Rationale einer umfassenden Biomarkeranalytik

Lungenkrebs zählt zu den häufigsten bösartigen Erkrankungen des Menschen und wird immer noch in den meisten Fällen in fortgeschrittenen, nicht heilbaren Stadien diagnostiziert [1, 2]. Daher sind Lungenkrebserkrankungen nach wie vor die häufigste Krebstodesursache weltweit [3]. Im Verlauf der Erkrankung treten tumorzellhaltige, seröse Körperhöhlenergüsse sehr häufig auf, meistens in Form maligner Pleuraergüsse [4]. Dies trifft insbesondere für die fortgeschrittenen Tumorstadien zu, die eine umfassende Biomarkeranalytik erfordern, wie sie in optimaler Weise in den Zentren des nationalen Netzwerkes Genomische Medizin (nNGM) durchgeführt wird [5]. In diesen Zentren ist neben der umfassenden Diagnostik auch eine optimale Interpretation selbst seltener molekularer Befunde mit validierten Therapieempfehlungen gesichert [6].

Die Effektivität dieser interdisziplinären Forschung wurde wiederholt in retrospektiven Analysen gezeigt [7,8,9] und wird derzeit im DigiNET-Projekt des Innovationsfonds in Zusammenarbeit zwischen dem nNGM, den kooperierenden Krankenhäusern und dem BNHO (Bund der Niedergelassenen Hämatoonkologen) prospektiv und quantitativ erfasst und validiert.

Fortgeschrittene Tumorstadien erfordern eine umfassende Biomarkeranalytik

Die umfassende Biomarkeranalytik zur Prüfung aller zielgerichteten Therapien mittels Suche nach onkogenen Treibermutationen sowie Immun‑/Chemotherapien stellt neben dem raschen und umfassenden Staging eine Herausforderung in der Diagnostik fortgeschrittener Lungenkrebserkrankungen dar, zumal hier häufig ein rascher Therapiedruck besteht. Sogenannte „targeted drugs“ – in Europa durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) für die Erstlinientherapie von nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC) zugelassen – sind verfügbar für genomische Alterationen in EGFR (epidermaler Wachstumsfaktor), das Protoonkogen BRAF, für ALK (anaplastische Lymphoma-Kinase), ROS1 (c-ros Onkogen-1), RET („rearranged during transfection“) und für die Gene NTRK1, 2, 3 (neurotrophe Tyrosin-Rezeptor-Kinasen‑1, -2 und -3). Weitere für Zweitlinientherapien zugelassene oder Emerging-Therapien stehen zur Verfügung für genomische Alterationen in KRASG12C (Kirsten-ras-sarcoma-Onkogen), c‑MET (mesenchymal-epithelialer Transitionsfaktor), EGFRexon20 oder HER2 (humaner epidermaler Wachstumsfaktorrezeptor 2)-Insertionen, NRG1 (Neuregulin-1) und FGFR1, 2, 3 (Fibroblastenwachstumsfaktoren‑1, -2- und -3). Dabei ist zu bedenken, dass neben der Vielzahl der molekularen Biomarker auch unterschiedliche Typen genetischer Aktivierung vorliegen können, etwa bei c‑MET neben Mutationen auch Genfusionen und Genamplifikationen, für die häufig unterschiedliche diagnostische Methoden optimiert wurden. Für die Entscheidung von Immuntherapien, Immun‑/Chemotherapien mit und ohne Kombination mit VEGF(„vascular endothelial growth factor“)-Inhibitoren sind weitere Untersuchungen mittels immunhistochemischer Techniken und Scoring-Systeme von PD-L1 („programmed death-ligand 1“) an Tumor- oder Immunzellen etabliert worden. Daher sind in den nNGM-Zentren „standard operation procedures“ (SOPs) erarbeitet worden, die Umfang und Ablauf der Biomarkerdiagnostik festlegen und den Pathologen zu einem sparsamen und optimalen Umgang mit histologischen wie auch zytologischen Materialien zwingen.

Eine summarische Übersicht der Biomarkerdiagnostik, die sowohl für histologische wie auch zytologische Proben durchgeführt werden muss, ist in Abb. 1 zusammenfassend dargestellt.

