1 Einleitung

Der Point of Sale (PoS) im Supermarkt ist ein relevanter Ort für Kaufentscheidungen und damit ein wichtiger Aspekt für Marketingstrategien (Frank und Brock 2018; Gier et al. 2018a, b). Informationen können diese Kaufentscheidungen maßgeblich beeinflussen (Frank und Brock 2018) jedoch ist dieser Einfluss von der Art und Menge der verfügbaren Informationen abhängig. So kann eine Informationsüberflutung am PoS beispielsweise dazu führen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher Schwierigkeiten haben, sich zu entscheiden und womöglich den Einkauf abbrechen (Scheibehenne et al. 2010). Die sogenannte „Consumer Confusion“ scheint insbesondere für den Lebensmitteleinzelhandel ein Problem darzustellen, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher am PoS mit einer Vielzahl von Produktetiketten, Siegeln und Gütesiegeln konfrontiert werden (Liebmann und Gruber 2007; Buerke 2016) – eine Situation, die sie ohnehin als verwirrend wahrnehmen und die mit einem hohen Stresslevel verbunden ist (Aylott und Mitchell 1998; Liebmann und Gruber 2007).

Vor diesem Hintergrund scheint es relevant, dass an entscheidenden Stellen im Kaufentscheidungsprozess bedarfsorientierte, gezielte Informationen gegeben werden (Frank und Brock 2018). Effektive Ansätze der Verbraucherinformation sind hier von großer Bedeutung für Supermärkte, Hersteller und Vermarkter, da sie dazu beitragen können, die Effektivität von Marketingstrategien zu verbessern und das Informationsumfeld am PoS zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher zu optimieren (Weinrich und Spiller 2016). Entsprechend wird unlängst seitens der Forschung und Praxis gefordert, die Verbraucherinnen und Verbraucher hinsichtlich nachhaltigerer Kaufentscheidungen besser zu informieren (Frank und Brock 2018; Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2022). InformationenFootnote 1 zur landwirtschaftlichen Nutztierhaltung können je nach situativer und persönlicher Betroffenheit sowie Involvement das Kauf-, Konsum- und Kommunikationsverhalten unterschiedlich stark beeinflussen (vgl. u. a. Weinrich und Spiller 2016; Gier et al. 2018b). Beispielsweise können manche Kommunikationsmaßnahmen erst am Ort der Entscheidung, also am PoS, ihre informative und gegebenenfalls kaufverhaltensrelevante Wirkung entfalten (Gier et al. 2018a). Um Verbraucherinformationen effektiv gestalten zu können, ist daher eine Kenntnis darüber notwendig, welche Kommunikationsmaßnahmen zu einer Veränderung dieser Verhaltensweisen führen können und welche Informationen für die Zielgruppe besonders relevant sind. Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen dieses Beitrags folgende Fragen gestellt:

  1. 1.

    Welche Kommunikationsinhalte werden von Verbraucherinnen und Verbrauchern am PoS nach eigener Aussage genutzt?

  2. 2.

    Welche genutzten Kommunikationsinhalte werden von Verbraucherinnen und Verbrauchern als besonders wichtig erachtet?

  3. 3.

    Warum werden Informationen durchVerbraucherinnen und Verbraucher nicht genutzt?

  4. 4.

    Lassen sich Veränderungen hinsichtlich des Informationsbedarfs feststellen?

  5. 5.

    Welche Kommunikationsträger werden zur Information am PoS genutzt?

  6. 6.

    Sind die aktuell im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zur Produktkennzeichnung verwendeten Labels im direkten Vergleich hinreichend bekannt und vertrauenswürdig?

2 Methodik

Um diese Fragen zu beantworten, wurden umfangreiche Online-Befragungen in drei Erhebungswellen durchgeführt. Dabei lag der Fokus auf dem Nutzungsverhalten und möglichen Veränderungen des Nutzungsverhaltens in Bezug auf verschiedene Kommunikationsmaßnahmen und -träger am PoS. Zudem wurden die Bekanntheit und Vertrauenswürdigkeit verschiedener Labels ermittelt.

Die erste Erhebungswelle wurde zwischen dem 19. Mai und 11. Juni 2021 durchgeführt und umfasste 2.000 Teilnehmende (49,3% weiblich, 50,5% männlich, 0,2% divers). Die zweite Erhebungswelle erstreckte sich vom 23. Februar bis zum 11. April 2022 und umfasste ebenfalls 2.000 Teilnehmende (50,0% weiblich, 49,9% männlich, 0,1% divers). Die dritte Erhebungswelle fand zwischen dem 17. Juli und dem 08. September 2022 statt und hatte ebenfalls 2.000 Teilnehmende (50,5% weiblich, 49,4% männlich, 0,1% divers). Die Stichproben in allen drei Erhebungswellen wurden entsprechend soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss, Erwerbsstatus, regionale Herkunft, Nettohaushaltseinkommen und Ernährungsgewohnheiten quotiert. Eine deskriptive Statistik zu den Ausprägungen der jeweiligen Quoten in den Erhebungswellen findet sich in Tabelle S1 (Supplementary Information).

