Der in dieser Ausgabe von Der Anaesthesist publizierte exzellente Übersichtsbeitrag „Lokalanästhetika 2020 – eine Bestandsaufnahme“ berichtet über den neuesten Stand der Erkenntnisse zu potenziellen Wirkmechanismen, neuartigen Anwendungsformen und klinischen Problemfeldern der Lokalanästhetika [9].

Abgesehen von dem bekannten Mechanismus der Natriumkanalblockade durch die Lokalanästhetika erfährt der Leser Wichtiges über die Verlängerung der neuronalen Unerregbarkeit durch eine Kaliumkanalblockade, die reduzierte Neurotransmitterfreisetzung durch eine Kalziumkanalblockade sowie die Unterdrückung autonomer, rhythmischer Aktivität neuronaler und kardiomyozytärer Zellverbände durch die Blockade der „hyperpolarization-activated cyclic nucleotide-gated channels“ (HCN; [3, 6]). All diese Mechanismen sind höchstwahrscheinlich an der antinozizeptiven, vasodilatatorischen und die Darmmotilität anregenden Wirkung der Lokalanästhetika beteiligt.

Lokalanästhetika entfalten ihre Wirksamkeit auch außerhalb des zentralen und peripheren Nervensystems [5]. Zum Beispiel begünstigen sie entzündungshemmende Effekte über eine Beeinträchtigung der Einwanderung von Immunzellen, der Zytokinfreisetzung und der Aktivierung von Immunzellen [4, 5]. Dieses mag z. B. bei der Wundheilung, dem Schutz der endothelialen Barriere sowie dem Ischämie-Reperfusion-Schaden eine bedeutende Rolle spielen [4]. Zahlreiche experimentelle Untersuchungen weisen darauf hin, dass Lokalanästhetika die Proliferation von Tumorzellen und die Bildung von Metastasen behindern können [1, 8]. Retrospektive klinische Datenauswertungen scheinen dies zu bestätigen, jedoch mangelt es an überzeugenden prospektiven klinischen Studien [1, 8].

Lokalanästhetika entfalten ihre Wirksamkeit auch außerhalb des zentralen und peripheren Nervensystems

Große Aufmerksamkeit widmet dieser Übersichtsbeitrag der Anwendung von liposomal enkapsuliertem Bupivacain oder Ropivacain, die über einen Zeitraum von ca. 72 h protrahiert freigesetzt werden, und daher eine ultralange Wirksamkeit entfalten. Sie stellen eine Alternative zu den Adjuvanzien dar, deren Ziel die verlängerte Wirksamkeit der Lokalanästhetika ist [7]. Im besten Fall erreicht jedoch z. B. Dexamethason in Kombination mit Lokalanästhetika nur eine verlängerte Analgesiedauer bis zu 24 h nach „Single-shot“-Gabe [7]. Nach Ausschluss von system- und lokaltoxischen Effekten des liposomalem Bupivacains hat die amerikanische Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) liposomales Bupivacain für die chirurgische Wundinfiltration und die interskalenäre Plexusblockade bereits zugelassen [9]. Für den europäischen Raum werden erste Zulassungen von liposomalem Bupivacain in der zweiten Jahreshälfte 2020 erwartet [2].

Abgesehen von den bekannten systemtoxischen Effekten der Lokalanästhetika widmet sich der Beitrag neuesten Ergebnissen einer höchstwahrscheinlich knorpelschädigenden Wirkung von Lokalanästhetika, die bezüglich der Exposition zeit-, substanz- und konzentrationsabhängig zu sein scheint und v. a. vorgeschädigten und alternden Gelenkknorpel betrifft [9].

Insgesamt vermitteln die Autoren in umfangreicher Weise den neuesten Wissensstand zum klinischen Gebrauch von Lokalanästhetika.