Hintergrund

Chirurgie und Strahlentherapie werden in der Medizin schon sehr lange als ineinandergreifendes Therapiekonzept verstanden. Bereits 1969 wurde die Durchführung einer intraoperativen Strahlentherapie (IORT) von Abe aus Kyoto, Japan, erstmalig beschrieben [1, 2, 30] und bald weltweit als Ergänzung der bis zu diesem Zeitpunkt gängigen perioperativen Bestrahlung übernommen. Auch heute findet die IORT besonders in Kombination mit ausgeprägter Maximalchirurgie, perioperativer, perkutaner Bestrahlung und Chemotherapie als Teil eines multidisziplinären Therapiekonzeptes Anwendung [63]. Dabei wird durch die chirurgische Exposition des Tumors und des Tumorbetts eine hohe Präzision gewährleistet, welche es erlaubt, die Strahlendosis im Bereich des Tumors zu erhöhen (Dosiseskalation) und gleichzeitig gesundes Gewebe als den dosislimitierenden Faktor vor Strahlung zu schützen. Somit wird im Sinne einer zielgerichteten Therapie ein hoher therapeutischer Index bei geringen Nebenwirkungen erreicht [59]. Aus diesem Grund bietet die IORT besonders dann einen Vorteil, wenn die lokale Tumorkontrolle das Langzeitüberleben und die Funktionalität entscheidend beeinflusst [18], diese jedoch nicht allein durch eine chirurgische Resektion zu erreichen ist oder eine Strahlendosis erfordert, welche die Strahlentoleranz gesunden Gewebes im Rahmen einer perkutanen Bestrahlung übertreffen würde [59].

Diese Übersichtsarbeit soll eine umfassende und strukturierte Zusammenfassung über die Hauptindikationen der IORT bei intraabdominellen und retroperitonealen Tumoren geben und dabei die aktuelle Studienlage beleuchten.

Techniken

Zur Durchführung einer IORT wird in der Regel ein einziges Strahlenfeld in einer festgelegten Distanz zwischen Strahlenquelle und Zielvolumen genutzt [35]. Die chirurgische Exposition des Zielvolumens (Tumor bzw. Tumorbett) ist der wichtigste Schritt, tumorfreies Gewebe und funktionell relevante Strukturen wie Dünn- und Dickdarm, Gefäße und Nerven vor Strahlung zu schützen. Dabei ist besonders die intraoperative Interaktion und Absprache von Chirurgen und Strahlentherapeuten notwendig, sodass entsprechende Strukturen aus dem Strahlenfeld mobilisiert und durch eine temporäre Tamponade vor der Bestrahlung geschützt werden. Als besonders klinisch relevant und dosislimitierend zu sehen ist die Toxizität an Nerven, insbesondere am Plexus lumbosacralis bei Bestrahlung pelviner Tumoren, am Ureter oder dem Ductus choledochus. Da sich u. a. diese Strukturen in nur sehr geringem Maße mobilisieren lassen, können spezielle Strahlenschutzplatten zwischen zu bestrahlendem und zu schützendem Gewebe eingebracht werden. Diese bestehen in der Regel aus metallabsorbierendem Material wie z. B. Bleib. Entsprechend wurden in experimentellen und klinischen Studien die Strahlentoleranz sowie die Strahlenbelastung gesunden Gewebes trotz Abschirmung beschrieben [27, 83]. Nach entsprechender Mobilisation, Tamponade und ggf. Schutz durch absorbierende Metallplatten können die mobilen Applikatoren so genau wie möglich platziert werden. Diesbezüglich kommen besonders Elektronen (IOERT), Hochdosisleistungbrachytherapie (HDR-IORT) und Röntgenstrahlen (kV-IORT) zum Einsatz.