Im Folgenden sollen die zur Beantwortung der Eingangs skizzierten Fragen verwendeten Operationalisierungen dargestellt werden:

1. In der ersten Erhebungswelle wurde zunächst das aktuelle, selbstbekundete Nutzungsverhalten der Teilnehmenden hinsichtlich verschiedener Kommunikationsinhalte mit folgender Frage erhoben: „Welche InformationenFootnote 2 über Produkte aus landwirtschaftlicher Nutztierhaltung nutzen Sie im Supermarkt?“. Zu folgenden Kommunikationsinhalten wurde das Nutzungsverhalten erfragt: 

  • Herkunftsregion

  • Name des Betriebs

  • Markenname

  • Angaben zur Lagerung und Haltbarkeit

  • Inhaltsstoffe

  • Preis des Produktes

  • Preis pro Kilogramm

  • Gewicht

  • Nährwertangaben

  • Medikamenteneinsatz bei den Tieren

  • Angaben zur Schlachtung der Tiere

  • Informationen zum Futter der Tiere

  • Haltung der Tiere

  • Werbebotschaft

  • gesundheitsbezogene Versprechen

  • Art des Produktes [Tierart]

  • Produktname

  • Informationen zur Verpackung

Bei den Antworten konnten die Befragten zwischen den Antwortoptionen „1 = Nutze ich gar nicht“, „2 = Nutze ich gelegentlich“ und „3 = Nutze ich immer“ wählen.

2. In Bezug auf die Kommunikationsinhalte, die von den befragten Personen immer oder gelegentlich genutzt wurden, wurde für drei davon zufällig ausgewählte Kommunikationsinhalte eine Wichtigkeitsbewertung abgegeben, indem die folgende Frage beantworten werden sollte: „Wie wichtig ist für Sie diese Information, wenn Sie tierische Produkte kaufen?”

  • 0 = vollkommen unwichtig

  • 1 = eher unwichtig

  • 2 = mal wichtig und mal unwichtig

  • 3 = eher wichtig

  • 4 = sehr wichtig.

3. Ebenfalls wurde für diese Kommunikationsinhalte abgefragt, welche Kommunikationsträger zur Abrufung der mit dem jeweiligen Inhalt verbundenen Information genutzt wurden. Die entsprechende Frage lautete: „Wo im Supermarkt würden Sie nach dieser Information suchen?“ Dabei war eine Mehrfachantwort möglich und die Antwortmöglichkeiten umfassten:

  • Verpackung

  • Preisschild

  • Smartphone

  • Tablet am Regal (mit Selbstbedienung)

  • Display (elektronisches Plakat)

  • Verkaufspersonal

  • Schilder am Regal

  • Prospektständer

  • Probierstand/Warenproben

  • Durchsagen

  • Label.

4. Für drei zufällig ausgewählte Kommunikationsinhalte, die bei der ersten Frage mit „nutze ich gar nicht“ angekreuzt wurden, wurde nach dem Grund für die Nicht-Nutzung gefragt. Die Frage lautete: „Warum nutzen Sie diese Information nicht? Welche der Aussagen trifft zu?” Dabei standen neben einem offenen Feld für sonstige Gründe vier vorgegebene Antwortmöglichkeiten zur Verfügung, nämlich:

  • Die Information ist für mich nicht relevant.

  • Die Information hätte mich zwar interessiert, aber ich wusste nicht, wo ich danach suchen soll.

  • Ich habe die Information zwar gesucht, aber nicht gefunden.

  • Ich habe mich früher schon mal dazu informiert.

  • Keine Angabe.

5. Um den Informationsbedarf der Verbraucherinnen und Verbraucher genauer zu analysieren und festzustellen, ob bestimmte Kommunikationsinhalte kritisch sind und verstärkt kommuniziert werden müssen, wurden in der zweiten und dritten Erhebungswelle retrospektive Abfragen durchgeführt. Dabei ging es darum, Veränderungen in den Informationsbedarfen der letzten drei Monate zu identifizieren. Die Frage lautete: „Denken Sie an die letzten drei Monate: Zu welchen Informationen über Produkte aus landwirtschaftlicher Nutztierhaltung wollten Sie mehr oder weniger im Supermarkt erfahren?“ Die Antwortmöglichkeiten waren:

  • 1 = Ich wollte mehr erfahren über …

  • 2 = Ich wollte weniger erfahren über …

  • 3 = Mein Informationsbedarf zu … ist gleichgeblieben.

