Wundheilungsstörungen, eine phasengerechte Behandlung und aufwendige Verbandwechsel sind Herausforderungen der modernen Wundversorgung. Abhängig von der Wundphase kommen dabei zumeist verschiedene Präparate zur Anwendung, oft in Kombination. Behandlungsoptionen, welche die erforderlichen Maßnahmen der feuchten Wundbehandlung und des Débridements unterstützen, erleichtern dabei die Wundversorgung. Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH-Region) diskutierten hierzu ihre klinischen Erfahrungen und stellen den erarbeiteten Konsensus zu aktuellen Wundbehandlungsoptionen vor.

Herausforderungen in der modernen Wundversorgung

Die Versorgung schlecht heilender Wunden und die Behandlung einzelner Wundphasen sind im modernen Wundmanagement nach wie vor eine große Herausforderung. Chronische Wunden sind gemäß der aktuellen S3-Leitlinie zur Behandlung chronischer Wunden definiert als „… […] Integritätsverlust der Haut und einer oder mehrerer darunter liegenden Strukturen mit einer fehlenden Abheilung innerhalb von acht Wochen. […]“ [8]. Sie sind durch einen verzögerten oder unterbrochenen Heilungsverlauf charakterisiert und aus medizinischer und pflegerischer Perspektive anspruchsvoll. Erforderlich sind optimal an den Wundzustand angepasste Therapiemaßnahmen [17].

Das TIME-Konzept ist ein möglicher systematischer Ansatz zur Wundbetttherapie [12]. Es umfasst 4 Komponenten:

  • Gewebemanagement („tissue management“),

  • Entzündungs- und Infektionskontrolle („inflammation and infection control“),

  • Feuchtigkeitsgleichgewicht („moisture balance“) und

  • Förderung der Re-Epithelisierung („epithelial [edge] advancement“).

Im klinischen Alltag müssen meist mehrere Therapieaspekte berücksichtigt werden. Produkte, die mehrere TIME-Komponenten zugleich abdecken, erleichtern dabei die Wundversorgung [17]. Viele Wundauflagen kommen allerdings nur in einzelnen Wundphasen zur Anwendung, oftmals muss auf eine Kombination aus verschiedenen Produkten zurückgegriffen werden, um mehrere Wundheilungsphasen abzudecken. Des Weiteren sind zu vielen Versorgungsprodukten genaue Kenntnisse über deren Handhabung erforderlich, was die Anwendung gerade in der häuslichen Pflege erschwert. Dies hat eine fortlaufende Neuausrichtung der Auswahl an Produkten und Behandlungsmethoden – u. a. Verbandwechsel mit hohem Aufwand – zur Folge.

Feuchte Wundbehandlung

Die feuchte Wundbehandlung ist ein wichtiger Bestandteil der modernen Wundversorgung. So zeigte Winter 1962 im Tiermodell, dass eine trockene Verkrustung auf Wunden die Epithelisierung beeinträchtigt und zur Narbenbildung führt [35]. In menschlichen Wunden wiesen Hinman und Maibach [18] 1963 nach, dass ein feuchtes Milieu über die verschiedenen Phasen der Wundheilung hinweg die Heilung fördert. Im Vergleich zu trockenen Wunden waren eine signifikant schnellere Epithelisierung und eine schnellere Bildung von neuem Bindegewebe zu beobachten. Das Prinzip der feuchten Wundbehandlung hat sich über die letzten Jahrzehnte als wirksam erwiesen und Eingang in evidenzbasierte Leitlinien u. a. zur Behandlung des diabetischen Fußsyndroms (DFS) oder Ulcus cruris gefunden [8]. Es ist somit Standard in der Therapie chronischer Wunden.

Um ein feuchtes Milieu aufrechtzuerhalten, wird die gereinigte Wunde mit Wundauflagen abgedeckt. Von den derzeit mehr als 1000 auf dem Markt angebotenen Auflagen sind jedoch nicht alle gleichermaßen gut für jede Wunde geeignet [9]. Je nach Wundphase, Exsudatmenge und Wundtiefe sind verschiedene Präparate indiziert, viele eignen sich nur für nichtinfizierte Wunden. Des Weiteren ist das Risiko einer Kontaktallergie bei chronischen Wunden erhöht.

