Einleitung

Die akute Pankreatitis (AP) ist eine Erkrankung mit stetig steigender Inzidenz in den Industriestaaten. Trotz der Fortschritte sowohl in der Diagnostik wie auch der Versorgung kritisch kranker Patienten konnte bisher keine signifikante Senkung der Letalität erreicht werden [1]. Die Letalität der schweren Pankreatitis liegt weiterhin zwischen 10 und 30 % [2].

Eine frühzeitige Abschätzung der Erkrankungsschwere kann helfen, gefährdete Patienten zeitnah einer entsprechenden Überwachung und Therapie zuzuführen. Ein Score zur Risikostratifizierung von kritisch kranken Patienten auf der Intensivstation ist der Acute Physiology And Chronic Health Evaluation Score (APACHE II) [3]. Dieser beinhaltet 14 klinische sowie laborchemische Parameter. Spezielle Risikoscores zur Klassifizierung von Patienten mit AP sind die Ranson-Kriterien [4] sowie der modifizierte Glasgow-Score [5]. Die Ranson-Kriterien setzen sich aus insgesamt 11 Parametern zusammen, von denen 5 unmittelbar bei Aufnahme des Patienten bestimmt werden, während 6 weitere binnen 48 h nach Aufnahme erfasst werden. Der relativ neue Bedside Index for Severity on Acute Pancreatitis Score (BISAP) hat die Besonderheit, dass lediglich 5 hauptsächlich klinische Kriterien herangezogen werden, um die Letalität der Patienten einzuschätzen. Demgegenüber beinhaltet der modifizierte Glasgow-Score insgesamt 8 Parameter [6]. Die Ranson-Kriterien ebenso wie der modifizierte Glasgow-Score basieren vornehmlich auf Laborparametern, die die Organfunktionen sowie eine möglicherweise entstehende systemische Inflammationsreaktion (SIRS) abschätzen. Der sog. Balthazar-Score stützt sich auf in der Computertomographie erhobene Befunde [7]. Die Risikoscores, die auf Befunde bildgebender Diagnostik beruhen, konnten sich in der klinischen Risikostratifizierung der AP nicht durchsetzen, sodass bei der Mehrzahl der Patienten die Diagnose einer AP anhand von klinischen Kriterien gestellt wird [8]. Dennoch kann das Hinzuziehen von Befunden einer Computertomographie ergänzend zu laborchemischen und klinischen Befunden sinnvoll sein, um die Prognose der Patienten abzuschätzen, und die Entscheidung zur Verlegung in ein spezialisiertes Zentrum erleichtern [9].

Die häufigsten Ursachen für eine AP sind die biliäre sowie die äthyltoxische Genese [2]. Da Menge und Häufigkeit des Alkoholkonsums mit dem sozioökonomischen Status korreliert, variiert die Inzidenz der AP abhängig von der Region ihres Auftretens [10].

Die frühzeitige Identifizierung potenziell gefährdeter Patienten stellt eine Herausforderung für Intensivmediziner dar. Ziel dieser Studie war die Identifizierung von Risikofaktoren, die mit einer erhöhten Letalität in unserem Kollektiv der intensivpflichtigen Pankreatitispatienten assoziiert waren. Anhand der als Risikofaktoren für kritisch kranke Patienten mit akuter Pankreatitis retrospektiv identifizierten Parameter sollen die Scores verglichen und der Stellenwert ihrer Handhabung evaluiert werden.

Patienten und Methoden

Die Durchführung dieser Studie erfolgte in Übereinstimmung mit den Deklarationen von Helsinki.

In die retrospektive Erhebung wurden 91 Patienten mit schwerer AP, die zwischen den Jahren 2002 und 2013 in der Universitätsklinik Münster intensivmedizinisch behandelt wurden, eingeschlossen. Die Diagnose einer AP wurde gestellt, wenn 2 der 3 folgenden Kriterien erfüllt waren[11]:

  • klinische Symptomatik übereinstimmend mit einer AP mit plötzlich auftretendem und anhaltendem Fieber sowie epigastrischen Schmerzen,

  • laborchemischer Nachweis eines mindestens 3‑fachen Anstiegs der Serumlipase oder -amylase,

  • Vorliegen einer Bildgebung mit charakteristischen Merkmalen in der Computertomographie, Magnetresonanztomographie oder Sonographie wie beispielsweise eine diffuse Vergrößerung des Pankreas aufgrund eines entzündlichen Ödems, peripankreatische Flüssigkeit oder eine parenchymale oder peripankreatischer Nekrose.

