Stressfrakturen sind auf den ersten Blick eng mit dem Thema Leistungssport verknüpft und können sich insbesondere bei Ausdauersportarten (Laufen, Radsport) bzw. Disziplinen, bei denen ein geringes Körpergewicht einen Wettbewerbsvorteil verspricht (z. B. Gymnastik, Klettern, Skispringen), manifestieren. Die Verkürzung auf die reine repetitive mechanische (Über‑)Beanspruchung ansonsten gesunden Knochens bzw. die Betrachtung des Körpergewichts wird der Komplexität der Thematik nicht gerecht; das IOC hat vor beinahe 10 Jahren mit dem Begriff des relativen Energiedefizits im Sport (RED-S) diesem Umstand Rechnung getragen und eine niedrige Energieverfügbarkeit (LEA) infolge von Übertraining und negativer Kalorienbilanz als Ursache negativer Folgen für unterschiedliche Organsysteme und Stoffwechselprozesse identifiziert [1,2,3]. Die Brisanz der Thematik ist nicht nur auf den Spitzensport limitiert, sondern hat auch Gültigkeit für den ambitionierten Amateursport [4]. In der Öffentlichkeit hat im Juli 2023 der Rücktritt von Eugen Burtscher, dem Präsidenten der medizinischen Kommission der International Federation of Sport Climbing (IFSC) und des Teamarztes des deutschen Kletternationalteams, Volker Schöffl, aufgrund der Untätigkeit der IFSC in Sachen Red‑S besondere Aufmerksamkeit in der Tagespresse und den Internetmedien erfahren.

Fokussiert auf das Thema Stressfrakturen fällt auf, dass es in der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur keine einheitliche Terminologie gibt [5]. Unter den atraumatischen Frakturen sollten die eigentlichen Stressfrakturen von den pathologischen Frakturen und den atypischen Femurfrakturen abgegrenzt und schließlich die Ermüdungsfrakturen von den Insuffizienzfrakturen (im angloamerikanischen Raum „fragility fractures“), wo sich die Fraktur an einem vorgeschädigten und geschwächten Knochen manifestiert, unterschieden werden [5]. Ganz entscheidend ist für den klinischen Verlauf, dass die individuelle Anamnese und moderne Bildgebung eine frühzeitige Diagnosestellung und die umgehende Einleitung therapeutischer Maßnahmen erlauben. Die heute etablierte und validierte MRT-gestützte Klassifikation nach Fredericson [6] kann – ergänzt um moderne CT-ähnliche Bone-MR-Sequenzen – neben intramedullären Signalalterationen Aufschluss über kortikale und spongiöse Knochenstrukturen geben und bietet somit die Möglichkeit, zur Diagnosesicherung auf eine additive CT-Untersuchung verzichten zu können [5]. Eine frühzeitige Diagnosestellung kann den Krankheitsprozess abkürzen und die entsprechenden Ausfallzeiten reduzieren helfen.

Eine einheitliche Terminologie für Stressfrakturen fehlt in der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur

Darüber hinaus stellt die Prävention von Stressfrakturen einen ganz wesentlichen Baustein dar: Gerade im militärischen Bereich, wo mit den Marschfrakturen die klinische Relevanz von Stressfrakturen schon vor Jahrzehnten eindrücklich vor Augen geführt wurde, konnte gerade in Israel, einem Land mit einer der höchsten Inzidenzen von Stressfrakturen, anhand eines multimodalen Ansatzes, der neben Anpassung der Trainingsbelastung, einem geänderten Schlafregime und einer Verbesserung der Wahrnehmung binnen eines 25-Jahres-Zeitraumes die Inzidenz von Stressfrakturen bei aktiven Soldaten um mehr als 60 % vermindert werden [7]. Somit stellt das Thema Stressfrakturen je nach Patientenalter, Belastungsumfeld und Begleiterkrankungen heute nach wie vor eine diagnostische und therapeutische Herausforderung dar, die eines interdisziplinären Ansatzes bedarf.