Bedeutung des Débridements

Ein kontinuierliches Débridement ist notwendig zur Vorbereitung des Wundbettes. Im Gegensatz zur Wundsäuberung, die als Entfernung von Verschmutzungen definiert ist, bezeichnet es gemäß Definition der European Wound Management Association die tiefgreifende Entfernung von Wundbelägen von Wundgrund und Wundrändern [30]. Abhängig von der Wundart gibt es verschiedene Möglichkeiten des Débridements. Häufig wird das mechanische Débridement eingesetzt, da es den geringsten Zeitaufwand erfordert. Hierbei wird mit Wundauflagen abgestorbenes Gewebe aus dem Wundgrund entfernt, ohne gesundes Gewebe zu schädigen. Je nach Auflage kann dies jedoch für den Patienten schmerzhaft sein [30]. Es ist außerdem ungeeignet bei hartem nekrotischem Gewebe und Schorf. Autolytisches und enzymatisches Débridement haben die Vorteile einer einfachen Anwendung ohne Schädigung gesunden Gewebes, seltenen Verbandwechseln und seltenen Schmerzen. Der Nachteil liegt in einem erhöhten Allergie- und Entzündungsrisiko. Zudem sind diese Verfahren nur für bestimmte Wunden geeignet und können zeitaufwendig sein. Ein absorbierendes Débridement ist einfach in der Durchführung und für ein breites Wundspektrum indiziert. Hier besteht jedoch ebenfalls die Gefahr einer Kontaktsensibilisierung und Schmerzentwicklung beim Verbandwechsel. Für das biologische Débridement mit Maden ist nicht jede Wunde geeignet, häufig ist es mit Schmerzen verbunden. Mit einem scharfen oder chirurgischen Débridement werden invasiv feste Beläge entfernt. Aufgrund der Gefahr einer Gewebeschädigung ist es jedoch nur indiziert, wenn andere Methoden unwirksam sind [30]. Deshalb sollten moderne Wundauflagen nicht nur das feuchte Wundheilungsmilieu aufrechterhalten, sondern ebenso ein kontinuierliches Débridement ermöglichen. Weiterhin sollten sie die Mazeration von Wundrand und Umgebung vermindern und nicht zytotoxisch wirken.

Seit 2003 sind u. a. Enzym-Alginogele auf dem Markt zur Wundbehandlung verfügbar. Nachdem mittlerweile ausreichend Erfahrungen mit dieser Produktklasse in der klinischen Praxis vorliegen und ein positiver Effekt insbesondere auf das Débridement berichtet wurde, diskutierte ein Expertengremium die Erfahrungen sowie die Vor- und Nachteile des Einsatzes von Enzym-Alginogelen in der Wundbehandlung.

Enzym-Alginogele

Enzym-Alginogele bestehen aus einer Kombination von hydratisiertem Alginat, Polyethylenglycol (PEG) und einem antimikrobiellen Enzymsystem aus Glucose-Oxidase und Lactoperoxidase, stabilisiert durch Guaiacol [3, 34].

Zusammensetzung

Polyethylenglycol und Wasser.

Im Wundbett sorgen PEG und Wasser für ein feuchtes Wundmilieu. Beschädigtes Gewebe wird gelöst und Wundexsudat absorbiert. Dieser Prozess fördert das autolytische Débridement.

Alginatpolymer.

Das Alginatpolymer bildet in Gegenwart des überschüssigen Exsudates ein feuchtes Gel, indem es gelöste Stoffe absorbiert und in die Gelstruktur einbindet. Das auf dem Wundbett verbleibende Alginogel erzeugt ein feuchtes Wundmilieu [3, 34].

Enzymkomplex.