Über mobile, lineare Beschleuniger (z. B. Novac7, Hitesys SPA, Aprillia, Italien; 7–10 MeV und Mobetron, IntraOp Medical Corporation, Sunnyvale, CA, USA; 4–12 MeV) lassen sich mittels der IOERT im Vergleich zur HDR-IORT oder kV-IORT höhere Eindringtiefen und homogenere Strahlendosen erreichen. Gleichzeitig sind diese Applikatoren jedoch sehr starr, sodass deren Anwendung z. B. im Becken oder in engen Körperhöhlen erschwert ist. Es wird typischerweise ein Energieniveau von 4–12 MeV verwendet. Standard-(Rund‑)Applikatoren haben einen Durchmesser von 3–4 cm bis zu 15 cm und die Strahlenfelder sind (je nach Hersteller) auf einen maximalen Durchmesser von 10–15 cm begrenzt. Die Verschreibung erfolgt typischerweise auf die 90 %-Isodose, wobei 100 % der Dosis dem Dosismaximum entspricht [9, 35, 63].

Die HDR-IORT-Brachytherapie mit Afterloading-Systemen hat den Vorteil eines sehr steilen Gradienten. Die IORT wird mit einem flexiblen Applikator (z. B. Harrison-Anderson-Mick [HAM] oder Freiburger Flab, Elekta AB, Stockholm, Schweden) durchgeführt, was die Anpassung an verschiedenste Oberflächen erlaubt, sodass auch schwierige Lokalisationen gut therapiert werden können. Die Verschreibung erfolgt typischerweise in einer Gewebstiefe von 0,5 cm [18].

Als dritte Methode der IORT ist die kV-IORT (z. B. Intrabeam, Carl Zeiss AG, Deutschland; Papillon, Ariane Medical Systems Limited, Derby DE1 3BY UK; Axxent Electronic Brachytherapy System, Xoft Inc, Fremont, CA, USA) zu nennen. Mittels dieser lässt sich die Strahlendosis über steile Dosisgradienten besonders nahe an dem Zielvolumen applizieren. Zudem werden hauptsächlich sphärische Applikatoren verwendet, die z. B. in der Therapie von Mammakarzinomen Vorteile bringen [63].

Klinische Anwendung

Kolorektales Karzinom

Während die IORT breite klinische Anwendung zur Therapie lokal fortgeschrittener und insbesondere lokal rezidivierender Rektumkarzinome findet und die häufigste Indikation zur IORT in der Viszeralchirurgie darstellt, ist sie im Rahmen eines multidisziplinären Therapiekonzepts bei Kolonkarzinomen nicht etabliert.

Für lokal fortgeschrittene Rektumkarzinome im mittleren und unteren Drittel besteht das gängige Therapiekonzept gemäß Leitlinie aus neoadjuvanter Radiochemotherapie, gefolgt von einer onkologischen Resektion und adjuvanter Chemotherapie. Hierbei nimmt der Resektionsstatus eine zentrale Rolle hinsichtlich lokaler Rezidivraten und Gesamtüberleben ein. In 10 % der Fälle mit tiefer anteriorer Rektumresektion kann jedoch keine R0-Situation erreicht werden [7], sodass besonders diese Patienten von der Durchführung einer IORT profitieren können. Bei primärer Multiviszeralresektion im Becken kann diese Rate noch höher sein.

Die IORT bei primären Rektumkarzinomresektionen wurde bislang nur in zwei randomisiert kontrollierten Studien untersucht [25, 51]. Beide konnten jedoch – auch aufgrund des Studiendesigns – keinen Vorteil hinsichtlich lokaler Rezidivraten und Gesamtüberleben durch die Ergänzung einer IORT zeigen. Neben einer geringen Studienpopulation (n = 44), mit Einschluss von T1- und T2-Tumoren in der Studie von Masaki et al. [51], erfolgte in beiden Untersuchungen keine Patientenstratifizierung anhand der MERCURY-Kriterien, sodass die Mehrzahl der eingeschlossenen Patienten ein niedriges Risiko für eine R1-Situation und somit für ein Rezidiv hatte. Die fehlende Effektivität der IORT als Ergänzung zur präoperativen, perkutanen Radiotherapie und chirurgischen Resektion werten die Autoren als Folge hoher R0-Resektionsraten und der geringen Anzahl eingeschlossener T4-Tumoren (n = 10; 7 %), sodass das lokale Rezidivrisiko insgesamt als gering eingeschätzt werden müsse. Generell scheint es nach den Prinzipien der totalen mesorektalen Exzision (TME) nicht rational zu sein, unselektionierte, R0-resezierte primäre Rektumkarzinome durch eine IORT hinsichtlich der Lokalrezidivrate positiv beeinflussen zu können. Vielmehr muss der Fokus auf Hochrisikopatienten gelegt werden.

