1 Einleitung

Aktuell dominierende Nutztierhaltungssysteme sind sowohl aus tierwissenschaftlicher als auch aus gesellschaftlicher Sicht stark verbesserungswürdig und stehen seit Jahren im Mittelpunkt öffentlicher Kritik (Dawkins 2016; Clark et al. 2016; Mkwanazi et al. 2019; Alonso et al. 2020). Wie Studien belegen, besteht aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger vor allem der Wunsch nach natürlicheren und artgerechteren Haltungsbedingungen, die den Tieren z.B. deutlich mehr Platz oder Zugang nach draußen bieten (Clark et al. 2016). Neben dem Tierwohl hat die Nutztierhaltung jedoch auch negative Auswirkungen auf andere Bereiche wie Umwelt, Klima oder menschliche Gesundheit (Post et al. 2020) trägt sie doch z.B. zur globalen Erderwärmung bei (Tullo et al. 2019) oder begünstigt das Auftreten von Zoonose-Infektionen beim Menschen (Dawkins 2016). Deshalb treten zunehmend Forderungen nach einer grundsätzlich nachhaltigeren Ausrichtung der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zu Tage (Post et al. 2020) eine Nutzierhaltung, die umweltfreundlich, tierfreundlich, profitabel und gesellschaftlich akzeptabel zugleich ist (Lebacq et al. 2013). Als eine von mehreren Säulen ist besonders die Verbesserung des Tierwohls eine komplexe Aufgabe (Velarde et al. 2015), bei der die Interessen verschiedener Stakeholder berücksichtigt werden müssen (Alonso et al. 2020). Nicht selten entstehen dabei Zielkonflikte, die sowohl zwischen verschiedenen Zielkategorien (z.B. Tierschutz, Umwelt- oder Klimaschutz, menschlicher Gesundheit oder wirtschaftlichen Faktoren) als auch innerhalb einer Zielkategorie auftreten können. Besonders prominent ist z.B. der Konflikt zwischen Tierschutz oder Umwelt- und Klimaschutz auf der einen Seite und ökonomischer Effizienz bzw. Preisen auf der anderen Seite (Meuwissen and Van Der Lans 2005). Es werden jedoch zunehmend auch Konflikte zwischen unterschiedlichen Nachhaltigkeitsbereichen oder sogar innerhalb eines einzelnen Nachhaltigkeitsbereichs diskutiert. Ein Beispiel sind Haltungssysteme mit Außenklimakontakt, die sich zwar einerseits vorteilhaft auf das Tierwohl, andererseits jedoch auch nachteilig auf Umwelt, Klima, menschliche Gesundheit oder sogar die Tiergesundheit auswirken können (Siegford et al. 2008; Dawkins 2016; Delsart et al. 2020; Wolf et al. 2022). Im Sinne einer nachhaltigen, zukunftsorientierten Transformation der Nutztierhaltung ist es notwendig, mögliche Zielkonflikte zu identifizieren und diese nicht nur aus wissenschaftlicher, sondern auch aus gesellschaftlicher Sicht zu bewerten.

Bisher gibt es nur wenige Studien, die sich mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Bewertung von Zielkonflikten beschäftigen. Zudem konzentrieren sich diese meistens allein auf eine Tierart, nutzen unterschiedliche Methoden oder widmen sich nur einzelnen ausgewählten Zielkonflikten in einem bestimmten Kontext. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die Konfrontation mit Zielkonflikten bei den Befragten ein Gefühl der Hilflosigkeit und Überforderung auslöst, im Zweifel Tierwohl jedoch der Vorzug vor anderen Aspekten wie Umweltschutz oder ökonomischen Faktoren gegeben wird (Meuwissen and Van Der Lans 2005; Ryan et al. 2015; Sonntag et al. 2019; Schmiess and Lusk 2022). Ziel der vorliegenden Studie ist es, mit Hilfe der Methoden des Best-Worst Scalings (BWS) und des Rankings zu untersuchen, wie wichtig den Menschen in Deutschland verschiedene in der Nutztierhaltung relevante Aspekte im Konfliktfall sind. Dabei wurden nicht nur die Wichtigkeit unterschiedlicher Aspekte wie Tier-, Umwelt- oder Klimaschutz oder der menschlichen Gesundheit bewertet, sondern insbesondere auch einzelne Teilaspekte innerhalb des Tierschutzes für die vier Tierarten Mastschweine, Milchkühe, Masthähnchen und Legehennen beleuchtet.