Die Glucose-Oxidase (GO) oxidiert das C1-Atom der Glukose. Es ist u. a. in Honig zu finden und führt dort durch enzymatischen Glukoseabbau zur Entstehung von Wasserstoffperoxid (H2O2) [34]. Die Lactoperoxidase (LP) katalysiert die Oxidation von Phenolen und verschiedenen Anionen durch H2O2. Sie kommt u. a. in Milch vor und besitzt antimikrobielle Aktivität [2]. Diese natürlich vorkommenden Enzyme weisen eine hohe Biokompatibilität und damit ein sehr geringes Allergierisiko auf. Guaiacol (2-Methoxyphenol) stabilisiert das Enzymsystem und dient den Peroxidasen als Substrat. Hinweise belegen, dass es die Wirksamkeit der Enzyme verbessert [5, 26, 32].

GO und LP sind pH-abhängige Enzyme mit Optima bei ca. 6,5 bzw. 5,3. Das Milieu in chronischen Wunden variiert dagegen innerhalb der Wunde sowie über die Zeit und liegt mit einem Mittelwert von 7,4 meist im alkalischen Bereich [10, 14]. Um die Wirksamkeit des Lactoperoxidase-Systems (LPS) für die Anwendung in chronischen Wunden zu überprüfen, wurde die Enzymaktivität auf unterschiedlich zusammengesetzten Biofilmen bei einem pH-Wert von 7,3 in einem Puffersystem mit und ohne Guaiacol getestet. Hier zeigte sich eindeutig, dass die Aktivität ausreicht, um die Entstehung von Biofilmen zu verhindern bzw. bestehende Biofilme zu inhibieren [5].

Wirkmechanismus

Das LPS gehört zu den natürlichen Abwehrmechanismen gegen Pathogene. In Gegenwart von Thiocyanat oder Jod und H2O2 katalysiert die LP freie Radikale und schwach oxidierend wirkende Halogenide. Diese Produkte schädigen die körpereigenen Zellen nicht, dringen jedoch in Bakterien ein. Dort oxidieren sie unspezifisch Membranen und schädigen die DNA, sodass die Bakterien abgetötet oder im Wachstum gehemmt werden [21]. Die GO stellt durch Glukoseoxidation das für die Katalyse benötigte H2O2 zu Verfügung [4, 5].

Der antibakterielle Effekt des LPS wurde für zahlreiche Bakterienstämme sowie für Biofilme beschrieben [2, 5, 21]. Er ist jedoch nicht selektiv für Pathogene, sondern greift auch das erwünschte Mikrobiom an. Allerdings sind chronische Wunden häufig von sog. Biofilmen überzogen, die aus Polysacchariden, Proteinen und Lipiden bestehen und mit Pathogenen besiedelt sind. Die Biofilme schützen Pathogene vor dem Immunsystem und hemmen die Wundheilung [20]. Weiterhin sind einige antimikrobielle Substanzen, z. B. Antibiotika, hier nur eingeschränkt wirksam [29].

Das von der GO produzierte H2O2 ist nicht nur Substrat der LP, sondern auch ein starkes unspezifisches Oxidationsmittel, das in hohen Konzentrationen zytotoxisch wirkt. Deshalb ist ein Gleichgewicht zwischen Oxidanzien und antioxidativen Mechanismen der Zellen Voraussetzung für eine positive Wirkung. Im LPS wird dies durch die LP-Aktivität reguliert. Auch im Rahmen der physiologischen Wundheilung spielt H2O2 eine Rolle. So zeigten Niethammer et al. [27] im Tiermodel, dass H2O2-Gradienten die Leukozytenrekrutierung zur Wunde beeinflussen. Im Rahmen des sog. „oxidative burst“ wird H2O2 in der inflammatorischen Phase der Wundheilung freigesetzt. Die entstehenden Gradienten dienen der Signaltransduktion, angelockte Zellen initiieren weitere Schritte in der Wundheilung. Während der späteren Proliferationsphase begünstigt H2O2 die Freisetzung von Wachstumsfaktoren, die u. a. zur Neubildung von Gefäßen nötig sind [28].

Evidenz zur Wirksamkeit von Enzym-Alginogelen

In präklinischen In-vitro-Studien konnte die antibakterielle Wirkung der Enzymkombination nachgewiesen werden [5, 7, 33]. Geringe Konzentrationen genügten, um klinisch relevante antibiotikaresistente Bakterienstämme abzutöten, ein zytotoxischer Effekt auf Keratinozyten und Fibroblasten blieb aus.