Analysiert man nichtrandomisierte Studien, welche sich mit der IORT bei lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen beschäftigen, so ist die Datenlage im Falle kompletter Resektionen ebenfalls nicht eindeutig. Während einige Studien verbesserte Lokalrezidivraten durch IORT auch bei R0-Resektion nachwiesen [65, 81], konnten andere Untersuchungen diesen Vorteil nicht zeigen [28]. Eindeutiger zeigt sich die Studienlage im Falle eines positiven Resektionsrandes (R+-Resektion). Die Durchführung einer IORT verbesserte in dieser Situation nicht nur die Lokalrezidivraten, sondern auch das Gesamtüberleben [28, 39, 46, 72]. Die Ergebnisse selektierter Publikationen sind in Tab. 1 zusammengefasst [25, 28, 39, 45, 46, 51, 52, 65, 72, 73, 77, 81, 92].

Tab. 1 Relevante Studien, welche die IORT bei lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen untersuchten

Ähnlich wie bei primären, lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen ist der Resektionsstatus auch bei Lokalrezidiven dieser Tumorentität entscheidend hinsichtlich der Rerezidivraten und des Gesamtüberlebens der Patienten [10, 23, 34, 68]. Im Falle einer R0-Resektion und konsekutiv durchgeführter IORT können 3‑Jahres-Lokalrezidivraten von 18 % und ein 3‑Jahres-Gesamtüberleben von 80 % erreicht werden. Diese Ergebnisse verschlechtern sich jedoch beim Vorliegen einer R1-Situation mit Lokalrezidivraten von bis zu 59 % und Gesamtüberlebensraten von 37 % [68]. Als Herausforderung stellt sich bei diesen Patienten die im Regelfall vorhandene strahlentherapeutische Vorbehandlung dar, sodass die IORT mittels ihrer Präzision und Minimierung der Strahlenbelastung für gesundes Gewebe eine effektive Möglichkeit darstellt, diese Patienten erneut strahlentherapeutisch zu behandeln. Diesbezüglich konnte der Vorteil der IORT als Ergänzung des multimodalen Therapiekonzeptes durch einige Studien gezeigt werden [82, 88]. So betrug das lokalrezidivfreie 5‑Jahres-Überleben nach R1-Resektion 50 % für Patienten mit IORT vs. 30 % für Patienten ohne IORT [88]. Zudem scheint eine erneute perkutane Bestrahlung der Lokalrezidive die Ergebnisse zu verbessern [10, 38, 68], insbesondere wenn eine R1-Resektion und geringe Wartezeit zwischen präoperativer perkutaner Bestrahlung und Resektion mit IORT vorliegt [38]. Denn durch Wartezeiten von weniger als 7 Wochen zwischen Beendigung der präoperativen perkutanen Bestrahlung und der IORT könne die Repopulation von Tumorzellen in das Strahlenfeld minimiert werden, womit die Autoren das signifikant reduzierte Lokalrezidivrisiko (p = 0,007), besonders für R1-resezierte Patienten, begründen. Die Festlegung der optimalen Zeitspanne zwischen präoperativer und intraoperativer Bestrahlung stellt jedoch eine Herausforderung für Chirurgen und Strahlentherapeuten dar, da in derselben Studie längere Wartezeiten wiederum mit höheren R0-Resektionsraten assoziiert waren [38]. Dies führen die Autoren auf ein nach dieser Zeit erreichtes effektiveres Downstaging des Tumors zurück, sodass eine radikale Resektion erleichtert sei [38, 85].

Studien, welche die Durchführung der IORT bei lokalen Rektumkarzinomrezidiven analysierten, sind in Tab. 2 aufgeführt [10, 23, 34, 38, 48, 68, 82, 88]. Limitierend an diesen Publikationen ist, dass Lokalrezidive je nach Untersuchung unterschiedlich definiert und diagnostiziert wurden und keine Angaben hinsichtlich der Lokalisation der IORT und der daraus resultierenden Effektivität vorhanden sind.