6. In allen drei Erhebungswellen wurde die Bekanntheit verschiedener Labels abgefragt. Den Befragten wurden 13 Labels, einschließlich eines Fake-Labels, als Logos in zufälliger Reihenfolge präsentiert, und sie sollten alle Labels ankreuzen, die ihnen bekannt vorkamen. Auf diese Weise wurde die Bekanntheit jedes Labels im Vergleich zu anderen Labels ermittelt, da jedes Label nicht isoliert, sondern im Kontext anderer Labels gezeigt wurde. Dies ermöglichte die Erfassung des Wiedererkennungswerts jedes Labels im Wettbewerb mit anderen Labels. Die erkannten Labels wurden anschließend hinsichtlich des Vertrauens bewertet, indem die Befragten angaben, inwieweit sie Produkten, die diese Labels trugen, vertrauen oder misstrauen. Die Antwortmöglichkeiten waren:

  • Ich misstraue dem Label.

  • Ich vertraue ein wenig dem Label.

  • Ich vertraue dem Label etwas.

  • Ich vertraue dem Label überwiegend.

  • Ich vertraue dem Label voll und ganz.

Die Daten wurden mithilfe der Software IBM SPSS Statistics 26 analysiert. Die Auswertung konzentrierte sich hauptsächlich auf die deskriptive Beschreibung der Variablenausprägungen. Darüber hinaus wurden korrelative Zusammenhänge oder Verhältnisse zwischen zwei Variablen auf statistische Signifikanz hin überprüft.

3 Ergebnisse

3.1 Nutzung der Kommunikationsinhalte am Point of Sale

In der ersten Erhebungswelle (N = 2.000) wurde der Fokus zunächst auf eine Erfassung des Status quo gelegt. Dadurch sollte ein Eindruck über das Nutzungsverhalten gewonnen werden. Zudem sollten potenzielle Informationsbedarfe identifiziert werden. Hierzu wurde das bekundete Nutzungsverhalten gegenüber verschiedenen Inhalten aktueller Kommunikationsmaßnahmen erfragt, die als Informationen durch Verbraucherinnen und Verbraucher am PoS genutzt werden können (Abbildung 1).

Abb. 1
figure 1

Nutzungsverhalten zu Kommunikationsinhalten am Point of Sale. Originalfrage: „Welche Informationen (mit Informationen sind hier Aspekte gemeint, die man nicht anhand des Aussehens des Produktes erkennen kann) über Produkte aus landwirtschaftlicher Nutztierhaltung nutzen Sie im Supermarkt? (Mehrfachantworten möglich).“ Antwortoptionen „1 = Nutze ich gar nicht“, „2 = Nutze ich gelegentlich“ oder „3 = Nutze ich immer“. Angaben in Prozent. Abweichungen von 100% sind rundungsbedingt

Die Ergebnisse der deskriptiven Datenauswertung zeigen, dass Befragte der ersten Erhebungswelle insbesondere Informationen zum Produktpreis (89%), zur Lagerung und Haltbarkeit (85,8%), zum Preis pro kg (85,1%) sowie zur Art des Produktes (Tierart) (83,7%) zumindest gelegentlich oder immer laut eigener Aussage am PoS nutzen. Ebenfalls fällt auf, dass weniger als die Hälfte der Befragten tierbezogene Kommunikationsinhalte, wie z. B. Angaben zur Schlachtung (48,6%), Medikamenteneinsatz (47%) oder Futter (46%), nutzen. Kommunikationsinhalte zur Regionalität (Herkunftsregion 83,3%) und Haltung der landwirtschaftlichen Nutztiere (81,4%) scheinen hingegen häufiger genutzt zu werden. Es lässt sich entsprechend feststellen, dass Preis und Haltbarkeitsinformationen die am häufigsten genutzten Kommunikationsinhalte am PoS sind. Aber auch Informationen zur Haltung der Tiere werden immerhin von knapp 50% der Befragten gelegentlich am PoS genutzt und von rund einem Drittel immer. Entsprechend scheint die Haltungsforminformation eine durchaus regelmäßig genutzte Information am PoS zu sein.

3.2 Verhältnis von Preis- und Haltungsforminformationen

Informationen zum Preis und zur Haltung der Tiere werden oftmals als konkurrierende Informationsinhalte gesehen, die den Kaufentscheidungsprozess am PoS in Bezug auf Tierwohlprodukte bestimmen (Yeh und Hartmann 2021). So sind Produkte mit höheren Standards bei der Haltung der landwirtschaftlichen Nutztiere oftmals mit einem Aufpreis versehen, der eine Kaufbarriere darstellt (Van Doorn und Verhoef 2015), sodass der Eindruck einer Moral der Kundschaft entsteht, die spätestens am Regal mit der Preisinformation endet (Krampe et al. 2018). Entsprechend wurde die Nutzung von Kommunikationsinhalten zur Haltung der Tiere und der Wichtigkeit der Preisinformation genauer betrachtet.