Klinische Studiendaten

Neben den oben genannten In-vitro-Studien, die eine antibakterielle, nichtzytotoxische Wirkung der Enzym-Alginogele belegen [7, 33], wurde in verschiedenen klinischen Studien zur Therapie akuter und chronischer Wunden die Wirksamkeit von Enzym-Alginogelen untersucht. Bei Patienten mit venösem Ulcus cruris oder mit schweren Handverbrennungen konnte eine signifikant schnellere Wundheilung beobachtet werden, bei Patienten mit Beinulzera wurde auch die Schmerzempfindung deutlich reduziert [22, 23].

Hoeksema et al. [19] publizierten 2011 die Ergebnisse einer retrospektiven Studie von Patienten mit Verbrennungen unterschiedlicher Schweregrade. Sowohl bei oberflächlichen als auch tiefen Verbrennungen 2. Grades führte die Behandlung mit Enzym-Alginogelen im Vergleich zu Silbersulfadiazin 1 % Creme zu einem signifikant schnelleren Heilungsverlauf (p = 0,013 und p = 0,04). Zusätzliche Wundbehandlungen waren unter Therapie mit Enzym-Alginogelen nicht erforderlich.

In einer weiteren Studie von Durante et al. [11] wurden akute sowie chronische Wunden mit Enzym-Alginogelen behandelt, um im Rahmen eines Standardbehandlungsprotokolls Exsudat und Keimbelastung zu kontrollieren. Das Präparat wurde in Kombination mit Sekundärverbandstoffen wie Schaumstoffverbänden (stark exsudierende Wunden) und Trockenverbänden (leicht bis mäßig exsudierende Wunden) in 1‑ bis 4‑tägigen Verbandwechselintervallen bzw. nach klinischer Notwendigkeit angewendet. Zur Beurteilung der Wirksamkeit der Enzym-Alginogele wurden Wundschmerzen, Oberfläche und Volumen der Wunde sowie Exsudatmenge und das Wundgewebe regelmäßig kontrolliert. Es zeigte sich, dass die Größe aller behandelten Wunden signifikant vermindert werden konnte (p ≤ 0,001) [11]. Dieser Effekt wurde sowohl bei akuten als auch chronischen Wunden (vorherige Behandlung >12 Wochen) beobachtet. Anhand der visuellen Analogskala wurde zudem nachgewiesen, dass die Wundschmerzen im Verlauf der Therapie in jeder Patientengruppe abnahmen [11].

In einer weiteren randomisierten Studie von De La Brassinne et al. [6] wurden Beinulzera entweder mit Enzym-Alginogelen oder mit einem Hydrogel behandelt und Wundgröße sowie -volumen in Wochenabständen gemessen. In beiden Behandlungsmodi zeigte sich eine Reduktion der gemessenen Parameter: Die Größe war bei den mit Enzym-Alginogelen behandelten Wunden nach 2 und 4 Wochen signifikant reduziert (p < 0,01), nach 4 Wochen betrug sie 63 % im Vergleich zu 19 % bei den mit dem Hydrogel behandelten Wunden (p < 0,01). Auch war das Volumen signifikant reduziert (Woche 1 und 2: p < 0,001; Woche 4: p = 0,02). Die Gesamtvolumenreduktion betrug 80 % bei den mit Enzym-Alginogelen behandelten Wunden gegenüber 41 % im Fall der mit dem Hydrogel behandelten Wunden.

Der molekulare Wirkmechanismus der Enzym-Alginogele auf den Prozess der Wundheilung ist, wie bereits erläutert, nicht vollständig geklärt. Es konnte jedoch in einer vergleichenden klinischen Studie anhand einer Stichprobe gezeigt werden, dass mit Enzym-Alginogelen behandelte Wunden eine deutlich höhere Granulation aufwiesen als Wunden, die mit den gleichen Wundauflagen, jedoch ohne Enzym-Alginogele behandelt wurden [16, 25]. Dies könnte auf eine Hochregulierung von Angiogenese-fördernden Faktoren, wie z. B. Angiogenin und „transforming growth factor β1“, durch die Enzym-Alginogele zurückzuführen sein [16]. Zudem wurde ein positiver Effekt auf das Gleichgewicht bestimmter Metalloproteasen und deren Inhibitoren festgestellt [15, 24, 31]. Um im Detail zu klären, welcher Wirkmechanismus den positiven Eigenschaften der Enzym-Alginogele auf die Wundheilung zugrunde liegt, sind weitere Studien nötig.