Unsere Ergebnisse leisten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung politischer Rahmenbedingungen im Sinne einer nachhaltigen und gesellschaftlich akzeptierten Transformation der Nutztierhaltung. So helfen sie einerseits, die Frage nach der grundsätzlichen Ausrichtung der Nutztierhaltung zu beantworten, indem sie aufzeigen, welche Bereiche (z.B. Tierschutz oder Umwelt- und Klimaschutz) aus gesellschaftlicher Sicht priorisiert werden. Andererseits können sie mit Blick auf den Tierschutz Antworten liefern, indem sie herausstellen, welche Teilaspekte (z.B. Tiergesundheit oder Haltungsbedingungen) Bürgerinnen und Bürgern besonders wichtig sind und deshalb zukünftig verstärkt Berücksichtigung finden sollten (z.B. bei der Ausgestaltung von Tierwohllabels).

2 Material und Methoden

Die Daten der vorliegenden Studie wurden in der 3. Erhebungswelle zwischen Juli und August 2022 im Rahmen des Teilmoduls „Umgang mit Zielkonflikten zwischen verschiedenen Schutzgütern“ des ersten Arbeitspakets (AP1) des Projektes „SocialLab II − Akzeptanz durch Innovation“ erhoben. Die Teilnehmenden wurden über ein Marktforschungsinstitut mittels eines Quotenauswahlverfahrens rekrutiert. Dabei wurden Quoten entsprechend der offiziellen Bevölkerungszahlen in Deutschland (laut Statistischem Bundesamt) festgelegt für: Geschlecht, Alter, regionale Herkunft, Haushaltsnettoeinkommen, Erwerbsstatus, Bildungsabschluss und Ernährungsgewohnheiten (s. Tab. 2 des Artikels „AP1: Monitoring der gesellschaftlichen Akzeptanz der Nutztierhaltung“). Insgesamt haben rund 2.000 Personen an der Befragung teilgenommen. Diese wurden auf 4 Teilstichproben für die Tierarten Milchkühe (n = 494), Mastschweine (n = 504) Masthähnchen (n = 499) und Legehennen (n = 507) verteilt. Da die Ergebnisse der 3. Erhebungswellen insgesamt ähnliche Tendenzen zeigen, steht im vorliegenden komprimierten Beitrag die zu diesem Zeitpunkt aktuellste 3. Erhebungswelle im Fokus. Die Ergebnisse aller bisherigen Erhebungswellen sind jedoch zur Übersicht im online verfügbaren Anhang dargestellt (Tab. A2; A3, Supplementary Material).

Um zu untersuchen, wie wichtig der Bevölkerung verschiedene Aspekte sind, zwischen denen Zielkonflikte auftreten können, wurden 2 unterschiedliche Konfliktsituationen konstruiert. Hierbei kamen mit dem BWS und dem Ranking 2 Methoden zum Einsatz, die keine separate Bewertung der Aspekte vorsehen (im Gegensatz zu einer Rating-Skala), sondern eine Abwägung zwischen den einzelnen Aspekten, d.h. eine relative Bewertung, erfordern. In der ersten Konfliktsituation (KS1) mussten die Befragten 7 Aspekte aus unterschiedlichen Zielkategorien (z.B. Tierschutz, Umwelt- und Klimaschutz oder menschliche Gesundheit) (Tab. 1) und in der zweiten (KS2) 7 Aspekte aus der Zielkategorie „Tierschutz“ (z.B. guter Gesundheitszustand, gute Haltungsbedingungen, keine schmerzhaften Managementmaßnahmen) (Tab. 2) bewerten. Während beide Konfliktsituationen in allen 4 Teilstichproben bewertet werden mussten, wurden die Methoden jeweils nur bei 2 Tierarten eingesetzt (Tab. 1 und Tab. 2). Außerdem wurde bei den Legehennen die Formulierung der Aspekte angepasst, indem auf die Beispiele in Klammern verzichtet wurde. Eine Übersicht über alle 14 Aspekte einschließlich Beispielen ist zusätzlich in Tabelle A1 (Supplementary Material) dargestellt. Die Auswahl der Aspekte erfolgte auf der Grundlage von Expertengesprächen, die im Rahmen von Vorarbeiten für das Arbeitspaket 3 (Zukunftswerkstatt) von unserem Projektpartner INSTET durchgeführt wurden, sowie vorhandener Literatur. Die Auswahl der unterschiedlichen Aspekte innerhalb der Kategorie „Tierschutz“ orientiert sich an den entwickelten Kriterien des Welfare Quality® Projekts (Blokhuis et al. 2013).