Folgende klinische Faktoren wurden in unserer Analyse berücksichtigt: der SAPS(„simplified acute physiology score“)-II, die Dauer des Intensivaufenthalts, die Notwendigkeit einer intravenösen Katecholamingabe, die Erfordernis und Dauer einer invasiven Beatmung und das Auftreten eines akuten Nierenversagens. Weiterhin wurde das Auftreten von Pankreasnekrosen sowie Komplikationen der akuten Pankreatitis, wie Blutungen, SIRS/Sepsis und mikrobielle Superinfektion der Pankreasnekrosen, berücksichtigt. Zu den erhobenen Laborparametern gehörte das C‑reaktive Protein (CRP), die Zahl der Leukozyten, das Prokalzitonin (PCT), Serumelektrolyte inklusive Kalzium, Serumlipase, Kreatinin, Serumlaktat, Glukose und Gerinnungsparameter wie Quick-Wert, partielle Thromboplastinzeit (PTT) und Thrombozytenzahl.

In der mikrobiologischen Diagnostik wurde eine Bakteriämie ebenso wie ein Keimnachweis in Punktaten (Aszites oder Pleuraerguss) und/oder in Gewebeproben (sofern entnommen) registriert.

Statistische Analyse

Die statistische Auswertung der erhobenen Daten erfolgte mit PASW 20 (IBM, Armonk, New York, USA). Die Darstellung der Werte erfolgte als Mittelwert ± Standardabweichung. Zur Identifikation von Risikofaktoren erfolgte eine binär-logistische Regressionsanalyse. Assoziationen zwischen binären Parametern wurden mithilfe des χ2-Tests beurteilt. p-Werte <0,05 wurden als signifikant gewertet, während p-Werte <0,01 als hochsignifikant gewertet wurden.

Ergebnisse

Es wurden 91 kritisch kranke intensivpflichtige erwachsene Patienten (61,2 % männlich, durchschnittliches Alter 52 Jahre) eingeschlossen, die die diagnostischen Kriterien für eine AP erfüllten (Tab. 1). Bei 50 Patienten (54,9 %) lag eine nekrotisierende Pankreatitis vor, während bei 41 Patienten (45,1 %) eine ödematöse Verlaufsform diagnostiziert wurde.

Tab. 1 Patientencharakteristiken

Die Genese der Pankreatitis war in 30,8 % der Patienten biliär, eine äthyltoxische Genese wurde in 25,3 % der Patienten vermutet, während bei insgesamt 30,8 % der Patienten eine idiopathische oder unklare Genese vorlag. Seltenere Ursachen waren eine Hyperlipidämie (7,7 %) sowie eine postinterventionelle Pankreatitis nach endoskopischer retrograder Cholangiopankreatikographie (ERCP) (5,5 %). Die Gesamtletalität in der untersuchten Kohorte betrug 31,9 %.

Komplikationen der akuten Pankreatitis

Komplikationen der AP wurden in lokale und systemische Komplikationen unterteilt. Systemische Komplikationen beinhalten das Versagen beziehungsweise die Dysfunktion einzelner oder mehrerer Organe (respiratorisches Versagen, akutes Nierenversagen) sowie die Entstehung eines SIRS. Zu den lokalen Komplikationen wurden Pleuraergüsse, Pseudozystenbildung, Pankreasnekrosen und deren Infektion gezählt.

Systemische Komplikationen

Insgesamt 53 (58,2 %) der Patienten mit schwerer AP entwickelten eine beatmungspflichtige respiratorische Insuffizienz. Bei 36 Patienten (39,6 %) musste aufgrund eines akuten Nierenversagens eine Dialyse durchgeführt werden. Die durchschnittliche Dauer der Dialysebehandlung betrug 11 Tage (±11). Ein Mehrorganversagen entwickelten 20 Patienten (22 %).