Evidenz aus Fallstudien

Fallstudien aus verschiedenen Ländern (DACH-Region, Niederlande, Italien, Tschechien, Australien) bestätigen die Ergebnisse der klinischen Studien [3, 17]. Ein Ansprechen der Wunden und ein Rückgang von Wundbelägen war häufig innerhalb von 4 Behandlungswochen festzustellen, oftmals verbunden mit einer Schmerzverminderung. Das Débridement wurde vereinfacht, da sich Wundbeläge leicht ablösen ließen. Die positive Wirkung von Enzym-Alginogelen auf schwer heilende, infizierte Wunden war dabei eine klinische Beobachtung, der Nachweis einer antimikrobiellen Aktivität bleibt präklinischen Studien vorbehalten [7]. Auch zur Beurteilung des Débridements und zum Aufrechterhalten des feuchten Wundmilieus anhand von standardisierten Parametern sind weitere Studien notwendig.

Die Erfahrungen haben ferner gezeigt, dass die Anwendung einfach ist und die Möglichkeit besteht, auf teure Sekundärverbandstoffe zu verzichten und die Wunde nur mit einer einfachen Wundauflage abzudecken. Enzym-Alginogele können aber auch flexibel mit Sekundärverbänden kombiniert werden. Die Abb. 1 zeigt beispielhaft einige Wunden vor und nach Enzym-Alginogel-Behandlung (persönliche Mitteilung Frau Stern, Bocholt, und Herr Läuchli, Zürich).

Abb. 1
figure 1

Behandlung verschiedener Wunden mit Enzym-Alginogelen. a Venös-arterielles Ulcus cruris vor der Behandlung und b nach 2‑wöchiger Behandlung. c Infiziertes Hämatom nach Sturz: Wunde vor Behandlungsbeginn und d nach 1‑wöchiger Behandlung. e Ulcus cruris venosum vor der Behandlung und f nach 18-tägiger Behandlung

Indikation

Enzym-Alginogele sind sowohl für leicht bis mäßig als auch für mäßig bis stark exsudierende Wunden unterschiedlicher Ätiologie geeignet. Dazu zählen neben Ulcus cruris, Dekubitalulzera und Verbrennungen auch onkologische Wunden.

Konsens des Expertengremiums

Klinische Positionierung und Behandlungsalgorithmus

Gemäß klinischen Erfahrungen decken Enzym-Alginogele ein breites Indikationsspektrum ab. Die Behandlung führte sowohl bei akuten als auch bei chronischen Wunden zu einem Fortschritt in der Wundheilung. Dennoch sind unterstützende Maßnahmen wie Wundreinigung und Débridement sowie die phasengerechte Behandlung entsprechend den klinischen Erfordernissen keinesfalls außer Acht zu lassen.

Eine grafische Darstellung des empfohlenen klinischen Anwendungsalgorithmus zeigt Abb. 2. Enzym-Alginogele eignen sich insbesondere bei akuten sowie chronischen Wunden, die nach 4‑wöchiger Standardtherapie keine Flächenverkleinerung ≥40 % aufweisen. Diese Angabe ist an dem statistisch relevanten Prädiktor für die Heilungswahrscheinlichkeit nach 12 und 24 Wochen für Beinulzera angelehnt [13].

Abb. 2
figure 2

Empfohlener klinischer Anwendungsalgorithmus zu Enzym-Alginogelen

Eine 1‑mal tägliche Anwendung in der ersten Behandlungswoche und ein 2‑ bis 3‑mal wöchentliches Verbandwechselintervall in der darauffolgenden Behandlungsphase hat sich als Behandlungsmodus bewährt. Auch mit einem 2‑mal wöchentlichen Verbandwechselintervall direkt von Behandlungsbeginn an wurden gute Erfahrungen gemacht. Im klinischen Alltag kam es infolge eines größeren Zeitintervalls zwischen den Verbandwechseln zum Eintrocknen von Enzym-Alginogelen auf der Wunde. Dieser sog. „Frosteffekt“ (Abb. 3) hatte dabei keinerlei negative Auswirkungen auf die Wirksamkeit und den Wundheilungsverlauf.