Zunächst wurden die zwei Arten der Preisinformation (Produktpreis und Preis pro kg) miteinander verglichen. Dabei lässt sich für die Wichtigkeitsbewertungen feststellen, dass der Preis pro Kilogramm eine höhere Wichtigkeit besitzt (n = 309; M = 3,95; SD = 0,896) als der Produktpreis (n = 322; M = 3,91; SD = 0,93). Zwar ist dieser Unterschied nicht signifikant (t(629) = -0,484; p = 0,629),Footnote 3 erscheint jedoch plausibel. Der Preis pro Kilogramm könnte für die Befragten, die diese Information nutzen, wichtiger sein, da er eine Gegenüberstellung von Angeboten vor Ort trotz unterschiedlicher Verpackungsgrößen erlaubt. Diese Preisinformation wurde daher für die nachfolgenden Betrachtungen fokussiert.

Mit Hilfe eines Chi-Quadrat Tests wurde der Zusammenhang zwischen der Nutzung und Wichtigkeitsbewertung von Kommunikationsinhalten zur Preis- und Haltungsforminformation betrachtet. Befragte, die angeben, den Kommunikationsinhalt Preis pro Kilogramm (nicht) zu nutzen, scheinen mit größerer Wahrscheinlichkeit auch (nicht) den Kommunikationsinhalt Haltungsforminformation zu nutzen (X2(1, n = 2000) = 88,713; p < 0,001). Schaut man sich jedoch diejenigen Befragten genauer an, die angeben, Preisinformationen (Preis pro kg) als Kommunikationsinhalt zu nutzen, lässt sich ein differenzierteres Bild erkennen. Hierzu wurde eine logistische Regression durchgeführt, um die Auswirkung der Wichtigkeitsbewertung von Preis pro Kilogramm auf die Wahrscheinlichkeit der Nicht-Nutzung von Haltungsforminformationen als Kommunikationsinhalt zu ermitteln. Das logistische Regressionsmodell ist statistisch signifikant (X2(1, n = 309) = 34,488; p < 0,001).Footnote 4 So zeigt sich, dass bei den Befragten eine um eine Einheit steigende Wichtigkeitsbewertung der Preisinformation (Preis pro kg) mit einer rund 2,3-fachen Zunahme der relativen Wahrscheinlichkeit der Nicht-Nutzung der Haltungsforminformation verbunden ist (OR = 2,342; 95% CI [1,763; 3,111]).Footnote 5 Entsprechend ist die Wahrscheinlichkeit der Nutzung von Haltungsforminformationen für Befragte geringer, welche die Preisinformation (Preis pro kg) nutzen und dieser eine höhere Wichtigkeit zusprechen.

3.3 Warum wichtig erachtete Informationen selten genutzt werden

Auffällig bei der deskriptiven Betrachtung der Nutzungs- und Wichtigkeitsangaben ist, dass manche Kommunikationsinhalte zwar zum Zeitpunkt der Befragung nur wenig genutzt werden, jedoch genau diese Informationen eine relativ hohe Wichtigkeit für diejenigen Personen haben, die sie nutzen. Um dieses Ergebnis zu interpretieren, wurden die Nutzungs- und Wichtigkeitsbewertungen der Kommunikationsinhalte jeweils in RankingsFootnote 6 gebracht (Tabelle 1). Dieses Vorgehen erlaubt es, Diskrepanzen zwischen der aktuellen Nutzung und der damit verbundenen Wichtigkeit zu identifizieren.

Tab. 1 Rankingauswertung von Nutzungs- und Wichtigkeitsbewertungen von Informationen am Point of Sale

Grundsätzlich werden Kommunikationsinhalte, wie z. B. Haltbarkeit, Gewicht, Inhaltsstoffe, Nährwertangaben und die Werbebotschaft, entsprechend ihrer Nutzung als wichtig angesehen. Darüber hinaus deutet sich an, dass die am häufigsten genutzten Inhalte zur Preisinformation zwar weiterhin relativ wichtig sind, jedoch nicht die höchste Wichtigkeitsbewertung haben. Neben der Haltung der Tiere, die im Vergleich zum Nutzungsranking im Wichtigkeitsranking auf einem höheren Platz ist, scheint insbesondere der Medikamenteneinsatz bei den Tieren eine hohe Relevanz für die Befragten zu haben. So steigt Medikamenteneinsatz bei den Tieren in der Befragung vom drittletzten Platz bei der Nutzung auf den zweithöchsten Platz bei der Wichtigkeitsbewertung. Dies könnte darauf hindeuten, dass entsprechende Kommunikationsinhalte als Information von einigen wenigen verwendet und als relativ wichtig erachtet werden, jedoch aktuell nicht viele Verbraucherinnen und Verbraucher diesen Kommunikationsinhalt als Information am PoS nutzen.