Tab. 1 Wichtigkeit der Aspekte unterschiedlicher Zielkategorien (KS1)
Tab. 2 Wichtigkeit der Aspekte innerhalb der Zielkategorie „Tierschutz“ (KS2)

Im Rahmen des BWS kam das sog. Balanced Incomplete Block Design (BIBD) im 7, 4, 2, 2 Design zur Anwendung (Louviere et al. 2013). Die Bewertung der Aspekte erfolgte, indem die Befragten aus jeweils 7 Blöcken à 4 Aspekten immer den für sie wichtigsten und den für sie unwichtigsten Aspekt auswählten. Im Fall des Rankings mussten die Aspekte entsprechend ihrer Wichtigkeit geordnet werden, wobei Platz 1 der wichtigste Aspekt war und Platz 7 der unwichtigste.

Die Datenanalyse erfolgte mit Hilfe der Software IBM SPSS Statistics 26 und Microsoft Excel 2019. Für die Analyse der BWS wurde zunächst ausgezählt, wie oft jeder Aspekt insgesamt als am wichtigsten (B = best) und als am unwichtigsten (W = worst) ausgewählt wurde (Ola and Menapace 2020). Anschließend wurde die relative Wichtigkeit (RW) jedes Aspekts bestimmt, die aussagt wie wahrscheinlich es ist, dass ein bestimmter Aspekt als wichtigster Aspekt ausgewählt wurde (Cohen 2009). Hier gilt: je höher der Wert, desto besser die Platzierung bzw. desto wichtiger der Aspekt. Zur Auswertung der Rankings wurde der mittlere Rang (MR) jedes Aspekts durch Berechnung des jeweiligen Mittelwerts bestimmt. Dieser Wert sagt aus, welche Platzierung (1–7) jeder Aspekt im Durchschnitt der Stichprobe erhielt. Hier gilt: je niedriger der Mittelwert desto besser die Platzierung bzw. desto wichtiger der Aspekt.

3 Ergebnisse

3.1 Wichtigkeit der Aspekte unterschiedlicher Zielkategorien (KS1)

Die Wichtigkeitsreihenfolge der 7 abgefragten Aspekte ist über alle 4 Tierarten hinweg sehr ähnlich. Einzig beim Blick auf die Platzierungen 5–7 ist eine leichte Verschiebung zwischen den Tierarten zu erkennen (Tab. 1). Auf Platz 1 befindet sich der Aspekt „Tierschutz“, auf Platz 2 „Schutz der menschlichen Gesundheit“, gefolgt von „Natur- und Artenschutz“. Auf dem mittleren und 4. Platz steht „Umwelt- und Klimaschutz“. Die Plätze 5–7 belegen die Aspekte „Sicherung der Welternährung“ (Platz 5 bei den Mastschweinen, Legehennen und Masthähnchen und Platz 6 bei den Milchkühen), „Schutz der in der Nutztierhaltung tätigen Menschen“ (Platz 6 bei den Mastschweinen und Masthähnchen, Platz 7 bei den Legehennen und Platz 5 bei den Milchkühen) sowie „Gutes Preis-Leistungsverhältnis“ (Platz 7 bei den Mastschweinen, Masthähnchen und Milchkühen und Platz 6 bei den Legehennen).

3.2 Wichtigkeit der Aspekte innerhalb der Zielkategorie „Tierschutz“ (KS2)

Im Gegensatz zu den Aspekten der unterschiedlichen Zielkategorien unterscheidet sich die Wichtigkeitsreihenfolge der Aspekte innerhalb der Kategorie Tierschutz etwas stärker zwischen den Tierarten (Tab. 2). Auf den ersten 3 Plätzen befinden sich allerdings über alle Tierarten hinweg die Aspekte „Gute Versorgung mit Futter und Wasser“, „Gute Haltungsbedingungen“ und „Guter Gesundheitszustand“ mit leichter Variation in der genauen Platzierung. So rangiert z.B. der Aspekt „Gute Haltungsbedingungen“ bei den Masthähnchen und Milchkühen auf Platz 1, während er bei den Mastschweinen und Legehennen nur Platz 2 einnimmt. Ein Blick auf die Höhe der relativen Wichtigkeitswerte bzw. Mittelwerte zeigt, dass nur geringe Unterschiede zwischen den Aspekten bestehen, was bedeutet, dass alle drei als ähnlich wichtig bewertet wurden. Im Gegensatz dazu ist, besonders mit Blick auf die relativen Wichtigkeitswerte (Mastschweine und Legehennen), ein starker Abfall der Wichtigkeit zwischen Platz 3 und 4 zu beobachten. Die Plätze 4 und 5 teilen sich abwechselnd je nach Tierart die Aspekte „Möglichkeit zum Ausleben angeborener Verhaltensweisen“ und „keine schmerzhaften Managementmaßnahmen“. Auf dem vorletzten Platz landet bei allen Tierarten der Aspekt „positiver Gemütszustand“. Das einstimmige Schlusslicht bildet der Aspekt „Gute Mensch-Tier-Beziehung“. Ähnlich wie bei den Plätzen 1–3 bewegen sich die Wichtigkeitswerte der Plätze 4–7 alle auf einem ähnlichen Niveau (hier jedoch niedrige Wichtigkeit).