Tab. 2 Relevante Studien, welche die IORT bei Lokalrezidiven eines Rektumkarzinoms untersuchten

Die Effektivität einer Therapie definiert sich nicht nur aus ihrem Nutzen, sondern auch durch relevante Komplikationen und Risiken. In einer Metaanalyse von Mirnezami et al. [55] konnte gezeigt werden, dass die Ergänzung der multimodalen Therapie des lokal fortgeschrittenen bzw. des lokal rezidivierenden Rektumkarzinoms um die IORT einen Vorteil hinsichtlich der 5‑Jahres-Raten lokaler Rezidive, des rezidivfreien Überlebens sowie des Gesamtüberlebens bringt. Zwar treten bei Patienten, welche eine IORT erhalten, mehr Wundkomplikationen auf, dennoch ist die Rate an Gesamtkomplikationen, urologischen Komplikationen und Anastomosenstenosen/-insuffizienzen zwischen den Therapiearmen mit und ohne IORT vergleichbar.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die IORT eine effektive Ergänzung der multimodalen Therapie beim Rektumkarzinom darstellt. Patientenselektion ist jedoch ein entscheidender Faktor, sodass bei primären Rektumkarzinomen die Durchführung einer IORT nur bei Patienten mit R1-Resektion und fehlender Möglichkeit der Nachresektion zu empfehlen ist. Auch für Lokalrezidive gilt der Resektionsstatus als stärkster prognostischer Faktor für die Entwicklung eines lokalen Rerezidivs und somit für die Indikation zur IORT.

Sarkome

Die IORT in der Sarkomtherapie findet sowohl bei Sarkomen der Extremitäten als auch bei intraabdominellen und retroperitonealen Sarkomen Anwendung. Aufgrund der Fokussierung dieses Artikels auf die Indikationen bei intraabdominellen Tumoren wird im Folgenden ausschließlich auf Sarkome in intraabdomineller und retroperitonealer Lokalisation eingegangen.

Aus chirurgisch-technischen und anatomischen Gründen ist bei retroperitonealen Sarkomen trotz radikaler Resektion eine R0-Resektion mit weiten Resektionsrändern manchmal nicht möglich [37, 61, 70]. Dennoch stellt diese einen, wenn nicht den wichtigsten prognostischen Faktor dar [14, 37, 47], sodass mittels IORT als additiver Therapie eine verbesserte lokale Rezidivkontrolle bei knappem Resektionsabstand erreicht werden kann [14, 37, 78].

Die Evidenz der IORT als Teil der multidisziplinären Therapie bei Sarkomen basiert größtenteils auf relativ kleinen retrospektiven Fallserien, welche jedoch hinsichtlich lokaler Rezidivraten und Gesamtüberleben nach IORT vielversprechende Ergebnisse zeigten. Während initiale Studien die IORT häufig kombiniert mit postoperativer, perkutaner Radiatio untersuchten [61], favorisieren aktuellere Studien nach Paradigmenwechsel die Kombination von IORT mit präoperativer, perkutaner Bestrahlung [32, 60, 62, 79]. Der Grund hierfür liegt in der präoperativ präziseren Eingrenzung des Strahlenfeldes, was mit reduzierter Toxizität für die umliegenden Organe einhergeht [63]. In einer prospektiven, klinischen Studie [70], in der Patienten mit primären und rezidivierenden Sarkomen >5 cm zunächst präoperative perkutane Bestrahlung, gefolgt von Resektion mit IORT erhielten, konnte in einer Zwischenanalyse eine 5‑Jahres-Lokalrezidivrate von 28 % erreicht werden.