Um zu untersuchen, ob es hier eine Kommunikationslücke geben könnte, können zusätzlich die Antworten zu den Gründen der Nicht-Nutzung entsprechender Inhalte herangezogen werden. Hierzu wurden Befragte zu drei Kommunikationsinhalten, die sie nicht nutzen, nach dem Hauptgrund für die Nicht-Nutzung befragt (vgl. Abb. S1). Es zeichnete sich ab, dass die meisten Informationen nicht relevant zu sein scheinen (durchschnittlich 53,9%). Jedoch deutet sich eine Kommunikationslücke bezüglich der Information zum Medikamenteneinsatz bei den Tieren an. So geben lediglich 23,8% der Befragten an, dass diese Information für sie nicht relevant sei. Gleichzeitig interessieren sich 39% der Befragten zwar für den Medikamenteneinsatz bei den Tieren; sie wüssten jedoch nicht, wo sie nach einem entsprechenden Kommunikationsinhalt suchen sollten. Weitere 16,9% der Befragten geben an, sie hätten danach gesucht, diesen jedoch nicht gefunden.

Dieses Beispiel zeigt, dass Betrachtungen wie die vorliegende dazu beitragen könnten, Informationsbedürfnisse und Kommunikationslücken zu identifizieren. Mit ihnen kann potenziell ein Kommunikationsbedarf erkannt werden und zwar immer dann, wenn (a) ein Kommunikationsinhalt wenig genutzt wird, jedoch von denen, die ihn nutzen, als relevant eingestuft wird und (b) gleichzeitig die Befragten, die eine entsprechende Information nicht nutzen, keinen entsprechenden Kommunikationsinhalt finden können oder nicht wissen wo sie danach suchen sollten.

3.4 Zeitlich stabile Informationsbedürfnisse

Ob hingegen ein Kommunikationsbedarf kritisch in Bezug auf den Informationsbedarf der Verbraucherinnen und Verbraucher ist und eine verstärkte Kommunikation der damit verbundenen Information benötigt wird, sollte durch einen zeitlich anhaltenden, nachhaltigen Bedarf bestätigt werden. Hierzu wären Langzeitbetrachtungen bzw. Panelstrukturen ideal, die es erlauben, eine mögliche Veränderung im Zeitablauf nachzuzeichnen. Im Projekt wurde entsprechend in der zweiten und dritten Erhebungswelle versucht, mögliche Veränderungen der Informationsbedarfe nachzuvollziehen sowie potenzielle Lücken aus der ersten Erhebungswelle als kritisch zu bestätigen. Hierzu wurde eine retrospektive Abfrage zu den Kommunikationsbedürfnissen der vergangenen drei Monate genutzt, um die bewusste Nachfrage nach entsprechenden Kommunikationsinhalten und -trägern am PoS zu identifizieren. Eine retrospektive Abfrage erlaubt es, bei Querschnittsbefragungen ohne Panelstruktur Veränderungen im Kommunikationsbedarf festzustellen (Powers et al. 1978).

Die Betrachtung der entsprechenden Daten zeigt, dass bei allen Informationen der Kommunikationsbedarf bei mehr als 50% der Befragten über beide Erhebungswellen hinweg gleichgeblieben ist (Abbildung 2). Vergleicht man die Erhebungswellen miteinander, zeichnet sich für die Preisinformationen ein signifikanter Unterschied ab (Preis des Produktes: F(1, 3998) = 4,291; p = 0,038; \(\upeta_{{\text{p}}}^{{2}}\) = 0,001; Preis pro kg: F(1, 3998) = 8,675; p = 0,003; \(\upeta_{{\text{p}}}^{{2}}\) = 0,002).