Bei 40 % der Patienten mit AP wurde eine Bakteriämie nachgewiesen. Dabei wurden bei 21 Patienten (23,1 %) Staphylokokken, bei 13 Patienten (14,3 %) Candida spezies und bei 7 Patienten (7,7 %) Enterokokken nachgewiesen. E. coli fand sich bei 6 Patienten (6,6 %).

Von den untersuchten Patienten wurden 40 im intensivmedizinischen Verlauf hämodynamisch instabil, sodass eine Katecholamintherapie erforderlich war.

Lokale Komplikationen

Pleuraergüsse wurden bei 71 von 91 Patienten (78 %) diagnostiziert. Während des Aufenthalts auf der Intensivstation entwickelten 29 Patienten (26 %) Pankreaspseudozysten. Bei insgesamt 50 Patienten (54,9 %) wurde eine nekrotisierende Pankreatitis diagnostiziert. Verglichen mit den Patienten, die unter einer ödematös verlaufenden AP litten, war die Letalität der Patienten mit nekrotisierender AP signifikant erhöht (17 % Letalität ödematöse Pankreatitis, 44 % nekrotisierende Pankreatitis; p = 0,07). Bei 17 Patienten (15 %) wurde eine Infektion der Pankreasnekrose nachgewiesen. Eine operative Nekrosektomie war bei 15 Patienten erforderlich.

Risikofaktoren

Mittels univariater logistischer Regressionsanalyse wurden die folgenden erhobenen Parameter als Risikofaktoren für einer erhöhte Letalität in der untersuchten Patientengruppe identifiziert: die Dauer des Intensivaufenthalts, die Erfordernis und die Dauer einer invasiven Beatmung, eine Bakteriämie, ein dialysepflichtiges Nierenversagen, der maximale SAPS II, hämodynamische Instabilität mit der Erfordernis einer Katecholamintherapie, das Auftreten von Blutungskomplikationen sowie die Entwicklung einer Nekroseinfektion (Tab. 2). Laborparameter, die mit einer erhöhten Letalität assoziiert waren, waren ein erniedrigtes freies Kalzium, eine erhöhte Serumlipase, erhöhte Infektparameter wie CRP und PCT, ein erhöhtes Serumkreatinin, Laktat sowie ein erniedrigter Spontan-Quick-Wert bei Aufnahme (Tab. 2).

Tab. 2 Risikofaktoren mittels univariater binär-logistischer Regressionsanalyse für kontinuierliche Parameter, χ2-Test für kategoriale Parameter

Mittels multivariater Regressionsanalyse wurden ein Kreislaufversagen, das eine Katecholamintherapie erforderlich macht, der maximale SAPS II und eine Laktatacidose bei Aufnahme als unabhängige Risikofaktoren für eine erhöhte Letalität bei kritisch kranken Patienten mit schwerer AP identifiziert (Tab. 3).

Tab. 3 Unabhängige Risikofaktoren aus der multivariaten binär-logistischen Regressionsanalysis mit Einschluss der signifikanten Parameter aus der univariaten Analyse

Diskussion

Ziel der vorliegenden Studie war es, Risikofaktoren zu identifizieren, die besonders aussagekräftig zur Vorhersage der Letalität kritisch kranker Patienten mit AP auf den Intensivstationen sind. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse sollten die bekannten Risikoscores im Hinblick darauf bewertet werden, welcher der Scores am ehesten anwendbar ist. Die hier berücksichtigen gängigen Risikoscores wurden in Tab. 4 gegenübergestellt.

Tab. 4 Vergleich der Scoresysteme (Apache-II-Score, Ranson-Kriterien, modifizierter Glasgow-Score, BISAP-Score)