Relevante Studien sind in Tab. 3 gelistet [6, 32, 40, 60,61,62, 67, 79, 84]. Häufig sind sowohl Patienten mit primären Sarkomen als auch Patienten mit Sarkomrezidiven eingeschlossen. Obwohl die lokale Kontrolle nach Resektion von Sarkomrezidiven häufig schwieriger gelingt [6], können auch diese Patienten mittels multidisziplinärer Therapie inklusive IORT erfolgreich therapiert werden, wie eine spanische Studie zeigt [12]. 103 Patienten mit lokalem Sarkomrezidiv (Sarkome der Extremitäten eingeschlossen) wiesen 5‑Jahres-Lokalrezidivraten, rezidivfreie Überlebensraten und Gesamtüberlebensraten von 27 %, 43 % und 52 % auf.

Tab. 3 Relevante Studien, welche die IORT bei retroperitonealen Sarkomen untersuchten

Als häufigste Risiken nach IORT bei Sarkomen sind gastrointestinale Toxizität, Ureterstenose und Neuropathie beschrieben. Diese treten in ca. 10–35 % der Fälle auf, mit einem erhöhten Risiko bei zunehmender Strahlendosis. Besonders, um den Funktionserhalt wichtiger Nerven (z. B. Nervus femoralis) zu gewährleisten, wird empfohlen, überlappende Strahlenfelder zu vermeiden und die Strahlendosis auf maximal 12 Gy zu beschränken [54, 61, 69].

Magenkarzinom

Die Prognose des Magenkarzinoms ist besonders für Patienten mit fortgeschrittenen Tumorstadien, regionalem Lymphknotenbefall oder Peritonealkarzinose eingeschränkt [3], kann jedoch durch perioperative Chemotherapie signifikant verbessert werden. Vielversprechende Ergebnisse zeigt besonders die Durchführung perioperativer Chemotherapie nach dem FLOT(Docetaxel, Oxaliplatin, Leucovorin und Fluoruracil)-Schema [3, 4], die auch den aktuellen Standard ergänzend zur Resektion eines Magenkarzinoms darstellt. Eine Therapiestrategie, welche besonders in den 1990er-Jahren untersucht und angewendet wurde, ist die IORT, mit dem Ziel lokale Rezidivraten zu minimieren. Nach Studienlage profitierten hierbei besonders Patienten mit Magenkarzinom im Stadium II/III und Lymphknotenbefall [24, 64, 76, 91], wie relevante Publikationen in Tab. 4 zeigen [13, 24, 31, 64, 76, 91]. Eine Metaanalyse konnte die verbesserten Lokalrezidivraten durch die Ergänzung der multimodalen Therapie um die IORT beim Magenkarzinom validieren, zeigte jedoch auch, dass die IORT nur bei Patienten mit einem Magenkarzinom im Stadium III einen Einfluss auf das Überleben hatte [90]. Zudem waren diese Ergebnisse mit dem Grad der durchgeführten Lymphadenektomie vergesellschaftet, sodass hauptsächlich Patienten, welche die IORT kombiniert mit limitierter Lymphadenektomie erhielten, verbesserte Überlebensraten zeigten [17, 64]. Diesbezüglich muss ausdrücklich erwähnt werden, dass die Durchführung einer IORT keine schlecht oder nur begrenzt durchgeführte chirurgische Resektion ersetzt. Auch das Komplikationsprofil nach IORT ist nicht eindeutig; während einige Studien ähnliche Komplikationsraten nach IORT verglichen zur alleinigen Resektion beschrieben [17, 29, 76], zeigten andere erhöhte Morbiditätsraten und Spätkomplikationen nach IORT [24, 91].

Tab. 4 Relevante Studien, welche die IORT bei Magenkarzinomen untersuchten

Obwohl in den aufgeführten Studien gute Ergebnisse hinsichtlich lokaler Rezidivkontrolle durch die IORT erzielt wurden, resultierte dies nicht in einem Überlebensvorteil für alle Patientengruppen. Dies lässt sich womöglich auf das Auftreten von Fernmetastasen zurückführen, sodass systemisch effektivere Therapiestrategien zur Behandlung des Magenkarzinoms notwendig sind und damit die IORT aktuell nicht zur Standardtherapie des Magenkarzinoms gehört.