Abb. 2
figure 2

Veränderungen im Informationsbedarf. Die Originalfrage lautet: „Denken Sie an die letzten drei Monate: Zu welchen Informationen* über Produkte aus landwirtschaftlicher Nutztierhaltung wollten Sie mehr oder weniger im Supermarkt erfahren?“ Antwortoptionen: 1 = „Ich wollte mehr erfahren über …“; 2 = „Ich wollte weniger erfahren über …“; 3 = „Mein Informationsbedarf zu … ist gleichgeblieben“. Für die statistischen Analysen wurde die Skalierung (auf 1 = "Ich wollte mehr erfahren über …”; − 1 = “Ich wollte weniger erfahren über …”; 0 = “Mein Informationsbedarf zu … ist gleichgeblieben”) umkodiert. Alle Angaben sind in Prozent. Abweichungen von 100% sind rundungsbedingt. *signifikant (Preis des Produktes: F(1, 3998) = 4,291; p = 0,038; \(\upeta_{{\text{p}}}^{{2}}\) = 0,001; Preis pro Kilogramm: F(1, 3998) = 8,675; p = 0,003; \(\upeta_{{\text{p}}}^{{2}}\) = 0,002)

Grundsätzlich scheinen die Befragten, die eine Veränderung in den letzten drei Monaten vor der Befragung angegeben haben, tendenziell mehr erfahren zu wollen. Bezüglich der kritischen Kommunikationslücke zum Medikamenteneinsatz bei Tieren zeichnet sich beispielsweise ab, dass ca. 40% der Befragten über beide Erhebungswellen konstant in den letzten drei Monaten vor der Befragung hierzu mehr erfahren wollten. Dieses Ergebnis deutet einen Bedarf in diesem Bereich an. Auch bei den Inhalten Haltung der Tiere und Herkunftsregion lässt sich bei ca. 45% der Befragten ein stetiger Informationsbedarf in den drei Monaten vor den Befragungen über beide Erhebungswellen hinweg vermuten.

Der Bedarf an Information zur Haltung der Tiere war bereits bei der Erhebung des Status quo in der ersten Erhebung ein Kommunikationsinhalt, der oft genutzt und von den Befragten als wichtig bewertet wurde (Tabelle 1). Dabei scheint die Label-Bekanntheit stark mit der Nutzung der Haltungsforminformation zusammenzuhängen. Dies zeigt eine genauere Betrachtung, bei der die Nutzung von Haltungsforminformation als Kommunikationsinhalt signifikant mit der Bekanntheit des Labels Haltungsform zusammenhängt (t (635,449) = − 15,514; p < 0,001).Footnote 7 Signifikant mehr Befragte scheinen dieses Label zu kennen, wenn sie angeben, Haltungsinformationen auch zu nutzen. Entsprechend scheinen bereits existierende Labels ausreichende Informationen zu den Haltungsformen vermitteln zu können – es scheitert jedoch an der Bekanntheit der Labels. Hier könnte durch eine gezieltere Aufklärung – z. B. über das Label Haltungsform – der Bedarf an Information zur Haltung der Tiere mit bereits existierenden Labels befriedigt werden. Des Weiteren könnte durch eine Erweiterung der Kommunikationshalte in diesem Kommunikationsträger durch Informationen zum Medikamenteneinsatz bei den Tieren ein weiterer, möglicherweise kritischer Informationsbedarf gedeckt werden.

3.5 Kommunikationsträger – welche Medien werden am PoS genutzt

Eine weitere Frage, die im Rahmen der Erhebungen beantwortet werden sollte, war, über welche Kommunikationsträger die Informationsbeschaffung hauptsächlich stattfindet. Mit der Beantwortung dieser Frage können kritische Kontaktpunkte zur Informationsvermittlung am PoS identifiziert werden, die von den Befragten laut eigner Aussage aktiv zur Informationsbeschaffung genutzt werden. So können Potenziale identifiziert werden, um Kommunikationsmaßnahmen effektiver und gegebenenfalls effizienter zu gestalten.

Anhand der prozentualen Darstellung der genutzten Kommunikationsträger lässt sich erkennen, dass der Kommunikationsträger Verpackung am häufigsten genutzt wird (durchschnittlich ca. 71,8% über alle Kommunikationsinhalte hinweg, Abbildung S2). Kommunikationsinhalte, die durch Personal und Prospektständer als Kommunikationsträger kommuniziert werden, nutzen knapp 10% der Befragten zu Informationszwecken. Insbesondere bezüglich der tierbezogenen Kommunikationsinhalte (z. B. Schlachtung 16,6%, Medikamenteneinsatz 14,3%) wird das Personal vergleichsweise häufig zur Informationsbeschaffung genutzt. Regal- und Preisschilder (30,3% und 24,9%) und Labels (25,9%) werden am PoS von den Befragten eher weniger und im Durchschnitt von nur knapp einem Viertel der Befragten verwendet. Oftmals als Teil der Verpackung, die sehr häufig für verschiedene Kommunikationsinhalte genutzt wird, werden laut eigner Aussage Labels im Vergleich weniger häufig bewusst zur Informationsbeschaffung von den Befragten genutzt. Mit der Verpackung als am häufigsten genutzter Kommunikationsträger für die Befragten, scheint dieses Medium zur Platzierung von Labels zwar sinnvoll zu sein im Hinblick auf die Nutzung als kritischer Kontaktpunkt, jedoch könnte auch die Gefahr der Informationsüberflutung bestehen (Scheibehenne et al. 2010).