Abb. 1
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Übersicht über die notwendigen Biomarkeranalysen zur Auswahl zugelassener zielgerichteter Therapien und Immuntherapien beim NSCLC. Dargestellt sind Teststrategien für Adenokarzinome und Adenosquamöse Karzinome (links) und für Plattenepithelkarzinome. PD‑L1 programmed death-ligand 1, NGS Next-Generation-Sequenzierung, IHC Immunhistochemie, FiSH Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung

Aufarbeitung zytologischer Proben aus Ergüssen und Punktaten

Nach Punktion eines Körperhöhlenergusses sollte das gewonnene Material frisch und ohne jegliche Zusätze so rasch wie möglich ins Labor zur Verarbeitung kommen. Hierfür sollte ein Probenvolumen von mehr als 75 ml eingesandt werden. Bei kleinen Flüssigkeitsvolumina ist die Wahrscheinlichkeit, einen malignen Prozess zu erfassen, geringer als bei Proben von 75 ml oder mehr. Falls eine Probe von weniger als 75 ml einen benignen Befund ergibt, ist ein Kommentar sinnvoll, dass die Aussagekraft der Probe hinsichtlich der Erkennung von malignen Zellen durch das kleine Probenvolumen eingeschränkt ist [10].

Das Probenvolumen sollte mehr als 75 ml betragen

Ergussflüssigkeiten werden durch Zentrifugation angereichert. Je nach Zellgehalt benutzt man hierfür eine einfache Laborzentrifuge oder eine Zytozentrifuge. Das Sediment, das durch Zentrifugation entsteht, kann direkt ausgestrichen werden. Zusätzlich ist es sinnvoll, aus Gerinnseln oder Sediment einen Zellblock nach dem „Gautinger Protokoll“ herzustellen [11]. Als Standardfärbungen sind für Ausstriche und Zytospins Hämatoxylin und Eosin (HE), May-Grünwald-Giemsa (MGG) oder Papanicolaou (PAP) üblich. Am Zellblock werden üblicherweise HE- und PAS(„periodic acid–Schiff reaction“)-Präparate angefertigt. Insbesondere bei Verwendung von Zellblockpräparaten ist eine standardisierte PD-L1-Immundiagnostik mit vergleichbaren Ergebnissen zu den immunhistochemischen Färbungen an Gewebeschnitten möglich [12, 13].

Auch bei Gewinnung von histologischen Proben oder „Minihistologien“ durch Feinnadelaspirationen empfehlen wir in jedem Fall die Anfertigung von Ausstrichpräparaten aus den Punktionsnadeln. Unsere eigene Erfahrung hat gezeigt, dass in nicht seltenen Fällen maligne Befunde jeweils nur in den histologischen oder den zytologischen Probenanteilen vorliegen können. Wir empfehlen pro Probe jeweils 4 Ausstrichpräparate anzufertigen, wovon eine sofort in 96 %iger Ethanollösung fixiert wird und die anderen 3 luftgetrocknet übersandt werden. Zur weiteren Verarbeitung für molekulare Untersuchungen sind die sorgfältige mikroskopische Untersuchung, Markierung der tumorzellhaltigen Areale und Abschätzung des prozentualen Tumorzellgehaltes notwendig. Exemplarisch verweisen wir hier auf unsere eigene, detaillierte Publikation ([1]; Abb. 2).

Abb. 2
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Markierung geeigneter Bereiche für die DNA(Desoxyribonukleinsäure)-Extraktion (Bereich A) oder FISH(Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung)-Analyse (Bereich B) durch einen Zytopathologen. a Sedimentausstrich eines Lungenadenokarzinompleuraergusses, MGG(May-Grünwald-Giemsa)-Färbung. Zwei Bereiche sind gekennzeichnet, Bereich A für die DNA-Extraktion und parallele Sequenzierung, Bereich B für die FISH-Analyse. b Bereich A: dichte Tumorzellhaufen, geeignet für DNA-Extraktion und parallele Sequenzierung; Bereich B: flache Schichten von Tumorzellen, geeignet für die FISH-Analyse. (Aus [1]; mit freundl. Genehmigung © J. Fassunke et al., CC BY 4.0 [http://creativecommons.org/licenses/by/4.0])