Abb. 3
figure 3

Frosteffekt auf einer Wunde nach längerem Verbandswechselintervall

Über die Behandlungsdauer sollte bei jedem Patienten fallspezifisch entschieden werden. Bei einer klinisch sichtbaren Besserung des Wundzustandes wird eine Fortsetzung der Behandlung empfohlen, eine Evaluierung des Wundzustands sollte in 4‑wöchentlichen Intervallen erfolgen. Bei allergischen Reaktionen, Unverträglichkeiten und/oder der Zunahme von Schmerzen sowie bei ausbleibender klinisch sichtbarer Besserung des Wundzustandes sollte die Therapie abgebrochen werden.

Nutzen im Versorgungsalltag

Anhand der klinischen Erfahrungen wurde der Nutzen der Anwendung von Enzym-Alginogelen in der Wundversorgung im Rahmen des Expertentreffens herausgestellt und beurteilt. Die wichtigsten Aspekte im klinischen Alltag sind ein vereinfachtes kontinuierliches Débridement, optimales Exsudatmanagement, eine einfache Anwendung und flexible Kombination mit Sekundärverbänden, u. a. mit günstigen Materialien sowie eine zeitgerechte Wundheilung durch dreifache Wirkung in einem Produkt. In vielen Fällen kann durch den Einsatz von Enzym-Alginogelen die Kombination mehrerer Produkte vermieden werden. Konsens besteht ferner darin, dass die herausgestellten klinischen Nutzen durchaus medizinökonomisches Potenzial aufweisen. Enzym-Alginogele sind als Verbandmittel im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (gemäß § 31 SGB V) erstattungsfähig.

Mögliche Limitationen für die Anwendung von Enzym-Alginogelen sind:

  • Auftreten allergischer Reaktionen und Unverträglichkeiten,

  • Zunahme von Schmerzen im Verlauf der Behandlung,

  • DFS ab Stadium 3B (Wagner-Armstrong-Klassifizierung [1]; ab diesem Stadium ist eine nicht abheilende Osteitis anzunehmen, die eine Operation und Entlastungstherapie erfordert, der alleinige Einsatz von Wundauflagen ist hier nicht sinnvoll. Nach Teilamputation in Stadium 4 und 5 kann die Versorgung der Operationswunde mit Enzym-Alginogelen jedoch wieder sinnvoll sein),

  • extrem stark exsudative Wunden,

  • infizierte Wunden (die Kombination mit initial verwendeten Antiseptika ist möglich, die Kombination mit antimikrobiellen Wundauflagen ist nicht sinnvoll),

  • Wunden mit extrem alkalischem pH-Wert (die Wirksamkeit der Enzyme kann eingeschränkt sein).

Fazit für die Praxis

  • Enzym-Alginogele unterscheiden sich aufgrund ihrer Wirkstoffkombination und wundphasenübergreifenden Wirkung von anderen Wundheilungsprodukten und können somit in einer eigenen Produktklasse klassifiziert werden.

  • Enzym-Alginogele weisen ein breites Indikationsspektrum auf.

  • Klinische Studiendaten belegen die Wirksamkeit, Studien zu Wirkmechanismus, kontinuierlichem Débridement sowie Feuchtigkeitsmanagement sind jedoch nötig.

  • Der autolytische, absorbierende und antimikrobielle Effekt sowie das vereinfachte Débridement erleichtern die Wundversorgung.

  • Die Behandlung führt häufig zu Schmerzlinderung, verbesserter Lebensqualität und Compliance der Patienten.

  • Die Flexibilität dieser Produktklasse hinsichtlich Anwendungshäufigkeit, Behandlungsdauer und Kombination mit Sekundärverbandstoffen sind weitere Nutzen, die den klinischen Alltag erleichtern und zudem medizinökonomisches Potenzial aufweisen.