhalb des Biofilms nicht. Ein Biofilm kann sich innerhalb von 24 h aufbauen und ist bei bakterieller Besiedelung nach 48 h und bei Candida-Besiedelung nach 1 Woche als „ausgereift“ zu bewerten. Der Biofilm führt zu einer bis zu 1000-fach höheren Resistenz gegenüber wachstumsabhängigen antimikrobiellen Substanzen, da die minimale Hemmkonzentration (MHK) bzw. minimale bakterizide Konzentration (MBK) im Biofilm um ein Vielfaches größer als im Vergleich zu der planktonischen (freilebenden) Form dieser Bakterien ist [35].

Abb. 3
figure 3

Elektronenmikroskopisches Bild eines Biofilms an einer Titanoberfläche (Vergr. 1500:1)

Die klassische Anti-Biofilm-Strategie ist heutzutage die operative Entfernung des Werkstoffes (Implantates), an dessen Oberfläche sich der Biofilm gebildet hat. Mechanische Versuche, durch intraoperatives Bürsten u. Ä. den Biofilm zu reduzieren, sind hingegen nicht effektiv. Es besteht die Möglichkeit eine antimikrobielle Therapie mit einem Biofilm-wirksamen Antibiotikum (z. B. Rifampicin) gegen Staphylococcus aureus in Kombination mit einem primär gegen die Infektion wirkenden Antibiotikum (z. B Flucloxacillin i. v. für 2 Wochen und anschließend Ciprofloxacin p. o. für 4 bis 10 Wochen) einzusetzen [36]. Einige der neuen Antibiotika haben neben einer guten Wirksamkeit gegen Staphylokokken oder Streptokokken ebenfalls eine Aktivität auf Biofilme, allerdings in deutlich höherer Dosierung. Hierzu zählen Daptomycin, Moxifloxacin und Tigecyclin [37]. Die klinische Bedeutung dieser Aktivität bei Protheseninfektionen ist Gegenstand der aktuellen Forschung.

Ein anderer Ansatzpunkt ist der lokale Einsatz biozider Substanzen wie Alkohole, Taurolidin oder Peroxid [38]. Nach weiteren innovativen Strategien mit neuen Materialien zur Beschichtung oder Imprägnierung der Prothesen wird geforscht.

Immunsuppressive Therapie und Endoprothetik

Immunsuppression ist per se mit einem erhöhten Infektionsrisiko vergesellschaftet. Während es für Immunsuppressiva Empfehlungen zur Handhabung derselben bei TEP-Implantation gibt, existieren zu diesem Thema keine eindeutigen wissenschaftlichen Ergebnisse für die modernen Biologika (Tab. 2; [39]). Obwohl den Broeder et al. [40] in ihrer Studie keine signifikante Erhöhung der Infektionsrate unter Tumornekrosefaktor (TNF)-α-Blockern (p = 0,53) nachweisen konnten, zeigten die rezenten Ergebnisse von Scherrer et al. [41] ein signifikant erhöhtes Infektionsrisiko von Patienten mit rheumatoider Arthritis im Vergleich zu Arthrosepatienten, wenn mehr als 1 DMARD („disease-modifying anti-rheumatic drug“) oder ein TNF-α-Blocker eingenommen wurde. Sie empfehlen deshalb dringend, die letzte TNF-α-Blocker-Gabe vor der Operation auszulassen.

Tab. 2 Empfehlung perioperativer immunsuppressiver Therapie bei Prothesenimplantation [39]

Therapie

Mupirocin-Prophylaxe

Nasale Staphylokokkenträger können ein erhöhtes Risiko an Protheseninfektionen mit Staphylococcus aureus haben. Bei 1,1 % der Carrier lässt sich auch eine Bakteriämie nachweisen. Eine Prophylaxe mit Mupirocin-Salbe erbrachte eine nicht signifikant niedrigere Wundinfektionsrate im Vergleich zu Placebo (1,6 % vs. 2,7 %) [42].

Antimikrobielle Therapie

Die antimikrobielle Therapie von Protheseninfektionen ist facettenreich und teilweise sehr zentrumspezifisch. Staphylokokken stellen die wichtigste Erregergruppe dar und müssen daher bei einer empirischen Therapie immer berücksichtigt werden. Ein wesentlicher Punkt in der Auswahl der Substanz ist die Gewebegängigkeit. Die Antibiotikatherapie einer TEP-Infektion erfolgt meistens über 6 bis 12 Wochen [4], sodass eine orale Langzeittherapie im Anschluss an eine initiale parenterale Therapie wünschenswert ist. Voraussetzung hierfür ist eine gute Bioverfügbarkeit. Die richtige Wahl des Antibiotikums sollte nach entsprechendem Antibiogramm oder nach Rücksprache mit einem Infektiologen erfolgen.