3.6 Hinreichender Wiedererkennungswert von Labels im direkten Vergleich

Entsprechend kann es für eine effektive Gestaltung von Labels sinnvoll sein, deren Bekanntheit anhand ihres Wiedererkennungswertes bei konkurrierenden Informationsangeboten zu untersuchen. Um diesen Zusammenhang zu durchdringen, wurden die Bekanntheit von und das Vertrauen in aktuell im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zur Produktkennzeichnung verwendeten Labels in allen drei Erhebungswellen gemessen. Neben anderen Möglichkeiten Bekanntheitsgrade zu erfassen, wurde in diesem Zusammenhang die Bekanntheit sämtlicher Labels, wie bereits im zweiten Kapitel erläutert, durch die gleichzeitige Anzeige aller Bezeichnungen ermittelt und durch die Anzahl der Bekanntheitsnennungen quantifiziert.

Der Vergleich der Angaben zur Wiedererkennung der Labels zeigt signifikante Unterschiede in der Häufigkeit der Bekanntheitsnennungen der getesteten Labels (Wald Chi-Quadrat Test, WT(12) = 11,558,205; p < 0,001), die sich über die drei Erhebungswellen nicht signifikant veränderten (Wald Chi-Quadrat Test, WT(2) = 5,812; p = 0,055).Footnote 8 Das häufigste wiedererkannte Label ist demnach das deutsche Bio-Label nach EG-Öko-Verordnung, welches in der ersten Erhebungswelle 91,3%, in der zweiten Erhebungswelle 89,1% und in der dritten Erhebungswelle 89,8% der Befragten bekannt war (Abbildung 3). Einen deutlich geringeren Wiedererkennungswert im direkten Vergleich mit anderen Labels scheinen hingegen die Labels von Neuland (13,8% / 15,5% / 14,6%), Vierpfoten (8,5% / 6,3% / 7,7%) sowie dem Deutschen Tierschutzbund (9,5% / 6,3% / 6,9%) bei den Befragten zu besitzen. Diese erkennen die Befragten im Vergleich zu einem für die Erhebung entworfenen Fake-Label (12,9% / 12,9% / 13,5%) sogar signifikant weniger (Vierpfoten: t(1) = − 0,06; SEM = 0,005; p < 0,001; Tierschutzbund: t(1) = − 0,06; SEM = 0,005; p < 0,001) oder gleich (Neuland: t(1) = 0,1; SEM = 0,006; p = 0,804) häufig.Footnote 9

Abb. 3
figure 3

Bekanntheit der Labels. Die Originalfrage lautet: „Bitte markieren Sie alle Labels, die Ihnen bekannt sind (Mehrfachnennungen möglich)“. Die Labels wurden als Logo in randomisierter Reihenfolge abgefragt. In der ersten Erhebungswelle wurde die Option „keins bekannt“ nicht zu Wahl gestellt. An elfter Position ist das Fake-Label zu sehen. Angaben in Prozent. Mehrfachnennung möglich

Für die Labels, die den Befragten bekannt waren, wurde zusätzlich das Vertrauen in diese erfragt (Abbildung S3, Supplementary Information). Dabei scheint sich das Vertrauen signifikant zwischen den Erhebungswellen zu unterscheiden (Haupteffekt Erhebungswelle: F(2, 3275,976) = 27,72; p < 0,001). Jedoch sind die tatsächlichen Unterschiede minimal und es lässt sich kein zu- oder abnehmender Trend erkennen (EMMSErhebungswelle1 = 3,342; EMMSErhebungswelle2 = 3,490; EMMSErhebungswelle3 = 3,414). Zwischen den Erhebungswellen verändern sich ebenso die Unterschiede im Vertrauen zu den einzelnen Labels nicht (Interaktion: F(24, 2452,913) = 1,41, p = 0,089).Footnote 10 Es zeigen sich jedoch signifikante Unterschiede zwischen den Vertrauensbewertungen der Labels (Haupteffekt Label: F(12, 2328,299) = 27,77, p < 0,001): Demeter hat offenbar einen signifikanten Vertrauensvorsprung. Weitere signifikante Vertrauensunterschiede deuten sich zwischen Verbandslabels an, wie Bio-EG, Naturland, Bioland, und branchen- und händlerinitiierten Labels wie den Bio-Labels von REWE oder ALDI SÜD sowie dem Label der Initiative Tierwohl. Hier zeichnet sich ein leichter Vertrauensvorsprung für die Verbandslabels ab, wobei insgesamt zu betonen ist, dass allen Labels, die den Befragten bekannt waren, etwas vertraut wurde. So lagen die Vertrauensdurchschnittswerte bei den Labels insgesamt nur zwischen EMMSmin = 3,247 (Initiative Tierwohl) und EMMSmax = 3,711 (Demeter).