Pankreaskarzinom

Trotz kurativer Resektion haben Patienten mit Pankreaskarzinom eine sehr eingeschränkte Prognose. Aktuell konnten verbesserte Resektions- und Überlebensraten durch neoadjuvante Therapieregime mit FOLFIRINOX oder Nab-Paclitaxel (± Radiatio) erreicht werden [16, 33, 56]. Da häufig trotz intensiver Vorbehandlung keine R0-Resektion bei lokal fortgeschrittenen oder Borderline-resektablen Pankreaskarzinomen möglich ist, kann die IORT eine gute, additive Therapie darstellen, um trotzdem geringe Lokalrezidivraten zu erreichen. Diese vielversprechenden, neoadjuvanten Therapiestrategien in Verbindung mit der IORT wurden bisher nur durch eine Studie von Keane et al. [43] untersucht. Hierbei wurden 68 Patienten mit Borderline-resektablem oder lokal fortgeschrittenem Pankreaskarzinom eingeschlossen, wovon 41 nach neoadjuvanter Vorbehandlung resektabel waren. Davon wiederum erhielten 22 Patienten aufgrund knapper oder positiver Resektionsränder an diesen und im Tumorbett eine IORT und zeigten mit 35,1 und 21 Monaten ein verbessertes medianes Gesamt- bzw. progressionsfreies Überleben im Vergleich zu Patienten ohne IORT mit einem medianen Gesamt- bzw. progressionsfreiem Überleben von 24,5 und 16,3 Monaten. Jedoch erwies sich die IORT auch bei denjenigen Patienten, die irresektabel waren und nur eine IORT des Tumors sowie eine Gastrojejunostomie erhielten, mit einem medianen Gesamtüberleben von 24,8 Monaten und progressionsfreiem Überleben von 16,1 Monaten als effektiv. Diese beeindruckenden Daten trotz in situ belassenen Tumors bedürfen laut den Autoren weiterer Studien, da aufgrund des Paradigmenwechsels keine vergleichbaren Daten vorlägen. Im Gegensatz dazu stellten ältere Studien, welche die IORT bei lokal fortgeschrittenen und nichtresektablen Pankreaskarzinomen untersuchten, keinen Überlebensvorteil bei signifikant verbesserten Lokalrezidivraten fest [8, 15, 41, 50]. Diese sind in Tab. 5 zusammengefasst [8, 15, 41, 43, 50].

Tab. 5 Relevante Studien, welche die IORT bei lokal fortgeschrittenen/nichtresektablen Pankreaskarzinomen untersuchten

Im Gegensatz zu den lokal irresektablen oder Borderline-resektablen Pankreaskarzinomen konnten für primär resektable Pankreaskarzinome nicht nur verminderte Lokalrezidivraten [5, 11, 75, 80], sondern durch einige Studien auch verbesserte Gesamtüberlebensraten bestätigt werden [5, 66, 80]. Jedoch wurde in nur einer dieser Studien bei 39 % der Patienten eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt, diese hatte in der multivariaten Analyse keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben [66]. Es ließen sich neben der IORT das Tumorstadium [66], eine R0-Resektion [11] und die Durchführung einer neoadjuvanten Therapie [80] als wichtige prognostische Faktoren hinsichtlich des Gesamtüberlebens nachweisen. Relevante Studien sind in Tab. 6 aufgeführt [5, 11, 53, 57, 66, 75, 80].

Tab. 6 Relevante Studien, welche die IORT bei (Borderline-)resektablen Pankreaskarzinomen untersuchten

Eine bisher nicht gut untersuchte Indikation zur IORT beim Pankreaskarzinom stellt das isolierte Lokalrezidiv dar. In einer diesbezüglichen Studie [71] wurden 36 Patienten mit Lokalrezidiv mittels Resektion, IORT und adjuvanter Radiatio (86 %) behandelt. Dabei konnten mit einer 2‑Jahres-Lokalrezidivrate von 33 % und 2‑Jahres-Gesamtüberlebensrate von 45 % vielversprechende Ergebnisse verzeichnet werden.