Bei Methicillin-empfindlichen Staphylokokken (MSSA) ist die minimale MHK der „alten“ Staphylokokken-Antibiotika teilweise niedriger als bei neuen Substanzen (z. B. Flucloxacillin vs. Linezolid). Bei MSSA sind Betalaktame wie Flucloxacillin, Cephalosporine der ersten (Cefazolin) bzw. zweiten Generation (Cefuroxim) Mittel der Wahl [11].

Clindamycin und Fusidinsäure – beide Substanzen stehen sowohl peroral als auch parenteral zur Verfügung – sind weitere Eckpfeiler in der Staphylokokkentherapie. Fusidinsäure wirkt gegen Staphylokokken (auch Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus [MRSA]), jedoch nur schwach gegen Streptokokken und wird häufig in der oralen Langzeittherapie eingesetzt. Es kann neben Rifampicin auch gut mit modernen Fluorchinolonen, in dieser Indikation vorzugsweise mit Moxifloxacin oder Levofloxacin, kombiniert werden. Aufgrund der Steroidstruktur der Fusidinsäure verfügt diese über eine sehr gute Gewebegängigkeit in schlecht vaskularisiertem Gewebe. Eine regelmäßige Kontrolle der Leberfunktionsparameter ist angezeigt [11].

Vor Einführung der modernen Fluorchinolone wurde meist Ciprofloxacin in Kombination mit Rifampicin bei TEP-Infektionen eingesetzt. Neben Ciprofloxacin stehen heute in der Staphylokokkentherapie eher Moxifloxacin bzw. Levofloxacin im Vordergrund. Die Chinolone zeichnen sich durch ihre hervorragende Gewebegängigkeit und Bioverfügbarkeit aus. Bei MRSA werden die modernen Fluorchinolone nicht eingesetzt [11].

Bei nachgewiesenen MRSA-Infektionen kommen die Glykopeptide Vancomycin oder Teicoplanin, Fusidinsäure, Daptomycin, Linezolid oder Tigecyclin zum Einsatz. Cotrimoxazol kann bei entsprechendem Antibiogramm nur in hoher Dosierung verwendet werden [43]. Vancomycin ist bei MSSA schwächer wirksam als ein Staphylokokken-Betalaktamantibiotikum und seine Gewebegängigkeit nicht optimal. In vitro zeigt Vancomycin gegenüber koagulasenegativen Staphylokokken eine höhere Aktivität, während Teicoplanin eine höhere Aktivität bei Enterokokken und Pneumokokken aufweist. Beide Glykopeptide waren jahrzehntelang die einzigen Antibiotika gegen MRSA-Infektionen. Teicoplanin ermöglicht ein modernes Therapieschema im Rahmen der ambulanten parenteralen Antibiotikatherapie. Bei Vancomycin muss regelmäßig eine Talspiegelbestimmung erfolgen; die Talspiegel sollten im Bereich von 25–30 mg/l liegen [11].

Daptomycin in der Dosierung 6–8 mg/kg/Tag ist der erste Vertreter der Lipopeptide und zeichnet sich durch eine bakterizide Wirkung gegen grampositive Erreger aus. Die Substanz muss nur 1‑mal täglich verabreicht werden, Spiegelbestimmungen sind nicht erforderlich. Eine seltene Nebenwirkung ist eine dosisabhängige Erhöhung der Kreatinkinase, die bis zur Rhabdomyolyse führen kann [11].

Linezolid – in der Dosierung von 1200 mg/Tag – ist der erste Vertreter der Oxazolidinone und steht sowohl oral als auch parenteral in derselben Dosierung (100 % Bioverfügbarkeit) zur Verfügung. Die Gewebepenetration ist exzellent. Die Aktivität bei MSSA ist im Vergleich zu einem Oxacillin schwächer, die Indikation sind MRSA-Infektionen. Wöchentliche Blutbildkontrollen (Anämie, Thrombopenie) sind empfehlenswert. Bei Therapien über 28 Tage (= maximale Therapiedauer laut Fachinformation) muss auf das Auftreten von Neuropathien geachtet werden [11].