4 Diskussion und Handlungsempfehlungen

In westlichen Ländern beherrscht die Sorge um den Tierschutz bzw. das Tierwohl seit Jahren die gesellschaftliche Diskussion rund um die Nutztierhaltung (Thorslund et al. 2017; Clark et al. 2019). Mehr als 9 von 10 Bürgerinnen und Bürger der EU halten den Schutz des Wohlergehens von Nutztieren für wichtig und rund 80% sind der Meinung, dass das Wohlergehen besser geschützt werden sollte (European Commission 2016). Auch in Entwicklungsländern gewinnt die Sorge um das Tierwohl zunehmend an Bedeutung und immer mehr deutet darauf hin, dass wir es hier nicht mit einem vorübergehenden Trend, sondern vielmehr mit einem Wertewandel zu tun haben (Estévez-Moreno et al. 2022). Die Ergebnisse unserer Studie untermauern diese Entwicklung. Unabhängig von der Tierart, der angewandten Methode oder der Formulierung der Aspekte (d.h. mit oder ohne konkrete Beispiele in Klammern) wurde der Tierschutz als am wichtigsten bewertet. Besonders bemerkenswert ist dieses Ergebnis, wenn man bedenkt, dass es sich hier nicht um eine isolierte, sondern um eine Bewertung im direkten Vergleich zu anderen Nachhaltigkeitsaspekten handelt. Einzig der Aspekt „Schutz der menschlichen Gesundheit“ wurde als ähnlich wichtig bewertet wie der Tierschutz. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass Tierwohl (hier vor allem Tiergesundheit) und menschliche Gesundheit oft miteinander korrelieren, wie z.B. beim Antibiotikaeinsatz und bei Antibiotikaresistenzen (Clark et al. 2019; Alonso et al. 2020; Denver et al. 2021) und das Bewusstsein über solche Zusammenhänge (One-Health-Ansatz) durch die Corona-Pandemie noch weiter gestärkt wurde (Rhouma et al. 2021). Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, dass die Befragten diese Aspekte unkorreliert voneinander wahrnehmen und hier schlichtweg „egoistisch“ an ihr eigenes Wohl denken. Die Wichtigkeit von Umwelt- und Klimaschutz fällt im Vergleich zu diesen beiden Aspekten deutlich ab, was angesichts der aktuell intensiven Debatte um den Umwelt- und Klimaschutz und der Rolle der Nutztierhaltung (Tullo et al. 2019; Marquardt 2020) überraschend ist. Bisherige Studien stützen bzw. helfen jedoch bei der Erklärung dieser Bewertungsunterschiede, indem sie z.B. zeigen, dass viele Menschen die ökologischen Auswirkungen der Nutztierhaltung unterschätzen (Hartmann and Siegrist 2017) und die Sorge um das Tierwohl oder die eigene Gesundheit weitaus stärkere Motive darstellen, wenn es z.B. um die Reduktion oder gar den Verzicht auf Fleisch geht (Sanchez-Sabate and Sabaté 2019). In Übereinstimmung mit unseren Ergebnissen zeigten bereits frühere Studien, die sich mit der Relevanz verschiedener Aspekte in Bezug auf unterschiedliche Schweinehaltungssysteme beschäftigen, eine deutliche Präferenz für das Tierwohl gegenüber z.B. Klimaschutz (Schütz et al. 2023a) oder ökonomischen Aspekten (d.h. niedrige Produktionskosten/ Verbraucherpreise) (Schütz et al. 2023a; Sonntag et al. 2019). Im Gegensatz dazu stehen allerdings Ergebnisse aus Studien, die nicht die Einstellung der Befragten in ihrer Rolle als Bürgerinnen und Bürger, sondern als Konsumentinnen und Konsumenten, insbesondere in Kaufentscheidungssituationen, adressieren. In solchen Situationen werden häufig bestimmte Produkt- oder Produktionsattribute bevorzugt, die eher individuelle (z.B. Preis, Geschmack, Gesundheitswert) als tierschutz- oder umweltbezogene Vorteile mit sich bringen (Vanhonacker et al. 2007; Cummins et al. 2016; Verain et al. 2016; Grunert et al. 2018). Mittlerweile ist jedoch hinreichend bekannt, dass die Einstellungen von Bürgerinnen und Bürger nicht unbedingt mit dem übereinstimmen, was ihnen bei der Kaufentscheidung letztlich wichtig ist, und diese nicht zwangsläufig ihr tatsächliches (Kauf-)Verhalten widerspiegeln. Dieses Phänomen wird als Einstellungs-Verhaltens-Lücke oder Bürger-Konsumenten-Lücke bezeichnet, hat zahlreiche Ursachen (Miele 2010; Carrington et al. 2010; Aschemann-Witzel and Niebuhr Aagaard 2014; Busch and Spiller 2020; Alonso et al. 2020) und hilft, die Unterschiede im Vergleich zu unseren Ergebnissen zu erklären. Für eine ausführlichere Betrachtung siehe auch Schütz et al. (2023b).