4 Diskussion und Schlussfolgerungen

Informationen zur landwirtschaftlichen Nutztierhaltung scheinen je nach Situation und Involvement das Verhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern unterschiedlich beeinflussen zu können (Weinrich und Spiller 2016; Gier et al. 2018b). Dies hat u. a. den Hintergrund, dass manche Kommunikationsmaßnahmen erst am PoS ihre informative Wirkung entfalten können (Gier et al. 2018a). Um ein Intention-Behavior-Gap (Aschemann‐Witzel und Niebuhr Aagaard 2014; Carrington et al. 2014; Frank und Brock 2018) weiter schließen zu können, sollten gezielte und bedarfsgerechte Informationen an entscheidenden Stellen im Kaufentscheidungsprozess eingesetzt werden, um Verbraucherinnen und Verbraucher nachhaltigere Kaufentscheidungen zu ermöglichen (Frank und Brock 2018). Für eine effektive und effiziente Gestaltung der Verbraucherinformation ist aber zunächst eine Kenntnis darüber notwendig, welche Kommunikationsmaßnahmen das Verhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern beeinflussen können und für diese besonders relevant sind (Frank und Brock 2018).

Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen dieses Beitrags dargestellt, (a) welche Kommunikationsinhalte am PoS durch Verbraucherinnen und Verbraucher (nicht) genutzt und als (un)wichtig erachtet werden, (b) welche Kommunikationsträger als potenzielle Informationsquelle am Point of Sale genutzt werden, (c) welche Labels, die im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zur Produktkennzeichnung verwendet werden, hinreichend bekannt und vertrauensvoll sind sowie (d) welche Veränderungen hinsichtlich des Informationsbedarfs bestehen. Zusammenfassend ergeben sich aus dieser Studie folgende Antworten auf die gestellten Fragestellungen:

  1. 1.

    Welche Kommunikationsinhalte werden von Verbraucherinnen und Verbrauchern am PoS nach eigener Aussage genutzt?

    • Preis und Haltbarkeitsinformationen werden am häufigsten am PoS genutzt.

    • Aber auch Haltungsforminformationen werden durchaus regelmäßig am PoS genutzt.

  2. 2.

    Welche genutzten Kommunikationsinhalte werden von Verbraucherinnen und Verbrauchern als besonders wichtig erachtet?

    • Die Wichtigkeit standardisierter Preisinformation (Preis pro kg) scheint negativ mit der Nutzung von Informationen zur Tierhaltung zusammenzuhängen.

    • Informationen zum Medikamenteneinsatz bei den Tieren werden zwar wenig genutzt, aber von denen, die sie nutzen, als relativ wichtig angesehen.

  3. 3.

    Warum werden Informationen durch Verbraucherinnen und Verbraucher nicht genutzt?

    • Der Hauptgrund für die Nicht-Nutzung der meisten Kommunikationsmaßnahmen am PoS scheint deren subjektiv empfundene Irrelevanz zu sein.

    • Der Medikamenteneinsatz bei den Tieren scheint schwerer zu finden zu sein, was auf eine Kommunikationslücke in diesem Bereich hinweisen könnte.

  4. 4.

    Lassen sich Veränderungen hinsichtlich des Informationsbedarfs feststellen?

    • Der Bedarf an Preisinformation hat über die letzten beiden Erhebungswellen signifikant zugenommen. 

    • Einen konstanten Informationsbedarf scheint es im Hinblick auf die Haltung der Tiere zu geben. Eine verstärkte Aufklärung über das Label Haltungsform mit ergänzenden Informationen zum Medikamenteneinsatz bei den Tieren könnte diese Lücken möglicherweise schließen.

  5. 5.

    Welche Kommunikationsträger werden zur Information am PoS genutzt?

    • Der Hauptkommunikationsträger am PoS ist die Verpackung, die oft auch Labels enthält.

    • Labels, die ein Teil der Verpackung sind, werden im Supermarkt häufiger genutzt.

  6. 6.

    Sind die aktuell im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zur Produktkennzeichnung verwendeten Labels im direkten Vergleich hinreichend bekannt und vertrauenswürdig?

    • Es gibt große Unterschiede zwischen den Bekanntheitsgraden der verschiedenen Labels.

    • Wenn Personen ein Label kennen, scheint jedoch keines der Labels einen deutlichen Vertrauensvorsprung zu haben.