Die vorgestellten Studien sind trotz guter Ergebnisse und geringem Toxizitätsprofil der durchgeführten IORT hauptsächlich durch ihr größtenteils retrospektives Design sowie unterschiedliche Einschlusskriterien (R+-Resektionen, neo-/adjuvante Therapieregimen) limitiert. Deswegen wird von einigen Autoren eine Phase-III-Studie gefordert, um die Rolle der IORT zur Behandlung des Pankreaskarzinoms, insbesondere in Kombination mit neuen neoadjuvanten Therapiestrategien, genauer zu definieren [44].

Ausblick

Der Hauptmechanismus, welcher lange Zeit das Ansprechen solider Tumoren auf die Strahlentherapie erklärte, ist die irreparable Dann-Schädigung, welche wiederum durch den Prozess der Apoptose, Seneszenz oder Autophagie zum direkten Zelltod führt [26, 74]. Neben immunsuppressiver Effekte der Strahlentherapie wie z. B. der Induktion einer Lymphozytopenie [49] wurde in den vergangenen Jahren zunehmend auch eine immunstimulierende Komponente der Strahlentherapie untersucht und beschrieben. So werden durch den mittels Radiotherapie induzierten, immunogenen Zelltod inflammatorische Zytokine ausgeschüttet und Antigene freigesetzt, welche den T‑Zellen durch dendritische Zellen zur Aktivierung der zytotoxischen Immunantwort cross-präsentiert werden [42]. Gleichzeitig wird über die Freisetzung von Chemokinen eine vermehrte Infiltration zytotoxischer T‑Zellen in den Tumor erreicht, die im Anschluss die Tumorzellen z. B. durch Hochregulation von MHC‑1 erkennen und abtöten können. Dies führt nicht nur zur Unterdrückung des strahlentherapeutisch behandelten Tumors, sondern auch vorhandener Metastasen, was als abscopaler Effekt bezeichnet wird [19].

Da die Antitumorimmunität, welche durch Strahlentherapie allein erreicht wird, gewöhnlich hinsichtlich des abscopalen Effekts limitiert ist, kann diese durch die Kombination von Radiatio und Immuncheckpoint-Inhibitoren (Anti-CTLA-4- und/oder Anti-PD-1- oder PD-L1-monoklonale Antikörper) gesteigert werden [19]. Denn diese ermöglichen mittels Blockade von CTLA‑4 eine verstärkte die T‑Zell Aktivierung [89] bzw. über die Inhibition der PD-1/PD-L1-Achse eine gesteigerte T‑Zell-Effektorfunktion [58]. Diese synergistischen Effekte konnten in präklinischen Studien mittels unterschiedlicher In-vivo-Modelle verifiziert werden [20,21,22]. Da sich mit höherer Strahlendosis auch eine erhöhte Immunmodulation nachweisen lässt [86, 87], könnte die Kombination der IORT mit Immuncheckpoint-Inhibitoren eine weitere vielversprechende Anwendung der IORT darstellen. Diese Rationale wurde in einem kürzlich veröffentlichten Review im Rahmen der Behandlung von Hirnmetastasen sehr gut dargestellt [36], muss jedoch durch weitere Studien noch genauer untersucht werden. Denn bisher ist aufgrund der aufgeführten Studien die Effektivität der IORT nicht gänzlich geklärt, sodass die Kombination dieser mit Checkpoint-Inhibitoren ein zukünftiges, aber bisher rein potenzielles Anwendungsgebiet darstellt.

Fazit für die Praxis

Die IORT dient der Ergänzung der multimodalen Therapiestrategie bei intraabdominellen und retroperitonealen Karzinomen und ist bei Rektumkarzinomen und Sarkomen aktiv im klinischen Alltag etabliert. Die Effektivität der IORT ist jedoch anhand der vorhandenen und aufgeführten Evidenzlage nicht abschließend zu beurteilen. Ein häufig diskutierter Hinweis hinsichtlich der Wirksamkeit der IORT ist die erreichbare Dosiseskalation bei geringem Komplikationsprofil. Wichtig dabei scheint besonders die Patientenselektion, sodass mittels IORT nicht nur Patienten mit primärem Karzinom, sondern insbesondere bei Patienten mit lokalem Rezidiv verbesserte lokale Rezidiv- und Überlebensraten erreichen können.