Ätiologie

Bezüglich der Ätiologie der AP zeigte sich, dass eine biliäre sowie die idiopathische Genese der Pankreatitis in der hier untersuchten Kohorte am häufigsten auftraten. Die Anzahl der Patienten mit äthyltoxischer AP war etwas geringer. Generell ist festzuhalten, dass die Prävalenz der Risikofaktoren abhängig vom sozioökonomischen Status variiert [12]. In anderen retrospektiven Erhebungen wurde ein 1:1-Verhältnis zwischen biliärer AP und äthyltoxisch bedingter AP berichtet. Diese Daten wurden in Irland und den Vereinigten Staaten von Amerika erhoben [13, 14]. Eine eher geringe Inzidenz der äthyltoxischen Genese kann ein Hinweis auf einen relativ hohen sozioökonomischen Status sein [15]. Die höhere Inzidenz der biliär bedingten AP in den Industriestaaten kann mit der dort stetig wachsenden Zahl überernährter Patienten zusammenhängen, da Adipositas einen Risikofaktor für die Entstehung von Gallensteinen darstellt [12]. Die Letalität der hier retrospektiv analysierten intensivmedizinisch behandelten Patienten mit AP betrug 31,9 %. In dem 11-Jahres-Zeitraum der Erhebung blieb die Letalität der AP in unserem Patientenkollektiv weitgehend konstant. Andere Studien zeigten kontroverse Ergebnisse hinsichtlich der Tatsache, ob die Sterblichkeit der akuten Pankreatitis im Verlauf der Zeit signifikant reduziert werden konnte [1, 16], wobei insgesamt eher von keiner relevanten Minderung der Letalität bei Patienten mit schwerer AP auszugehen ist. Die Prognose wird sicher auch dadurch beeinflusst, dass sich die Behandlung von Patienten mit AP von der offenen operativen Versorgung von Komplikationen (z. B. Nekroseinfektion) hin zu radiologisch oder endoskopisch gesteuerten Verfahren gewandelt hat. Ob und wann eine Intervention/Operation erforderlich ist, wird weiterhin kontrovers diskutiert [17]. Insbesondere bei Komplikationen der AP, wie bei Pseudozysten, Nekrosen oder einem intraabdominellen Kompartment, kann eine operative oder interventionelle Therapie erforderlich sein. Zur Beurteilung des intraabdominellen Drucks gilt die Bestimmung der Blasendrucks als Goldstandard [18]. Bei Patienten mit AP gibt ein erhöhter intraabdomineller Druck Hinweis auf einen schweren Verlauf. Dieser wurde jedoch bei den in unserer Studie untersuchten kritisch kranken Patienten mit AP nicht routinemäßig bestimmt. Auch in den gängigen Risikoscores ist er nicht berücksichtigt [37]. In der Kohorte unserer Intensivpatienten war ein operativer Eingriff bei 30,8 % der Patienten (n = 28) erforderlich. In den meisten Fällen (n = 15) erfolgte eine Laparotomie mit Nekrosektomie.

Die intensivmedizinische Versorgung von Pankreatitispatienten hat sich im Verlauf der Jahre nicht relevant verändert. Als allgemeines Therapieprinzip, das sich in den letzten Jahren in der Intensivmedizin durchgesetzt hat, gilt die lungenprotektive Beatmung, die bei ARDS, Sepsis und anderen kritischen Erkrankungen erfolgreich angewendet wird [19] und sicher auch bei der invasiven Beatmung bei Pankreatitispatienten ihren Stellenwert hat.

Risikoscores im Vergleich

In Übereinstimmung mit unseren Daten war bereits in vorangegangenen Studien gezeigt worden, dass ein frühzeitig auftretendes Multiorganversagen eine hohe Vorhersagekraft für eine erhöhte Letalität bei Patienten mit AP hat [20]. Die Ranson-Kriterien [4], die im Jahr 1974 publiziert wurden, ebenso wie der modifizierte Glasgow-Score, der im Jahr 1984 von Blamey et al. vorgestellt wurde [5], berücksichtigen Laborparameter, die auf eine Beeinträchtigung der Organfunktionen (Lunge, Niere) hindeuten. In beide Scores geht die Hypoxie als Hinweis auf eine pulmonale Beeinträchtigung sowie ein persistierend erhöhter Serumharnstoff nach Volumensubstitution als Hinweis für ein Nierenversagen ein. Auch im BISAP-Score [6] ist die Nierenfunktion berücksichtigt. Eine Verschlechterung der respiratorischen Situation hingegen ist in dem BISAP-Score nicht abgebildet. Der APACHE-II-Score schließt das paO2 und die Atemfrequenz als Hinweis auf ein respiratorisches Versagen ein. Ferner gehen die Nierenfunktionsparameter (Kreatinin sowie Elektrolyte wie Natrium und Kalium) mit jeweils einem Punkt ein [3].