Neben der allgemein hohen Bedeutung des Tierschutzes im Vergleich zu anderen Nachhaltigkeitsaspekten stellen unsere Ergebnisse 3 zentrale Teilaspekte innerhalb des Tierschutzes heraus. In allen 4 Teilstichproben wurden „Gute Versorgung mit Futter und Wasser“, „Gute Haltungsbedingungen“ und „Guter Gesundheitszustand“ mit Abstand am höchsten gewichtet. Frühere Studien lassen zwar bereits eine hohe Wichtigkeit dieser Aspekte erkennen, doch ist hier aus methodischen Gründen weder ein relativer noch systematischer Vergleich zwischen verschiedenen Aspekten bzw. Tierarten möglich (Ventura et al. 2016; Heise and Theuvsen 2017). Allerdings ist denkbar, dass sich die unterschiedlichen Tierschutzaspekte aus Sicht der Bevölkerung gegenseitig bedingen und davon ausgegangen wird, dass gute Haltungsbedingungen oder ein guter Gesundheitszustand sich positiv auf die übrigen Aspekte auswirken, was die hohen Gewichtungsunterschiede zumindest teilweise erklären würde.

Mit Blick auf die Transformation hin zu einer nachhaltigen Nutztierhaltung zeigen die Ergebnisse, dass dem Tierschutz trotz der großen gesellschaftlichen Relevanz des Klimaschutzes besondere Beachtung geschenkt werden sollte. Dies gilt vor allem für Bereiche, in denen Zielkonflikte auftreten und eine Priorisierung notwendig wird, weil z.B. nicht alle betroffenen Nachhaltigkeitsbereiche in gleichem Maße berücksichtigt werden können. Für Haltungssysteme mit Außenklimakontakt würde das z.B. bedeuten, dass die Umsetzung zugunsten des Tierwohls vorangetrieben und entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden sollten, auch wenn diese Nachteile für die Umwelt oder das Klima mit sich bringen können. Mögliche Zielkonflikte werden in der aktuellen agrarpolitischen Diskussion vielfach als Argument für eine steigende Intensivierung ins Feld geführt. Die hohe Gewichtung des Tierschutzes durch die Bevölkerung zeigt, dass Abstriche in diesem Bereich die Akzeptanz der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung gefährden—und letztlich den Verzehr von Fleischalternativen stärken könnten. Vor dem Hintergrund neuer Studienergebnisse wird für diesen Fall allerdings außerdem deutlich, dass zunächst überprüft werden sollte, inwiefern Zielkonflikte tatsächlich existieren. Neue Messdaten zeigen beispielsweise, dass Mastschweineställe mit Auslauf keine höheren Ammoniakemissionsraten aufweisen als zwangsgelüftete Ställe (Wolf et al. 2022), was den viel diskutierten Konflikt zwischen Tierwohl vs. Umwelt- und Klimaschutz relativiert.

Auch zur Diskussion um die Ausgestaltung einer staatlichen Tierhaltungskennzeichnung liefern unsere Ergebnisse einen wertvollen Beitrag, indem sie demonstrieren, wie wichtig die Einbeziehung von Tiergesundheitsindikatoren aus gesellschaftlicher Sicht ist. Aus europarechtlichen Überlegungen wurde das Label bisher auf Haltungskriterien fokussiert. Unsere Resultate sowie nutztierwissenschaftliche Studien (Dawkins 2016) sprechen dafür, dass dies nicht ausreicht. Möglicherweise könnten bei der privatwirtschaftlichen Umsetzung des Labels begleitende Zertifizierungserweiterungen vorgenommen werden.