Tigecyclin stellt eine Weiterentwicklung des Minocyclins dar. Neben seiner Aktivität gegen MRSA und Enterokokken ist es auch aktiv gegen Enterobakterien und Anaerobier. Keine Aktivität besteht gegen Pseudomonaden. Rifampicin darf ausschließlich in Kombination mit einem weiteren Staphylokokkenantibiotikum verabreicht werden, da es bei einer Monotherapie zu einer raschen Resistenzentwicklung kommt. Regelmäßige – anfangs wöchentliche – Kontrollen der Leberfunktionsparameter und des Blutbildes sind obligat. Rifampicin soll auch gegen langsam wachsende Staphylokokkenstämme aktiv sein [11]. Fosfomycin ist ebenfalls ein exzellenter Kombinationspartner und wird v. a. bei Osteomyelitiden bzw. Abszessen aufgrund seiner hervorragenden Gewebegängigkeit zu Therapieanfang eingesetzt. Aufgrund des hohen Natriumgehaltes sind entsprechende Elektrolytkontrollen bei der Dosierung von 2‑ bis 3‑mal 8 g notwendig [11].

Die Dosierungen der Antibiotika sind in Tab. 3 [11] zusammengefasst.

Tab. 3 Antibiotikadosierung [11]

Antibiotikahaltiger Knochenzement

Die Beimischung zahlreicher Antibiotika (Cefazolin, Cefuroxim, Gentamicin, Tobramycin, Vancomycin, Teicoplanin, Daptomycin, Linezolid, Fusidinsäure, Ciprofloxacin, Gatifloxacin, Levofloxacin) zum Knochenzement wird in der Literatur beschrieben und v. a. für Zementspacer je nach Antibiogram empfohlen. Bei Replantation der Prothese sollte nur industriegefertigter Zement ohne Beimischung von zusätzlichen Antibiotika verwendet werden, da die Veränderung des Mischverhältnisses zu einer Änderung der Festigkeit des Zementes und damit zu einer Veränderung der biomechanischen Eigenschaften des Zementes führen kann. Der Einsatz von Antibiotikaknochenzement wird aufgrund einer möglichen Keimselektion sowie Resistenzentwicklung kritisch diskutiert. Deshalb sollten entsprechend der Zementmenge hohe Antibiotikadosen nach Beimischung von Pulver zum Polymer vor dem Anrühren beigemischt werden (Tab. 4; [44]). Aktuelle Studien bestätigen bei entsprechender Dosierung gute Spitzenspiegel sowie einen signifikanten klinischen und mikrobiologischen Benefit [45]. Einige Autoren verweisen jedoch auf die bisher unzureichende Datenlage und fordern weitere kontrollierte Studien, da die Evidenz bisheriger wissenschaftlicher Untersuchungen relativ gering ist [46].

Tab. 4 Antibiotikadosierung in Polymethylmethacrylat-Knochenzement

Chirurgische Therapie

Das operative Therapiemanagement richtet sich nach dem Zeitpunkt des Auftretens der Infektion, nach der Resistenz und Art des Erregers, dem Ausmaß des durch die Infektion bereits geschädigten Gewebes bzw. Lockerung der Prothese und dem individuellen Risikoprofil des Patienten (Allgemeinzustand, Nebendiagnosen etc.). Als operative Therapiemöglichkeiten stehen die Prothesenretention mit Wechsel der nicht knöchern verankerten Polyethylenteile, ein einzeitiger oder zweizeitiger Prothesenwechsel sowie die Anlage einer künstlichen Fistel durch Einziehen einer Drainage oder aber die Amputation zur Auswahl. Nach der McPherson-Einteilung richtet sich das Therapiemanagement von Protheseninfektionen nach Beginn und Dauer der Infektion, vorbestehenden Systemerkrankungen und Lokalstatus (Tab. 1, Abb. 4; [47])

Abb. 4
figure 4

Operatives Therapiemanagement von infizierten Knie- und Hüfttotalendoprothesen nach der McPherson-Einteilung. LA Lokalanästhesie (Mod. nach [48])

Allgemein mögliche chirurgische Behandlungsalternativen von tiefen Protheseninfektionen sind:

  • Prothesenretention:

    • Antibiotika und Aspiration,

    • Spülung und Débridement,

    • Arthroskopie oder Arthrotomie,

  • Prothesenwechsel:

    • einzeitiger Wechsel,

    • zweizeitiger Wechsel mit fixem oder artikulierendem Spacer,

  • „Salvage procedure“:

    • Arthrodese,

    • Resektionsarthroplastik,

    • Amputation.

Nach dem Schweizer Modell von Zimmerli und Trampuz et al. [4] stehen die Symptomdauer der Infektion, lokale Weichteilsituation sowie Entität und Resistenzen des Erregers als richtungsführend für den Therapiealgorithmus im Vordergrund. In Tab. 5 sind die möglichen chirurgischen Eingriffe aufgelistet.

