Operative Eingriffe werden primär mit der Zielsetzung durchgeführt, eine Erkrankung zu heilen oder Beschwerden zu minimieren; leider kommt es dabei immer wieder zu der unerwünschten Folgeerscheinung einer Infektion. Alle operativ tätigen Fachgebiete in der Medizin sind mit Infektionen konfrontiert und müssen sich mit den Ursachen, der Prophylaxe und der Therapie beschäftigen [1]. Dieses Heft stellt das aktuelle Wissen auf dem Gebiet der chirurgisch bedingten Infektionen vor und fordert zu neuen Anstrengungen auf. An vielen Stellen und in vielen Gebieten gibt es noch relevante Unklarheiten, und weitere Forschungsarbeiten, insbesondere direkte Untersuchungen an und mit unseren Patienten, sind erforderlich, um hier Fortschritte zu erzielen.

An erster Stelle steht dabei das Grundverständnis der pathophysiologischen und molekularbiologischen Zusammenhänge; sie werden in einem hervorragenden Beitrag von Frau B. Vollmar dargestellt. Zentrum ist das Immunsystem des Menschen, das durch seine Komplexität fasziniert und heute besser denn je verstanden wird. Nicht das Hemmen von Mediatoren steht im Vordergrund, sondern die Unterstützung des Menschen in seiner Reaktion auf die Infektion. Medikamentösen Verfahren kommt deshalb auch in der Zukunft eine zentrale Bedeutung zu, denn stets reagiert bei der Infektion der ganze Mensch mit allen seinen Möglichkeiten.

Das Problem der Netzinfektion ist allgegenwärtig

Welche Rolle spielt die chirurgische Infektion? Der Anteil an Implantaten und sonstigen Fremdkörpern, die tagtäglich eingesetzt werden, steigt. Längst sind nicht nur die Orthopäden, Unfallchirurgen oder Gefäßchirurgen Meister im Einbau von Materialien, die den Körper unterstützen sollen, aber eben auch das Risiko der Infektion beinhalten, auch die Allgemein- und Viszeralchirurgie hat erkannt, dass oft nur Fremdmaterialien auf Dauer eine Heilung ermöglichen. Bestes Beispiel auf diesem Gebiet ist die Hernienchirurgie: Wie viele Netze und Befestigungsmaterialien wurden hier in den letzten 20 Jahren entwickelt und leider oft ohne eine gute klinische Studie auf den Markt gebracht? Wer hat die mit diesen Fremdmaterialien assoziierten Infektionsraten bis hin zu Darmfisteln valide klinisch untersucht? Das Problem der Netzinfektion ist allgegenwärtig und wird deshalb auch in einem eigenen Beitrag von Dietz et al. kritisch beleuchtet.

Orthopädie und Unfallchirurgie stehen bei der periprothetischen Infektion vor großen Herausforderungen. Weder die zeitgerechte Diagnostik noch die adäquate Therapie können als geklärt angesehen werden. Der aktuelle Stand wird von Perka et al. dargestellt und fordert geradezu nach objektiver klinischer Forschung. Bei Heilungsraten von 80% gibt es noch Raum für Verbesserungen, die kaum alleine, sondern nur gemeinsam erreicht werden können.

Positiv sind die evidenzbasierten Entwicklungen im Bereich der Antibiotikaprophylaxe. Durch konsequente Forschung in Form multizentrischer randomisierter Studien konnte hier eine Reduktion postoperativer Infektionen erreicht werden [2]. Jede Praxis und Klinik sollte basierend auf den verfügbaren Empfehlungen, die von Knebel et al. vorgestellt werden, ihre verbindlichen Prophylaxe- aber auch Therapieschemata aktualisieren, um Infektionen gar nicht erst entstehen zu lassen. Diese Aufgabe ist sinnvoll nur interdisziplinär zu lösen und sollte die bei der Behandlung des Patienten involvierten Fachgebiete berücksichtigen.

Die Entwicklung von Strategien zur Vermeidung von Wundinfektionen ist eine gemeinsame Herausforderung für alle chirurgischen Fachgebiete. Wir haben gelernt Wundinfektionen zu definieren und damit eine Vergleichbarkeit von Infektionsraten erreicht [1]. Neben den pharmakologischen Interventionen sind auch die chirurgischen Aspekte nicht zu vernachlässigen. Wie und mit was wird das Operationsfeld gereinigt? Welche Rolle spielen beschichtete Implantate und Nahtmaterialien [3]? Nicht nur die Vermeidung, sondern auch die Therapie der Wundinfektion ist ein Thema, wie Maier et al. in ihrem Beitrag darstellen. Sind das chirurgische Débridement und die Sekundärnaht noch ein Thema in Zeiten der Vakuumverbände? Kostspielige und langwierige nicht operative Therapieverfahren müssen in randomisierten Studien ihre Nutzen- und Kosteneffektivität beweisen, bevor wir sie flächendeckend zum Einsatz empfehlen können.

Die Prinzipien bei der Behandlung der Peritonitis haben sich seit über 100 Jahren kaum verändert. An primärer Stelle steht die Herdsanierung, gefolgt von der Reinigung und der anschließenden supportiven Therapie [4]. Trotz aller Verbesserungen in Diagnostik und Therapie bleibt laut Strobel et al. die Letalität von bis zu 20% hoch und aufgrund der demographischen Entwicklung mit älteren und multimorbiden Patienten werden die Anforderungen an uns wachsen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Kompetenznetz Sepsis hat sich diesem Thema gestellt und führt bereits große multizentrische randomisierte Studien zur pharmakologischen Therapie durch [5].

Es ist an der Zeit, dass auch die ungeklärten Fragen der operativen Behandlung durch diesen Studientyp angegangen werden. Im Vordergrund unserer Bemühungen sollte die Prophylaxe stehen, denn jede Reduktion der jetzigen Infektionsraten wird von uns Chirurgen und den Kostenträgern begrüßt, der Patient wird sie aber ganz entschieden erwarten.

C.M. Seiler

M.W. Büchler