Molekulare Analytik an zytologischen Präparaten

Immunzytologie und -histochemie

Um molekular gerichtete Therapien für die Erstlinientherapie effizient auszuwählen, empfiehlt es sich, für die Marker PD-L1, EGFR, BRAF V600E, ALK, ROS1 und NTRK1, 2, 3 eine sog. Fast-track-Diagnostik aufzubauen. Hierfür stehen für EGFR Verfahren der Melting-point-Analyse und Fragmentlängenbestimmung zur Verfügung, alle anderen Marker können mit Antikörperfärbungen vorgescreent bzw. definitiv bestimmt werden. Somit sollte die Fast-track-Analytik nach maximal 3 Arbeitstagen nach Mikroskopie der zytologischen Präparate vorliegen. Voraussetzung ist jedoch, dass in Zusammenarbeit zwischen Zytologe und Molekularbiologe sichergestellt werden kann, dass nach Einleiten der Fast-track-Analytik noch genügend Desoxyribonukleinsäure (DNA) und Ribonukleinsäure (RNA) für die definitive NGS(„next generation sequencing“)-Analytik zur Verfügung stehen.

Die International Association for the Study of Lung Cancer (IASLC) hat vor Kurzem Regeln für eine sparsame immunhistochemische Analytik publiziert [14]. Für die Bestimmung eines Adenokarzinoms ist die TTF1-Färbung, für ein Plattenepithelkarzinom die p40-Färbung nur dann notwendig, wenn keine eindeutige glanduläre oder plattenepitheliale Differenzierung in der Mikroskopie vorliegt, bei Verdacht auf eine neuroendokrine Differenzierung eine CD56- und Ki67-Färbung, zusätzlich bei kleinzelligen Karzinomen dann eine panCK(Panzytokeratin)-Färbung. Bei Verdacht auf Karzinoidtumoren führen wir zusätzlich eine Chromogranin-Färbung durch, ggf. auch eine Bestimmung von Somatostatinrezeptoren. Wichtig ist, dass Zytokeratin-Färbungen zur Differenzierung zwischen Adenokarzinomen und Plattenepithelkarzinomen keine Rolle spielen. Neben dem Nachteil des unnötigen Verbrauchs von Zell- und Schnittmaterial besteht auch die Gefahr der Verwirrung, da Zytokeratin 7 häufig auch in Plattenepithelkarzinomen koexprimiert wird und vice versa Zytokeratin 5 in Adenokarzinomen. Die Durchführung einer Panzytokeratin-Färbung im kleinzelligen Lungenkarzinom vermeidet schwerwiegende Fehldiagnosen bei anderen hochproliferativen klein-blau-rundzelligen Malignomen (wie z. B. embryonalen Sarkomen oder Lymphomen).

Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung an zytologischen Präparaten

Zur FISH(Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung)-Analyse müssen mindestens 100 maligne Zellen ausgewertet werden, die in den Präparaten gut ausgebreitet und ohne Kernüberlappungen vorliegen müssen (s. Abb. 2). Auch eine klare Abgrenzung der Kerne von gutartigen Zellen ohne Überlappung muss möglich sein. Gegenüber histologischen Schnittpräparaten sind Zytopräparate für FISH-Untersuchungen besonders geeignet, da die Zellkerne in aller Regel intakt und vollständig ohne Schnittartefakte vorliegen. Dafür kann die Evakuierung der Zellen in der Zytodiagnostik schwieriger sein, da die vollständigen Zellkerne dreidimensional filigran durchfokussiert werden müssen; einzelne FISH-Signale können durchaus in unterschiedlichen mikroskopischen Ebenen eines einzelnen Zellkerns liegen. Dieses diagnostische Vorgehen kann auch für den erfahrenen Zytopathologen zeitlich aufwendig sein, ist aber extrem materialsparend, da auf einem Objektträger mehrere FISH-Analysen parallel hybridisiert werden können. Hierzu ist es notwendig, die einzelnen Hybridisierungsareale mit einem Diamantkratzer zu umfahren, um so Übertreten der Sonden in die anderen Areale zu vermeiden. Auch sollte darauf geachtet werden, dass die Hybridisierungsregionen bei mehreren Ansätzen auf einem einzelnen Slide weit genug auseinanderliegen und die Sonden eine ähnliche Hybridisierungstemperatur und -kinetik besitzen.