Tab. 5 Therapiemanagement bei Protheseninfektionen – Schweizer Modell [4]

Ein reiner Wechsel der mobilen Komponenten mit Verbleib der knöchern verankerten Prothesenteile sollte nur dann stattfinden, wenn die knöchern verankerten Komponenten nicht ausgelockert sind, die Weichteile keine Infektzeichen wie Fistel oder Abszessformationen aufweisen und es sich um eine akute Infektion, sei es nosokomial nach der Operation oder auf hämatogenem Weg, mit einer Symptomdauer nicht länger als 3 Wochen handelt. Idealerweise sollte kein Difficult-to-treat-Erreger (z. B. Rifampicin-resistente Staphylokokken, Chinolon-resistente gramnegative Stäbchen, Enterokokken und Candida spp.) vorliegen. Bei der offenen Revision ist ein sorgfältiges Débridement entscheidend.

Insgesamt wird im Anschluss eine 12-wöchige Anti-Biofilm-Antibiotikatherapie empfohlen, wobei die ersten 2 Wochen i.v. verabreicht werden sollten [23].

Die Indikation zu einzeitigen und zweizeitigen Prothesenwechseln wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Der Erfolg des einzeitigen Wechsels hängt neben dem Grad der vorherrschenden Infektion nicht zuletzt von der Gründlichkeit des Débridements und der Erfahrung des Operateurs ab sowie von der geeigneten Wahl der begleitenden antibiotischen Therapie – systemisch als auch lokal (antibiotikagetränkte Knochenchips oder antibiotikahaltiger Knochenzement). Die richtige Wahl des Antibiotikums setzt die zuvor richtige Identifizierung des Erregers voraus.

Die Daten aus gut kontrollierten Studien bestätigen, dass bei tiefen Protheseninfektionen der zweizeitige Prothesenwechsel dem einzeitigen Wechsel vorzuziehen ist. Ein einzeitiger Wechsel kann nur für die Risikogruppe I/A/1 nach McPherson empfohlen werden. Ein alleiniges Débridement ist nur in ausgewählten Fällen zu empfehlen.

Bei einem zweizeitigen Prothesenwechsel besteht im Intervall die Möglichkeit einer hoch dosierten lokalen Antibiotikatherapie durch Beimischung des geeigneten Antibiotikums zum Zementspacer (Abb. 5a, b). Der Nachteil der Zementspacerimplantation, v. a. im Kniegelenk, ist die meist reduzierte Beweglichkeit des Gelenks nach Re-Implantation der Prothese. Trampuz et al. [23] empfehlen aus diesem Grund einen zweizeitigen Prothesenwechsel mit kurzem Intervall von 2 bis 4 Wochen, wenn kein Difficult-to-treat-Erreger vorliegt, und nur dann ein langes Intervall von 6 Wochen, wenn der vermeintliche Erreger Resistenzen gegen eine Antibiofilmtherapie zeigt. Generell sollte eine Antibiofilm-Antibiotika-Kombinationstherapie mit Rifampicin nicht im prothesenfreien Intervall durchgeführt werden, um Resistenzen zu vermeiden, wie in einer Studie von Achermann et al. [49] rezent beschrieben wurde. In dieser Studie wurden als unabhängige Risikofaktoren für eine Rifampicinresistenz mehrere vorangegangene chirurgische Revisionen, Beginn der Antibiotikatherapie bei hoher Bakterienlast, weniger als 2 Wochen i.v.-Antibiotikagabe oder inkorrekte Rifampicintherapie als Monotherapie oder in Kombination mit einem Antibiotikum mit ungenügender Bioverfügbarkeit (z. B. orales Penicillin) eruiert.

Abb. 5
figure 5

Röntgen eines Zementspacers nach septischer a Hüft-TEP (Totalendoprothese)-Explantation und b Knie-TEP-Explantation

Eine Gelenkpunktion vor Re-Implantation der Prothese ist aufgrund der geringen Sensitivität nicht empfohlen [23].

Entscheidungshilfen zum Ausschluss einer floriden Entzündung vor Re-Implantation können ein Leukozytenscan sowie ein intraoperativer histopathologischer Schnellschnitt sein.

Fazit für die Praxis

  • Entscheidend für eine adäquate Behandlung einer Protheseninfektion ist in erster Linie eine zeitnahe und umfangreiche Diagnostik, um einerseits ein nichtinfektiöses Geschehen, wie z. B. eine aseptische Lockerung, auszuschließen und zum anderen bei Vorliegen eines Infektes den (die) richtigen Keim(e) zu ermitteln.

  • Bei der Wahl der Therapie hilft die Anwendung gängiger Klassifikationssysteme.

  • Für den Therapieerfolg entscheidend sind stets das radikale chirurgische Débridement von infektiösem und nekrotischem Gewebe sowie der Wechsel der Implantate. Die operative Therapie wird unterstützt durch eine keimadaptierte antibiotische lokale und/oder systemische Behandlung.