FormalPara Leserbrief zu

M. Ruhe et al. (2016) Phenobarbitalintoxikation in suizidaler Absicht. Kontinuierliche venovenöse Hämodialyse als effektive Therapie. Med Klin Intensivmed Notfmed 111: 141–144. doi:10.1007/s00063-015-0046-7

Bevor es uns Ärzten mit vereinten Kräften gelang, den Verkauf von Barbituraten unter Rezeptpflicht zu stellen, waren in den 60er- und 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts Barbituratintoxikationen in suizidaler Absicht beinahe unser „täglich Brot“.

Da bei schwerer Barbituratintoxikation auch die Darmperistaltik darniederliegt und deshalb instillierte Aktivkohle und Abführmittel kaum befördert werden, haben wir uns in ähnlich gelagerten Fällen immer zügig zur Hämodialysebehandlung entschlossen. Oft genug machte sich dabei eine weitere Dialysebehandlung erforderlich, weil mit Absinken des Barbituratspiegels die Darmperistaltik wieder in Gang kam, wodurch das Barbiturat nachresorbiert wurde und die Patienten erneut eintrübten. Die später gelegentlich geübte forcierte Diurese mit hyperosmolaren Lösungen brachte wegen der dadurch initiierten DIC mehr Schaden als Nutzen.

Darüber hinaus wird durch die Schlafmittelintoxikation der spontane, physiologische Seufzer (normalerweise 9 bis 10 mal pro Stunde!) unterdrückt, wodurch die endogene Ausschüttung des Surfactants verhindert wird, sodass sich rasch Atelektasen mit den bekannten Folgen von Pneumonien bis hin zum ARDS ausbilden.

Tagelange Barbituratintoxikation war bei den Nazis eine beliebte „Euthanasie“-Methode, weil sie dann getrost „Lungenentzündung“ als Todesursache auf dem Totenschein vermerken konnten.

Wenn auch im vorliegenden Falle der Anstieg der Infektparameter durch eine Infektion des zentralen Venenkatheters erklärt wird, sind doch die Folgen von Atelektasen nicht von der Hand zu weisen!

Insgesamt ergibt sich für mich nach wie vor die Empfehlung, bei lebensbedrohlichen Barbituratintoxikationen alsbald eine Hämodialyse anzuwenden, zumal man so auch teure Intensivstationstage sparen kann.