FISH-Analysen sind extrem materialsparend

Ein besonderes Problem von zytologischen Ausstrichpräparaten stellen residuelle Farbstoffe aus den diagnostischen Färbungen dar, die in der Vorbehandlung für die Hybridisierung nicht vollständig entfernt werden können. Solche Farbreste können einen sehr starken Hintergrund durch Autofluoreszenz hervorrufen und die genspezifischen Signale so stark überstrahlen, dass eine Auswertung nicht mehr möglich ist.

Desoxyribonukleinsäure- und Ribonukleinsäure-Extraktion sowie Next-Generation-Sequenzierung

Für die Extraktion von Nukleinsäuren und nachfolgende Polymerasekettenreaktion(PCR)-basierte Analytik sind mindestens 100 maligne Zellen erforderlich, die möglichst angereichert vorliegend sollten (Abb. 2). Das bedeutet, dass Areale vorher mikroskopisch ausgewählt und markiert werden, die so wenig wie möglich mit normalen Epithelien oder Entzündungszellen durchmischt sind. Der Tumorzellgehalt für die NGS-Sequenzierungen sollte 10 % nicht unterschreiten. Falls andere PCR-basierte Analysemethoden wie etwa Sanger-Sequenzierungen eingesetzt werden, ist die Sensitivität der Mutationsdetektion bereits ab einem Tumorzellgehalt von 20 % oder weniger nicht mehr gewährleistet. Der Tumorzellgehalt sollte vom Zytopathologen dem Molekularpathologen mitgeteilt und dokumentiert werden, damit bei Vorliegen von Mutationen deren Allelfrequenz abgeschätzt werden kann. Insbesondere bei Präparaten mit niedrigerem Tumorzellgehalt ist es wichtig, nicht die ganzen Objektträger zu extrahieren, sondern vielmehr durch Markierungen tumorzellreiche Areale anzureichern. Auch Präparate, die mit Deckgläsern oder Film eingedeckelt wurden, eignen sich für die Analytik sehr gut, da diese sich durch Xylol- bzw. Aceton-Vorbehandlung in aller Regel gut lösen lassen. Hierbei ist es aber wichtig, für die Markierung der Tumorzellareale Aceton- und Xylol-resistente Markerstifte zu verwenden.

In aller Regel lohnt es sich, bei Vorliegen genügend zellreicher Präparate parallel eine DNA-basierte Hybrid-capture-NGS zur Detektion von Mutationen oder kleinerer „Indels“ durchzuführen und gleichzeitig eine RNA-basierte NGS zur Detektion von Genfusionen. Es hat sich gezeigt, dass die alleinige DNA-NGS-Diagnostik in der Detektion von Genfusionen nicht ausreichend sensitiv ist und manche komplexen Fusionen gar nicht detektiert [15]. Die Bestimmung von Genamplifikationen mittels NGS erfordert eine sehr sorgfältige Standardisierung und liefert im Vergleich zu FISH-Analysen durchaus unterschiedliche (häufig niedrigere) Werte, da die Tumorzellen zu einem gewissen Grad immer auch durch Normalzellen ausgedünnt vorliegen.

Fazit für die Praxis

  • Zytologische Präparate sind nicht nur wichtige Mittel zur Diagnostik der unterschiedlichen NSCLC(nichtkleinzelliges Lungenkarzinom)-Typen sondern eignen sich auch hervorragend für alle erforderlichen Techniken einer umfassenden immunzytologischen und molekulargenetischen Biomarkeranalytik.

  • Hierfür sind der sparsame und sorgfältige Umgang des Zytopathologen mit zytologischen Asservaten notwendig sowie gleichzeitig eine quantitativ und qualitativ ausreichende Zellasservierung.

  • Wir empfehlen, diese Biomarkeranalytik interdisziplinär in den Zentren des nationalen Netzwerkes Genomische Medizin mit validierten und qualitätsgesicherten Methoden durchführen zu lassen.

  • Zytologische Präparate weisen hierfür sogar Vorteile auf; durch Entfallen der Deparaffinierung von Gewebeschnitten und Entfernen der Formalinartefakte ist der zeitliche Ablauf bei Zytologien schneller, in der FISH(Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung)-Analytik besteht das Problem nur partiell angeschnittener Zellkerne nicht.

  • Häufig ist die Gewinnung zytologischer Präparate aus serösen Ergüssen oder mittels Feinnadelaspiraten auch für den Patienten relativ schonend möglich.