Die Notwendigkeit einer Katecholamintherapie bei Kreislaufinstabilität kann Hinweise auf das Vorliegen eines Schockgeschehens geben. Dieses kann bei akuter Pankreatitis insbesondere hämorrhagisch aufgrund einer akuten Blutung (z. B. bei Gefäßarrosion) oder distributiv aufgrund einer Sepsis/SIRS bedingt sein.

Ein septischer Schock ist eine häufige Todesursache auf Intensivstationen unabhängig vom Fokus [21]. Bei Patienten mit nekrotisierender Pankreatitis gehören septische Komplikationen zu den häufigsten Ursachen für einen letalen Ausgang der Erkrankung [22]. Die Ranson-Kriterien beziehen Laborparameter ein, die indirekt auf eine hämodynamische Beeinträchtigung der Patienten schließen lassen wie z. B. ein Basendefizit oder ein Flüssigkeitsverlust über mehr als 6 l [4]. Derartige Kriterien sind im modifizierten Glasgow-Score nicht berücksichtigt [5]. Im BISAP-Score wiederum wird einer von insgesamt 5 Punkten für das Vorliegen der SIRS-Kriterien vergeben [6]. In den APACHE-II-Score gehen sowohl der mittlere arterielle Druck als auch die Herzfrequenz, die Atemfrequenz sowie der Glasgow Coma Scale (GCS) ein, die sämtlich im Rahmen eines Schockgeschehens beeinträchtigt wären. In der vorliegenden Studie konnte bei 40 % der Patienten eine Bakteriämie nachgewiesen werden. Der routinemäßige Einsatz einer prophylaktischen antibiotischen Therapie bei Patienten mit schwerer AP oder steriler Nekrose ohne Keimnachweis wird jedoch in den internationalen Leitlinien nach wie vor nicht empfohlen [23]. Prospektive multizentrische Daten zum klinischen Nutzen einer prophylaktischen Antibiotikatherapie stehen noch aus. Ein unkritischer empirischer Einsatz von Antibiotika würde allerdings zu einer erhöhten Rate von sekundären Pilzinfektionen führen und die Resistenzentwicklung begünstigen [22]. Laborchemische Infektparameter wie eine Leukozytose sind sowohl in den Ranson-Kriterien, im modifizierten Glasgow-Score und im BISAP-Score (durch die SIRS-Kriterien) berücksichtigt.

Bei der AP muss die Leukozytose ebenso wie das SIRS jedoch nicht zwangsläufig durch eine Infektion bedingt sein, sondern kann auch durch eine enzymvermittelte Selbstandauung des Pankreas und lokale abakterielle Entzündung hervorgerufen sein. In der hier erfolgten Kohortenanalyse wurden eine Erhöhung des CRP sowie des PCT als Marker für eine bakterielle Infektion ebenfalls als Risikofaktoren für eine erhöhte Letalität bei Patienten mit akuter Pankreatitis identifiziert. Auch wenn das CRP mit einer zeitlichen Latenz gegenüber der Leukozytose eine Inflammationsreaktion anzeigt, wurde bereits in anderen Untersuchungen eine Sensitivität von 86,2 % für das CRP als Marker für einen komplizierten Verlauf einer akuten Pankreatitis 72 h nach Auftreten klinischer Symptome beschrieben [24]. Khanna et al. halten die Bestimmung des CRP am 2. Tag nach Beschwerdebeginn gemeinsam mit Interleukin 6 am Tag der Krankenhausaufnahme für einen besonders validen Parameter, um die Letalität der akuten Pankreatitis vorherzusagen [24].

Obwohl in der vorliegenden Studie Blutungskomplikationen mit einer erhöhten Letalität assoziiert waren, werden diese in keinem der bekannten Risikoscores berücksichtigt.

Als relevante Laborparameter, die auf eine erhöhte Letalität hindeuten, konnten wir erniedrigte Serumkalziumwerte sowie ein hohes Serumlaktat in der durch uns untersuchten Kohorte identifizieren. Eine Laktatacidose als einzelner Indikator zur Einschätzung des Letalitätsrisikos ist in den gängigen Risikoscores nicht berücksichtigt. Ein erniedrigtes Serumkalzium ist sowohl in den Ranson-Kriterien [4] als auch im modifizierten Glasgow-Score [5] berücksichtigt.

In der hier untersuchten Kohorte war die Letalität bei Patienten mit lokalen Komplikationen, wie z. B. der Entwicklung von Pankreasnekrosen, erhöht. Insgesamt kam es bei mehr als der Hälfte der untersuchten Patienten zu einer nekrotisierenden Pankreatitis. Eine nekrotisierende Verlaufsform sollte frühzeitig erkannt werden, um Patienten einer adäquaten Therapie zuzuführen. Diagnostisches Mittel der Wahl sind bildgebende Verfahren. Otsuki et al. empfehlen neben der Risikostratifizierung mittels klinischen und laborchemischen Parametern auch die ergänzende Durchführung einer Computertomographie mit Kontrastmittel, um die Sensitivität und Vorhersagekraft der Letalität zu steigern und eine frühere Verlegung in ein entsprechendes Zentrum zu ermöglichen [9]. Eine Computertomographie dient dem Nachweis von Pankreasnekrosen [24].

Bereits in vorangehenden Untersuchungen zur Aussagekraft der Risikoscore wurde angemerkt, dass Risikoscores, wie die Ranson-Kriterien oder der Glasgow-Score, in ihrem Nutzen darin limitiert sind, dass eine vollständige Bewertung erst 48 h nach Krankenhausaufnahme möglich ist, sodass sie für eine initiale Einschätzung des Patienten in der Notaufnahme wenig praktikabel sind. Zur Erhebung des APACHE-II-Scores müssen relativ viele Parameter betrachtet werden. Im klinischen Alltag ist die Anwendbarkeit des Scores durch den damit verbundenen Zeitaufwand für das ärztliche Personal sowie technische Anforderungen zur Erhebung der Laborparameter limitiert. Bei alleiniger Betrachtung der prognostischen Vorhersagekraft erscheint der APACHE-II-Score, der ursprünglich isoliert zur Einschätzung der Prognose von Intensivpatienten implementiert wurde [3], aussagekräftig zu sein. Dies deckt sich auch mit anderen retrospektiven und auch prospektiven Vergleichen der Risikoscores [24, 25]. Im klinischen Alltag vermag der BISAP-Score insbesondere in der Notaufnahme praktikabler zu sein, Ein weiteres Argument zur Anwendung der BISAP-Score ist, dass die Parameter anders als bei dem Glasgow-Score und den Ranson-Kriterien bereits innerhalb der ersten 24 h erhoben werden können [6].

Resümee

Risikoscores sind hilfreich, um die Letalität bei Patienten mit akuter Pankreatitis einzuschätzen und die Patienten mit erhöhtem Risiko frühzeitig und effektiv zu behandeln. Die Ranson-Kriterien können sinnvoll angewendet werden, um kritisch kranke Patienten zu selektieren und einer zielgerichteten Therapie zuzuführen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die erforderlichen Parameter erst 48 h nach Vorstellung im Krankenhaus erhoben werden können. Besonders aussagekräftig für schwer kranke Pankreatitispatienten erscheint der APACHE-II-Score, der neben klinischen Befunden auch Parameter berücksichtigt, die auf eine systemische wie hämodynamische Beeinträchtigung der Patienten schließen lassen. Unserer Analyse nach scheint zur Risikoeinschätzung von kritisch kranken Patienten mit AP der Apache-II-Score zusammen mit dem Serumlaktat bei Aufnahme besonders geeignet zu sein. Der BISAP-Score ist hilfreich, um bereits kurz nach Aufnahme in der Notaufnahme anhand weniger klinischer Kriterien die Patienten zu selektieren, die eine frühzeitige intensive Behandlung benötigen. Klinisch relevante Risikofaktoren und Komplikationen, wie das Auftreten von schweren Blutungen z. B. durch Gefäßarrosionen durch Pankreasnekrosen und auch das in der Intensivmedizin oft bestimmte Serumlaktat, wurden bisher nicht in den etablierten Scoresystemen berücksichtigt.